Rosen für Erkül Bwaroo - Ruth M Fuchs - E-Book

Rosen für Erkül Bwaroo E-Book

Ruth M Fuchs

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Beschreibung

Dieses Mal ist es Königin Titania persönlich, die ihn mit der Ermittlung in einem Mordfall beauftragt. Bwaroo ist darüber nicht sehr glücklich, denn die Hauptverdächtige ist seine eigene Tante – und die ist alles andere als gut auf ihn zu sprechen. Trotzdem begibt er sich mit seinem treuen Diener Orges an den Tatort: ein Filmset. Lichtspiele sind der neueste Schrei! Filmschauspieler zu sein bedeutet Ruhm und Verehrung – oder Tod. Denn eine der Schauspielerinnen wurde mitten in einer Szene vergiftet. Bwaroo muss erkennen, dass in der Filmwelt Eifersüchteleien, Lügen und Intrigen praktisch an der Tagesordnung sind. Bald gibt es mehr Verdächtige, als ihm lieb sind, denn die Ermordete hatte mit fast jedem Streit und jeder hat irgendetwas zu verbergen. Und die Uhr tickt - denn Bwaroo hat nur eine Woche Zeit, um die Wahrheit von der Lüge zu trennen und den wahren Täter finden.

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Inhaltsverzeichnis

Ruf an den Hof

Ritt auf einem Esel

Puck, der Beltaneelf

Ein königlicher Auftrag

Internat Freynberg

Wir haben die Verdächtige festgenommen

Schatten der Vergangenheit

Orges, der Heiler

Beim Film

Ein Schallwandler?

Die Gerüchteküche brodelt

Eine belastende Aussage

Bwaroo geht einkaufen

Seonnys Geständnis

Hokus Pokus

Ein schwarzer Faden

Wein und Wahrheit

Kleine graue Zellen bei der Arbeit

Ja, sie war meine Geliebte

Der Rosenturm

Das fehlende Puzzlestück

Abschiedsszenen

Wieder daheim

Nachwort

Bwaroos Werdegang

Danksagung

Über die Autorin

Weitere Bücher von Ruth M. Fuchs

Rosen für Erkül Bwaroo!

von Ruth M. Fuchs

Phantastischer Kriminalroman

Impressum

© 2022 Raposa

Alle Rechte vorbehalten.

Kein Teil dieses Werks darf in irgendeiner Form ohne ausdrückliche vorherige Zustimmung des Verlags und des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme vervielfältigt oder verbreitet werden.

Herausgeber: Raposa – Ruth Fuchs

c/o Block Services, Stuttgarter Str. 106, 70736 Fellbach

eMail: [email protected]

Umschlaggestaltung: Chris Schlicht

www.dreamspiral.de

Lektorat: Jochem Reineck

www.ruthmfuchs.de

Für Alexandra und Andreas

Ruf an den Hof

„Uuuuund – Schnitt! Ja, das war schon viel besser, Leo. Aber der Kuss hätte immer noch ein bisschen länger sein können.“

„Ihre Lippen sind so kalt!“ Der mit Leo Angesprochene zog eine Schnute. Er war ein ungewöhnlich gutaussehender Mann mit schmalen Hüften, die sein fantasievolles braunes Wams aus Samt noch betonte. Genauso wie sein kurzer Umhang aus grüner Seide, der an den Schultern gerafft war, diese sehr vorteilhaft zur Geltung brachte.

„Meine Güte, jetzt hab dich nicht so!“ Der Mann, der den Kuss bemängelt hatte, kam näher heran, bis er auf der anderen Seite eines Bettes stand, auf dem eine junge Frau malerisch hingebreitet lag, ihre goldenen Locken wie ein Fächer über das Kissen verteilt, das tiefausgeschnittene weiße Seidenkleid in sorgsamem Faltenwurf drapiert. Sie hatte die Augen fest geschlossen und regte sich nicht.

„Was ist schon dabei, wenn die Lippen ein wenig kühl sind“, fuhr der Mann fort. „Und lass endlich die Finger aus deinen Haaren!“

Leo ließ schuldbewusst die Hand sinken, mit der er sich durch die üppigen braunen Locken gefahren war. Die goldene Krone auf seinem Kopf saß inzwischen schief.

„'Tschuldigung“, murmelte er.

„Schon gut. Es ist ohnehin Zeit für eine Pause. Klarissa, Schätzchen, zehn Minuten Pause!“ Der Mann beugte sich zu der Schönheit auf dem Bett hinab. „Die ist wohl tatsächlich eingeschlafen. Klarissa, aufwachen!“ Er griff nach ihren Arm, hob ihn hoch und ließ ihn überrascht wieder los. Der Arm fiel schlaff auf das Bett zurück wie der Arm einer Stoffpuppe.

„Eiskalt“, flüsterte er erschrocken.

„Sag ich doch“, beharrte Leo.

Die beiden Männer starrten auf die junge Frau hinab.

„Aber ich … äh, ihre Brust ...“ Leo wies mit dem Finger auf genanntes Körperteil. „Sie ist … ich meine, müsste sie nicht … beim Luftholen … auf und ab ...“

„Rennfeld!“, brüllte sein Gegenüber da, ohne den Blick von der auf dem Bett Liegenden zu heben.

„Bin ja schon da, was ist denn los, Herr Bingler?“ Ein Mann in einem weißen Kittel kam eilig heran. „Wo brennt's denn schon wieder?“

„Klarissa, sie rührt sich nicht ...“

„Schläft wahrscheinlich nur“, der als Rennfeld Bezeichnete trat lächelnd an das Bett und patschte der Schönen leicht auf die Wangen. Er stutzte und wiederholte es fester. Plötzlich sehr ernst tastete er an ihrem Hals herum und nahm ihr Handgelenk. Dann zog er einen kleinen Spiegel aus der Brusttasche seines Kittels und hielt ihn der Frau vor Nase und Mund.

„Sie ist tot“, stellte er mit einem Blick auf den unbeschlagenen Spiegel fest.

„Was?“ Leo riss entsetzt die Augen auf. „Willst du etwa sagen, ich hätte gerade eine Tote geküsst?“ Er fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar, die Krone fiel scheppernd zu Boden. „Das ist ja … eine Katastrophe! Meine Zähne könnten davon faulen.“ Mit allen Anzeichen des Schreckens stürzte er davon, wobei er einige Rosenranken niederriss. „Tom! Tom! Ich brauche was zum Mundausspülen!“

Bingler und Rennfeld sahen ihm nach.

„Und was jetzt?“, fragte Bingler schließlich.

Rennfeld zuckte ratlos die Schultern.

***

Erkül Bwaroo saß gemütlich bei einem herzhaften zweiten Frühstück, als es klopfte. Doch es war kein Klopfen an der Tür oder überhaupt auf Holz, sondern eher wie an Glas. Erstaunt blickte der Elfendetektiv zum Fenster. Dort saß ein Rabe auf dem Fensterbrett und stieß mit seinem Schnabel, in dem er etwas Weißes hielt, immer wieder nachdrücklich gegen die Scheibe.

Wie ungewöhnlich“, kommentierte Bwaroo dieses Vorgehen. „Man könnte denken, dass du herein willst. Noch dazu mit diesem Papier im Schnabel. D'accord, so wird es wohl sein, komm also herein.“

Er stand auf und öffnete das Fenster. Der Rabe hüpfte ohne viel Federlesens auf den kleinen Tisch vor dem Fenster und hob den Kopf. Wie Bwaroo jetzt feststellen konnte, war das Papier in seinem Schnabel ein Briefumschlag. Der Elfendetektiv fasste ihn vorsichtig an einer Ecke und zog. So ein Rabenschnabel ist nicht nur groß, sondern auch sehr kräftig. Bwaroo hing an jedem einzelnen seiner Finger und wollte keinen in Gefahr bringen. Der Rabe aber öffnete den Schnabel ganz leicht und so hielt der Elf schon den Umschlag in Händen. Er war mit einem grünen Siegel versehen, das einen Baum und darüber eine Krone zeigte. Bwaroo kannte das Siegel nur zu gut. Doch bevor er sich Gedanken darüber machen konnte, zog der Rabe mit einem ungehaltenen Krächzen seine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Die klugen Augen des Tiers waren fest auf den Elfen gerichtet. Noch einmal krächzte es.

„Verstehe“, murmelte Bwaroo und wandte sich dem Tisch zu, auf dem sein Essen stand. Sorgfältig schnitt er etwas von dem Käse ab, der dort zwischen allerlei anderen Leckereien lag. Er nahm das Stück kurzentschlossen mit der Zuckerzange auf und hielt es dem Vogel hin, der es sofort verschlang.

„Ein wenig mehr Achtung vor einem vollreifen Endeller Butterkäse könntest du schon zeigen“, schalt ihn Bwaroo, doch der Rabe legte nur den Kopf zur Seite und krächzte erneut.

Mit einem Seufzer über die Vergeudung einer solchen Delikatesse schnitt Bwaroo noch ein Stück ab und reichte es dem Raben. Erneut war das Stück im Nu vertilgt. Der Rabe schien damit zufrieden zu sein und hüpfte zurück auf das Fensterbrett. Noch ein kurzes Krächzen, dann schwang er sich wieder in die Luft und flog davon.

Bwaroo sah ihm nach. Als nichts mehr von dem Vogel zu sehen war, senkte er den Blick auf den Umschlag, den er auf den Tisch gelegt hatte. Er zögerte ein wenig, doch dann erbrach er das Siegel und zog ein Blatt Papier heraus, das mit einer geschwungenen Handschrift in grüner Tinte bedeckt war.

