Wolfshatz - Thomas Fuhlbrügge - E-Book

Wolfshatz E-Book

Thomas Fuhlbrügge

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Beschreibung

Altheim, Dezember 1763. In den Wäldern um den kleinen Ort treibt sich eine grausame Bestie herum. Bevorzugt fällt sie Kinder an. Ist es ein wildes Tier? Oder gar ein Werwolf – wie Pfarrer Grünewald in seiner Predigt behauptet? Vom Teufel geschickt, um die Menschen wegen ihrer Sünden zu strafen? Der Graf von Hanau setzt eine hohe Belohnung für die Erlegung des Monstrums aus. Eine Wolfshatz soll das Untier zur Strecke bringen. Auch Jäger Johannes Resch und sein Freund, der Naturforscher Philipp Blickhahn, begeben sich auf die Fährte der Bestie. Ohne zu ahnen, welche Gefahr auf sie lauert.

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Seitenzahl: 82

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Wolfshatz

Für Jessica

»Beast of Gévaudan, feared no sword and feared no gun

Sent from heaven, the seventh of creatures ... «

(POWERWOLF - Beast of Gévaudan)

Über die Autoren

Jannik Fuhlbrügge (* 2010) ist Schüler an der Schule auf der Aue in Münster. In seiner Freizeit spielt er Handball, ist bei den Messdienern und macht (Live-)Rollenspiel.

Thomas Fuhlbrügge (* 1974) ist Lehrer für Katholische Religion, Politik & Wirtschaft, Ethik und Philosophie an der Bachgauschule in Babenhausen. Der Autor, Musiker und Liedermacher lebt mit seiner Frau und seinem Sohn im südhessischen Altheim.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© 2022 Coortext-Verlag, Altheim

Buchcover: Germencreative

Lektor: Marc Mandel

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Prolog

Ein kleiner Kirschbaum auf dem Kopf. Eben dort, wo für gewöhnlich bei einem Hirsch nur das Geweih wuchs. Rote Früchte prangten daran. Prall und reif. Ein solches Geschöpf hatte Förster Hillen noch nie gesehen. Schlechthin unmöglich. Aber das Tier graste. Friedlich. Keine dreißig Schritt vor ihm auf der Lichtung. Seelenruhig äste es im sanften Morgenschein.

Er kraulte seinem Pferd das linke Ohr – ein Zeichen, beschaulich stehen zu bleiben. Wie von selbst griff er zur Büchse. Jetzt erkannte er es wieder. Was das die Möglichkeit? Dasselbe Tier, das ihm vor zwei Jahren entkam. Der Jäger hatte längst sein Blei verschossen, beim vergeblichen Versuch, eine stattliche Bache zu erlegen. Das Wild lugte damals auf und sah ihn bedächtig an. Wähnte es, dass sein Kugelbeutel leer war?

Der Weidmann hatte sich in die Tasche gegriffen. Dort steckten nur Kirschen, die er vorhin in seinem Garten gepflückt hatte. Die nahm er sich in den Mund und zerkaute sie.

Darauf lud er seine Flinte rasch mit Pulver und darüber eine ganze Handvoll Kirschkerne. Mit einem lauten Knall gab er dem Hirsch die volle Ladung mitten auf die Stirn zwischen das Geweih. Der Schuss betäubte ihn zwar – er taumelte – raffte sich aber auf und hastete mit wilden Sprüngen von dannen. Da er damals ohne Pferd unterwegs war, vermochte er das Tier nicht zu verfolgen. Es entkam. Zu seinem großen Ärger.

Doch heute sah es anders aus. Die Büchse war scharf geladen.

Wenn er seinen Kollegen eine solche Beute zeigte … Förster Hillen wäre auf einen Schlag bekannt wie der Heilige Hubertus.

Er legte an. Sein Pferd tänzelte. Das war ungewöhnlich für das erprobte Tier. Der Jägersmann versuchte, es zu beruhigen. Es gelang ihm nicht. In dem Moment, in dem er den Blattschuss ansetzte, schnaubte sein Rappe. Der Hirsch erschrak und flog in Windeseile davon.

