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Mitten in den Basargassen von Leh an der tibetischen Grenze begegnet Bernhard Kellermann einem Hund, der mehr einem wilden Tiger als einem zahmen Tier gleicht: Säng. Groß wie ein Kalb, furchteinflößend und zugleich von ergreifender Schönheit, trägt er die Narben seines Schicksals – ein gebrochener Vorderfuß, Erinnerungen an Kämpfe mit Wölfen und ein Leben zwischen Stolz und Erniedrigung. Aus der Begegnung zwischen dem deutschen Reisenden und dem verwundeten Karawanenhund entsteht eine außergewöhnliche Freundschaft, die Grenzen von Sprache, Kultur und Spezies überwindet. Kellermann erzählt in eindringlichen Bildern von Treue, Schmerz und der Sehnsucht nach Freiheit – eine zeitlose Parabel über Mitgefühl und die Macht echter Verbundenheit.
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Seitenzahl: 13
Veröffentlichungsjahr: 2025
Bernhard Kellermann
Säng
ISBN 978-3-68912-577-6 (E-Book)
Aus: Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, herausgegeben im Auftrag der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin von Ellen Kellermann und Ulrich Dietzel, 3. Auflage, Verlag Volk und Welt, Berlin 1966.
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Im Industal, nahe der tibetanischen Grenze, sah ich die wildesten, imposantesten Hunde, denen ich je in meinem Leben begegnete. Es waren Tibeter, herkulische Burschen, schwarzen Bären ähnlich, der Kopf breit, die kleinen, bösen Augen heimtückisch dicht zusammengerückt, die Schnauze spitz. Liefen sie frei, so hatte man nicht das geringste Verlangen, vom Pferd zu steigen, ehe der Besitzer die Hunde gebändigt hatte. Waren sie festgemacht, so empfahl es sich, recht genau den Radius der Kette zu beachten und den Daumen zu drücken, dass die Kette nicht riss. Es waren eigentlich keine Hunde mehr, sondern richtige, achtunggebietende Teufel.
Einem derartigen Satan begegnete ich eines Tages ganz unvermutet in einer der Basargassen von Leh. Es war die Gasse der Fleischhauer, drei, vier Schlächterläden nebeneinander mit Schaf- und Ziegenkadavern, die mit Fliegen bedeckt sind. Von den Abfällen dieser Gasse lebt das herrenlose Rudel der räudigen Basarhunde, alle Mischungen, richtige schamlose Bettler ohne jeglichen Charakter, Gesindel, das unter Fußtritten groß geworden ist. Hier also begegnete ich zuerst meinem Satan, an den ich noch heute mit Schmerz denke, wie an einen Freund, den ich in weiter Ferne gelassen habe und nie wiedersehen werde.
