Teufelsdreck - Thomas Fuhlbrügge - E-Book

Teufelsdreck E-Book

Thomas Fuhlbrügge

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Beschreibung

Im Sommer 1843 kommt der junge Polizist Sebastian Resch zu seinem ersten Fall: Ein Wanderer wurde bei Spitzltheim erschlagen. Spielende Kinder fanden ihn unter einer Brücke. Bald wird ihm klar, dass es sich um das Mitglied einer Räuberbande handelt, die vor zwanzig Jahren ihr Unwesen trieb. Sie wurde nie gefasst. Jetzt scheint sich die Geschichte zu wiederholen – Mord und Totschlag ziehen über das beschauliche Dorf.

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Teufelsdreck

Ein Kurzkrimi aus Spitzaltheim

„Das ist der Schinderhannes – der Lumpenhund,

der Galgenstrick. Der Schrecken jeden Mannes

und auch der Weiberstück!“

(Aus: Der Schinderhannes von 1958)

Für Jessica

Über die Autoren

Jannik Fuhlbrügge (* 2010) ist Schüler an der Schule auf der Aue in Münster. In seiner Freizeit spielt er Handball, ist bei den Messdienern und liebt Rollenspiele.

Thomas Fuhlbrügge (* 1974) ist Lehrer für katholische Religion, Politik & Wirtschaft, Ethik und Philosophie an der Bachgauschule in Babenhausen. Der Autor, Musiker und Liedermacher lebt mit seiner Frau und seinem Sohn im südhessischen Spitzaltheim.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar.

© 2021 Coortext -Verlag, Altheim

Buchcover: Germencreative

Verwendung der Räuber im Cover mit freundlicher

Genehmigung von Benno Mitschka und dem Multum in Parvo Papiertheater

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Prolog

Ich hätte mir Stulpen anziehen sollen. Meine Hände frieren noch an der Pistole fest!“ Immer musste sich der Hessen-Martin beschweren.

„Keinen Mucks mehr! Hat jemand den Nachtwächter gesehen?“ Vorsichtig deutete Lumpen-Hennes die verschneite Straße entlang. Auf den stattlichen jungen Mann hörten die anderen. Obwohl er der Jüngste war.

Der Schwarze Conrad schüttelte den Kopf.

„Ein Einbruch mitten in der Stadt? Ich finde es immer noch zu riskant. Die Polente ist nicht weit!“ Der Dürre Jochem kratzte sich am Kinn.

„Wird schon gut gehen. Dann haben wir ausgesorgt.“ Das Bandenoberhaupt stapfte weiter. Die anderen folgten ihm. Teils widerwillig.

„Das sagtest du schon beim Kirchenraub in Beerfelden letzten Monat.“ Der Billingser Wig war der größte der fünf und überragte die anderen um ein Haupt.

Leise rieselten Eiskristalle auf die Straßen von Dieburg. Es war kurz vor Weihnachten. Am Marktplatz stand ein mächtiger Baum. Zehn Mann mit Pferdefuhrwerk waren nötig, um ihn aufzustellen. Ein Stern hing an der Spitze.

Echte Wachskerzen verbreiteten am Nachmittag eine festliche Stimmung, als der Knabenchor fromme Lieder sang. Besucher schlenderten von einer Bude zur nächsten. Es gab heiße Maronen und Zuckerstangen. Die Kinder liebten so etwas. Glühwein für die Erwachsenen. Der Markt war für Lumpen-Hennes und seine Leute die perfekte Gelegenheit, die Umgebung für die heutige Nacht auszukundschaften. Die Gruppe hatte sich aufgeteilt, um nicht zusammen gesehen zu werden. Bloß keinen Verdacht erregen.

Jetzt wirkte die Stadt wie ausgestorben. Die fünf schlichen an den Häusern in der Zuckerstraße entlang. Hier eine zugige Hofeinfahrt. Dort eine schmale Gasse. Immer wieder sahen sie sich um. War da eine Bewegung? Alle verharrten. Sie verbargen sich im Schatten. Ein Betrunkener torkelte Richtung Marktplatz.

Eingerahmt von einem Bäcker und einem Schuhmacher erreichten sie die prunkvolle Fassade von Juwelier Steinmetz´ Anwesen.

Erneut Blicke in alle Richtungen. Der Anführer hatte eine Feder an seinem Hut und trug ein schwarzes Wams mit runden, kleinen Knöpfen. Dazu hohe Stiefel. Er war keinesfalls zerlumpt gekleidet, wie sein Spitzname vermuten ließ. Der rührte daher, dass er zu Beginn seines Vagantenlebens sogar Bettler in Nassau überfiel und diese um ihre wenigen Habseligkeiten gebracht hatte.