„Orges, packen Sie ein paar Sachen zusammen, wir verreisen.“

„Sehr wohl, Monsieur Bwaroo.“ Bwaroos Diener neigte leicht den Kopf, zeigte ansonsten jedoch keinerlei Regung. „Darf ich fragen, wohin die Reise geht, damit ich die passende Kleidung auswählen kann?“

„Wir reisen nach Norden, in den Elfenwald“, antwortete Bwaroo. „Königin Titania hat mich zu sich beschieden. Ich denke, mit ein bis zwei Wochen müssen wir rechnen.“

Wenn Orges auffiel, dass sein Herr darüber nicht sehr glücklich war, zeigte er das nicht. Er nickte nur knapp und zog sich dann zurück, um die Koffer zu packen. Bwaroo aber saß lustlos vor seinem zweiten Frühstück und starrte vor sich hin. Der Appetit war ihm vergangen.

Ritt auf einem Esel

„Und? Was haben Sie für mich?“ Inspektor Treibel sah seine Polizeiärztin erwartungsvoll an.

Diese war klein und zierlich und bewegte sich voller Anmut. Man hätte weitaus eher eine Tänzerin in ihr vermutet, trotz des weißen Kittels, den sie trug. Jetzt trat sie an den Tisch, auf dem Klarissas Körper lag, nackt und mit einem Y-förmigen Schnitt im Brustkorb. Treibel war froh, dass alles schon wieder zugenäht war. Es war ihm immer unangenehm, Tote von innen zu sehen.

„Die Todesursache ist klar“, zwitscherte die Ärztin mit lieblicher Stimme zu ihm hinauf. Sie ging ihm gerade mal bis zur Schulter. „Eine Überdosis Jungfernblut.“

„Sie hat das Blut einer Jungfrau getrunken?“ Treibel war entsetzt.

„Nein“, widersprach die Ärztin. „Sie hat Jungfernblut zu sich genommen. Das ist ein Kraut, das vor allem in Feuchtgebieten wächst. Hellgrüne, fedrige Blätter, gelbe Blütentrauben. Wenn man etwas von der Pflanze abbricht, tritt ein dunkelroter zäher Saft aus. Daher der Name. Sanguinis Filipendulina, wenn Sie es wissenschaftlich wollen. In kleinen Dosen wird Jungfernblut zur Beruhigung genommen. Aber die Menge, die sie zu sich genommen haben muss, hätte selbst ein Pferd umgehauen. Außerdem hatte sie einen Herzfehler ...“

„Aber sie wäre auch ohne ihr schwaches Herz oder so gestorben?“

„Das schon.“

„Hm.“ Treibel atmete innerlich auf. Einen Moment hatte es doch glatt so ausgesehen, als sei der Fall kompliziert. Schlimm genug, dass er extra hier in die Provinz reisen musste, weil der Dorfpolizist überfordert war. „Sie wurde also vergiftet?“, versuchte er das Ganze wieder auf einen einfachen Nenner zu bringen.

„Ganz sicher.“ Die Ärztin seufzte verhalten. Sie hatte Treibel aus der Hauptstadt hierher begleitet und kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er sich nicht wirklich für ihre Untersuchungsergebnisse interessierte.

„Nun gut, dann war es also Mord.“ Inspektor Treibel richtete sich zufrieden auf. „Dieser Rest Tee, den wir sicherstellen konnten ...“

„Ja, der war aus Jungfernblutblättern.“ Die Ärztin zog sich die Handschuhe aus, die sie immer trug, wenn sie arbeitete. „Aber ...“

„Schon gut, verschonen Sie mich mit den Einzelheiten.“ Treibel gebot ihr mit einer Handbewegung Schweigen. Dann war es ja doch nicht so schwer. Wer den Tee gekocht hatte, war klar. Das musste ja wohl auch die Mörderin sein. Und praktischerweise hatte er sie bereits in Gewahrsam. Zwar leugnete sie beharrlich, doch wenn er sie jetzt mit den Tatsachen konfrontierte, würde sich das sicher ändern. „Dann ist ja alles klar.“ Und damit stürmte er aus dem Raum, in dem die Tote provisorisch auf einem Brett lag, das wiederum auf einem Eisblock ruhte.

Die Ärztin sah ihm kopfschüttelnd nach.

„Was ist es denn, das Sie beunruhigt?“, riss sie da ein Mann in Uniform aus ihren Gedanken.

Er war die ganze Zeit schon dagewesen. Und obwohl er nicht gerade klein war, hatte er etwas an sich, das ihn beinahe unsichtbar machte. In Gesprächen wurde er immer als unscheinbar beschrieben, unauffällig, unaufdringlich, und was es sonst so an Un-Wörtern gab. Und obwohl er die ganze Zeit aufmerksam zugehört hatte, hatten sowohl die Ärztin als auch Inspektor Treibel komplett vergessen, dass er anwesend war.

„Oh, Wachtmeister … äh ...“ Verlegen fuhr sich die Ärztin durchs Haar.

„Heissenbier.“ Er lächelte sie an. „Sie sind Dr. Babisch, nicht wahr?“

„Ja.“ Sie war erstaunt darüber, dass er ihren Namen wusste. Aber er ließ ihr keine Zeit, länger darüber nachzugrübeln.

„Ihnen ist noch etwas aufgefallen, nicht wahr?“, wollte Heissenbier wissen.

„Äh, ja. Hier ...“ Die Polizeiärztin riss sich zusammen und hob die rechte Hand der Toten. „Einstiche im Zeigefinger. Viele. Der Finger wurde praktisch perforiert. Und dann noch hier ...“ Sie wies auf den Hals.

Wachtmeister Heissenbier schob seine Mütze in den Nacken, damit der Schirm ihn nicht störte und betrachtete die beiden blutigen Löcher in der Haut.

„Ich kann nicht sagen, ob dort etwas eingespritzt oder etwas abgezapft wurde“, meinte Dr. Babisch.

„Abgezapft?“, erstaunt hob der Wachtmeister den Kopf und sah die Ärztin an. Als sie seinen Blick ernst erwiderte, wurde ihm klar, was sie meinte. „Oh nein, Dr. Babisch!“, rief er aus. „Sie glauben doch nicht etwa an das alte Märchen von dem Vampir im Keller des Turms!“ Er lachte laut auf.

Dr. Babisch zuckte die Achseln.

„Mir wurde davon erzählt, bevor ich hierherkam“, meinte sie.

„Ja, ich weiß. Die Geschichte ist weit verbreitet“, gab Heissenbier zu. „Aber sie ist ein Mythos. Zumindest hätte es mir doch auffallen müssen, wenn wir Unmengen von toten Jungfrauen mit zwei Malen am Hals in der Gegend gehabt hätten. Und müssten dann nicht inzwischen schon jede Menge Vampire herumlaufen?“

„Ganz so einfach ist es nicht.“ Dr. Babisch musste lächeln. „Was auch immer die Leute glauben: Anders als bei den Werwölfen ist es bei einem Vampirbiss nicht so, dass das Opfer zwangsläufig ebenfalls zum Vampir wird. So etwas ist ein bewusster Akt des Vampirs.“

„Wirklich? Man lernt doch nie aus!“, rief Heissenbier geradezu begeistert.

Dr. Babisch warf ihm einen scharfen Blick zu. Aber er schien sich nicht über sie lustig zu machen.

„Die Tatsache ist wenig bekannt“, murmelte die Ärztin also und fühlte sich aus irgendeinem Grund verlegen. „Nun, mit dem Tod der Dame hat es jedenfalls nichts zu tun“, fügte sie schnell hinzu.

„Das kann man nie wissen.“ Heissenbier wiegte den Kopf. „Aber bleiben wir bei den Tatsachen. Ihr wurde Jungfernblut verabreicht. Wer weiß, vielleicht wollte sie sich ja auch nur beruhigen und hat den Tee selbst überdosiert.“

Die Polizeiärztin schüttelte den Kopf.

„Wir sprechen hier nicht von der üblichen Dosis, die man in einer Tasse Tee findet, wenn man die Blätter überbrüht. Selbst ein sehr starker Tee hätte da nicht ausgereicht. Es war ein Extrakt aus den Wurzeln der Pflanze. Nur dort ist das Gift konzentriert genug.“

„Wie konnten Sie das eigentlich so genau bestimmen? Ich meine, ich weiß, dass man zum Beispiel eine Silbernadel in eine Leiche steckt und wenn sie beschlägt, liegt eine Vergiftung vor. Aber ...“

Dr. Babisch öffnete den Mund, um eine abfällige Bemerkung über diese uralte Arbeitsweise zu machen, besann sich jedoch.

„Ja, für's Erste ist es eine gute Methode“, sagte sie stattdessen. „Aber es gibt da schon noch so einige Möglichkeiten, um die Organe, den Mageninhalt oder das Blut zu untersuchen.“ Vorsichtig schielte sie zu dem Wachtmeister. Normalerweise verabschiedeten sich Männer etwa jetzt immer mehr oder weniger hastig von ihr. Heissenbier aber schien Feuer und Flamme.

„Ist ja toll“, erklärte er eifrig. „Dafür also dieser Y-förmige Schnitt, ja? Und nutzen Sie dafür magische Konzepte oder chemische?“

„Beides!“ Die Ärztin musste lachen. „Wenn Sie wollen, erkläre ich es Ihnen gern genauer.“

„Oja, bitte!“

***

„Was soll das heißen, Sie fahren nicht weiter?“ Erkül Bwaroo schaute empört auf den Kutscher, der den Kutschenschlag geöffnet hatte.

