Rentiere in Not - Herbert Friedrich - E-Book
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Rentiere in Not E-Book

Herbert Friedrich

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Beschreibung

Anko wäre gern mit Vater und Großvater mit dem Rentierschlitten mitgefahren, die als Geschenk für Mutter und das Baby, das sie mitbringen wird, Silberfüchse jagen wollen. Doch Anko kommt erst im nächsten Jahr zur Schule und ist nun der einzige Mann im Haus. Plötzlich regnet es in der verschneiten Tundra – so etwas gab es noch nicht im Februar. Ein Flugzeug kreist über ihm und wirft Papier ab. Anko kann noch nicht lesen, erkennt aber ein Rentier darauf. Erst will Großmutter ihm nicht glauben, dass es geregnet hat, doch dann liest sie selbst. Die Rentiere finden in der vom Regen vereisten Tundra kein Futter, ihre Hufe bluten, weil sie ins Eis einbrechen. Anko und Großmutter bitten den Leiter der Pelztierfarm um Hilfe, doch er will keine Männer abstellen, um die Rentiere zu einer eisfreien Futterstelle zuführen. Also ergreift Anko die Initiative, spannt das alte Rentier Einestange vor den Schlitten und bricht in die Jagdhütte des Vaters auf. Nur seine kleine Freundin Anjuschka weiß von seinem gefährlichen Vorhaben. Als er bei Einbruch der Dunkelheit noch nicht zurück ist, suchen alle Männer des Dorfes nach ihm. Anko schläft erschöpft in der Jagdhütte, Einestange hatte den Weg gefunden und ihn gerettet. Werden die Männer nun auch die Rentiere retten können?

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Seitenzahl: 79

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Impressum

Herbert Friedrich

Rentiere in Not

ISBN 978-3-96521-530-6 (E-Book)

Umschlaggestaltung: Ernst Franta

Das Buch erschien 1966 in Der Kinderbuchverlag Berlin.

Für Leser von 9 Jahren an

2021 EDITION digital

Pekrul & Sohn GbR

Godern

Alte Dorfstraße 2 b

19065 Pinnow

Tel.: 03860 505788

E-Mail: [email protected]

Internet: http://www.edition-digital.de

Rentiere in Not

Anko geht über den Schnee. Der Schnee singt und quarrt unter seinen Füßen, die in dicken Filzstiefeln stecken. Alles Land hat der Schnee zugedeckt, Monate schon, die Siedlung Dreihäuser und den vielarmigen Fluss, die Zwergbirken und die dünnen Lärchen und das Rentiermoos.

Rötlich schimmert der kalte Sonnenball, zaubert mattes Rot auf den Schnee und treibt die Kälte noch einmal an, treibt sie in Ankos flache Nase und in die Fingerspitzen. Anko rückt die Pelzmütze tiefer in die Stirn und krümmt die Finger ein zur Faust. Nun sind seine Handschuhe wie leere Tüten, und die Kälte findet die Finger nicht mehr.

Es ist Februar, die Tage wachsen, die Sonne wird kräftiger werden und den Sommer bringen und die Mücken. Dann wird Anko in das Flugzeug steigen, das ihn weg von Dreihäuser bringt, weit weg in die Schule von Bilibino, wo er wohnen wird. Wer weiß, wie weit. Es wird die weiteste Reise in Ankos sieben Lebensjahren sein.

Anko bleibt an dem Schwarzen Pfahl stehen. Dieser steckte in dem kleinen Hügel über der Siedlung, der Fuchsberg heißt. Von hier kann Anko ganz Dreihäuser übersehen. Die Siedlung besteht freilich nicht nur aus drei Häusern, es sind knapp zwanzig. Eines nach dem anderen kam hinzu, gesellte sich zu den übrigen, mit dem Giebel dem Weg zu. Anko kann sich noch erinnern, wie das letzte gebaut wurde.

In diesem letzten Haus wohnt Anjuschka, seine Gespielin. Nach dem Fluss zu steht dann nur noch der Schuppen mit den Booten und den Geräten, mit denen Vater und die anderen Männer zum Fischfang ziehen, wenn das Eis aufgebrochen ist. Dann wird man auch vom Fuchsberg aus den Fluss gut sehen können, wie er sein gelbbraunes Wasser dem Eismeer zuwälzt. Erst kommt der Fluss und dann das Birkengestrüpp und dahinter wieder der Fluss und endlich das weite Moosland, die Tundra, bis hin zum Himmel.

Vater sagt, der Fluss ist wild. Viele Arme hat der Flussriese, und kein Lastschiff trägt er in dieser Einsamkeit nordwärts. Und im Sommer überflutet er die Zwergbirkeninsel und tost in den hellen Nächten. Anko liebt den Fluss und Dreihäuser und Anjuschka. Und im Sommer wird er abfliegen.