„Jetzt oder nie“, sagte der Hessen-Martin, während er einen alten Kartoffelsack ausschüttelte. Ein kleiner Topf plumpste in den Schnee. „Die Gelegenheit ist günstig.“ Er nahm einen Borstenpinsel voller Leim und schmierte diesen an ein Fensterchen, das sich in der Ladentür befand. Damit klebte er einen Lappen auf die Scheibe und schlug mit seiner Hand darauf. Leise entfernte er den Stofffetzen mit den Glassplittern dran und griff hindurch.

Über der Tür befand sich eine Glocke, die jedes Öffnen mit einem Klingeln anzeigte. Das hatte er am Tage herausgefunden. Als er seine alte Taschenuhr schätzen ließ. Das Geläut wurde durch die entfernte Scheibe hindurch festgehalten und der innere Riegel zurückgezogen.

Lautlos öffnete der Hessen-Martin die Tür und die restlichen Männer betraten den Verkaufsraum. Der Anführer entzündete eine Laterne und blendete das Licht ab.

Die anderen kramten Säcke hervor. Sie begannen damit, gierig die Schubläden aufzureißen. Alle wertvollen Sachen, wie Schmuck, Ringe und Taschenuhren, stopfen sie hinein. Der Schwarze Conrad blieb an der Tür stehen. Blickte immer wieder die Straßen entlang. Für den Fall, dass der Nachtwächter oder ein Dieburger Bürger unverhofft erschien. Aber alles blieb ruhig. Ihr Raubzug lief wie am Schnürchen.

Doch im Haus blieb ihr Geschehen nicht unbemerkt. Der Edelsteinschleifer Balthasar Held erwachte aus seinem Schlaf. Hatte da nicht etwas geklirrt? Vielleicht nur die Katze. Wollte sie trotz der eisigen Temperaturen hinaus? Er tastete in der Finsternis mit den Füßen nach den Pantoffeln. Streifte sich einen Morgenmantel über. Müde trottete er aus seiner Kammer.

Der Verkaufsladen des Juweliers lag auf der anderen Seite des Flurs. Da war es wieder. Es hörte sich nicht nach der Katze an. War das ein Schatten im Glas der Verbindungstür? Etwa Einbrecher? Er hatte von Räubern gelesen. Doch dass hier jemand einsteigen würde, hätte er nie gedacht. Immerhin war die Polizeiwache keine hundert Meter entfernt. Gassenspieße gingen regelmäßig ihre Runde. Dieburg war eine sichere Stadt.

Der junge Mann hatte erst vor einem halben Jahr seine Lehre beendet. Seither wohnte und arbeitete er bei Juwelier Steinmetz. Sein Herz pochte. Leise Schritte schlichen in die Küche. Da hing ein großes Messer. Gestern Abend hatte die Hausherrin damit noch Kaninchen entbeint.

Was sollte er tun? Laut um Hilfe rufen? Die Herrschaften im oberen Stockwerk wecken? Herr Steinmetz besaß eine Pistole. Das wäre am sichersten.

Er wusste aus der Zeitung, dass es keine gute Idee war, den Helden zu spielen. Räuber machten mit Augenzeugen kurzen Prozess. Mit schlotternden Knien tippelte er durch den Gang Richtung Treppe. Nur immer hübsch leise sein.

Es rumorte im Nebenraum. Schatten. Geflüster.

Ein weiterer, vorsichtiger Schritt des Gehilfen. Laut fauchte die Katze. Balthasar Held war dem Tier auf den Schwanz getreten. Warum mussten sie ausgerechnet eine schwarze Katze haben? Vor Schreck stolperte der Angestellte über einen Schirmständer.

Die Tür zum Laden flog auf. Ein bärtiger Mann blickte unter seinem Hut auf ihn. Hielt ihm den Schein der Laterne ins Gesicht.

Der Edelsteinschleifer schrie aus Leibeskräften. „Hilfe! Diebe, Einbrecher, Mörder!“

Der Lumpen-Hennes zuckte zusammen, zog dann jedoch ein doppelläufiges Schießeisen aus dem Wams.

„Wir haben alles! Komm, schnell weg!“ Der Billingser Wig erreichte die Tür und berührte den Bärtigen an der Schulter. Der wirbelte herum und hetzte mit den anderen aus dem Gebäude.

