Silvia-Gold 142 - Karen Sanders - E-Book

Silvia-Gold 142 E-Book

Karen Sanders

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Beschreibung

Hendrik von Fehrenstein leitet als Juniorchef ein renommiertes Weingut. Der attraktive Geschäftsmann ist berüchtigt für seine Vorliebe für dralle, blonde Sekretärinnen, die er keineswegs nach ihren fachlichen Qualifikationen aussucht. Als der Seniorchef Leopold von Fehrenstein ihn wieder einmal in flagranti mit seiner momentanen Sekretärin erwischt, zieht er Konsequenzen: Er entlässt das naive Blondchen und setzt seinem Sohn Emelie Hauser als Chefsekretärin vor die Nase. Die junge Frau verfügt über brillante Kenntnisse und großen Arbeitseifer, ist aber eine graue Maus mit dicken Brillengläsern, einer strengen Frisur und biederer Kleidung.
Hendrik ist empört und versucht alles, um diese unscheinbare und verschüchterte Mitarbeiterin wieder loszuwerden. Aber nach und nach überzeugen ihn nicht nur ihre beruflichen Fähigkeiten. Es ist ihm unerklärlich, doch er fühlt sich zunehmend zu Emelie hingezogen ...


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Inhalt

Cover

Es muss ja nicht gleich Liebe sein

Vorschau

Impressum

Es muss ja nicht gleich Liebe sein

Warum Emelie nicht in Hendriks Beuteschema passt

Von Karen Sanders

Hendrik von Fehrenstein leitet als Juniorchef ein renommiertes Weingut. Der attraktive Geschäftsmann ist berüchtigt für seine Vorliebe für dralle, blonde Sekretärinnen, die er keineswegs nach ihren fachlichen Qualifikationen aussucht. Als der Seniorchef Leopold von Fehrenstein ihn wieder einmal in flagranti mit seiner momentanen Sekretärin erwischt, zieht er die Konsequenzen: Er entlässt das naive Blondchen und setzt seinem Sohn Emelie Hauser als Chefsekretärin vor die Nase. Die junge Frau verfügt über brillante Kenntnisse und großen Arbeitseifer, ist aber eine graue Maus mit dicken Brillengläsern, einer strengen Frisur und biederer Kleidung.

Hendrik ist empört und versucht alles, um diese unscheinbare und verschüchterte Mitarbeiterin wieder loszuwerden. Aber nach und nach überzeugen ihn nicht nur ihre beruflichen Fähigkeiten. Es ist ihm unerklärlich, doch er fühlt sich zunehmend zu Emelie hingezogen ...

Die Verbindungstür zum Chefbüro war nur angelehnt, und die Geräusche und Stimmen, die in das Vorzimmer drangen, färbten Emelies Wangen rot. Sie wurde immer kleiner und verkroch sich förmlich hinter ihrem Schreibtisch und dem Computerbildschirm, an dem sie arbeitete.

Die Worte, gehaucht und geflüstert, konnte sie zwar nicht verstehen, aber das tiefe, lustvolle Stöhnen und das spielerische Kichern einer Frau wiesen eindeutig auf ein Liebesspiel hin.

Jeder im Büro wusste von der Liaison zwischen dem Chef und seiner Sekretärin, Frau Behrens. Es war ein offenes Geheimnis, dass er die Assistentinnen der Geschäftsleitung nach besonderen Kriterien auswählte. Blond mussten sie sein und kurvig. Die Äußerlichkeiten waren ihm wichtiger als die Qualifikationen für den Job.

Irgendwie wurden die Arbeiten ja dennoch erledigt, denn eines lernten die Damen immer sehr schnell: das Delegieren ihrer Aufgaben an die kleine Bürogehilfin – Emelie Hauser.

Seit zwei Jahren arbeitete Emelie nun schon für das Haus Fehrenstein. Das Weingut mit seiner Kellerei zählte zu den renommiertesten Betrieben Süddeutschlands, die Weinberge erstreckten sich weit über die sonnigen Hänge der schwäbischen Alb.

In einer Ecke des Vorzimmers stand Emelies kleiner Schreibtisch, abgeschirmt durch zwei hohe Topfpflanzen und fast unsichtbar, wenn man den großen, modern eingerichteten Raum betrat.

Die breiten Fenster ließen viel Licht herein und eröffneten einen herrlichen Blick über die Landschaft. An klaren Tagen konnte man über das Neckarbecken hinweg bis zu den Ruinen von Burg Hohenbeilstein sehen.