„'S heißt, ich fahr nich weiter nich“, wiederholte der Kutscher. „Hier is Endstation, Schluss mit der Fahrt, Ziel erreicht. Weiter geht’s nich. Also steig'n Se bitte aus.“

„Aber wir haben mein Ziel doch noch gar nicht erreicht“, protestierte Bwaroo. „Die Residenz des Elfenherrscherpaares ist doch noch weit entfernt!“

„Näher komm' wir mit der Kutsche aber nich ran. Der Weg is zu schmal.“ Man sah dem Kutscher an, dass er das nicht zum ersten Mal erklärte. „Von jetzt an müss'n Se zu Fuß. Oder Se reiten. Der Gasthof da vermietet Esel.“

„Esel?!“ Der Elfendetektiv glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Doch da der Kutscher unnachgiebig weiter die Tür aufhielt, bequemte er sich schließlich grummelnd, aus der Kutsche zu klettern. Orges, der schon früher eingesehen hatte, dass eine Diskussion mit dem Kutscher nichts bringen würde, war bereits damit beschäftigt, die Koffer abzuladen. Dabei ging ihm der Kutscher zur Hand, nachdem er seinen Fahrgast glücklich draußen wusste. Bald lagen Bwaroos zwei Koffer und Orges' Reisetasche am Wegesrand. Orges entlohnte den Kutscher. Der grüßte, schwang sich auf den Bock und schnalzte seinen beiden Pferden zu, die sich gehorsam in Bewegung setzten.

Kopfschüttelnd sah Bwaroo zu, wie die Kutsche wendete und davon rumpelte. Dann schaute er sich um. Sie befanden sich auf einer Lichtung mitten im Wald. Zwei Tage lang waren sie mit Zug und Kutsche unterwegs gewesen, um nun an diesem abgelegenen Ort zu landen. Hier gab es lediglich einen Gasthof, der einsam, aber gepflegt aussah.

„Was jetzt, Orges?“, fragte er mit einem Blick auf seine blankpolierten schwarzen Lackschuhe. „Es ist ganz unmöglich, dass ich zu Fuß gehe.“

„In der Tat“, stimmte Orges zu. „Vielleicht fragen wir in dem Gasthof dort nach einer Transportmöglichkeit, wie der Kutscher anregte.“

„Zum Elfenflügel“, las Bwaroo das Schild über der Eingangstür. „Alors, wenigstens sieht es einladend aus. Und ich könnte etwas Heißes zu Trinken vertragen. Am Ende wurden wir schon sehr durchgeschüttelt in dieser Kutsche.“

Der Gastraum des Wirtshauses erwies sich als genauso freundlich und einladend wie das Äußere. Die Wände waren weiß getüncht, die Tische hatte blütenweiße Tischdecken und waren mit bunten Blumen geschmückt. Die Stühle aus hellem Holz waren so bequem, wie sie aussahen.

„Willkommen im Elfenflügel!“ Eine stämmige Frau in den Mittvierzigern kam hinter dem Tresen hervor und strahlte ihre beiden neuen Gäste an. „Sie wollen bestimmt zum Elfenschloss. Touristen? Ach nein ...“ Sie warf einen Kennerblick auf Bwaroos Ohren, „Sie sind ja selbst ein Elf. Beltane, oder?“

„Samhain. Ich wurde an Samhain gezeugt“, antwortete der Detektiv leicht gereizt. Diese ewige Verwechslung ging ihm auf die Nerven.

„Uiii, Samhain!“, staunte die Frau jedoch nur. „Noch besser! Die an Samhain gezeugten Elfen sollen ja die klügsten überhaupt sein. Aber wem sage ich das ...“ Sie lachte. „Das weiß ja bestimmt keiner besser als Sie selbst. Ist bestimmt nervtötend, immer verwechselt zu werden. Aber wir Menschen kennen uns da halt so gar nicht aus.“

Durch dieses Geständnis milder gestimmt lächelte Bwaroo sie an.

„Sie sind vermutlich die Wirtin“, meinte er.

„Na, sag ich's nicht? Die klügsten, ganz klar.“ Fast hätte die Wirtin in die Hände geklatscht. „Natürlich haben Sie Recht. Juliane Helmprecht, Wirtin des Elfenflügels, zu Ihren Diensten.“ Und da machte sie doch tatsächlich einen kleinen Knicks.

Erkül Bwaroo ließ sich an dem Tisch nieder, den die Wirtin ihm gewiesen hatte. Orges blieb respektvoll hinter ihm stehen. Doch der Elf winkte ihn heran.

„Ich weiß natürlich, dass das viel von Ihnen verlangt ist“, erklärte er ernst, obwohl es verräterisch in seinen Mundwinkeln zuckte. „Aber vielleicht könnten Sie sich dazu durchringen, sich neben mich zu setzen. Ich hasse es, allein an einem Tisch zu sitzen.“

„Sehr wohl.“ Orges ließ sich auf dem Stuhl neben Bwaroo nieder, wo er mit durchgedrücktem Rücken saß, ohne die Rückenlehne zu berühren. Bwaroo stützte den Ellenbogen auf den Tisch, um unauffällig die Hand vor dem Mund zu halten, was sein Schmunzeln verdeckte.

Im Gastraum war nur noch ein weiterer Tisch besetzt. Ein junges Paar und ein kleiner Junge saßen dort. Während die beiden Erwachsenen sich unterhielten, schaute sich der Junge mit allen Anzeichen der Langeweile um. Sein Blick blieb an Bwaroo hängen, der ihm freundlich zunickte.

„Ah, neue Gäste!“ dröhnte es da von der Theke her. Aus der Tür, die sich dahinter befand, war ein Mann getreten. Bwaroo dachte sich, dass es sich dabei nur um den Wirt handeln konnte. Er war noch runder als seine Frau und hatte die gleichen rosigen Wangen wie sie, zu denen sich bei ihm aber noch eine Nase in derselben Farbe gesellte.

„Ui, ein Beltaneelf in unserer bescheidenen Hütte“, stellte er fest.

„Aber Schorsch, das ist doch ein Samhainelf“, widersprach Frau Helmprecht und zwinkerte Bwaroo zu.

„Ach ja, das kommt davon, wenn man mit seinen Kenntnissen hausieren gehen will.“ Schorsch Helmprecht breitete entschuldigend die Arme aus. „Das ist wirklich peinlich“, fügte er noch hinzu, wobei er ein vergnügtes Gesicht machte. „Aber ich muss zugeben, dass wir zwar ständig Menschen zum Elfenschloss führen, aber selten wirklich mit Elfen zu tun haben.“ Er kratzte sich am Kopf und warf seiner Frau einen liebevollen Blick zu. „Sind Sie auf dem Weg zum Schloss?“, fragte er Bwaroo und Orges dann.

„In der Tat“, nahm Orges nun das Gespräch auf. „Man sagte uns, Sie hätten eine Transportmöglichkeit.“

„Na klar, unsere Esel!“ Juliane Helmprecht nickte eifrig. „Die Herrschaften dort drüben wollen auch zum Schloss. Das passt ja bestens! Aber für heute ist es schon zu spät. Wir können erst morgen früh reiten. Möchten Sie ein Zimmer für die Nacht?“

„Zwei Zimmer ...“, berichtigte Orges, nachdem Bwaroo ihm zugenickt hatte. „Wobei für mich Ihr kleinstes genügt.“

„Sind alle ungefähr gleichgroß“, beschied ihn der Wirt jedoch. „Und Abendessen und Frühstück?“

„Gern. Und jetzt hätten wir gerne etwas zu trinken“, erwiderte Bwaroo. „Aber bitte keinen Hagebuttentee.“

„Nanu, bei einem so vornehmen Herrn hätte ich genau das erwartet. Aber wir haben natürlich auch andere Getränke.“ Herr Helmprecht nahm die Finger zu Hilfe. „Kräutertee, Milch, Limonade, heiße Schokolade, Bier, Wein oder unser Quellwasser. Wir haben eine eigene Quelle hinter dem Haus.“

„Alors, ich nehme eine heiße Schokolade“, entschied Bwaroo.

„Gern. Und Sie?“, wandte sich Helmprecht an Orges.

„Ein Glas von Ihrem Wasser, bitte“, antwortete der. Er saß noch immer stocksteif auf seinem Stuhl, bereit, jederzeit aufzuspringen.

Bwaroo schwankte zwischen Amüsement und Mitleid für seinen Diener, dem es so augenscheinlich unangenehm war, mit seinem Herrn am selben Tisch zu sitzen. Aber Orges würde sich daran gewöhnen, entschied der Elf. Weiter kam er mit seinen Überlegungen nicht, denn der kleine Junge war inzwischen unbemerkt von seinen Eltern von seinem Stuhl gerutscht und marschierte zielsicher auf Bwaroo zu.

„Bist du ein Elf?“, fragte er, als er herangekommen war, wobei er das E bei 'Elf' bedeutungsvoll in die Länge zog.

„Mais oui“, nickte Bwaroo und fügte, als er den verständnislosen Blick des Jungen sah, hinzu: „Aber ja, ich bin ein Elf.“

„Ich hab gedacht, Elfen sind groß und schön“, sagte der Junge zweifelnd, „mit goldenen Haaren und mit Flügeln!“

„Es gibt verschiedene Arten von Elfen“, erklärte Bwaroo ihm freundlich. „Große und kleine, dicke und dünne. Wie bei euch Menschen.“

„Menschen haben keine Flügel“, widersprach der Junge ernst.

„Nein. Elfen aber auch nicht, das ist nur ein Märchen“, gestand Bwaroo, „aber es gibt welche mit dunkler Haut oder mit heller, mit verschiedenen Haarfarben und verschieden groß.“

Der Junge ließ sich das durch den Kopf gehen.

„Das stimmt“, nickte er schließlich. „Aber wo ist dann der Unterschied?“

„In den spitzen Ohren.“ Erkül Bwaroo strich sich bedeutungsvoll über seine eigenen, überaus spitzen Ohren. „Und ein paar Elfen sind magisch begabt. Andere wiederum nicht.“

„Das gibt es aber auch bei uns Menschen.“

„Die Zauberer und Hexen?“ Der Elf neigte den Kopf. „Ja, da hast du natürlich recht. Nun, dann sind es wohl nur die Ohren.“

„Und bist du ein Zauberer?“, bohrte der Junge weiter.

Der Elf verzog erheitert den Mund.