Jetzt verdeckt der Schnee Fluss und Land. Wo geht die Grenze? Wo beginnt das Wasser? Der lange Winter hat den Fluss an den Ufern bis zum Grund gefrieren lassen. Und Baba Lisa sagt, wenn man das Ohr aufs Eis legt, höre man die Fische reden. Anko lacht. Seine Augen, die schwarzen Krähenbeeren gleichen, blicken fröhlich. Als wenn die Fische reden könnten! Baba Lisa kennt viele Geschichten, nicht nur die von den redenden Fischen. Die meisten sind nicht wahr, sind Märchen von Tieren und Menschen des Landes im hohen Norden. In den langen, finsteren Stunden der Winterszeit, da die Sonne kaum einmal der Siedlung Dreihäuser guten Tag sagen kommt und dicker Nebel über dem Fuchsberg lastet, erzählt Baba Lisa, und Anko und Anjuschka lassen die Augen nicht von ihren schmalen Lippen. Baba Lisa ist Ankos Großmutter. Sie erzählt von den Blaufüchsen und von den Schneehühnern. Und am schönsten dünkt Anko die Geschichte vom einsamen Rentier.

Es war einmal ein Rentier, das von seiner Herde abkam. Und nichts als Schnee gab es ringsumher und nichts als Sturm. Und es stellte sich gegen Schnee und Sturm mit gesenktem Geweih. Und als es aufhörte zu wehen, saß unter des Rentiers dicker Halsmähne ein Schneehuhn. Das Huhn bedankte sich bei dem Ren, da es ihm geholfen habe, den Sturm zu überstehen. Als es aber von der Not des Rentiers hörte, flog es auf, um die Herde zu suchen. Und es flog und flog, bis es auf einem Hügel einen Mann fand. Der hatte des Rentiers Herde gesehen. Und der Mann stieg in seinen Schlitten und trieb die Hunde an und erreichte die Herde und bat sie umzukehren. So fand das Ren seine Gefährten wieder. Und der Anführer der Herde, ein alter, verwitterter Hirsch, schenkte dem Mann alles Gold im Lande und dem Schneehuhn ein weißes, dichtes Gefieder.

Solche Geschichten erzählt Baba Lisa, und Anko geht daraufhin in das Gehege und schaut Großvaters einziges Rentier an. Vielleicht ist es der Hirsch der Herde? Es hat nur eine Geweihstange und ist sehr alt, in seinem Rentierleben bestimmt so alt wie Baba Lisa. Und Mutter kann ihm nicht ausreden, dass das Rentier Einestange nicht der Hirsch der Herde ist, da doch ein Ren mit nur einer Stange auf jeden Fall ein besonderes Tier sein muss. Denn die Geschichte vom einsamen Rentier, meint Mutter, ist doch nur ein Märchen.

Anko liebt den Fluss und den Winter und Anjuschka und Baba Lisa und das Rentier Einestange und die Mutter. Und im Sommer wird er fliegen.

Gestern hat er die Mutter davonfliegen sehen. Hier vom Schwarzen Pfahl auf dem Fuchsberg aus hat er dem Flugzeug nachgeschaut. Es hat die Mutter nach Bilibino in die Krankenstation gebracht. Großvater Kerginto sagt, mit dem Rentierschlitten wäre man zwei volle Tage nach Bilibino unterwegs. Eigentlich muss es Kerginto wissen, er zählt schon siebzig Jahre. Und das Rentier Einestange hat den Kopf bewegt, als stimme es zu. Aber Anko glaubt dem Rentier nicht. Es ist auch schon sehr alt. Es ist gut, dass Mutter mit dem Flugzeug reist, hoch in der Luft, hoch über das Gebirge. Und ehe sie sich’s versieht und ehe sie an jeden ihrer Lieben in Dreihäuser auch nur einmal richtig hat denken können, schon ist sie da.

Anko hat Mutter gebettelt, sie solle sich die Schule von Bilibino anschauen und nachforschen, wo er schlafen wird, und fragen, ob er eines von Anjuschkas Hündchen mitbringen könne; das würde bestimmt nicht beißen.

Nun ist Mutter fort. Was wird sie erzählen, wenn sie wiederkommt? Wenn sie wiederkommt, wird sie ein Kindchen auf dem Arm tragen, das man vor Pelzen und Decken kaum zu sehen bekommen wird. Ein Brüderchen für Anko. Oder ein Schwesterchen. Dann ist Anko der Große.

Anko auf dem Fuchsberg schlägt die Hände gegeneinander. Die Kälte hat die Finger doch gefunden, obwohl er sie zur Faust eingekniffen hält. Er muss lange warten. Er wartet auf die Jäger. Sie werden vom anderen Ende Dreihäusers kommen, wo die Silberfuchsfarm liegt. Die Reihen der auf Stelzen stehenden Käfige erscheinen vom Fuchsberg aus winzig. Dort hat Mutter gearbeitet. Nun bitten die Jäger den Indiw um ein gutes Rentier vor ihren Schlitten. Indiw wird sich nicht lange betteln lassen. Er ist der Vorsitzende des kleinen Pelztierkolchos, und er war mit Mutter immer sehr zufrieden; was soll er also sein Rentier Fett ansetzen lassen?