Emelie hätte am liebsten ihre Sachen zusammengepackt, um nach Hause zu gehen. Streng genommen hatte sie bereits Feierabend, doch die Dokumente, die sie zur Unterschrift vorbereitete, sollten unbedingt noch heute fertiggestellt werden.

Gerade zog sie das letzte Blatt aus dem Drucker, als sich die Tür zu ihrem Büro mit einem lauten Knall öffnete und der Senior hereinpolterte.

Leopold Hieronymus von Fehrenstein war ein großer, stämmiger Mann Ende sechzig, dessen Ländereien seit jeher als Weinanbaugebiet genutzt worden waren. Doch erst er und sein Sohn hatten es verstanden, die erstklassigen Weine weltweit erfolgreich zu vermarkten.

»Keiner da?«, rief er in den Raum hinein, sodass Emelie vor Schreck beinahe die Dokumente fallen ließ.

Seine eisblauen Augen, die so sehr denen seines Sohnes glichen, blickten sich suchend um und blieben schließlich an Emelie haften.

»Sie da!«, rief er und zog seine grauen, buschigen Augenbrauen zusammen, wobei sich auf seiner Stirn eine steile Falte bildete. Er kannte sie, hatte sich aber offensichtlich ihren Namen nicht merken können.

»Hauser! Emelie Hauser«, kam sie ihm ein wenig atemlos zu Hilfe.

»Ja – ähem – Frau Hauser! Ich suche meinen Sohn. Er hätte längst mit den Aufträgen im Betriebshof erscheinen sollen.«

»Ich habe sie gerade fertiggestellt«, entgegnete Emelie kleinlaut und sortierte die Papiere mit zitternden Händen in eine Unterschriftenmappe ein.

Aber das hatte der Senior nur noch mit halbem Ohr vernommen, denn ein »Verdammt! Mein alter Herr!« und aufgeregtes Rascheln hinter der Verbindungstür ließen den Senior herumfahren und schnurstracks zum Büro seines Sohnes eilen.

Emelie blieb der Mund offen stehen. Während sie noch überlegte, ob sie eine Warnung aussprechen sollte, hatte der ältere Herr bereits mit Schwung die Tür aufgezogen. Mit lautem Krach flog sie an den Stopper vor der Wand und prallte ein Stück weit zurück. Aber da war der Senior schon über die Türschwelle getreten.

Seine massige Gestalt versperrte den Blick auf das Innere des Zimmers, aber Emelie hätte es ohnehin nicht gewagt, hineinzusehen.

Schnell legte sie die Unterschriftenmappe gut sichtbar auf den Schreibtisch der Chefsekretärin. Erst vor knapp dreißig Minuten hatte Frau Behrens ihr aufgetragen, die Auftragsformulare vorzubereiten. Emelie hoffte, so schnell wie möglich aus der Schusslinie verschwinden zu können, denn jetzt braute sich ein wahres Donnerwetter zusammen.

»Ja, ist denn das die Möglichkeit!«, rief Leopold von Fehrenstein. »Sind wir hier im Freudenhaus?«

»Wenn du auch so hereinplatzen musst!«, konterte eine sonore Stimme mäßig aufgeregt.

»Und Sie – du meine Güte, bedecken Sie sich!«

Erschrockenes Gestammel der Chefsekretärin folgte, unterbrochen von hysterischen Schluchzern.

»Wenn das alles ist, was Sie können, dann haben Sie hier nichts mehr verloren«, ging der Senior auf die Frau los, die Emelie nun beinahe leidtat.

Sie hatte es zwar geschafft, länger als ihre Vorgängerinnen durchzuhalten, die oft die Probezeit nicht »überlebt« hatten, aber auch ihr Angestelltenverhältnis bei Fehrenstein war heute wohl abrupt zu Ende gegangen.

»Sie sind fristlos entlassen!«, folgten auch schon die rigorosen Worte des Seniors. »Hinaus mit Ihnen!«

O weh! Der Senior war geladen. Emelie wollte jetzt nicht in der Haut der drallen Blondine stecken.

Da kam sie auch schon herausgestolpert, den einen Fuß nur halb in die hochhackigen Pumps gesteckt und mit den Fingern noch am obersten Knopf ihrer Bluse herumnestelnd. Rote Flecken hatten sich auf ihrem Gesicht ausgebreitet und konkurrierten mit der Farbe ihres verschmieren Lippenstifts.