Von oberhalb der Treppe näherten sich Schritte. Ein schwacher Lichtschein. Der Edelsteinschleifer fasste sich. „Hilfe! Herr Steinmetz, hier unten! Helfen Sie mir! Wir haben Einbrecher im Haus!“ Er setzte den Fliehenden ein paar Schritte hinterher und stand bald auf der verschneiten Zuckerstraße. Die Pantoffeln füllten sich mit Schnee.

Zwei Wächter kamen die Straße entlang. „Was ist geschehen? Wer hat gerufen?“

„Diebe, Halunken. Ein Einbruch bei Juwelier Steinmetz. Die Galgenstricke sind dort entlang!“ Er deutete in Richtung des vor Kurzem verlassenen Kapuzinerklosters. Inzwischen befand sich dort eine Arrestanstalt.

Der Hausherr erschien in der aufgebrochenen Tür seines Geschäfts. Eine Waffe zitterte in seiner rechten Hand. In der linken hielt er eine Kerze. Sogleich wurde sie von einem Windstoß erfasst und erlosch.

Einer der Nachtwächter griff nach seinem Alarmhorn und blies hinein. Der andere zückte den Säbel und rannte hinterher.

Die Räuber bogen zur Kirche ab.

„Stehenbleiben!“, rief einer der Wächter. Der andere blies erneut in das Horn. Ihre Schritte klapperten. Weitere Gendarmen kamen angerannt.

Die Diebesbande eilte zum Friedhof auf der Rückseite der Kirche. Hastig versteckten sie sich hinter Grabsteinen. Nur ein wenig durchschnaufen. Der Atem kondensierte in der Winternacht. Auch hier lag Schnee. Die Verfolger brauchten nur ihren Spuren in der weißen Pracht folgen.

Lumpen-Hennes lugte hinter dem Stein hervor. Am schmiedeeisernen Tor standen zwei Polizisten. Einer stocherte mit einem Stock im Lauf seiner Pistole. Dann fingerte er mit einer Bleikugel herum.

Es waren nur zwei. Mit denen konnten sie es aufnehmen. Er zielte. Gab seinen Kumpanen Handzeichen.

Weitere Männer erschienen jedoch an der Kirche. Einer hatte eine Laterne. Sie schwärmten aus. Umrundeten das Gelände. Es krachte. Neben dem Polizisten splitterte Holz aus einer Pappel. Auch dieser legte an. Doch es löste sich kein Schuss.

„Über die Mauer!“ Zeitgleich sprangen seine Männer und erreichten die andere Seite. Auch der Lumpen-Hennes reckte sich und versuchte, die Mauerkrone zu erreichen. Doch er rutschte ab. Landete unsanft auf einem alten Grab.

„Halt! Ich schieße!“ Ein junger Polizist war nähergetreten und zielte auf ihn.

Von oben kamen starke Hände. Der Schwarze Conrad war zurückgekehrt und reckte sich nach unten. Der Anführer der Räuber griff zu.

„Ich schieße!“, donnerte es noch einmal, aber wieder versagte die Pistole des Polizisten.

Ein Sprung und Hennes war unten. Dort war freies Gelände. Hinten lag der zugefrorene Minnefelder See. Dazwischen eine schneebedeckte Ebene.

„Danke, das vergesse ich dir nie“, rief er dem Freund zu, während sie den anderen hinterher hetzten. Er rechnete fest mit Verfolgern. Immer wieder drehten sie sich suchend um. Was taten sie, wenn die Dieburger Bluthunde einsetzen? Doch die Wächter schienen zu zögern. Das konnte ihnen nur recht sein.

Dort begann der Wald. Hier kannten sie sich aus. Kaum noch Schnee lag zwischen den Bäumen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten sie die verlassene Scheune. Ihren Unterschlupf. Die anderen warteten bereits dort. Alle schnauften. Schweiß glänzte trotz der Kälte auf der Halbglatze des Dürrem Jochem.

Im Schein einer Fackel machten sie sich daran, die Beute der heutigen Nacht zu verteilen. Sonst feierten sie, wenn ein Raubzug erfolgreich war. Diesmal war ihnen nicht danach zumute. Sie wussten, dass es gerade noch einmal gut gegangen war.

Kapitel 1

Entschlossen ging er durch den Spitzaltheimer Wald. Es dämmerte bald. Er murmelte vor sich hin. Dann pfiff er ein Liedchen. Sein rechtes Bein schmerzte bei jedem Schritt. Wie all die Jahre.