„Ich bin so etwas Ähnliches“, verriet er geheimnisvoll. „Ich bin Privatdetektiv.“

„Echt?“ Der Junge riss die Augen auf. „Dann fängst du Verbrecher und findest Sachen?“

„So in etwa.“

„Dann … also … weil ...“ Plötzlich wurde der Junge ganz aufgeregt. „Ich such' nämlich meinen Hasen.“

„Wie sieht er denn aus?“

„Er ist hellbraun, und die Ohren sind innen gelb.“ Erwartungsvoll sah der Junge zu Bwaroo auf.

Der zog bühnenreif die Stirn in Falten. Ihm war schon beim Hereinkommen aufgefallen, dass auf einem Stuhl am Tisch neben der Familie ein spitzes braunes Plüschohr unter der Tischdecke hervorschaute.

Aber statt den Jungen einfach darauf aufmerksam zu machen, setzte er eine ernste Miene auf und fragte: „Wann hast du ihn zum letzten Mal gesehen?“

„Ich hatte ihn noch, als wir reingekommen sind.“ Der Junge dachte angestrengt nach. „Ich hatte ihn fest im Arm. Das weiß ich ganz genau.“ Da kam ihm ein Einfall: „Denkst du, er ist gestohlen worden?“

„Nun, das wollen wir doch nicht hoffen“, beteuerte Bwaroo. „Lass uns erst einmal die anderen Möglichkeiten durchgehen. Kann es sein, dass er ausgerissen ist?“

„Er ist doch aus Plüsch.“ Der Junge sah Bwaroo vorwurfsvoll an.

„Ja, dann kommt das wohl nicht in Frage.“ Bwaroo gab sich zerknirscht. „Mal sehen, was kommt noch in Frage. Habt ihr euch gleich an den Tisch gesetzt, an dem deine Eltern jetzt sitzen?“

„Nö, wir standen erstmal rum, während Papa wegen der Zimmer für uns mit der Frau redete.“ Anscheinend war der Junge der Meinung, dass er genauer erklären sollte, wer mit 'die Frau' gemeint war. „Die, die gerade bei euch war und jetzt rausgegangen ist.“

„Frau Helmprecht“, nickte Bwaroo. „Und wo hast du da gestanden?“

„Na, da drüben!“ Der Junge deutete auf den Tisch, unter dessen Decke der Hase versteckt war.

„Aha!“ Bwaroo stand auf und ging zu dem Tisch. Ein Weilchen machte er sich an den Sitzkissen auf den Stühlen zu schaffen auf denen kein Hase war. Als er dort nichts fand, blickte er sich scheinbar ratlos um. Dann bückte er sich mit einem lauten „Ah!“ und holte mit großer Geste den Hasen aus seinem Versteck. Lächelnd brachte er ihn zu dem Jungen, der stehengeblieben war und ihn mit großen Augen beobachtete. Der riss ihm das Tier beinahe aus der Hand und drückte es sich an die Brust. Er strahlte.

„Das war klasse“, bekundete er. Doch weiter kam er nicht mit seinem Lob, denn seine Mutter stürzte heran.

„Peter! Belästige den Herrn nicht“, rief sie und nahm den Jungen am Arm, um ihn wegzuziehen. „Verzeihen Sie bitte“, wandte sie sich im Gehen an Bwaroo, der wieder Platz genommen hatte. „Er ist immer so neugierig. Tut mir wirklich leid. Das ist mir sehr peinlich.“

„Aber dafür gibt es überhaupt keinen Grund, Madame!“, wehrte der Elfendetektiv ab. „Wir haben uns nett unterhalten, Peter und ich. Es ist gut, wenn ein Kind wissbegierig ist.“

Doch die Mutter hörte gar nicht mehr zu. Sie zog ihren Sohn leise schimpfend zurück an den Tisch, an dem noch der Vater saß.

„Ein netter Junge“, stellte Bwaroo fest.

„In der Tat“, erwiderte Orges.

Frau Helmprecht kam mit der Schokolade und dem Wasser.

„Ich habe Sie ja noch gar nicht nach Ihren Namen gefragt“, sagte sie, als sie beides hinstellte.

„Dies ist mein Diener Orges. Und ich ...“ Bwaroo machte eine kleine dramatische Pause, „bin Erkül Bwaroo.“

Leider schien Frau Helmprecht der Name gar nichts zu sagen. Sie lächelte nur höflich.

„Sie leben hier sicher etwas abgeschieden, Madame“, stellte Bwaroo ein wenig enttäuscht fest.

„Oh ja, das gebe ich zu“, strahlte die Wirtin, als habe er etwas ganz außergewöhnlich Schönes bemerkt. „Vor allem im Winter, wenn kaum Besucher kommen. Aber jetzt im Spätsommer ist viel los – so kurz vor Ferienschluss kommen viele Familien her, um ihren Kindern etwas Besonderes zu zeigen, bevor sie wieder in die Schule müssen. Sie haben Glück, dass im Moment nicht mehr Leute da sind.“

Nach einem Abendessen mit einem einfachen, aber wohlschmeckenden Eintopf und frisch gebackenem Brot, zog Bwaroo sich in sein Zimmer zurück. Wie er schon erwartet hatte, war es ein schlichtes, gemütliches kleines Zimmer. Alles war blitzsauber, und das Bett duftete einladend nach Lavendel. Bwaroo bereitete sich sorgfältig auf das Zubettgehen vor. Besonders viel Zeit nahm er sich, um seinen Schnurrbart auszubürsten, dessen Spitzen sorgfältig gewachst waren. Er legte sogar eine Bartbinde an. Danach betrachtete er sich eine Weile in dem kleinen Spiegel, der über dem Waschbecken hing.

„Je suis un peu de snob“, gestand er sich selbst. „Aber der brillianteste Kopf der Gegenwart hat auch die Pflicht, gepflegt aufzutreten.“

Nach dieser Feststellung schlüpfte er zufrieden unter die Bettdecke und fiel schnell in einen tiefen Schlaf.

Am nächsten Vormittag, nach dem Frühstück, versammelten sich Bwaroo, Orges, Peter und seine Eltern vor dem Wirtshaus, wo bereits sechs Esel warteten. Der Elfendetektiv blickte sich nach einem Wagen um, doch außer den Eseln war nichts weiter zu sehen. Als schließlich Schorsch Helmprecht zu der Gruppe trat, wandte sich Bwaroo an ihn: „Wo ist denn der Wagen?“

„Welcher Wagen?“ Helmprecht guckte verständnislos. Dann brach er in Lachen aus.

„Oh nein, Herr Bwaroo!“, rief er. „Mit einem Wagen kommen wir auf dem schmalen Weg nicht weiter. Wir müssen allesamt reiten.“ Er wies auf die Esel, die bereits gesattelt waren.

„Reiten?!“ Bwaroo war entsetzt. „Bwaroo reitet auf keinem Esel.“

„Nun, Sie können natürlich auch zu Fuß gehen.“ Der Wirt warf einen zweifelnden Blick auf Bwaroos blankpolierte Lackschuhe.

Auch der Elf musterte seine Schuhe. Sie waren denkbar ungeeignet für eine Wanderung. Orges führte zwar extra einen Lappen bei sich, um das Schuhwerk seines Herrn jederzeit wieder auf Hochglanz bringen zu können. Doch Bwaroo war klar, dass nicht nur seine Schuhe unter dem Fußmarsch leiden würden, sondern auch und besonders er selbst. Die Schuhe würden anfangen zu drücken. Das wusste er so genau, dass er sogar vorhersagen konnte, ab wann sie das tun würden.

„Keine Sorge, die Esel sind brav“, versicherte Helmprecht, der Bwaroos besorgten Blick völlig falsch deutete. „Und ich gebe Ihnen den ruhigsten von allen – Buntschi.“ Er deutete auf das kleinste der Tiere. „Der ist ganz geduldig und artig. Macht nie unerwartet Bocksprünge oder so.“ Und als sich die Miene des Elfen durch diese Versicherung keineswegs aufhellte, fuhr er fort: „Wir haben hier sogar eine kleine Treppe, damit sie ganz gemütlich aufsteigen können.“ Und schon nahm er den kleinen grauen Esel am Zügel und führte ihn zu einer Art Podest mit zwei Stufen, über das Bwaroo sich schon gewundert hatte.

Zweifelnd folgte der Elf dem Wirt. Vor dem Esel blieb er stehen und sah ihn an. Buntschi erwiderte seinen Blick gleichmütig. Bwaroo schien es jedoch, als sähe er eine Spur Herausforderung im Blick des Tieres. Aber was sollte er tun? Mit einem Seufzer erklomm er die Stufen, hievte sein rechtes Bein über den Rücken des Esels und schob sich auf den Sattel. Als er richtig saß, nickte Helmprecht ihm freundlich zu und führte den Esel von den Stufen weg.

Peters Mutter benutzte ebenfalls die Stufen zum Aufsteigen auf ihren Esel. Alle anderen schwangen sich ohne Hilfe in den Sattel. Zuletzt stieg Helmprecht auf sein Tier und setzte sich an die Spitze der kleinen Karawane, um den Weg durch den Wald zu weisen. Bwaroos Esel trottete als letzter hinterdrein.

Puck, der Beltaneelf

„Sind Sie sicher, dass wir weiterdrehen sollen?“

„Natürlich! Warum denn nicht?“ Hagestolz Bingler sah Rennfeld verständislos an.

„Es kommt mir irgendwie falsch vor. Unanständig – immerhin ist Klarissa hier gestorben.“ Rennfeld blickte unsicher drein.

„Klarissa hätte gewollt, dass wir weitermachen“, beschied ihn der Regisseur jedoch. „Dies wird ihr größter Film sein.“

„Es war ihr erster.“

„Die Nachwelt wird sich an sie erinnern als die schöne, verheißungsvolle Schauspielerin, die alles gab, um ihrer Rolle gerecht zu werden!“

„Na ja, eigentlich starb sie ja nicht, weil sie sich verausgabt hatte, sondern ...“

„Das ist egal“, schnitt Bingler seinem Assistenten das Wort ab. „Außerdem haben wir fast alle Szenen mit ihr schon gedreht, und bei dem Rest lässt sich noch was deichseln. Apropos: Sind die Mädels schon da, die einspringen sollen?“

„Fünf Blondinen sind gekommen. Aber sie müssen berücksichtigen, dass wir ja eigentlich nur im Dorf und im Nachbarort ...“

„Jaja, schon gut“, winkte Bingler ungeduldig ab. „Wo sind sie?“

Rennfeld wies mit dem Finger auf eine Gruppe Mädchen, die ein wenig abseits stand. Alle waren blond. Abgesehen davon hätten die Unterschiede in Sachen Statur und Erscheinung kaum größer sein können.