Hinterher! Das wäre der Treffer, von dem alle anderen ihr Leben lang träumten. Er gab dem Pferd die Stiefel in die Seite. Doch anstatt loszulaufen, bäumte sich der Gaul auf. Es wieherte angstvoll. Der Förster verlor das Gleichgewicht und fiel …

… Hillen schreckte aus dem Schlaf.

Stockdunkle Nacht. Vollmondlicht sickerte durch die Fensterritzen. Irgendetwas stimmte nicht. Da – erneut das Wiehern. Erwachte er davon? Sein Pferd Feuerschwanz. Brach jemand in den Stall ein?

Der Förster wohnte am Waldrand. Etwa einen Kilometer vom Dorf Altheim entfernt. Eichenbäume standen dicht an dem Gebäude. Klauenartige Äste trommelten im Wind gegen die massiven Läden. Rissen Geisterwesen daran? Er lauschte in die Nacht. Suchte nach einer harmlosen Erklärung für den Radau.

Warum nicht? Sein Leben verlief ungefährlich. In den hanauischen Besitzungen, die er zu schützen hatte, trieben sich Wilderer herum. Sie legten Drahtschlingen und Fangeisen aus. Bisher entwischten die Unholde stets. Dieses Jahr verhagelte die Ernte. Jetzt, im Winter, hungerten viele im Dorf. Manche aßen schon Würmer und kochten Baumrinde. Aber das war nicht sein Problem. Er stand in den Diensten des Grafen. Wofür ihn die Dorfbewohner hassten. Sie mieden seine Familie.

Dabei hatte er seine eigenen Sorgen. Seine Frau und die sieben Kinder. Eigentlich waren es acht. Aber das hörte sein Weib nicht gerne. Jetzt weilten diese beim Begräbnis des gestorbenen Schwiegervaters in Butzbach. Eine sichere Anstellung bei den Grafen von Hanau war in solchen Zeiten Gold wert.

Ein erneuter Aufschrei seines Pferdes riss ihn aus den Gedanken. Feuerschwanz schlug vor Panik mit den Hufen gegen das Gattertor. Das massive Buchenholz ächzte bei jedem Tritt.

Hillen sah zum Fenster. Er besaß keine aus Glas. Abgekratzte und gestreckte Tierhäute waren gespannt. In Öl getaucht. Wie in der Steinzeit.

Draußen schien hell der Mond. Bis zum Sonnenaufgang würde eine Stunde vergehen. Der Stall. Aber dort brauchte er eine Lichtquelle. Unten im gusseisernen Ofen glomm etwas Glut. Der Jäger streifte die wärmende Decke von sich.

Sogleich fröstelte er. Dieser November brachte frühen Schnee. Endlich fand er die Pantoffeln vor dem Bett. Auf dem Weg zur Stiege stieß er schmerzhaft gegen den Türrahmen.

In die Küche. Hier war es deutlich wärmer. Zum Ofen. Die Klappe auf. Mit etwas Pusten hatte er Glut. Bald glomm die Lunte einer Öllampe. Es roch tranig. Doch Kerzenwachs war kostbar – und den sparte er sich für Festtage auf.

Förster Hillen lauschte. Stille. War es diese Diebesbande, die in Altheim und Umgebung ihr Unwesen trieb? Schon sieben Mal brachen sie in Bauernhöfe ein und raubten den Leuten ihr wenig Hab und Gut. Oder es handelte sich um die Wilderer, die er vor einer Woche in die Flucht geschlagen hatte. Planten die, sich jetzt für ihre missglückte Jagd rächen?

Bei diesem Gedanken ruhten seine Augen auf dem Gewehr, das über den Kaminsims hing. Und auf seine Armbrust daneben. Welche Waffe wäre geeignet? Wenn er seine Büchse nahm, müsste er zunächst das Schießpulverhorn holen und bräuchte einige Zeit, um sie zu laden. Aber knallte das Gewehr erst einmal, verscheuchte er womöglich ohne Blei die Räuber oder ein wildes Tier. Sein Blick wanderte zu seiner geliebten Bogenschleuder. Sie hatte ihn nie im Stich gelassen. Für einen geübten Schützen wie ihn war sie eine tödliche Waffe. Ein Bolzen durchschlug aus geringer Entfernung sogar eine massige Holztür.