Auch ihre Wimperntusche drohte zu zerlaufen, denn wütende Tränen standen in ihren Augen. Als sie Emelie entdeckte, verzerrten sich ihre Gesichtszüge.

»Sie kleines Miststück! Warum haben sie uns nicht gewarnt?«

Emelie hätte ihr gerne geantwortet, dass sie dazu gar keine Gelegenheit gehabt hatte, aber da marschierte der Senior mit seinem Sohn herein, und Frau Behrens schnappte sich schnell ihre Handtasche und flatterte wie ein aufgescheuchtes Huhn davon.

»Das muss ein Ende haben«, polterte der alte Herr. »Dafür werde ich persönlich sorgen. Schluss mit den Tollheiten! Such dir endlich eine Ehefrau und sorge für Nachwuchs, bevor unser Familienname ausstirbt.«

»Wann ich mir eine Frau suche, das musst du schon mir überlassen«, entgegnete der Junior nun seinerseits erbost. »Wenn dir meine Arbeitsweise nicht passt, dann halte dich eben ganz aus dem Geschäft heraus!«

»Das würde ich nur zu gerne«, gab der Senior mit hochrotem Kopf zurück. »Aber solange du deine Privatangelegenheiten nicht aus dem Betrieb heraushalten kannst, werde ich meine Augen offen halten. Ich habe die Nase endgültig voll von deinen Eskapaden.«

»Was willst du machen? Mich hinauswerfen?«, höhnte sein Sohn. Er klang fast ein wenig amüsiert. Er wusste genau, dass dies nicht geschehen würde. Er war gut in seinem Job. So richtig gut!

Nach seinem Bachelor-Studium hatte er in Italien den Master in Önologie absolviert und den eigenen Weinbaubetrieb anschließend tüchtig in Schwung gebracht. Mit dem richtigen Marketing und der gewieften Werbestrategie hatte er nicht nur mit Italien ein stabiles Exportabkommen getroffen, sondern seine Fühler weltweit ausgestreckt.

Wenn er wollte, konnte Hendrik Marcellus von Fehrenstein ein wahres Arbeitstier sein. Und er verstand sein Metier, von der Rebe über den Weinstock bis zur Vermarktung seiner edlen Weine.

»Als Erstes werde ich eigenhändig eine neue Sekretärin für dich suchen«, verkündete sein Vater mit einem hinterhältigen Lächeln. »Sie!« Sein Zeigefinger deutete auf Emelie, die vor Schreck zusammenzuckte und weiche Knie bekam.

Hätte sie sich doch nur gleich mit Frau Behrens auf die Flucht begeben! Aber da hätte sie an Vater und Sohn vorbeilaufen müssen, die mitten im Raum standen. Und da hatte sie sich doch lieber hinter ihren Topfpflanzen versteckt.

»Wie lange arbeiten Sie schon bei uns?«, fragte der Senior und fasste sie streng ins Auge.

Emelie musste schlucken. Ihre Kehle war plötzlich ganz trocken.

»Zwei Jahre«, würgte sie mit piepsender Stimme hervor.

»Hah!«, machte der alte Herr triumphierend. »Da haben Sie wohl schon einige Sekretärinnen kommen und gehen sehen. Aber Sie sind immer noch da, Frau – ähm – Frau Hauser, richtig?«

Emelie nickte. Sie rückte die Brille mit den dicken Gläsern gerade. Es geschah mehr aus Verlegenheit, obwohl das alte Gestell tatsächlich manchmal unangenehm auf ihrem Nasenrücken kniff.

»Da haben wir ja schon die richtige Kandidatin«, rief der Senior erfreut. »Das ist deine neue Sekretärin, mein Lieber«, fuhr er an seinen Sohn gewandt fort.

Der war darüber alles andere als begeistert.

»Wie bitte?« Er lachte gekünstelt. »Das kann nicht dein Ernst sein.«

»Mein vollster!«

»Das werde ich nicht akzeptieren. Diese – diese Frau ...«

»Ist absolut geeignet für den Job. Wenn ich mich nicht täusche, hat sie in der Vergangenheit bereits die meisten Arbeiten hier erledigt, denn deine bisherigen ...– ich weiß gar nicht, wie ich sie nennen soll – hatten augenscheinlich andere Qualitäten.«

Emelie wäre am liebsten im Erdboden versunken, als der taxierende Blick des Juniorchefs über sie flog. Seine Augen funkelten eiskalt, und seine Lippen waren zu einem grimmigen Strich verzogen.