„DAS sind sie?“ Der Regisseur war entsetzt.

„Wie ich schon sagte, wir haben eigentlich nur im Dorf und ...“ Rennfeld verstummte, als Bingler ihm einen eisigen Blick zuwarf. „Wenn wir in der Zeiten inserieren würden ...“ schlug er zaghaft vor. „oder vielleicht besser in Freundin der Frau und Palastblick ...“

„Dann können wir ja gleich an die große Glocke hängen, dass Klarissa tot ist.“ Bingler wedelte ungehalten mit den Händen. „Nein, das soll möglichst geheim bleiben. Wir geben es erst beim Filmstart bekannt – das wird ein Knaller!“

Rennfeld schüttelte unmerklich den Kopf. Das war doch sicher ohnehin schon alles bekannt. Die Polizei, die Bewohner ringsum und nicht zuletzt diese Mädchen hatten schließlich alle Familie und Freunde. Und denen erzählt man doch so eine Neuigkeit, die mal ganz was anderes ist als der übliche Trott. Aber der Assistent kannte seinen Chef gut genug, um zu wissen, dass er diese Gedanken besser für sich behalten sollte.

„Tja, also …“ Bingler besah sich die jungen Damen kritisch aus der Ferne. Dann traf er eine Entscheidung: „Wir nehmen die schlankeste und werden sie nur von hinten filmen. Hol mir die Verantwortliche für die Garderobe von Klarissa ...“

„Die sitzt im Gefängnis.“

„Was?“ Einen Moment lang war der Regisseur aus dem Konzept gebracht. Doch dann schüttelte er nur ungeduldig den Kopf. „Dann eben das Weib, das für die restlichen Kostüme zuständig ist. Die wird ja wohl auch mit Klarissas Kleidern zurecht kommen. Sie soll jedes dieser Mädel in eins davon stecken und alles an blonden Perücken mitbringen, was sie finden kann. Meine Güte, was für ärmliches Haar die eine da hat. Aber wenigstens ist sie nicht so fett wie die kleine daneben ...“ Er riss sich von dem Anblick los und wandte sich Rennfeld zu. „Wir müssen das Drehbuch umschreiben. Schick mir Holster. Und dann brauche ich noch Hummelflug ...“

„Sie meinen Meister Deamus Hummelbus“, warf Rennfeld ein.

„Ja, von mir aus auch Hummelbus. Wo steckt der eigentlich? Hab ihn seit Tagen nicht gesehen.“

„Er schläft.“

„Was? Immer noch? War doch nur ein kleiner Zauber!“

„Ein ganzes Schloss erscheinen zu lassen, ist ein großer Zauber.“

„Na ja, von mir aus.“ Bingler wedelte den Einwand fort. „Weck den Kerl auf. So einen kleinen Zauber wie eine von den Weibsbildern dort annähernd wie Klarissa aussehen zu lassen, wird er ja wohl noch hinkriegen.“

Rennfeld hatte da seine Zweifel. Doch er nickte nur. Als er sich auf den Weg machen wollte, Binglers Anordnungen weiter zu geben, sah er einen Fremden eilig herankommen. Er hob die Hand über die Augen, um besser sehen zu können.

„Verdammich“, stieß er hervor. „Der hat uns gerade noch gefehlt.“

„Was ist los?“ Bingler drehte den Kopf, um zu sehen, wer gemeint war.

Rennfeld wurde einer Antwort enthoben, denn inzwischen hatte der Mann die beiden erreicht.

„Berger, mein Name“, rief er enthusiastisch und ergriff Binglers schlaff herabhängende Hand, um sie energisch zu schütteln. „Ich vertrete die Freundin der Frau und möchte Sie zum Tod von Klarissa Ronaard befragen, dem aufgehenden Stern in der Filmwelt.“

***

Die sechs Esel trabten friedlich durch den herbstlichen Wald. Einige Blätter der Laubbäume hatten sich bereits rot und gelb verfärbt, doch die meisten waren noch grün, als könnten sie sich nicht entscheiden. Dazwischen standen Tannen und Fichten in dunkelgrünem Nadelkleid, als wollten sie klar machen, dass ihnen Jahreszeiten egal waren. Die bereits herabgefallenen welken Blätter der Bäume raschelten, als die Esel gleichmütig über sie hinweg liefen. Auf dem letzten Esel saß Erkül Bwaroo so steif und aufrecht, als hätte er einen Besenstiel verschluckt. So ein Sattel, stellte er zum wiederholten Male fest, war ausgesprochen unbequem. Und dann diese Schaukelei! Ob der Sattelgurt auch wirklich fest angezogen war? Er hatte das Gefühl, langsam aber sicher nach rechts zu rutschen. Wahrscheinlich würde er gleich herunterfallen. Dass der Fall nicht besonders tief wäre, beruhigte ihn keineswegs. Krampfhaft hielt er sich am Sattelknauf fest und stemmte die Füße in grimmiger Entschlossenheit in die Steigbügel. Dem Esel war es egal. Der kannte den Weg zur Genüge und lief einfach den anderen Eseln hinterher, egal, was die Person auf seinem Rücken machte. Doch plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen. Bwaroo schüttelte die Zügel und rang sich sogar dazu durch, seine Haltung so weit zu lockern, dass er dem Tier mit den Fersen in die Seiten klopfen konnte.

„Hü hott“, sagte er dazu aufmunternd.

Doch der Esel blieb stur stehen und zuckte lediglich mit den Ohren. Bwaroo überlegte, ob er den anderen nachrufen sollte, als die gerade hinter einer Biegung verschwanden. Da bemerkte er aus den Augenwinkeln eine Bewegung in den Büschen rechts neben dem Weg. Er drehte den Kopf in die Richtung, als auch schon jemand heraus sprang und sich ihm in den Weg stellte. Da der Esel immer noch keine Anstalten machte, sich zu bewegen, beeindruckte Bwaroo das nicht sonderlich. Er nahm sich vielmehr die Zeit, den Mann zu betrachten, der da vor ihm stand. Besonders groß war er nicht. Und gefährlich sah er auch nicht aus, zumal er nicht bewaffnet zu sein schien. Trotz der herbstlichen Kühle war er barfuß. Seine blauen Hosen waren ausgefranst, und die Schaffellweste, die er über einem groben Hemd trug, hatte auch schon bessere Tage gesehen. Aber er war eindeutig ein Elf. Das verrieten seine ausgesprochen spitzen Ohren.

„Mit wem habe ich die Ehre?“, wollte Bwaroo wissen.

„Ich bin Erkül Bwaroo, der berühmte Samhainelf“, antwortete der Fremde und machte einen spöttischen Diener.

„Ah“, sagte Bwaroo mit einem wissenden Nicken. „Und ich bin Puck, der Beltaneelf.“

„Ich bin Puck!“, protestierte der andere Elf da. Dann lachte er laut auf. „Wunderbar! Der große Detektiv durch und durch. Wie habt Ihr mich erkannt?“

„Ihr seid eine Berühmtheit“, antwortete Bwaroo und überlegte, wie er von diesem Esel kommen konnte, ohne sich allzu sehr zu blamieren. Doch da trat Puck auch schon zu ihm und griff nach den Zügeln des Esels.

„Ihr nicht minder“, versicherte er. „Mylady Titania hat mich gebeten, nach Euch Ausschau zu halten. Ich soll Euch sicher zu ihr bringen. Sie hält gerade Audienz. Zusammen mit meinem Herrn, König Oberon.“

„Ihre Boten haben gute Dienste geleistet“, bemerkte Bwaroo mit einem Blick auf einen Raben, der im nächsten Baum auf dem untersten Ast saß. Die ganze Reise über war immer einer dieser schwarzen Vögel in Sichtweite geblieben.

„Ja, sie sind schlau!“, bestätigte Puck Bwaroos Vermutung, dass die Raben ihn im Auftrag der Elfenkönigin beobachtet hatten.

„Monsieur Bwaroo, ist etwas nicht in Ordnung?“

Orges tauchte auf dem Weg vor ihnen auf. Er schien keine Probleme zu haben, seinen Esel zu lenken. Obendrein saß er im Sattel, als hätte er nie etwas anderes getan. Bwaroo spürte einen Stich von Neid. Doch er schüttelte nur den Kopf.

„Titania hat mir sozusagen ein Empfangskomitee gesandt“, erklärte er schließlich, „wenn auch nur eins aus einer einzigen Person.“ Er verzog den Mund ein wenig abfällig. „Wo sind denn die anderen?“

„Ich habe Herrn Helmprecht versichert, dass es nicht nötig sei, dass wir alle umkehren, als ich bemerkte, dass Sie nicht mehr bei uns waren“, erläuterte Orges, während er sein Reittier langsam näher heran lenkte. „Und er war einverstanden. Ich meine mich zu erinnern, dass er etwas äußerte in der Art von 'Alles nicht so schlimm. Die Esel finden allein wieder in den Stall'.“

„Da hat er vermutlich recht“, gab Bwaroo zu. „Und was auch immer darauf sitzt hoffentlich auch.“

„Können wir jetzt endlich zu Mylady? Die Audienz dauert nicht ewig“, drängte Puck da. „Und wenn sie schlecht gelaunt ist ...“

„Oh ja, ihr Temperament ist legendär“, winkte Bwaroo ab. „Führt mich also hin, Puck. Und Sie, Orges, folgen bitte.“

Puck zog den Esel durch die Büsche auf einen anderen Weg, der kaum zu erkennen war.

