High Society 6 - Sammelband - Karen Sanders - E-Book

High Society 6 - Sammelband E-Book

Karen Sanders

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Beschreibung

High Society - Liebe in Adelskreisen Sammelband

Leseglück für viele Stunden zum Sparpreis!

Es wird geliebt, gehasst, gewonnen und verloren. Werfen Sie einen Blick in die aufregende Welt der Reichen und Schönen und erleben Sie spannende Verwicklungen! Denn eins wird es in den feinen Kreisen garantiert nie: langweilig!

Was Frauen lieben und wovon sie heimlich träumen, davon erzählen die Romane in High Society - Liebe in Adelskreisen auf mitreißende Weise. Die perfekte Mischung aus Humor, Romantik, Drama und großen Gefühlen lässt den Alltag schon auf Seite 1 in weite Ferne rücken.

Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:

Silvia-Gold 6: Nur die Sterne sind Zeugen ...
In Adelskreisen 33: Im Dienste der reichen Erbin
Fürsten-Roman 2433: Du bist meine Muse

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 250 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 370

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2013/2014/2016 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © Sanina Natasha/Shutterstock ISBN 978-3-7325-8557-1

Karen Sanders, Nina Gregor, Sandra Heyden

High Society 6 - Sammelband

Inhalt

Karen SandersSilvia-Gold - Folge 006Es gab mal eine Zeit, da hätte Melanie ihre Seele dafür verkauft, wenn Richard Lorenzen ihr all die zärtlichen Worte gesagt hätte, die er ihr heute unter dem samtenen Nachthimmel Griechenlands ins Ohr raunt. Nur das Meer und die Sterne sind Zeugen ihrer Liebe, die für Melanie so einmalig ist. Doch dann kommt der Morgen - und mit ihm das Erwachen. Es wird ein bitterer Moment für Melanie, als sie erfahren muss, welche Gründe Richard hatte, ihr Gefühle vorzuspielen ...Jetzt lesen
Nina GregorIn Adelskreisen - Folge 33Mit Begeisterung übt Bert Freiherr von Rittershausen seinen Beruf aus: Er ist Pilot, und dazu einer der besten. Egal, ob riesige Düsenjets oder kleine Propellermaschinen - er bringt seine Passagiere sicher ans Ziel. Doch als er den einmaligen Auftrag erhält, die schöne einzige Tochter des Multimillionärs Britten in ihrem Privatjet an einige sehr entlegene Sehnsuchtsorte dieser Welt zu fliegen, kommt es plötzlich zu sehr gefährlichen Augenblicken in der Luft. Die verwöhnte Biggi ignoriert seine Anweisungen, und dann müssen sie auf einer unbewohnten Insel irgendwo mitten im Pazifik notlanden...Jetzt lesen
Sandra HeydenFürsten-Roman - Folge 2433Wie eine schöne Prinzessin einem Krimiautor zu seinem größten Erfolg verhalf. Tief in Gedanken versunken, verlässt die junge Ärztin Dana Prinzessin von Harthensand das Klinikgebäude. Warum nur hat sie den sympathischen Fremden, dem sie auf dem Bahnhof begegnet ist, nicht nach seinem Namen gefragt? Seine blauen Augen gehen ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf, und sie würde ihn so gerne wiedersehen. Doch noch während die hübsche Prinzessin dieser vertanen Chance nachtrauert, nimmt ihr Leben eine dramatische Wende. Sie wird von einem Auto angefahren und fällt ins Koma. Als sie erwacht, gibt ihr das neue Buch des bekannten Autors Mike Mathény Kraft, und sie verschlingt die romantische Liebesgeschichte begeistert. Das Buch fasziniert sie auf eine seltsame Art und Weise. Nicht nur die Zeichnung auf dem Cover sieht ihr auffallend ähnlich, auch die Hauptfigur weist erstaunlich viele Parallelen zu ihr auf...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Nur die Sterne sind Zeugen …

Vorschau

Nur die Sterne sind Zeugen …

Doch dann kommt der Morgen – und mit ihm das schmerzvolle Erwachen

Von Karen Sanders

Es gab mal eine Zeit, da hätte Melanie ihre Seele dafür verkauft, wenn Richard Lorenzen ihr all die zärtlichen Worte gesagt hätte, die er ihr heute unter dem samtenen Nachthimmel Griechenlands ins Ohr raunt. Nur das Meer und die Sterne sind Zeugen ihrer Liebe, die für Melanie so einmalig ist.

Doch dann kommt der Morgen – und mit ihm das Erwachen. Es wird ein bitterer Moment für Melanie, als sie erfahren muss, welche Gründe Richard hatte, ihr Gefühle vorzuspielen …

Die Vorzimmerdame des Chefbüros schaute irritiert auf, als sich die Tür öffnete und eine rassige Person hereinschwebte. Von den hochhackigen Pumps, den Seidenstrümpfen bis hin zum cremefarbenen Kostüm war alles an ihr perfekt. Den beiden männlichen Angestellten, die eben aus einer Besprechung mit dem Boss kamen, fielen beinahe die Augen aus dem Kopf.

»Einen schönen guten Morgen«, flötete die Besucherin, und die Vorzimmerdame verzog süßsauer den Mund und erwiderte den Gruß. Ihre Kollegen schluckten und murmelten etwas Unverständliches. Sie bestaunten die schlanke, hochgewachsene Schönheit wie ein Weltwunder.

Melanie setzte elegant Fuß vor Fuß und näherte sich der Tür zum Allerheiligsten: dem Arbeitszimmer des Chefs. Ihre Hüften bewegten sich in sanftem Schwung und wurden durch den engen Kostümrock vorteilhaft modelliert.

»Halt!«, rief die Sekretärin. »Sie können dort nicht hineingehen! Wenn Sie Herrn Ahrend sprechen wollen, müssen Sie sich voranmelden. Außerdem erwartet Herr Ahrend jeden Moment Gäste. Sagen Sie mir Ihren Namen und Ihr Anliegen, dann werde ich versuchen, einen Termin für Sie zu vereinbaren.«

»Ich brauche keinen Termin! Mich wird Ihr Chef bestimmt vorlassen«, entgegnete Melanie selbstsicher und schenkte der Frau ein süffisantes Lächeln. »Aber bitte, fragen Sie nur!«

Unter den neugierigen Blicken ihrer männlichen Kollegen erhob sich die Frau und musterte Melanie mit zusammengekniffenen Augen. Eine dreiste Person! Wie konnte sie so sicher sein, von Herrn Ahrend empfangen zu werden? Sie war doch nicht etwa … Nein! Herr Ahrend war verheiratet. Es existierte nicht das leiseste Gerücht über einen möglichen Seitensprung.

»Sie sind wohl noch nicht sehr lange hier beschäftigt?«, fragte Melanie mit einem Anflug von Mitleid.

»Ich arbeite seit fünf Jahren für die Firma und seit drei Jahren ausschließlich als Chefsekretärin für Herrn Ahrend«, entgegnete die Frau entrüstet.

»Drei Jahre schon?«, meinte Melanie beeindruckt. »Dann allerdings …«

»Und wen darf ich also Herrn Ahrend melden?«

»Seine Tochter!«

Der hochnäsige Gesichtsausdruck der ältlichen Dame wich purem Entsetzen. Mit vor Überraschung weit aufgerissenen Augen starrte sie Melanie an. Auch den beiden Männern stand der Mund offen. Jetzt klappten sie ihn schnell wieder zu, stotterten eine Entschuldigung und suchten das Weite. Ihren Kollegen würden sie viel zu erzählen haben.