Was er über sie dachte, war nur zu offensichtlich. Dafür musste man kein Gedankenleser sein. Sie war gut genug dafür, sich wie ein kleines Mäuschen in einer Ecke des Büros zu verstecken. Als seine Assistentin im Büromanagement wünschte er sich hingegen eine ganz andere Art von Frau.

Das ist mein Ende, dachte sich Emelie und wich dem drohenden Blick des hochgewachsenen Mannes aus. Sie schüttelte kaum merklich den Kopf und schrumpfte, wenn möglich, noch ein bisschen mehr in sich zusammen.

Beinahe körperlich spürte sie seine kritische Musterung, die an ihrem strengen Haar-Dutt begann, über ihr unscheinbares, ungeschminktes Gesicht glitt und den einfachen Pullover und den grauen wadenlangen Rock bis zu den verschnürten Halbschuhen an ihren Füßen erfasste.

Nein! Emelie Hauser entsprach ganz und gar nicht dem, was Hendrik Marcellus von Fehrenstein von seiner Chefsekretärin erwartete.

So bewusst wie heute hatte er sie noch nie wahrgenommen. Oft erschien es ihr, als sei sie für ihn völlig unsichtbar. Wusste er überhaupt, dass sie existierte? Richtig angesehen hatte er sie jedenfalls noch nicht. Für gewöhnlich war sie nur ein herumhuschender grauer Schatten für ihn. Und das war ihr ganz recht so.

Hendrik von Fehrenstein knirschte förmlich mit den Zähnen, als er sich wieder an seinen Vater wandte.

»Nun gut«, meinte er, während sich eine seiner Augenbrauen hob. »Wenn du das so willst, dann geht das auf deine Verantwortung.«

Sein Vater ließ seinen Blick wieder zu Emelie schweifen. Fast lag ein wenig Bedauern in seinen Augen, wie er die Büroangestellte so betrachtete. Als wüsste er genau, dass nicht mehr viel von ihr übrig bleiben würde, wenn sein Sohn erst mit ihr fertig wäre. Bereute er es bereits, sie ihm zum Fraß vorgeworfen zu haben?

Dass Hendrik von Fehrenstein sie nicht haben wollte, war mehr als eindeutig. Er würde Mittel und Wege finden, sich ihrer schnell wieder zu entledigen. Emelie durfte sich bei ihm nicht den kleinsten Fehler erlauben.

»Wo sind die Verträge?«, fragte Hendrik von Fehrenstein hart und ließ Emelie dabei nicht aus den Augen.

Unter seinem eisigen Blick schier erstarrt, schoss plötzlich Adrenalin durch ihre Adern. Sie hechtete geradezu an den Schreibtisch der Chefsekretärin, wo die Unterschriftenmappe mit den Verträgen lag, die sie ausgearbeitet hatte. In ihrer Hektik versagten die Beine ihr beinahe den Dienst.

Sie hatte es sonst gut unter Kontrolle, aber in dieser Situation und während der wenigen Schritte, die sie an den Herren vorbeieilen musste, kam ihr Hinken plötzlich mehr denn je zum Vorschein. Und sie hatten es beide gesehen.

Stumm nahm ihr Hendrik von Fehrenstein die Mappe aus den Händen. Seine Nasenflügel bebten leicht, als er sie fixierte. Was sie in seinen Augen las, war Missbilligung, vielleicht sogar eine Spur von Verachtung.

Emelie war den Tränen nahe. Aber mit dem letzten Rest von Stolz, den sie aufbringen konnte, versuchte sie, es sich nicht anmerken zu lassen.

Sie kannte diese Blicke zur Genüge. Sie reichten von Mitleid bis hin zu einer Spur Ekel. Meist konnte sie ihren Gehfehler ganz gut verbergen, wenn sie sich konzentrierte. Doch darin hatte sie soeben völlig versagt.

Der Senior räusperte sich etwas umständlich. Dann mahnte er seinen Sohn zum Aufbruch.

Emelie sah ihnen nach, als sie grußlos das Büro verließen.

***

Emelie lief die wenigen Schritte bis zur Bushaltestelle. Sie hatte den Fahrplan im Kopf, was nicht schwer war, denn der Bus hielt hier nur alle Stunde einmal und schlängelte sich dann durch die malerische Landschaft und den kleinen anschließenden Ort.

Obwohl sie einen Fensterplatz ergattert hatte, nahm sie nicht viel von der vorbeiziehenden Gegend wahr.