„Warum nennt Ihr Titania denn 'Mylady'?“, wollte Bwaroo wissen, als sie ein Weilchen stumm dahin getrabt waren.

„Oh, dumme Angewohnheit von mir“, Puck zuckte mit den Schultern. „Seit ich in der Parallelwelt war. Ich war in Engelland, wisst Ihr? Schöne Insel. Wirklich. Besonders in Wales haben sie viel für unsereinen über. Oder in Mittelengland. Hab dort einen Mann getroffen. William hieß er. Mit dem hab ich so manches Ale geleert und hab ihm dabei von uns erzählt. Von Titania und Oberon und dem Streit, den sie wegen des indischen Kindes hatten. Und natürlich auch von mir. Er hat ein Theaterstück daraus gemacht. Das wurde berühmt.“

„Ich kenne es. 'Rund um die Erde zieh ich einen Gürtel. In viermal zehn Minuten.' Un peu exagéré – etwas übertrieben, n'est-ce pas?“

„Wir Beltaneelfen sind als besonders flink bekannt“, verteidigte sich Puck. Doch als er Bwaroos zweifelnde Miene sah, machte er eine entschuldigende Geste. „Dieses Ale, das ist ein Bier, das einem schnell zu Kopf steigt. Da wird man dann ein wenig ausgelassen und ein bisschen unvorsichtig.“

„Und etwas großspurig“, fügte Bwaroo hinzu.

„Eigentlich hab ich das nur so übertrieben, damit William auch bestimmt denkt, ich hätte ihm ein Märchen erzählt“, beteuerte Puck und zwinkerte verschwörerisch. „Sonst hätte er sich womöglich noch auf die Suche gemacht nach dem Durchgang zu unserer Welt. Aber wie auch immer: Wir sind da!“

Puck wies mit dem Finger auf einen Höhleneingang. Ein Loch in einem Hügel, mehr war es nicht. Der Hügel musste ein Ausläufer des Naumtalgebirges sein. Jedenfalls sah alles ganz natürlich aus. Das einzig Ungewöhnliche waren zwei muskelbepackte Elfen, nur wenig größer als Puck, die zu beiden Seiten des Eingangs standen. Sie trugen Schwerter am Gürtel und hielten beeindruckende Hellebarden in den Händen. Beide gaben sich redlich Mühe, möglichst grimmig dreinzuschauen.

„Das Herrscherpaar legt anscheinend noch immer sehr viel mehr Wert auf Schein statt Sein“, stellte Bwaroo mokant fest.

Eine kleine Gruppe Elfen, die ein wenig abseits auf einer Decke saß und picknickte, steckte prompt die Köpfe zusammen und tuschelte. Sie waren allesamt in Seide gekleidet und trugen Juwelen. Zwei Elfen mit langem blonden Haar, das ihnen offen über die Schultern fiel, musterten Bwaroo abschätzig. Das machte dem Elfendetektiv noch schmerzlicher bewusst, dass er jetzt absteigen sollte, und das möglichst würdevoll. Ein ernsthaftes Problem. Doch da schwang sich Orges auch schon aus dem Sattel und eilte zu seinem Herrn, um ihm hilfreich die Hand zu reichen. Dankbar ergriff Bwaroo die dargebotene Hand und stützte sich darauf, während er einen Fuß fest in den Steigbügel stemmte und versuchte, ein Bein möglichst unauffällig über den Eselsrücken zu bekommen. Es wurde keine Darbietung unnachahmlicher Eleganz. Doch der Abstieg gelang gut genug, dass sich Bwaroo nicht der Lächerlichkeit preisgegeben sah. Dankbar nickte er Orges zu, der sich mit einer kleinen Kopfbewegung und ansonsten völlig ausdrucksloser Miene wieder zurückzog.

„Wenn Ihr mir folgen wollt“, sagte Puck zu Bwaroo und über die Schulter hinweg: „Du musst hier warten, Mensch.“

„Ich sehe, auch in Sachen Höflichkeit hat sich nichts gebessert“, bemerkte Bwaroo missbilligend. „Orges“, wandte er sich selbst an seinen Diener, „es tut mir leid. Sie werden hier warten müssen. Aber ich bin überzeugt, es wird nicht lange dauern.“

„Sehr wohl, Monsieur Bwaroo“, erwiderte Orges nur und setzte sich auf einen umgestürzten Baumstamm im Schatten einer Linde. „Demnächst wird zweifellos die Gesellschaft von Herrn Helmprecht eintreffen und für Ansprache sorgen.“

Bwaroo stimmte seinem Diener zu, dann folgte er Puck in den Höhleneingang.

Kaum hatten sie den Eingang durchschritten, traten sie in eine andere Welt. Ein langer Tunnel führte tief in den Hügel hinein. Seine Wände und sogar der Boden waren mit Seide ausgeschlagen, und zahlreiche Ampeln aus Goldfiligran, besetzt mit edlen Steinen, hingen von der Decke. Sie glitzerten und blinkten im Glanz etlicher Leuchtkugeln, die überall verteilt waren. Erkül Bwaroo schüttelte unmerklich den Kopf, als er Puck den Gang entlang folgte. Er fand das alles ziemlich überladen und outré. So gar nicht sein Geschmack. Dem Ganzen fehlte einfach die Eleganz. Protzig, ja. Edel, nein.

Da blieb Puck stehen. Vor ihm breitete sich eine große Halle aus, die hoch oben von einer durchsichtigen Kuppel überwölbt wurde. Zahlreiches Volk drängte sich im Saal, doch ein Spalier in der Mitte blieb frei. Es führte durch den ganzen Raum hin zu einer Empore, wo Titania und Oberon auf ihren Thronen saßen. Bwaroo musterte verstohlen die Anwesenden. Alle waren groß und schlank, gekleidet in edle Gewänder voller Spitzen und Stickereien und mit Perlen und Edelsteinen besetzt. Einige hatten Flügel auf dem Rücken, doch der Elfendetektiv sah auf den ersten Blick, dass die nicht echt waren.

Puck wandte sich derweil einem Mann mit einem großen goldenen Stab zu, der neben dem Durchgang stand, und zupfte ihn am Ärmel. Er flüsterte ihm etwas ins Ohr, woraufhin der Mann seinen Stab mit wichtiger Miene dreimal auf den Boden stieß und rief: „Erkül Bwaroo, Elfendetektiv!“ Dann bedeutete er Bwaroo, sich zu den Thronen zu begeben.

Bwaroo hob den Kopf und schritt die Gasse entlang. Er war sich bewusst, dass jeder im Saal ihn anstarrte. Und er genoss es.

Da rief jemand in die herrschende Stille: „Guck mal, wie sich der Niederelf da fein gemacht hat!“

Erkül Bwaroo blieb abrupt stehen und wandte den Kopf dem jungen Elfen zu, der gesprochen hatte. Mit Augen so grün und leuchtend wie die einer Katze musterte er den jungen Schnösel langsam von oben bis unten. Da wurde der verlegen, deutete eine Verbeugung an und machte dann, dass er in der Menge verschwand. Bwaroo aber räusperte sich und setzte seinen Weg fort, bis er schließlich vor dem Herrscherpaar stand. Dort machte er eine vollendete Verbeugung und hielt den Blick auf den Fuß der Empore gerichtet, bis Titania ihn ansprach.

„Man sieht dich sehr selten bei Hofe“, sagte sie abfällig. „Genaugenommen hat man dich noch nie hier gesehen.“

„Etwas, das ich mit den meisten meines Volkes gemeinsam habe“, antwortete Bwaroo und hob den Blick.

Titania war zweifellos eine Schönheit, auch wenn bereits zarte Falten ihr klares Gesicht durchzogen, besonders an der Stirn und um die Augen. Ihr fast bodenlanges Haar war so hell, dass es wie Silber leuchtete. Das goldene Diadem, das ihre Stirn schmückte, schien im Vergleich dazu glanzlos. Ihre schlanke, jugendliche Gestalt wurde von einem fließenden weißen Kleid noch betont. In ihrem herzförmigen Gesicht mit dem kleinen blutroten Mund strahlten Augen, so blau wie Saphire und genauso hart.

Die Königin schnaubte ungehalten über Bwaroos Worte. Doch sofort hatte sie sich wieder in der Gewalt und hob die beringte Hand an den Mund. Als sie sie fortzog, lächelte sie wieder.

„Du scherzt“, sagte sie neckisch. „Als wären nur Hochelfen an unserem Hof.“

„So ziemlich“, erklärte Bwaroo unbeeindruckt. „Mal abgesehen von Eurem Mundschenk ...“ Er wies auf einen kleinen Elfen, der gerade damit beschäftigt war, einem gelangweilten Oberon, der Bwaroo komplett ignorierte, den Weinkelch erneut zu füllen, „den Wächtern am Eingang und natürlich Puck.“ Er schaute zu besagtem Elfen, der inzwischen herangekommen war und zu Oberons Füßen saß. Genau wie ein Hofnarr, ging es Bwaroo durch den Kopf, und genau das war Puck eigentlich auch.

„Wie auch immer.“ Titania wedelte ungeduldig mit der Hand, als wollte sie eine lästige Fliege vertreiben. „Ich habe einen Auftrag für dich, Erkül. Folge mir!“

Sie erhob sich und schritt, ohne sich nach ihm umzudrehen, davon. Bwaroo zögerte einen Moment, dann folgte er ihr, während die anwesenden Elfen über das ungewöhnliche Verhalten ihrer Königin tuschelten.

„Erkül Bwaroo, Du bist impertinent“, fuhr die Elfenkönigin den Detektiv an, als sie schließlich in einem kleinen Salon angekommen waren. Dort waren sie allein. Mehrere Sessel waren einladend im Raum verteilt. Doch da Titania keine Anstalten machte, sich zu setzen, blieb auch Bwaroo stehen.