»Aber Sie sind – ich glaubte …«

»Unnötig!«, wischte Melanie mit einer Handbewegung beiseite und wusste nicht, wie sehr sie damit an die Gestik ihres Vaters erinnerte. Die Sekretärin interessierte sie nicht länger. »Ich gehe jetzt zu Paps!«, verkündete sie abschließend und ließ die schockierte Dame einfach stehen.

***

Nach kurzem Anklopfen betrat Melanie das große Büro ihres Vaters.

»Melanie! Was machst du denn hier?«, rief der Herr hinter dem mächtigen Schreibtisch, der nicht recht wusste, ob er erfreut oder verärgert sein sollte.

»Ich möchte mir den Betrieb ansehen!«, verkündete sie ohne Umschweife. »Aber hier vorgelassen zu werden ist ja schwieriger, als eine Audienz beim Papst zu ergattern.«

»Wo kämen wir auch hin, wenn jeder unangemeldet hier hereinschneien würde!«, verteidigte sich ihr Vater.

»Ich bin aber nicht jeder, sondern deine Lieblingstochter!«

»Kunststück! Ich habe ja nur eine!«

»Deine Schuld! Ich kann nichts dafür, dass ich dein einziges Kind bin und folglich eines Tages den Betrieb übernehmen werde!«

Herr Gustav Ahrend räusperte sich umständlich.

»Da ist noch nicht das letzte Wort gesprochen, mein liebes Kind!«

»Wie meinst du das?«, fragte Melanie gedehnt und hockte sich auf die Schreibtischkante, ihre langen Beine malerisch übereinandergeschlagen.

»Ich hoffe immer noch auf einen fähigen Schwiegersohn vom Baufach«, bekannte ihr Vater.

»Nichts da, wenn ich einmal heirate, dann bestimmt keinen Bau-Tiger! Außerdem bestehe ich auf rigorose Gütertrennung. Wozu habe ich all die Jahre studiert und mein Diplom als Betriebswirtin gemacht? Vergiss nicht, dass mich die Baufirma in Tübingen, wo ich mein Praktikum absolvierte, mit Handkuss übernommen hätte.«

»Ja, ja!«, knurrte Gustav Ahrend. »Ich erkenne deine Erfolge an und bin mächtig stolz auf dich. Deshalb habe ich dir auch eine dicke Belohnung zum bestandenen Studium versprochen!«

»Apropos Belohnung!«, rief Melanie und sprang mit einem Hops von der Tischkante. Sie war erst gestern aus Tübingen zurückgekehrt, blank und frei von jeglichen Verpflichtungen, mit dem Diplom in der Tasche und den Kopf voller Ideen. »Dein Angebot gilt doch noch?« Sie stützte ihre Ellenbogen auf die Tischplatte und beugte sich zu ihrem Vater vor.

Gustav Ahrend nickte beklommen. Er verschränkte die Arme vor der Brust, holte tief Luft und wartete auf Melanies Mitteilung.

»Ich habe mich entschieden!«, eröffnete sie auch schon mit glänzenden Augen, die den seinen so ähnlich waren: grünbraun, mit kleinen goldfunkelnden Lichtern.

Im Geiste bereitete sich Gustav Ahrend auf verschiedene Möglichkeiten vor: ein knallroter Jaguar, eine komplette Sommergarderobe oder ein ganzes Jahr lang Unterricht im neuen Tennisklub!

Melanie richtete sich auf und erhöhte die Spannung. Ein feines Lächeln spielte um ihre rot geschminkten Lippen.

»Eine Urlaubsreise nach Griechenland!«

Gustav Ahrend, der glückliche Vater dieser reizenden Vierundzwanzigjährigen, blieb ruhig in seinem Drehstuhl sitzen. »Und?«

»Und was? Reicht das nicht?« Seine Gelassenheit enttäuschte Melanie.

»Also, wenn das alles ist, dann sei dir dein Wunsch gern gewährt! Wohin soll’s denn gehen? Nach Korfu, Kreta oder Rhodos?«

»Nein, auf keine der Inseln!«

»Also nach Athen?«

»Müssen es denn immer die üblichen Touristenzentren sein? Es gibt unzählige interessante Orte in Griechenland, die anzusehen es sich lohnt. Vielleicht wäre die Gegend um Patras oder Tripolis nicht schlecht.«

»Wie du willst! Am besten, du berätst dich mit Mutter und suchst dir ein anständiges Hotel aus.« Gustav Ahrend kramte schon wieder in seinen Geschäftspapieren. Die Angelegenheit war für ihn so gut wie abgehakt.

»Eine kleine Pension tut’s auch!«, erklärte Melanie da und weckte die Aufmerksamkeit ihres Vaters erneut.

»Pension! Wie kommst du denn auf diese Idee? Ich werde mir doch noch ein einigermaßen passables Hotel für dich leisten können. Deine Bescheidenheit in allen Ehren, aber ich lasse nicht zu, dass meine Tochter in einer billigen Absteige haust.«

»Aber genau das möchte ich!«, redete sich Melanie in Fahrt. »Keine Luxussuite in einem Fünf-Sterne-Hotel mit Swimmingpool, Tanzbar und Privatstrand. Ich möchte einmal wie ein ganz gewöhnlicher Tourist reisen.«

»Ich glaube kaum, dass da eine deiner Freundinnen mitmacht.«

»Weshalb sollten sie auch? Ich fahre natürlich allein!«

»Du meinst fliegen!«

»Mitnichten!« Melanie schüttelte den Kopf. »Ich nehme die Eisenbahn!«

»Also, erstens kommt es nicht infrage, dass du allein eine so weite Reise unternimmst«, wurde Gustav Ahrend energisch, »dazu noch in ein Land, in dem keine junge Frau sicher sein kann. Und zweitens wird ein entsprechendes Hotel gebucht, wo anständige Leute gastieren.«

»Und drittens?«, fragte Melanie.

Gustav Ahrend schnappte nach Luft. »Drittens dauert die Fahrt per Bahn viel zu lang. Selbst wenn du erster Klasse mit Schlafwagen reist – Fliegen geht schneller!«

»Ich will kein Erste-Klasse-Abteil!«, versicherte Melanie schlagfertig. »Ich fahre natürlich in der Touristenklasse!«

»Das wirst du nicht!« Resolut schlug ihr Vater mit der Faust auf den Tisch.

»Werde ich doch! Denk an dein Versprechen! Im Übrigen bin ich keine vierzehn mehr, sondern vierundzwanzig!«, betonte Melanie.

Gustav Ahrend schnaubte.

»Du brauchst dich gar nicht aufzuregen! Leider ist mein Alter eine feststehende Tatsache. Und es ist nicht meine Schuld, dass ich so früh geboren wurde.«

»Wahrscheinlich willst du mich auch noch dafür verantwortlich machen!«, brummte ihr Vater grimmig.

»Wen denn sonst? Mama etwa? Die kann doch wirklich nichts dafür, dass du über sie hergefallen bist!«

»Wie bitte?«

»Oder glaubst du, ich kann mir nicht ausrechnen, dass ich schon sieben Monate nach eurer Hochzeit geboren bin? Nein, abstreiten nützt nichts! Ich war keine Frühgeburt!«

»Du freches kleines Ding!«

»Jetzt fällt dir wohl nichts mehr ein!« Melanie grinste.