Draußen begann es allmählich zu dämmern. Ihr eigenes Bild spiegelte sich schemenhaft im Fenster. Was sie aber vor ihrem inneren Auge sah, war das strenge Antlitz Hendrik von Fehrensteins.

Seine Kieferpartie wirkte hart und wie gemeißelt, die Lippen umspielte ein diabolisches Lächeln, und seine eisblauen Augen durchbohrten sie kalt und durchdringend. Sein dunkles Haar war an den Schläfen bereits ergraut, was seine Attraktivität allenfalls noch betonte. Er war hochgewachsen, mit breiten Schultern und sportlich trainiert.

Ein gut aussehender Mann, den die Frauenwelt sehr zu schätzen wusste. Sie umschwärmten ihn wie die Motten das Licht. Dass er immer noch Junggeselle war, schien ihnen ein zusätzlicher Anreiz zu sein.

Doch Emelie wusste, dass er die Frauen wechselte wie andere ihre Hemden. Er war kein Kostverächter, sondern war der Weiblichkeit, im Gegenteil, sehr zugetan. Aber sich festlegen auf eine Einzige, das wollte er nicht. Er konnte sie alle haben, doch er nahm sich nur die Schönsten unter ihnen.

Emelie fiel da von vornherein durch das Raster. Sie gehörte nicht zu seinem Beuteschema. Das war gut so, denn andernfalls hätte sie sicher auch längst den Dienst quittieren müssen.

Sie benötigte ihren Job dringend. Und so gab sie sich keine große Mühe mit ihrem Aussehen und konnte sich das Geld für teure Kleidung sparen. Ihr Haar trug sie stets streng frisiert. Zwar war sie auch blond, doch war es ein natürlicher Farbton, nicht dieses hell gefärbte Platinblond, welches er so an den Frauen liebte.

Das einfache Kassengestell trug ebenfalls nicht dazu bei, ihre Schönheit zu unterstreichen. Die Brille mit den preiswerten, dicken Gläsern erfüllte ihren Zweck. Kontaktlinsen und die dafür benötigten Pflege- und Reinigungsprodukte waren teuer. Zwar hatte sich Emelie einen kleinen Vorrat an Einmal-Tageslinsen zugelegt, mit denen sie ganz gut zurechtkam, doch sie ging sparsam damit um und verwendete sie nur zu besonderen Anlässen.

Nachdem der Bus zwei weitere Haltestellen angefahren hatte, stoppte er am Randbezirk des Städtchens und entließ Emelie und einige weitere Passagiere.

Emelie nahm den restlichen Weg durch die schmutzigen Gassen zu Fuß. Die Wohnbausiedlung war bereits in den Siebzigerjahren entstanden und wirkte etwas heruntergekommen. Aber die Wohnungen waren vergleichsweise billig.

Die Stadtverwaltung hatte jedoch ein Gutachten erstellt mit dem Vorhaben, den schäbigen Häuserblock abzureißen, um hier moderne Reihenhäuser für junge Familien zu bauen. Emelie hoffte, dass es noch einige Jahre dauern würde, bis es so weit war.

Sie war erleichtert, als sie das vierstöckige Gebäude erreichte. Zum Glück lag ihre Wohnung im Erdgeschoss, sodass sie keine Treppen mehr steigen musste. Jetzt, am Ende des Tages, schmerzte ihr Bein ein wenig.

Dunkel und kalt empfingen sie die grauen Wände. Emelie machte Licht und drehte die Heizung etwas höher. Eine heiße Suppe wäre jetzt gut, wenn sie noch die Energie zum Kochen aufbrachte. Etwas Brot war auch noch da. Und sie musste unbedingt ihren schmerzenden Fuß hochlegen.

Ihr Blick fiel auf den Bilderrahmen auf der alten Kommode. Das innenliegende Foto stammte noch von glücklicheren Tagen. Es zeigte eine lachende Emelie zusammen mit Vater und Mutter.

Wenn Emelie an die unbeschwerte Zeit zurückdachte, stiegen stets Tränen in ihre Augen.

Der Autounfall auf eisglatter Fahrbahn lag schon über drei Jahre zurück. Emelie war mit ihren Eltern auf einer vorweihnachtlichen Einkaufstour gewesen. Ihr Vater war einem entgegenkommenden Fahrzeug ausgewichen und dabei selbst ins Schleudern geraten. Der Wagen war einen Abhang hinuntergestürzt; der Unfallverursacher hatte Fahrerflucht begangen. Er war nie gefasst worden. Dafür hatte es zu wenig Anhaltspunkte gegeben.