„Pardonnez-moi, votre majesté“, antwortete er. „Ich habe nur festgestellt, was offensichtlich war.“

„Du immer mit deinem dummen Französisch!“

„Belgisch!“ Bwaroos Ton wurde scharf. „Eine Reminiszenz an wundervolle Jahre, die ich dort in der Parallelwelt verbrachte.“ Er betrachtete Titania, die fahrig die Hände ineinander verkrampfte, und hob die Augenbrauen. „Aber Ihr habt mich sicher nicht gerufen, um meine Ausdrucksweise zu bekritteln.“

„Nein. Natürlich nicht.“ Die Königin seufzte und warf sich dann wenig damenhaft in den nächstbesten Sessel. Dabei kam sie auf ihren Haaren zu sitzen, sprang mit einem Schmerzenslaut wieder auf und setzte sich noch einmal, aber dieses Mal holte sie vorher ihr silbernes Haar über die Schulter nach vorn. Es sammelte sich in ihrem Schoß wie ein Knäuel gesponnener ungefärbter Seide. Doch Titania achtete nicht darauf. Mit einer gereizten Handbewegung bedeutete sie Bwaroo, dass er sich ebenfalls setzen sollte. Der Elf wählte den Platz ihr gegenüber.

Ein königlicher Auftrag

Thomas Berger von der Freundin der Frau saß am Tresen des Gasthofs „Zum Löwen“, dem einzigen des Dorfes Freynberg. Neben ihm saß Hans Lommel vom Palastblick. Beide wohnten sie im Gasthof. Eine andere Übernachtungsmöglichkeit gab es fast nicht. Berger hatte auch den Reporter der Zeiten, Maximilian Fürst, schon vorbeihuschen sehen. Aber der setzte sich natürlich nicht zu seinen Kollegen. Die Zeiten war eine renommierte Tageszeitung, und vermutlich ließ sich Fürst gerade von der Polizei die harten Fakten, Fakten und nichts als die Fakten geben, um dann wieder abzureisen. Das Drumherum, die Stimmungen, Gerüchte, Vermutungen und die ganze Atmosphäre, die Berger wichtig waren, interessierten ihn nicht. Vermutlich würde morgen irgendwo auf Seite Sechs der Zeiten ein Einspalter vom Tod der Schauspielerin berichten, und das war's dann auch schon. Berger aber witterte eine große Story. Dass auch sein Kollege Lommel da war, bestärkte ihn in dieser Meinung.

„Noch ein Bier“, orderte er vom Wirt und sah sich müßig um. Viel war nicht los im Schankraum. Aber es war ja noch früh. Da fiel sein Blick auf die Frau, die gerade eintrat. Sie trug ein lila Kleid mit einem gewagten Ausschnitt und einem Schlitz im Rock, der ein klein wenig zu hoch war, um noch schicklich zu sein.

„Was machst du denn hier, Lolita?“, rief er erstaunt.

Lächelnd trat die Dame zu ihm und Lommel, der nur verdutzt dreinschaute.

„Was werde ich schon hier machen“, sagte sie. „Ich schreibe über den Tod der Schauspielerin Klarissa Ronaard.“

„Lolita Kussmaul schreibt über einen Mord?“ Hans Lommel konnte es nicht fassen.

„Seit wann gibt sich Pferd, Schwert und holde Maid denn mit so etwas ab?“, fragte auch Berger ungläubig. „Wollt ihr die nackte Leiche ablichten?“

„Also wirklich, das wäre pietätlos.“ Lolita Kussmaul zog einen Schmollmund. „Aber unser Magazin hat Klarissa zum Star gemacht. Da ist es doch nur natürlich, dass wir uns auch mit ihrem tragischen Tod befassen.“

„Ich meine mich zu erinnern, dass sie mal leicht bekleidet auf einem Pferd zu sehen war. Auf eurer Aufklappseite in der Mitte“, überlegte Lommel laut.

„Du meinst dich zu erinnern? Du hast unsere Zeitung doch abonniert! Ich habe extra nachgesehen, bevor ich hierherkam.“ Die Reporterin verzog spöttisch den Mund.

„Nur des Überblicks wegen“, verteidigte sich Lommel entrüstet.

„Na klar.“ Lolita fuhr sich durchs Haar. „Aber egal. Wir hatten erst letzten Monat einen großen Artikel über Klarissa und ihre neue Karriere als Schauspielerin. Zusammen mit dem ersten Teil eines Starschnitts.“

„Eines was?“ Anscheinend hatte Berger kein Abonnement des Magazins.

„Starschnitt. Eine Idee unseres Redakteurs. Wir vergrößern das Bild einer Berühmtheit auf Lebensgröße und drucken es Stück für Stück in unseren Ausgaben.“ Lolita lächelte überlegen. „Eine tolle Idee. Bindet die Abonnenten. Aber jetzt geht das natürlich nicht mehr. Es wird bei dem ersten Teil bleiben.“ Sie seufzte.

„Das heißt, die Leute kriegen nur den Kopf?“, wollte Berger wissen.

„Nein“, winkte Lolita aber ab. „Wir haben unten angefangen. Es sind nur die Füße zu sehen. Aber die stecken in traumhaften Riemchensandalen ...“ Die Reporterin bekam verträumte Augen. „Goldene Highheels mit einem Schmetterling aus Edelsteinen am Knöchel ...“

„Klingt, als wäre das eher was für Frauen“, feixte Berger. „Klarer Fall von Zielgruppe verfehlt.“

***

„Du scheinst dein Volk nicht allzu sehr zu lieben“, stellte Titania fest und hob fragend den Kopf.

Erkül Bwaroo hatte eigentlich erwartet, dass sie nun, da sie allein waren, gleich zu ihrem Anliegen kommen würde. Er sah sich getäuscht. Denn dass sie ihn herbeordert hatte, um über sein Verhältnis zu den Hoch- oder den Niederelfen zu sprechen, glaubte er nie und nimmer. Also seufzte er innerlich und übte sich in Geduld.

„Ich weiß nicht, wie Ihr darauf kommt“, erklärte er also.

„Ach nein? Du lässt dich nie an meinem Hof sehen, sondern lebst lieber in Laundom!“

„Im Elfenviertel von Laundom.“

„Am Rand des Elfenviertels. Deine Nachbarn sind praktisch alle schon Menschen!“

„Selbst wenn dem so wäre“, antwortete Bwaroo, nun wieder vorsichtig, „Quel est le problème? Wo liegt das Problem?“

„Ich mache mir Sorgen um dich!“, behauptete die Elfenkönigin affektiert. „Du bist einer meiner Untertanen ...“

Da platzte Bwaroo der Kragen.

„Zut alors! Ihr habt mich doch nicht den ganzen Weg kommen lassen, um mir zu sagen, dass Ihr Euch um mich sorgt!“ Sein Schnurrbart zitterte vor Empörung. „Kommt endlich zur Sache!“

Titania riss die Augen auf und sah ihn empört an. Doch dann zuckte sie nur mit den Schultern.

„Du hast sicher schon von Lichtspielen gehört, Erkül, nicht wahr?“, fragte sie, statt auf Bwaroos Worte einzugehen.

Bwaroo nickte. Das hatte er in der Tat. Man hatte Bildkristalle entwickelt, die bewegte Bilder aufzeichnen konnten, wobei sie sich sehr schnell drehten. Man hatte auch eine Möglichkeit gefunden, die Worte aufzunehmen. Die Aufzeichnungen wurden dann in eigens errichteten Häusern vorgeführt. Man warf die Bilder mittels einer starken Lichtquelle auf große Leinwände und spielte dazu den Ton ab. Das war wohl auch der Grund, dass man das Ganze ein Lichtspiel nannte. Dass man davon sprach, ein Lichtspiel zu drehen, kam wohl von den kreiselnden Kristallen. Allerdings war Bwaroo schleierhaft, warum man das Ganze auch 'Film' nannte.

Er hatte bereits einer Vorführung beigewohnt und war von den Bildern beeindruckt gewesen. Allerdings hatte ihm die doch eher seichte Handlung wenig zugesagt. Theater war ihm lieber.

„Mais oui“, stimmte er nun zu. „Habt Ihr vor, ein Lichtspiel zu drehen, Majestät?“, wollte er zum Schein höflich wissen.

„Unsinn.“ Titania schüttelte unwillig den Kopf. „Es geht mir um Klarissa Ronaard. Sie ist Schauspielerin.“

Der Name sagte Bwaroo nichts. Er hob daher lediglich die Augenbrauen und wartete darauf, dass die Königin weitersprach.

„Klarissa gehörte zu meiner Sippe“, führte Titania denn auch bald weiter aus. „Die Nichte einer Base zweiten Grades oder so.“

„Gehörte?“ Es war dem Detektiv nicht entgangen, dass sie von der Verwandtschaft in der Vergangenheit sprach.

„Sie ist tot.“

„Das ist bedauerlich.“ Bwaroo fragte sich immer noch, was die Königin von ihm wollte.

Sie zögerte einen Moment und schien zu überlegen, ob es wirklich eine gute Idee wäre, Bwaroo mehr zu erzählen.

„Es ist einige Tage her. Sie wurde vergiftet. Bei den Aufnahmen zu einem Lichtspiel“, erklärte sie schließlich. „Die Mörderin wurde auch bereits verhaftet. Allerdings glaube ich nicht, dass sie es war.“

„Warum nicht?“

„Sie ist meine Schneiderin und engste Vertraute. Ich habe sie zu Klarissa geschickt, weil … Nun, das Mädchen ist – war – schon immer etwas leichtsinnig. Bevor sie Schauspielerin wurde, war sie ein Mannequin.“ Titania bemerkte Bwaroos verständnislosen Blick. „Sie führte Kleider vor. Na ja, eigentlich eher Unterwäsche. Die Schwert, Pferd und holde Maid war voll mit Bildern von ihr.“

Bwaroo nickte. Dieses Männermagazin zeigte gern Bilder von leichtbekleideten jungen Frauen. Neben Artikeln über die neuesten Kutschen, Pferde und Waffen war das der wichtigste Bestandteil der Zeitung, die damit warb, dass sie alles bot, 'was Männern gefällt'.