Auch Gustav Ahrends Mundwinkel begannen verdächtig zu zucken. Melanie wusste, dass er kurz davorstand, ihr Lachen zu erwidern. Sie setzte dem noch die Krone auf, indem sie sich über den Tisch beugte und einen winzigen Kuss an seiner Kinngegend platzierte.

»Komm schon, Papilein – du konntest mir doch noch nie widerstehen!«

Ihr Vater schüttelte resigniert den Kopf.

»Bei dir ist Hopfen und Malz verloren«, bekannte er. »Dein zukünftiger Ehemann wird schon ein ganzer Kerl sein müssen, sonst steckst du ihn in die Tasche.«

»Genauso wie unsere Geschäftspartner, wenn ich erst mal im Betrieb mitarbeite!«, konterte Melanie.

»Bevor du in der Geschäftsführung ein Wörtchen mitzureden hast, wirst du ganz klein anfangen und noch eine Menge dazulernen«, verkündete der Chef unheilvoll.

»Noch mehr lernen? Auweia!« Melanie schüttelte ihre schmale Hand mit den makellos manikürten Fingernägeln, als habe sie sich verbrannt. »Willst du mich etwa wieder als Handlanger für unsere Maurer auf den Bau schicken?«

Melanie erinnerte sich nur zu gut an die Zeit. Sie war damals sechzehn gewesen, und dieser Ferienjob war das Härteste, was sie bisher erlebt hatte. Aber sie hatte durchgehalten und damit nicht nur den Respekt der manchmal recht groben Bauarbeiter errungen.

»Von technischen Zeichnungen, Bauplanung und Ingenieurleistungen verstehe ich nicht viel. Diesen Aspekt überlasse ich lieber dir. Aber die Verwaltung kann ich dir abnehmen: den Ein- und Verkauf, die Kalkulation, Angebote, Kundenberatung, Investitionen, Marketing, Management …«

»Stopp!«, rief ihr Vater händeringend. »Ich sehe schon, du wirst unsere ganze Organisation durcheinanderbringen. Willst du nicht lieber doch heiraten und Kinder bekommen?«, fragte er mit einem hoffnungsvollen Blick.

»Hm, hm!« Melanie schüttelte mit einem bezeichnenden Lächeln den Kopf.

Gustav Ahrend seufzte tief. »Dann bin ich nur froh, dass du mir noch eine Atempause gönnst und nach Griechenland reist, bevor du hier deine hochgesteckten Ambitionen auslebst.«

»Prima! Dann wären wir uns also einig!«, jubelte Melanie und warf mit einer anmutigen Kopfbewegung eine ihrer langen Haarsträhnen zurück, die ihr ins Gesicht gefallen war. »Wie wäre es jetzt damit, wenn du mich ein bisschen in der Firma herumführen würdest? Ich war lange Zeit nicht mehr hier. Wahrscheinlich kennen mich die meisten Leute nicht mehr.«

»Die werden sich schnell wieder an dich erinnern«, befürchtete Gustav Ahrend, vermied es aber, sich den heimlichen Stolz auf seine Tochter anmerken zu lassen. Weniger ihre beruflichen Fähigkeiten waren es, die ihn beeindruckten, sondern vielmehr ihr ansprechendes Äußeres.

In den letzten Jahren hatte sich Melanie sehr gewandelt. An den pummeligen Teenager mit der glänzenden Haut, dem strähnigen Haar und der festsitzenden Zahnspange erinnerte nichts mehr. Melanie hatte sich zu einer schlanken jungen Dame gemausert.

»Es tut mir leid, aber ich erwarte Geschäftsbesuch.« Gustav Ahrend warf einen Blick auf seine teure Schweizer Armbanduhr. »Es ist höchste Zeit, dass du verschwindest. Meinetwegen sieh dir den Betrieb alleine an. Aber halte meine Leute nicht von der Arbeit ab.«

Melanie zog eine Schnute. »Ach, dann habe ich auch keine Lust! Wir verschieben das Ganze, und ich kümmere mich erst mal um meine Reisepläne. Bis dann, Papilein!«

Gustav Ahrend sah seiner Tochter nach, die elegant durch sein Büro stolzierte und nach einem letzten Winken die schalldichte Tür hinter sich zuzog. Mit Kindern hatte man schon so seine Sorgen! Besonders wenn es sich dabei um halsstarrige, emanzipierte junge Damen handelte.

***

So leicht und froh beschwingt Melanie eben das Büro des Firmenchefs verlassen hatte, so schwer fiel es den beiden Männern, dieses zu betreten.

Richard Lorenzen senior und Richard Lorenzen junior hatten auch kaum Grund zum Glücklichsein. Für sie hing vieles von dem Ausgang dieser Verhandlung ab. Der reiche, allmächtige Ahrend hatte sie zu einem unverbindlichen Gespräch gebeten, denn die Lorenzens hatten ihm die Übernahme ihres kleinen Betriebes angeboten, der kurz vor der Pleite stand.

Die beiden Älteren kannten sich schon seit Jahrzehnten. Gustav Ahrend wusste, dass die kleine Baufirma »Lorenzen & Söhne« von Anfang an einen schlechten Stand besessen hatte und gegen ihn kaum antreten konnte. Gegenüber seinem gefestigten Unternehmen waren sie nicht konkurrenzfähig und mussten oft unter dem Selbstkostenpreis kalkulieren, um einen Vertrag an Land zu ziehen. Das konnte auf die Dauer nicht gutgehen.

Richard Lorenzen junior war seinem Vater auch keine große Hilfe gewesen, denn der junge Mann war als rechter Windhund bekannt, ein Playboy, der schnelle Autos und leichte Mädchen liebte. Er hatte seine Studentenjahre mehr als weidlich genossen. Als er in den Betrieb des Vaters eingestiegen war und endlich begriffen hatte, aus welcher Richtung der Wind wehte, war es schon zu spät gewesen, um die Firma zu retten, die tief in den roten Zahlen stand. Die Skandalgeschichten um ihn wurden leiser, dafür lobte man seinen Einsatz und sein Fachwissen.

Lorenzen senior war nie ein versierter Geschäftsmann gewesen. Wohl war er für erstklassige Arbeit und sein Können am Bau bekannt, doch um erfolgreich zu sein, musste man auch im Management mit allen Wassern gewaschen sein. Sein Sohn schien dafür das nötige Know-how zu besitzen, doch ohne Hilfe von außen schaffte auch er es nicht, die verfahrene Situation zu meistern.

»Sie sehen nicht gerade glücklich aus, Herr Ahrend«, sprach Lorenzen senior seinen Verhandlungspartner an. »Dabei haben Sie doch allen Grund zum Lachen!«

Gustav Ahrend schnitt eine tragisch-komische Grimasse.

»In mancher Hinsicht, alter Freund, haben Sie die besseren Karten gezogen. Sie haben einen Sohn, der in Ihre Fußstapfen tritt. Ich hingegen muss mich mit meiner eigenwilligen Tochter herumschlagen!«

»Ah, ist das Fräulein Tochter vom Studium zurückgekehrt?«

»Sie ist! Und sie hat den Kopf voller Flausen!« Gustav Ahrend bedachte die gerahmte Fotografie auf seinem Schreibtisch mit schrägem Lächeln. Es zeigte einen sommersprossigen, zerzausten Teenie, der mit breitem Grinsen seine Zahnspange entblößte. Seine Tochter Melanie!

