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Ob in der Ukraine, in Syrien oder im «Ölkrieg» gegen Venezuela – Konflikte um Grenzen und Machtansprüche auf Territorien gestalten sich heute komplexer denn je. Zugleich erleben wir den Beginn einer neuen Art von Geopolitik, die unter fast paradoxen Vorzeichen steht: Ihre Akteure sind supranationale Organisationen oder Netzwerke, zu ihnen zählen Konzerne, Terrorgruppen und Hacker. Sie selbst sind nicht mehr an feste Gebiete gebunden, auf denen sie verwundbar wären, sie entziehen sich der territorialstaatlichen Politik und können diese dadurch umso leichter treffen. Herfried Münkler erklärt diese asymmetrische «Raumrevolution» und erläutert ihre möglichen Folgen im historischen Vergleich mit früheren geopolitischen Umbrüchen. Und er legt dar, wie sehr die netzwerkartigen Machtstrukturen schon jetzt Staaten beeinflussen und die künftige Geopolitik verändern: Klassische territoriale Verteidigung wird eine immer geringere Rolle spielen, die neue Raumverteidigung wird sich mehr und mehr dem Ausspähen von Kommunikation und Daten widmen, physische Grenzen und mit ihnen die Nationalstaaten werden an Bedeutung verlieren. Die Veränderungen, die all dies mit sich bringen wird, lassen sich heute erst erahnen – aber man muss die neue Geopolitik verstehen, um für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewappnet zu sein.
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Seitenzahl: 38
Veröffentlichungsjahr: 2015
Herfried Münkler
Über geopolitische Umbrüche und Verwerfungen
Ob in der Ukraine, in Syrien oder im «Ölkrieg» gegen Venezuela – Konflikte um Grenzen und Machtansprüche auf Territorien gestalten sich heute komplexer denn je. Zugleich erleben wir den Beginn einer neuen Art von Geopolitik, die unter fast paradoxen Vorzeichen steht: Ihre Akteure sind supranationale Organisationen oder Netzwerke, zu ihnen zählen Konzerne, Terrorgruppen und Hacker. Sie selbst sind nicht mehr an feste Gebiete gebunden, auf denen sie verwundbar wären, sie entziehen sich der territorialstaatlichen Politik und können diese dadurch umso leichter treffen.
Herfried Münkler erklärt diese asymmetrische «Raumrevolution» und erläutert ihre möglichen Folgen im historischen Vergleich mit früheren geopolitischen Umbrüchen. Und er legt dar, wie sehr die netzwerkartigen Machtstrukturen schon jetzt Staaten beeinflussen und die künftige Geopolitik verändern: Klassische territoriale Verteidigung wird eine immer geringere Rolle spielen, die neue Raumverteidigung wird sich mehr und mehr dem Ausspähen von Kommunikation und Daten widmen, physische Grenzen und mit ihnen die Nationalstaaten werden an Bedeutung verlieren. Die Veränderungen, die all dies mit sich bringen wird, lassen sich heute erst erahnen – aber man muss die neue Geopolitik verstehen, um für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewappnet zu sein.
Originalausgabe
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Mai 2015
Copyright © 2015 by Rowohlt·Berlin Verlag GmbH, Berlin
Umschlaggestaltung Frank Ortmann
Umschlagabbildung mstay/iStockphoto.com
Satz Dörlemann Satz, Lemförde
ISBN 978-3-644-12081-5
Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation
Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp
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1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
Räume bedürfen der Rahmung; sie können nicht endlos und ohne Grenzen sein, jedenfalls dann nicht, wenn es sich um politische Räume handelt. Wo Räume grenzenlos sind, verlieren sie die Bestimmtheit des Plurals und werden zum unbestimmten Kollektivsingular «Raum». «Raum» ist deswegen auch kein eigentlich politischer, sondern vielmehr ein philosophischer oder physikalischer Begriff. Die Genese einer politischen Ordnung hängt an der Begrenzung von Räumen und an der Grenzziehung in Räumen, mithin an der Eingrenzung des Raumes, für den eine politische Ordnung Geltung beansprucht. Das gilt selbst für Großreiche, die in ihrer Selbstdarstellung den Anspruch erheben, eine «Welt» zu beherrschen. Sieht man genauer hin, so beschränkt sich diese «Welt» jedoch auf einen Raum, der auf den Imperiumskarten ins Zentrum gerückt ist und an dessen Rändern und Peripherien die Zivilisation vermeintlich endet.[1]
Dagegen steht die Unendlichkeit des Raumes für die Abwesenheit einer politischen Ordnung. Wenn «Raum» also eigentlich kein politischer Begriff ist, so gehören «Räume» unbedingt ins Grundvokabular des Politischen. Und wenn es die Grenzziehung ist, die dem Raum beziehungsweise den Räumen einen politischen Charakter verschafft, so kann sie sowohl scharf markiert und stationär sein – im Englischen spricht man dann von border – als auch aus Grenzräumen anstelle von Grenzlinien bestehen, die sich obendrein im Verlauf der Zeit verschieben – und das heißt im Englischen frontier. Wie die Grenzen jeweils beschaffen sind, ist für die Qualifikation eines Raumes also politisch nicht ausschlaggebend; entscheidend ist nur die Begrenzung, sie verwandelt den vorpolitischen Raum in politische Räume. In der Regel sind die scharfen Grenzlinien, mit denen politische Räume präzise voneinander getrennt werden (borders), einem Staatensystem, also einer polyzentrischen Ordnung zuzurechnen, während Grenzräume, in denen ein Herrschaftsanspruch allmählich an Durchsetzungsfähigkeit verliert, einer imperialen Ordnung unipolaren Typs zugehörig sind. Staaten grenzen unmittelbar aneinander; Imperien beherrschen «Welten», und an ihren Rändern verläuft sich die politische Ordnung in einem Raum, der keine Ordnung kennt – jedenfalls nicht aus der Perspektive des raumordnenden Imperiums.[2]