„Sie wollte unbedingt berühmt werden“, fuhr Titania fort. „Auf eine zweifelhafte Art ist ihr das auch gelungen. Und dann erhielt sie die Hauptrolle in dem Film „Die Rosenprinzessin“. Ich wollte sicher gehen, dass sie keine Dummheiten macht und habe ihr meine Schneiderin mitgegeben. Offiziell kümmerte sie sich um Klarissas Garderobe. Aber eigentlich sollte sie ein Auge auf das Mädchen haben.“

„Was ihr offenbar nicht so ganz gelungen ist“, kommentierte Bwaroo nüchtern.

Titania war ihm einen scharfen Blick zu. Doch dann entschied sie sich, seine Worte einfach außer Acht zu lassen.

„Es ist unbestritten, dass Klarissa vergiftet wurde“, berichtete sie weiter. „Da sowohl sie als auch die Mordverdächtige Elfen sind, habe ich darauf bestanden, dass die Untersuchung auch von einem Elfen durchgeführt wird. Die Polizei der Menschen war davon nicht sehr begeistert, denn der Mord geschah auf Menschenterritorium, aber sie konnten wenig dagegen sagen.“

„Diese Untersuchung soll ich übernehmen?“, wollte Bwaroo wissen. „Und dabei herausfinden, dass die Verdächtige unschuldig ist? Vôtre majesté, excusez-moi, das kann ich nicht tun. Erkül Bwaroo ist der Wahrheit verpflichtet.“

Stolz richtete er sich vor ihr auf. Titania sah ihn irritiert an. Doch dann lachte sie.

„Aber ja doch! Genau darum geht es“, rief sie. „Finde die Wahrheit, mein lieber Erkül. Dass Seonny Bwaroo eine Mörderin sein soll, ist absolut bizarr. Stimmst du mir da nicht zu?“

Sie lächelte Bwaroo triumphierend an. Sie hatte sich den Namen der Verdächtigen absichtlich bis zum Schluss aufgehoben, weil sie Bwaroos Reaktion darauf hatte sehen wollen. Zufrieden bemerkte sie seinen entsetzten Gesichtsausdruck. Doch seine Antwort machte ihrem Hochgefühl gleich wieder ein Ende.

„Wenn meine Tante darin verwickelt ist, kann ich schon gar nichts tun“, behauptete er fest. „Niemand würde meine Ermittlungen anerkennen, da ich, wie man so sagt, befangen bin.“

„Unsinn!“ Mit einer energischen Handbewegung wischte sie den Einwand beiseite. „Das habe ich längst geklärt und dich bereits angekündigt. Das Unglück geschah in Freynberg. Das liegt im Ostreich. Du wirst im dortigen Internat wohnen, das neben dem Tatort liegt. Man erwartet dich.“ Sie erhob sich und blickte auf Bwaroo herab. Als er etwas sagen wollte, hob sie gebieterisch die Hand. „Kein Wort mehr. Ich habe es so entschieden. Und niemand weiß besser als ich, dass du notfalls auch gegen Seonny ermitteln würdest. Aber ich bin überzeugt, dass sie unschuldig ist.“

Bwaroo erhob sich ebenfalls. Man sah ihm an, dass er nicht glücklich über diesen Auftrag war. Doch er verneigte sich und murmelte lediglich: „Dann soll es so sein.“

„Sehr gut.“ Titania erhob sich, um zu gehen.

„Einen Moment, votre majesté“, hielt Bwaroo sie jedoch zurück. „Was könnt Ihr mir über die Tote sagen?“

„Nicht viel, ich kannte sie kaum.“

„War sie vermögend?“

„Das kann ich mir nicht vorstellen.“ Titania wurde ungeduldig, setzte sich jedoch wieder. „Soweit ich weiß, hat sie alles, was sie verdiente, für Kleider ausgegeben.“

„Hatte sie Feinde?“

„Nicht, dass ich wüsste.“

„War ihre Familie glücklich über ihre Berufswahl?“

„Kann ich mir nicht vorstellen. Das ist keine Arbeit für eine Hochelfe.“ Die Königin bemerkte, wie Bwaroo missbilligend seine Augenbrauen hob. „Na ja, ich bin vielleicht altmodisch ...“, berichtigte sie sich. „Jedenfalls waren ihre Eltern enttäuscht, aber mehr auch nicht. Und soviel ich weiß, haben sie immer gedacht, dass Klarissa sich eben ein bisschen austoben müsste und dann zurückkehren würde.“

„Verstehe.“ Bwaroo verzog verächtlich den Mund.

Doch Titania bemerkte das nicht. Sie erachtete das Gespräch nun als endgültig beendet, erhob sich wieder und wandte sich der Tür zu, um das Zimmer zu verlassen.

„Ich habe einen befreundeten Greifen gebeten, dich hinzubringen“, verkündete sie über die Schulter.

„Non, ce n’est pas possible!“, protestierte Erkül Bwaroo jedoch. „Erkül Bwaroo wird keinesfalls auf einem Greifen fliegen! Ihr könnt mir befehlen, den Fall zu übernehmen, bon. Aber Ihr könnt mir nicht befehlen zu fliegen. Es würde Euch auch wenig helfen, denn ich würde unweigerlich luftkrank und wäre dann zu gar nichts nütze. Ich werde mit dem Zug reisen.“

Die Königin fuhr herum.

„Aber das dauert viel länger!“, protestierte sie.

„Wenn es so eilig war ...“ Bwaroo hatte nun seine Selbstsicherheit wiedergefunden, „warum seid Ihr nicht selbst zu mir gekommen oder habt mir den Fall nicht schriftlich geschildert, statt mir einen Boten zu schicken, um mich extra anreisen zu lassen? Ich wäre ohne diesen Umweg längst in Freynberg.“

Verstimmt musste Titania zugeben, dass er Recht hatte.

„Nun gut“, gab sie also nach. „Reise, wie du es möchtest. Aber mach dich wenigstens gleich auf den Weg.“

„Ich hoffe, Sie haben sich nicht zu sehr gelangweilt“, begrüßte Erkül Bwaroo seinen Diener, als er endlich wieder im Freien stand.

„Durchaus nicht“, versicherte Orges. „Die restliche Reisegesellschaft ist inzwischen eingetroffen ...“ Er wies mit der Hand zu mehreren Eseln, die sich zu ihren beiden gesellt hatten. „Der kleine Peter äußerte seine Enttäuschung, dass hier außer zwei Elfenwächtern nichts zu sehen ist. Er gab zu verstehen, dass er von einem Elfenschloss etwas anderes erwartet hätte. Herr Helmprecht führte uns daher auf einem versteckten Pfad auf den Hügel hinauf, wo man einen ausgezeichneten Blick durch die Glaskuppel ins Innere des Hügels hat. Die anderen sind meines Wissens immer noch oben.“

„Ein Blick durch die Glaskuppel?“ Bwaroos Augen blitzten vergnügt. „Ich frage mich, ob das Herrscherpaar davon weiß.“

In diesem Moment kam Schorsch Helmprecht mit den anderen Gästen zurück. Peters Wangen glühten vor Begeisterung. Anscheinend hatte ihm gut gefallen, was er gesehen hatte.

Bwaroo sah aus den Augenwinkeln, wie Helmprecht zu den beiden Wächtern ging und jedem etwas in die Hand drückte. Die beiden grinsten und nickten ihm zu, als er sich mit einem „Bis zum nächsten Mal“ verabschiedete.

Der Elfendetektiv schmunzelte vergnügt. Das tat er auch noch, als er Buntschi wenig elegant, aber letztlich erfolgreich erklommen hatte und sich die ganze Gesellschaft auf den Rückweg machte.

Internat Freynberg

„Jo mei, zur Schul woin'S also“, sagte der Kutscher am Freynberger Bahnhof, als Bwaroo ihn aufforderte, ihn und Orges zum Freynberger Internat zu fahren. Ein wenig irritiert bejahte der Elf. Den Dialekt des Ostreiches hatte er schon immer etwas gewöhnungsbedürftig gefunden.

„Sie san der Mo von der Elfenpolizei, gei?“, erkundigte sich der Kutscher grinsend, während er das Gepäck hinten auf seinen Wagen schnallte.

Bwaroo stutzte.

„Woher wissen Sie denn das?“, erkundigte er sich.

„Jo mei, schaun'S, d'Schul fangt ja erst morgn o. Und Sie hamm ja a koa Kind dabei. Na sand'S also koa Vatter. Und für an Lehrer san'S zguad ozogn. Scheena Anzug, wirkli wahr. Und a Reporter hätt koan Diener dabei. Und spitze Ohrwaschl hamm's aa. Nachad bleibt bloß no, dass Sie der Elf san, auf den unser Oberwachtmeista scho wart.“

„Perfekt deduziert“, lobte Bwaroo lachend. „Das hätte ich nicht besser machen können.“ Gefolgt von Orges bestieg er die Kutsche. „Dann bringen Sie mich bitte zu der Schule. Werde ich dort zufällig auch Ihren Wachtmeister treffen?“

„I moan scho, ja. Und wenn ma uns schickan, sehn'S a no die Pressekonferenz vom Inschpektor aus Perris. Der is extra a no kemma.“

„Ein Inspektor aus Perris.“ Bwaroos gute Laune erhielt bei dieser Nachricht einen ordentlichen Dämpfer. Aber es war natürlich zu erwarten gewesen, dass man einen Mord nicht dem ortsansässigen Wachtmeister allein überließ.

„Wissen Sie zufällig, wie der Inspektor heißt?“, wollte er von dem Kutscher wissen.

„Hm, wartn'S. Wia war der Nam no glei … Kaibel ... Deifel … na … Treibel! Jo, so hoaßt er.“