»Verrückte Einfälle hat das Mädchen«, machte er sich seinem Ärger Luft. »Will ganz allein nach Griechenland reisen – in der Touristenklasse. Stellen Sie sich das einmal vor! Doch ich bin froh, sie noch für einige Zeit loszuwerden, bevor sie in die Branche einsteigt. Sagen Sie selbst, Lorenzen, kann man einem Mädchen Verantwortung übergeben bei dem harten Wind, der im Baugewerbe weht?«

»Tja, sie wird ein breites Betätigungsfeld finden«, meinte Lorenzen senior betrübt. »Meinem Sohn hingegen wird wenig von seinen Zielen übrigbleiben.«

»Sehen Sie nicht so schwarz, alter Freund!«, beruhigte ihn Ahrend. »Wenn wir uns zusammensetzen und alles durchgehen, werden wir schon eine Möglichkeit finden, mit der Ihnen geholfen ist.«

Richard Lorenzen junior erläuterte ihm ausführlich die verzweifelte Geschäftslage. Gustav Ahrend lauschte gebannt und musste sich widerwillig eingestehen, von dem jungen Mann beeindruckt zu sein. Es war nicht zu leugnen, dass er etwas von seinem Geschäft verstand.

Schade, dass er nicht schon früher zur Vernunft gekommen war und seinem Vater hilfreich unter die Arme gegriffen hatte. Jetzt war es zu spät. Mit der Finanzlage der Firma sah es trostlos aus. Hier einzusteigen würde auch für Ahrend ein Verlustgeschäft bedeuten, das sich wohl erst im Laufe der Zeit rentieren würde. Außerdem – wozu noch weiter expandieren? Für ihn war sein Geschäftsbereich groß genug. Und er hatte keinen Sohn, der das Unternehmen weiterführen würde – nur Melanie!

Gustav Ahrend rieb sich das Kinn und beobachtete nachdenklich den jungen Richard Lorenzen. Mit seinen einstmaligen Playboy-Allüren würde er sich schon abfinden können, wenn er nur …

»Eine solch schwerwiegende Entscheidung ist nicht über Nacht zu fällen. Um Ihre Verluste abzudecken, müsste ich stark in die Firma investieren. Ein unüberlegter Schritt, und ich vernichte den Erfolg vieler harter Arbeitsjahre«, entgegnete Gustav Ahrend auf Richards Ausführungen. »Letztendlich muss ich auch an Melanie denken, die einmal, vielleicht mit ihrem zukünftigen Gatten, meine Nachfolge antritt. Eine so in die Zukunft einschneidende Maßnahme sollte mit ihr abgesprochen werden.«

Gustav Ahrend bedachte den jungen Lorenzen mit abschätzendem Blick. Er meinte keineswegs, was er da sagte. Es wäre geradezu lächerlich, seine Tochter bei so einer Sache zurate zu ziehen. Er hatte insgeheim längst beschlossen, dass den Lorenzens geholfen werden musste. Dieser junge Richard würde vielleicht einen guten Geschäftsführer abgeben.

»Wenn Melanie aus Griechenland zurück ist, bringen wir die Sache zum Abschluss!«, erklärte Gustav Ahrend selbstzufrieden. Er war sich sicher, mit seinen Andeutungen einen Grundstock zum Erfolg gelegt zu haben.

***

»Wir müssen die kleine Ahrend auf unsere Seite ziehen!«, meinte Lorenzen senior zu seinem Sohn, als sie sich zu Hause gegenübersaßen.

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ahrend wirklich Wert auf die Meinung seiner Tochter legt«, entgegnete Richard ärgerlich. Er hatte sich mehr vom Ausgang der Unterredung erhofft. »Ahrend ist ein kluger Geschäftsmann! Er will nur Zeit herausschlagen.«.

»Trotzdem! Wir können es uns nicht leisten, die geringste Möglichkeit unversucht zu lassen.«

»Ahrend müsste ja ein Idiot sein, wenn er unsere Firma sanieren wollte. Und selbst wenn er einsteigt, dann sind wir aus dem Geschäft draußen«, sagte Richard. »Ich hoffe nur, dass er unsere Angestellten übernimmt. Es wäre eine Schande, wenn sie durch unsere Schuld arbeitslos würden.«

»Vielleicht setzt er dich als Geschäftsführer ein«, warf sein Vater den Köder aus.

»Mich? Wie kommst du denn darauf?«, rief Richard verwundert.

»Für ihn und seine Tochter wird der Betrieb zu groß. Und ich habe endlich eingesehen, kein Geschäftsmann zu sein. Mein Rheuma macht mir mehr denn je zu schaffen. So oder so werde ich mich aus dem Geschäftsleben zurückziehen«, verkündete der Senior. »Aber du hast in der kurzen Zeit, seit du tätig bist, gezeigt, was du kannst. Ahrend wäre ja dumm, sich einen Fachmann wie dich entgehen zu lassen.«

Richard zog die Stirn in Falten. Die Worte seines Vaters machten ihn misstrauisch. Gab es da eine geheime Absprache zwischen den Älteren, von der er nichts wusste?

»Anders sieht es mit seiner Tochter aus! Diese Melanie wird Gift und Galle spucken, wenn Ahrend dich zum Geschäftsführer macht. Ich kenne diese Sorte Frau«, versicherte der Senior. »Diese Emanzen wollen die ganze Macht auf ihre Seite ziehen. Bei der Kleinen werden wir uns die Zähne ausbeißen.«

»Und was schlägst du also vor?« Richard begann zu ahnen, welche Absichten sein Vater verfolgte. Das Ganze gefiel ihm nicht.

»Du könntest der kleinen Ahrend ein wenig auf den Zahn fühlen!«

Richard lachte laut auf. Genau das hatte er befürchtet.

»Du machst Witze, Vater! Ich kann mich noch dunkel an das rothaarige Biest erinnern. Ein frecher, dummdreister Teenager!«

»Der inzwischen erwachsen geworden ist!«, beschwichtigte sein Vater. »Komm schon, du hast die Kleine jahrelang nicht gesehen! Sie war einige Zeit im Ausland, hat dann in Tübingen studiert …«

»Ich habe ihr Bild auf dem Schreibtisch ihres Vaters gesehen«, widersprach Richard.

»Das ist sicher uralt!«

»Und wenn schon! Wer sagt mir, dass sie sich zu ihrem Vorteil verändert hat? Wahrscheinlich ist sie eine dicke, herrschsüchtige Fregatte! Du hast doch gehört, was ihr eigener Vater über sie sagte: eine Emanze, die jahrelang studiert hat und nun die Firma übernehmen will – im Baufach! Sie muss ja ein gestandenes Weibsbild sein, um sich da durchsetzen zu können!«

Lorenzen senior seufzte tief. Ein wenig tat ihm sein gutaussehender, von Frauen verwöhnter Sohn schon leid. Aber er musste auch an seine Zukunft denken.

»Warum sondierst du die Lage nicht einfach vorsichtig? Die Kleine fährt nach Griechenland! Durch ihren Vater werden wir schon noch herausbekommen, wann und wohin! Du könntest dich ihr unauffällig nähern und, wenn sie dir nicht gefällt, rechtzeitig die Kurve kratzen.«

»Sie wird mir bestimmt nicht gefallen!«, knurrte Richard böse.