Indiw wird nicht brummen, denn die Jäger wollen für Mutter auf Jagd gehen. Sie wollen ihr etwas schenken, wenn sie wiederkommt. Die Jäger sind Großvater Kerginto und Wassil, Ankos Vater.

Kerginto weiß in fünfzig Kilometer Entfernung ein Tälchen, in dem es um diese Zeit nur so von Polarfüchsen wimmeln soll. Ungefähr auf halbem Wege, an der Mündung des Mückenflusses, soll eine Jagdhütte stehen, von der aus sie Streifzüge unternehmen wollen. Aber Großvater traut wohl dem Rentier Einestange auch nicht mehr recht. Indiw wird helfen. Denn die Männer wollen längst zurück sein, wenn Mutter endlich aus dem Flugzeug steigt.

Anko hat Anjuschka stehenlassen, die zugesehen hat, wie der Schlitten für die Reise beladen wird. Anko ist weggegangen von den anderen Dorfkindern, die alle jünger sind als er. Die Älteren wohnen doch weit von hier in der Schule. Er hat sich an Baba Lisa vorbeigedrückt und Großvater Kerginto und Vater Wassil nicht zur Pelztierfarm begleitet.

Er ist enttäuscht, hat er doch den Vater bestürmt, ihn die fünfzig kleinen Kilometer bis zu den Polarfüchsen mitzunehmen. Vater ist unerbittlich geblieben. Ob Indiw sein Rentier hergibt?

Anko ist gekränkt. Er wird in die Schule kommen und noch keinen Polarfuchs erlegt haben. Er will auch ein Jäger sein. Er will auch der Mutter ein Fellchen vorlegen, wenn sie mit dem Kind kommt, sei es Bruder oder Schwester. Anko ist doch der Große. Und wie kann er’s der Mutter vergelten, dass sie ihm so schöne Neuigkeiten von der Schule bringen wird?

Anko auf dem Fuchsberg tritt von einem Fuß auf den anderen. Vor der Pelztierfarm unten steht eine Menschentraube. Jetzt löst sich ein schwarzer Tropfen daraus. Schnee stiebt hoch. Der Tropfen ist ein Schlitten. Vor dem Schlitten läuft bestimmt das schnellste Rentier der Eismeerküste. Aber für Anko gibt es auf dem Schlitten keinen Platz.

So schnell wie der Schlitten wäre Anko nie auf den Fuchsberg gelangt. Deshalb ist Anko vorher losgelaufen. Vom Fuchsberg aus kann er dem Schlitten unendlich weit nachschauen. Nun rutscht der Jagdschlitten zwischen Anjuschkas Haus und dem Fischerschuppen durch. Zwei Rentiere ziehen ihn, sieht Anko. Zwei Tiere! Und sie sollten nicht die Kraft besitzen, auch ihn noch zu ziehen?

Die Rentiere werfen die Beine, Schneeklümpchen wirbeln durch die Luft. Stetig steigt der Schlitten die Bodenwelle hinauf. Am Schwarzen Pfahl steht der Junge. „Halt!“, schreit der Vater. „Halt!“ Die Rentiere werfen die Geweihe hoch, dann hält der Schlitten. Vater springt ab und macht ein erstauntes Gesicht. „Anko, du?“ Vaters Hund schnuppert an ihm herum.

Anko nickt. Seine Augen hängen an dem Jagdmesser, das in dem Riemen um Vaters Halbpelz steckt. Großvater Kergintos Bart ist unter der Nase bereift. Auf dem Schlitten liegen mehrere Bündel und die Schneeschuhe.

„Indiw hat dir zwei Tiere gegeben?“, fragt Anko unnützerweise. Die beiden Rene scharren im Schnee. Ihre Mäuler glänzen feucht.

Vater merkt deutlich, was Anko eigentlich fragen will. „Mitfahren kannst du trotzdem nicht“, sagt er. „Baba Lisa wird dich suchen. Nun geh nach Hause.“

Und Großvater Kerginto, der ewige Spaßvogel, schmunzelt unter seiner dicken, tief in der Stirn sitzenden Pelzkappe hervor. „Nun bist du der einzige Mann zu Hause, Anko. Wirst Baba Lisa viel helfen müssen, damit alles klappt.“

Die beiden Männer lachen. Anko reckt den Bauch heraus. Kerginto hat recht, er ist wirklich der Große. Er lächelt sogar.

Er greift den Rentieren an den Halsriemen und zaust ihnen die Mähne, erst dem einen, dann dem anderen. Sie haben knorrige, verkrüppelten Ästen gleichende Geweihe. Unter ihrem straffen Pelz pocht das Blut.