»Dennoch könntest du deinen Charme ein wenig spielen lassen, um das Frauenzimmer ein bisschen sanfter einzustimmen. Kein Mensch wird dich zwingen, sie gleich zu heiraten. Aber wie ich dich kenne, würde es dir ein Leichtes sein, sie um den kleinen Finger zu wickeln.«

***

Melanies Zug ging über Innsbruck und Bologna. In Rimini war sie umgestiegen und dann weiter bis nach Ancona gefahren. Jetzt saß sie im Taxi und ließ sich das letzte Stück bis zum Hafen kutschieren. Der Wagen schob sich millimeterweise durch das dichte Verkehrsgewimmel der Reisenden.

Das Bild, welches sich vor ihren Augen erhob, verschlug ihr fast den Atem. Autos schienen kreuz und quer zu stehen, Menschen hasteten dazwischen hindurch, und die große, breite Anfahrstrecke zum Schiffsanlegeplatz war völlig überschwemmt.

Die mörderische Hitze setzte ihr zu. Der Taxifahrer hatte das Fenster bereits heruntergekurbelt, und der Lärm drang ungehindert herein. Zwischen all den englischen, französischen und italienischen Stimmen hörte man auch immer wieder Wortfetzen in ihrer Sprache. Melanie wurde schwindlig.

»Ich fahre mit der Macedonia! Das ist eine Fähre!«, teilte sie dem Taxi-Chauffeur mit, der nur kurz nickte und gelangweilt dem Treiben auf der Straße zusah. Die italienische Verkehrspolizei versuchte, dem Chaos Einhalt zu gebieten – mit mäßigem Erfolg. Der Taxifahrer rief hin und wieder in seiner Landessprache aus dem Fenster, und Bekannte von ihm winkten zurück.

Endlich bog er ab und fuhr an einer Schlange wartender Autos und Reisebusse vorbei.

»Please!«, sagte er in fast unverständlichem Englisch. »Hear is the Macedonia! Okay?«

Melanie atmete erleichtert auf. Sie hatte schon überlegt, ob sie zu Fuß nicht schneller vorankommen würde.

»Yes! Thank you!«

Der Taxifahrer schob seine Mütze tiefer in die Stirn und grinste. Melanie erkundigte sich nach dem Fahrpreis und gab ihm ein großzügiges Trinkgeld. Sofort zeigte sich der Mann überaus höflich und hilfsbereit. Er trug ihr sogar noch die Koffer bis dicht an das Schiff.

Melanie bedankte sich nochmals und winkte ihm zum Abschied zu. Dann wandte sie sich um und warf einen langen Blick auf das riesige weiße Schiff. Langsam verschwand Auto um Auto im Bauch der Fähre. Die Insassen der Reisebusse mussten alle aussteigen und mit dem Gepäck, das sie während dem Übersetzen benötigten, den Steg zur engen Eingangsluke emporklettern.

Melanie stellte sich bei den Wartenden an und hielt ihren Ausweis bereit. Die Abfertigung ging entnervend langsam voran. Die Sonne prallte auf sie herab, und Melanie war über ihren kleinen lustigen Strohhut froh, den sie in Deutschland nie zu tragen gewagt hatte.

Der Herr vor ihr trug ein durch und durch verschwitztes Hemd. Das Wasser lief ihm in Rinnsalen vom Nacken und bildete dunkle Flecken auf seinem Rücken.

Melanie gratulierte sich dazu, dass sie zu derartigen Schweißausbrüchen keine Veranlagung hatte. Trotzdem war ihr selbst in dem luftigen ärmellosen Sommerkleid zu warm, das sie am Bahnhof in Rimini für ihre Jeans getauscht hatte.

Endlich verschwand auch sie im Inneren des Schiffes und legte einem jungen Mann in Uniform ihre Papiere vor. Dann wurde ihr von einem weiteren Herrn, der ihre Anmeldung prüfte, Kabinennummer und Zwischendeck genannt.

Melanie schleppte ihre beiden großen Koffer durch das Gewühl und landete mehr durch Zufall vor der richtigen Kabinentür. Der Gang, durch den sie sich gekämpft hatte, war schmal und eng gewesen, aber als sie ihre Tür öffnete, erschrak sie darüber, wie winzig der Raum war, der ihr zur Verfügung stand. Selbst ihr begehbarer Kleiderschrank zu Hause war größer.

Seufzend zwängte sich Melanie hinein, warf ihr Gepäck auf die Koje und konnte erst dann die Tür wieder schließen. Sie fühlte sich wie in einem Kasten eingesperrt, aber wenigstens war das Bettlaken, auf dem sie schlafen sollte, frisch und sauber.

Als Erstes galt es, eine Dusche ausfindig zu machen, bevor andere Reisende auch auf diese Idee kamen. Doch als Melanie am Ende ihres Ganges eine weitere Warteschlange erspähte, wusste sie, dass es dafür schon zu spät war. Ein Mädchen, das eben aus einer der Kabinen kam, schüttelte sich. »Eiskalt!«, war ihr Kommentar.

Melanie hatte mehr Glück. Sie konnte ihrer Dusche zumindest lauwarmes Wasser entlocken, wenn der Strahl auch recht spärlich floss.

Fünfzehn Minuten später trat sie in knappen Shorts und T-Shirt auf das Oberdeck hinaus in die immer noch glühende Sonne, obwohl es schon später Nachmittag war.

Mit staunenden Blicken erforschte sie die große Fähre. Sie würde über dreißig Stunden unterwegs sein, quer durch das Mittelmeer. Wie andere Neugierige auch lehnte sie sich über die Reling und beobachtete die letzten Fahrzeuge, die Platz im Schiff fanden.

Ein knallroter Sportwagen mit deutschem Kennzeichen stand am Schluss der Schlange. Es war ein Cabriolet, und der Mann hinter dem Steuer ließ gerade das automatische Verdeck zuklappen.

Ein tolles Auto, dachte Melanie. Sie hatte selbst ein Faible für Sportwagen, bisher aber keinen echten Verwendungszweck für ein schnelles Fahrzeug besessen und sich darum mit einem kleinen Auto begnügt.

Es war fast zwanzig Uhr, als die Fähre endlich ablegte und in der rötlich verfärbten Abenddämmerung den Hafen verließ. Melanie sah den Lichtern der Stadt nach, und Stille senkte sich nach und nach über das Schiff. Nur das Rauschen des Meeres war zu hören. Und die drückende Hitze wurde durch den Fahrtwind gemildert.

Melanie hatte als Abendessen ihren letzten Reiseproviant verzehrt und sich eine Dose Cola gekauft. Um schlafen zu gehen, war es noch zu früh, und obwohl sie eigentlich müde sein sollte, fühlte sie sich noch putzmunter und dachte ungern an ihr enges Gefängnis unter Deck.

Melanie stieg die steile Treppe zum Oberdeck empor. Sie stand am Bug des Schiffes und sah zu, wie die Spitze schäumende Streifen in das tiefblaue Wasser schnitt. Weit und breit war kein Land in Sicht. Der Wind zauste in ihrem kastanienbraunen Haar, das sie nach dem Duschen offen über ihre Schultern hatte fallen lassen.

Eine junge italienische Teenagergruppe hatte es sich in einem Eck bequem gemacht und unterhielt sich angeregt. Ein verliebtes Pärchen saß ihnen gegenüber und hatte nur Augen für sich.

Melanie zog sich einen der Stühle heran und setzte sich. Sie legte ihre Arme auf die Reling und stützte ihr Kinn darauf, während sie hinab in das dunkle Wasser schaute.

***

Richard Lorenzen machte sich auf die Suche nach der Schiffsbar und entschloss sich, noch ein wenig übers Deck zu schlendern. Die letzten Sonnenstrahlen erhellten den Himmel, aber bald würde es stockdunkel sein.

Richard stand im Schatten eines Pfeilers, als ein Mädchen mit träumerisch aufs Meer gerichtetem Blick an ihm vorbeiging. Bei ihren leichten Schritten wippten die Haarlocken, die über ihre Schultern fielen, und für einen Moment glaubte Richard, ihren frischen blumigen Duft wahrzunehmen. Im matten Schein der nächsten Lampe schimmerte ihr dunkelbraunes Haar kastanienfarben. Richard sah ihr bewundernd hinterher, stieß sich von dem Pfeiler ab und folgte ihr langsam.

In den kurzen Shorts steckte ein fester, kleiner Po, und wunderschöne lange Beine endeten in flachen Sandaletten. Sie war schlank und groß, die verführerische Fremde! Und sie übte auf Richard eine fast magische Anziehungskraft aus.

Er beobachtete, wie sie sich einen Stuhl dicht an die Reling zog und einsam auf das Wasser starrte.

Unbemerkt war er leise an sie herangetreten.

»Sie sollten das nicht tun! Ihnen wird schwindlig werden!« Seine Stimme war ein wenig dunkel und rau.

Melanie blickte überrascht auf. Sie musste sich Mühe geben, um sein Gesicht zu erkennen. Irgendwie kam ihr der Fremde bekannt vor, aber ihr fiel nicht ein, in welchem Zusammenhang. Vielleicht besaß er nur eine zufällige Ähnlichkeit mit einem früheren Kommilitonen.

»So ganz allein?«, fragte er sanft und stützte seine Arme auf das Geländer, wobei er sich tiefer zu ihr herabbeugte.

Melanie überlegte noch immer. Jetzt konnte sie sein Gesicht deutlicher sehen.

»Richard Lorenzen!«, rief sie mit einem Mal.

Richard zuckte zurück.

»Sie kennen mich?«, fragte er verblüfft.

»Aber natürlich! Wie könnte ich den Mann vergessen, der mich als Junge an den Zöpfen gezogen hat und mich wegen meiner Sommersprossen verspottete?«

Richard ahnte Entsetzliches. Er schluckte nervös.

»Sie sind … Sie sind Melanie Ahrend?« Seine Stimme wollte ihm kaum mehr gehorchen.

»Sagen Sie bloß, das wussten Sie nicht?« Sie sah schräg zu ihm auf. Ein amüsiertes Lächeln huschte über ihre Lippen.

Richard fühlte sich zum ersten Mal in seinem Leben sprachlos. Nein! Er hatte tatsächlich keine Ahnung gehabt, dass diese bezaubernde junge Frau Melanie Ahrend, das Objekt seiner verzweifelten Zukunftspläne war. Er hatte nicht einmal gewusst, dass sie mit der gleichen Fähre nach Patras übersetzen würde. Sein Vater hatte zwar ihren Abreisetag herausgefunden und auch das Ziel ihrer Urlaubsreise, aber Richard hatte ganz selbstverständlich angenommen, dass sie einen Flug dorthin gebucht habe.

»Darf ich Sie zu einem Drink einladen?«, stammelte er. Etwas Besseres fiel ihm augenblicklich nicht ein. Er, der gewandte Charmeur und Lebemann, kam sich plötzlich sehr linkisch und tölpelhaft vor. Die Situation hatte ihn überwältigt. In mehrfacher Hinsicht hatte Melanie Ahrend ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Ihr Zusammentreffen hier auf dem Schiff war nicht geplant gewesen. Erst in ihrem Hotel in Rion hatte er sie vorsichtig unter die Lupe nehmen wollen. Wenn er sie nur früher erkannt hätte, dann wäre es ihm möglich gewesen, ihr so lange aus dem Weg zu gehen und sie unauffällig zu beobachten.

Aber ihm Gegensatz zu ihm hatte Melanie ihn sofort erkannt. Dabei hatten sie sich in früheren Jahren kaum einmal getroffen, was in der Großstadt kein Wunder war. Und wenn, dann waren es flüchtige Begegnungen gewesen, die durch die Tätigkeit ihrer beiden Väter zustande gekommen waren.

Am meisten jedoch hatte ihn Melanies nur allzu offensichtliche Schönheit verwirrt. Das hatte er nicht erwartet! Aus dem hässlichen Entlein war ein stolzer Schwan geworden. Sie war nicht mehr die pummelige, langweilige Halbwüchsige. Im Gegenteil: Sie war wunderbar gewachsen, schlank und langbeinig, mit seidig glänzendem Haar und einem süßen Gesicht. Davon wollte Richard gern mehr sehen, was in dem fahlen Licht leider nicht möglich war.

»Gehen wir in die Schiffsbar?«, fragte er.

Melanie konnte nicht gut ablehnen. Schließlich waren sie so etwas wie Geschäftsfreunde. Oder eher Konkurrenten?

»Warum nicht!«, stimmte sie also zu und ließ sich von ihm beim Aufstehen helfen.

Aber ganz wohl fühlte sie sich nicht, als sie neben dem großen Mann über das Deck ging. Richard Lorenzen! Wie hätte sie ihn auch nicht erkennen können? Weniger die Erinnerung an vergangene Begegnungen waren es, sondern die Tatsache, dass dieser Mann in ihrer Heimatstadt so etwas wie der Lokalmatador war. Seine Skandalgeschichten und pikanten Affären waren in aller Munde und hatten sie schon interessiert, als sie noch ein Teenager gewesen war.

Für Melanie und ihre Freundinnen war Richard Lorenzen der Schwarm ihrer sündigen Träume gewesen. Einmal von diesem Playboy beachtet zu werden, der sich rühmte, sich nur mit den schönsten Frauen zu umgeben, war der Inbegriff all ihrer Wünsche.

Natürlich hatte Lorenzen junior für den ungelenken Teenie nur mitleidigen Spott übriggehabt. Melanie hatte sich sehr gekränkt gefühlt und ihn seither als eingebildeten Affen abgetan.

Die Erinnerung daran zauberte ein kleines Lächeln auf ihre Lippen. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, an dem heimliche Sehnsüchte in Erfüllung gingen.

Der umwerfende Richard Lorenzen hatte sie, die unscheinbare Melanie Ahrend, zu einem Drink eingeladen. Und das während einer romantischen Schiffsreise über das Mittelmeer.

Fast hätte Melanie gekichert wie ein Schulmädchen. Was mochte dahinterstecken? War es nur pure Höflichkeit, die Richard zu dieser Einladung getrieben hatte?

»Was für ein Zufall, dass wir uns hier begegnen«, sagte sie.

Richard lauschte ihren Worten nach. Schwang eine leise Ironie in ihrer Stimme? Nein! Melanie Ahrend hatte keine Ahnung!

Während er eine unbestimmte Antwort murmelte, überlegte er sich, wie sie wohl reagieren würde, wenn sie die Wahrheit wüsste. Dass sie der Grund seiner Reise war. Dass er sie verfolgt hatte, um sie in sich verliebt zu machen. Dass er einen günstigen Ausgangspunkt für die Verhandlungen in Deutschland schaffen wollte!

So einfach, wie er es sich vorgestellt hatte, würde die Sache nicht werden. Melanie war eine selbstbewusste junge Dame, nicht das minderbemittelte Wesen, das er sich vorgestellt hatte. Melanie konnte jeden Mann haben. Da musste er sich ganz schön ins Zeug legen! Schlimmer noch: Es galt, darauf zu achten, dass er nicht sein Herz an die kühle Schönheit verlor!

In der Bar wurde griechische Gitarrenmusik gespielt. Die Einrichtung war ansprechend, wenn auch bescheiden, denn dies war kein Luxusdampfer, sondern ein herkömmliches Fährschiff.

Richard führte Melanie zu einem kleinen Tisch. Endlich hatte er die Gelegenheit, sie genauer zu betrachten. Das sanfte Licht warf schimmernde Reflexe in ihr rötliches Haar, tauchte ihr Gesicht in einen warmen Schein und spiegelte sich in ihren großen grünbraunen Augen, die fragend zu ihm aufgerichtet waren.

Katzenaugen!, dachte Richard. Goldene Funken tanzten darin.

»Möchten Sie, dass ich rot werde, oder sehen Sie Frauen immer so an?«, fragte Melanie irritiert. Sie hatte Mühe, einen aggressiven Tonfall aus ihrer Stimme herauszuhalten. Seine Musterung war ja schlimmer als die heilige Inquisition! Wollte er auf den Grund ihrer Seele blicken, oder zog er sie mit seinen Augen aus? Wie dem auch sei, es war auf jeden Fall eine Unverschämtheit!

»Verzeihen Sie!«, entgegnete er rau, brachte es aber nicht fertig, seinen Blick zu wenden. Millimeterweise ließ er ihn über ihr Gesicht wandern: den klaren Teint, die langen, dunklen Wimpern und die schmale, geschwungene Linie der Brauen über ihren tiefgründigen Augen. Ihre kleine stolze Nase reckte sich angriffslustig empor. Ihr Kinn war fest, aber zu sanft gerundet, um wirklich energisch zu wirken, und ihr Mund …

Richards Blick blieb auf ihrem Mund haften. Er war perfekt geformt und hätte jeder Lippenstiftreklame Ehre eingelegt. Nur ein mattes Schimmern lag auf diesem ungeschminkten Mund mit der leicht volleren, sinnlichen Unterlippe.

Richard hatte es fertiggebracht, dass nun doch ein Hauch von Farbe ihre Wangen zierte. Ob vor Ärger oder Verlegenheit, war schwer zu sagen.

Melanie fühlte sich außerstande, seiner provokativen Begutachtung noch länger standzuhalten. Sie wollte sich schon empört erheben, als Richard endlich den Kellner heranwinkte.

»Was möchten Sie trinken? Einen leichten Weißwein?«, schlug er höflich vor.

Melanie konnte nur nicken. Ihr war heiß und kalt geworden. Sie fühlte sich wie im Fieber. Und sie war wütend! Wütend über sein aufdringliches Verhalten und über ihre eigene bezeichnende Reaktion darauf. Männer wie Richard Lorenzen lagen doch gar nicht auf ihrer Wellenlinie! Sie verabscheute diese arroganten, überheblichen Machotypen! Sie war kein kleines Weibchen, das sich dahinschmachtend verzehren würde.

»Wie läuft das Geschäft?«, lenkte sie seine Aufmerksamkeit auf nüchterne Dinge.

Richard horchte auf. Doch es bestand kein Grund zur Aufregung. Melanie hatte augenscheinlich keine Ahnung, dass die Firma seines Vaters kurz vor dem Bankrott stand.

»Danke der Nachfrage!«, wich er aus. »Ich habe gehört, Sie wollen nun auch in die Branche einsteigen?«

»Ich werde meinen Vater unterstützen!«, entgegnete Melanie mit erhobenem Kinn. Wenn er es wagen würde, auch nur eine nachteilige Äußerung über ihr Geschlecht zu machen, so würde sie auf der Stelle gehen.

Aber Richard konnte sich zurückhalten. Er wollte der emanzipierten Dame keine Angriffsfläche bieten. Außerdem ging es ihm darum, sich gut mit ihr zu stellen.

***

Während der Kellner einen Tropfen Wein in Richards Glas füllte und wartete, ob er dem Herrn genehm war, fand Melanie Gelegenheit, ihn ihrerseits zu mustern.

Sein dichtes Haar war modisch geschnitten und hatte die Farbe eines reifen Weizenfeldes. Blonde Männer wirkten auf südländische Frauen, von denen sich hier viele aufhielten, sicher sehr anziehend. Melanie fühlte schon seit geraumer Zeit die neugierigen Blicke, die in ihre Richtung zielten.

Einen reizvollen Kontrast dazu bildeten seine strahlend-blauen Augen. Aber Melanie wusste, dass sie auch eiskalt blicken konnten. Seine Gesichtszüge täuschten nicht darüber hinweg, dass Richard ein ganzer Mann und durchaus fähig war, seine Ziele mit dem nötigen Nachdruck zu verfolgen. Er war hochgewachsen, schlank und muskulös, ein sportlicher junger Mann mit dynamischem Durchsetzungsvermögen.

Der Kellner hatte sie verlassen, und Richard hob ihr sein Glas entgegen.

»Wollen wir miteinander anstoßen? Auf schöne Ferien in Griechenland?«

Melanie traute seiner sanft lockenden Stimme nicht, dennoch hob sie ihr Glas und ließ es hell gegen seines klingen. Vorsichtig nippte sie an dem geharzten griechischen Weißwein. Sie war keine Kennerin! Wie leicht oder schwer dieser Wein wirklich war, würde sich erst herausstellen, wenn sie einige Schlucke getrunken hatte und ihr der Alkohol zu Kopf stieg.

»Auf Griechenland!«, murmelte sie. »In welchem Hafen gehen Sie an Land? In Korfu oder in Igoumenitsa?«

»Ich bleibe bis Patras«, antwortete er.

»Ach, tatsächlich? Das ist auch mein Zielhafen!«, gab sich Melanie überrascht. »Übrigens, wird Ihre Freundin nicht eifersüchtig werden, wenn Sie hier mit mir in der Schiffsbar sitzen?«

»Welche Freundin?« Nun war es an Richard, Erstaunen zu heucheln.

»Sie wollen doch nicht etwa sagen, dass Sie allein auf Urlaubsreise sind?«

»Und wenn es so wäre? Möchten Sie mir Gesellschaft leisten?« Richard beugte sich über den kleinen Tisch hinweg etwas näher zu ihr. Seine Augen funkelten amüsiert.

»Sie wissen genau, dass dies nicht in meiner Absicht liegt!«, schnappte Melanie sofort zu und erntete ein leises, raues Lachen. Erst da begriff sie, dass er seine Frage keineswegs ernst gemeint, sondern sie nur ein wenig aufgezogen hatte. Um ihre Verunsicherung zu überspielen, nahm Melanie einen kräftigen Schluck Wein.

»Und wie ist es mit Ihnen?«, erkundigte er sich im Gegenzug. »Gibt es keinen jungen Mann, der Sie auf diese Reise begleitet? Nein? Wie ist das möglich? Eine so schöne Frau, ganz allein … Vielleicht sollten wir uns doch zusammentun, hm?«

Melanie spürte, wie ihr die verräterische Röte schon wieder in die Wangen stieg. Wie dumm! Seit ihrer Teenagerzeit war sie nicht mehr schamhaft errötet. Sie hasste das!

Weniger, was er sagte, sondern vielmehr, wie er es tat, brachte sie zur Weißglut. Am liebsten hätte sie ihn wütend angefaucht, aber ihre guten Manieren hielten sie davon ab. Schließlich hatte er sie in keiner Form beleidigt. Es lag an ihr selbst, wenn sie derart heftig auf ihn reagierte.

Melanie bemerkte kaum, wie ihr Richard Wein nachgoss. Sie hob das Glas an ihre Lippen und genoss den leicht harzigen Geschmack auf ihrer Zunge.

»Ich habe noch nie viel von Urlaubsbekanntschaften gehalten«, entgegnete sie spröde.

»Oh, aber wir sind doch viel mehr als eine Urlaubsbekanntschaft!«

»Wie meinen Sie das?«, fragte sie alarmiert.

»Nun, wir sind uns schon häufig begegnet. Auf geschäftlicher Basis wie auf gesellschaftlicher Ebene! Und in Zukunft wollen wir doch auch gute Geschäftsfreunde sein!«

Sein spöttisches Lächeln wirkte ungemein aufreizend.

»Konkurrenten, meinen Sie wohl?«, giftete Melanie zurück.

»Aber nicht doch!«, rief er in scheinbarem Erschrecken. »Gute Geschäftspartner!«

»Das wird sich noch zeigen!« Melanie wollte nicht kleinbeigeben. Unbewusst hatte sie auch das zweite Glas Wein geleert. Doch als Richard ihr nachschenken wollte, wehrte sie entschieden ab. »Ich habe genug getrunken! Die lange Fahrt hat mich müde gemacht, und ich denke, dass ich mich nun in meine Kabine zurückziehen sollte!«

»Sie wollen mich jetzt schon verlassen?«, rief er enttäuscht. »Das ist grausam von Ihnen. Bitte bleiben Sie noch auf ein letztes Glas.«

Seine Worte klangen so einschmeichelnd, dass Melanie widerstrebend nachgab.

Plötzlich berührte er ihre Hand, die auf der Tischplatte gelegen hatte. Hauchzart streichelten seine Fingerspitzen darüber, und Melanie lief ein merkwürdiges Prickeln den Arm hinauf und über ihren ganzen Körper. Erst als sich seine Hand in einer besitzergreifenden Geste über ihre kleine legte und sie damit warm umhüllte, entzog sie sich ihm.

»Ich – ich muss jetzt gehen!«, stammelte sie und kam sich auf einmal sehr kindisch vor. Sie war doch kein Backfisch mehr, der ängstlich vor einer harmlosen Annäherung zurückzuckte. Aber dieser Richard, der sie mit seinen blauen Augen so eindringlich anschaute, verwirrte sie völlig.

»Na gut, dann gestatten Sie bitte, dass ich Sie zu Ihrer Kabine begleite!« Er winkte den Kellner herbei und drückte ihm einen Geldschein in die Hand.

Melanie erhob sich rasch. Zu spät erkannte sie, dass dies ein Fehler gewesen war. Vor ihren Augen begann es zu kreisen. Sie holte tief Atem und hoffte, dass das Schwindelgefühl vorübergehen möge. Sie hatte an diesem Abend nicht viel gegessen, und der Wein war, wie sich jetzt herausstellte, doch recht kräftig gewesen.

Mit aller Macht riss sie sich zusammen, denn sie wollte vor Richard Lorenzen keine Schwäche zeigen. Er hatte sie leicht am Arm gefasst und dirigierte sie nun an den Tischen vorbei und ins Freie.

Die kühle Nachtluft verscheuchte das dumpfe Gefühl in ihrem Kopf ein wenig. Melanie atmete tief durch. Sie fühlte sich ein bisschen unsicher auf den Beinen. Als sie unvermittelt stolperte, schlang Richard stützend einen Arm um ihre Taille.

Ein albernes Kichern perlte von ihren Lippen.

»Das Schiff schwankt! Wir haben hohen Wellengang!«

Richard blickte in ihr Gesicht, und sein Herzschlag beschleunigte sich. Ihre Augen blitzten schalkhaft zu ihm empor. Sie hatte Halt suchend eine Hand gegen seine Brust gestemmt, und er spürte die Wärme ihres Körpers ganz dicht an sich. Es wäre ein Leichtes gewesen, sie jetzt fest an sich zu pressen und ihren süßen, lockenden Mund zu küssen. Richard konnte sich nur mit Mühe davon abhalten.

»Wie mir scheint, sind Sie nicht mehr ganz seefest. Doch im Vertrauen – das Meer ist kaum bewegt, und das Schiff liegt sehr ruhig.«

»Aber der Wind ist ganz schön kalt!«, entfuhr es Melanie unbedacht. Eine Gänsehaut hatte sich über ihre bloßen Arme gezogen. Trotz des heißen Sommertages hatte es sich jetzt, zur Nacht, erheblich abgekühlt.

»Sie zittern ja«, stellte er besorgt fest und befreite sich sanft von ihr. Rasch zog er sein Jackett aus und legte es ihr über die Schultern.

»Hm«, machte Melanie behaglich. »Das ist schön warm.« Schon war sie durch die Ärmel geschlüpft und zog sein viel zu weites Kleidungsstück über ihrer Brust zusammen. »Ich habe die Kabinennummer neunzehn!«, teilte sie ihm unaufgefordert mit.

Richard seufzte. »Und ich hoffte schon, die Nummer sei Ihnen entfallen.«

Melanie zog ihre Stirn in Falten und überlegte, wie seine Worte gemeint waren. In ihrem beschwipsten Zustand dauerte es eine Weile, bis sie dahinterkam.

»Also wirklich, Lorenzen, gehen Sie immer so ran? Ich bin doch keine Frau, die sich gleich in der ersten Nacht überreden lässt, mit auf Ihr Zimmer zu kommen.«

»Richard!«, verbesserte er. »Sagen Sie Richard zu mir!«

»Na gut, dann eben Richard! Aber das Angebot, Ihre Kabine zu teilen, muss ich trotzdem ablehnen!«

»Ich habe es schon geahnt!«

»Dann bringen Sie mich also in meine beengte Unterkunft? Oder muss ich mich allein auf den Weg machen?«

»Nein! Ich werde Sie wohlbehalten davor absetzen!«, versprach er lächelnd und schob seinen Arm unter ihren. Sie stand tatsächlich etwas wackelig auf den Füßen und redete auch freier, als sie es im nüchternen Zustand getan hatte. »Keine Angst, ich bringe Sie sicher in Ihr Bett!«

»Koje sagt man in der Seemannssprache«, belehrte sie ihn.

»Von mir aus auch das!«

Richard führte sie bis zum nächsten Einstieg über das Deck, auf dem nur noch wenige Nachtschwärmer entlangflanierten. Es war eine dunkle Nacht, denn der Mond war nur als schmale Sichel erkennbar, und vereinzelte Sterne wurden durch heranziehende Wolken verdeckt.

Endlich hatte Richard sie bis vor ihre Kabinentür geführt und nahm ihr den Schlüssel ab. Zweiter Klasse reiste das Mädchen! Und die Kabine war kaum größer als ein Kleiderschrank! Sein eigenes Erste-Klasse-Abteil war zwar auch kein Luxus-Quartier, aber man konnte sich darin wenigstens umdrehen.

»Kommen Sie allein zurecht?«, fragte er leise.

Melanie nickte bestimmt. »Keine Bange! Und vielen Dank für Ihre Lotsendienste!«

»Keine Ursache! Ich stehe Ihnen jederzeit gern zur Verfügung!«

»Das wird nicht nötig sein! In Zukunft werde ich mich vor dem griechischen Wein in Acht nehmen. Ich vertrage nämlich nicht viel«, gestand sie leise.

Richard musste lachen. Damit teilte sie ihm kein Geheimnis mit.