In diesem Moment hörte er ein tiefes Schnauben. Aber es war nicht sein Pferd. Es klang aggressiver. Furchteinflößend. Womöglich ein Wildschwein? Angeschossene Exemplare schrien, dass einem angst und bange wurde. Oder ein tollwütiger Braunbär?

Wieder dieses Scharren. Am Tor der Scheune. Wenige Sekunden später durchzog ein lautes Krachen die Nacht.

Er zog den alten Mantel an und ein paar Lederschuhe über die Füße. Der Förster entschied sich für die Armbrust, spannte den kurzen Pfeil ein, steckte sich drei ein und trat vor die Tür. Er lehnte sie an, damit es im Haus nicht zu kalt wurde.

Der Himmel war schwarz von Wolken. Doch der volle Mond schien durch die kahlen Äste der Eichenbäume. Wo sein Schein durch die Nacht drang, flimmerte der Schnee auf dem Weg.

Wie Watte knarrte er unter seinen Sohlen. Sein brennender Docht brachte etwas Helle. Ein fahler Kegel beleuchtete die Umgebung. Schatten tanzten an den Rändern zwischen Licht und Dunkelheit.

Nach zwei Schritten blieb er stehen und lauschte. Totenstille. Dann hörte er wieder sein aufgeschrecktes Pferd Feuerschwanz. Es tobte in seinem Gatter. Was war da drinnen los?

Zum Tor der Scheune. Da raschelte etwas hinter ihm. Sofort drehte er sich und zielte darauf. Es war gleichwohl der eiskalte Wind, der die letzten abgestorbenen Blätter in einer Haselnusshecke erzittern ließ. Er senkte seine Armbrust. Seine Nerven. Nur die Ruhe! Aus seinem Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr. Rasch drehte er sich um und richtete seine Waffe aus. Dort stand die alte Eiche am Wegesrand. Mit ihren großen, knochigen Ästen hatte sie ein Schattenspiel verursacht. Darin zwei gelbe Augen. Ein Uhu. Lautlos entschwand dieser in die Lüfte.

Der Weidmann lugte auf den Boden. Waren da Fußspuren? Oder die Abdrücke von Tatzen? In die Knie. Es gab seit Tagen keinen Neuschnee. Da war die Fährtensuche schwierig. Hillen sah derweil zum Stall. Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken. Das Tor war eingebrochen. Überall lagen Holzstücke und Späne.

»Ist da wer? Ich bin bewaffnet! Stellt euch!« Ihm war bewusst, dass kein Räuber der Welt, herauskommen und sich ergeben würde. In Dieburg waren schon Vaganten wegen geringerer Vergehen gehängt worden als einem nächtlichen Einbruch. Aber gegebenenfalls hatte er den Eindringling geängstigt und dieser floh hinten aus der Scheune.

Er betrat die Scheuer. Seine Lampe hielt er über den Kopf, um nicht selbst geblendet zu werden. Auf dem Boden lagen Bruchstücke aus Holz im Stroh. »Zeigt euch, ihr Lumpen. Sonst mache ich kurzen Prozess mit euch!«

Weitere Schritte. Die Bohlen unter seinen Stiefeln knarzten. Jetzt erreichte er die Pferdebox. Feuerschwanz tänzelte aufgeregt. Doch er war unverletzt. Es gelang Hillen, ihn zu beruhigen. Niemand hatte ihm ein Leid angetan.

Der Förster schaute sich sorgfältig um, besah sich alle Ecken. Da war keine Sterbensseele. Weder im Heu, bei den Futtersäcken oder hinter der Werkbank. Waren es Räuber, die es auf sein Pferd abgesehen hatten? Und er war im rechten Moment gekommen.

Am Morgen würde er zur Polizei in Dieburg reiten und einen versuchten Einbruch melden. Das demolierte Tor würde er schon repariert bekommen, auch wenn sicher niemand für den Schaden aufkam.

Zurück zu seinem Haus. Ein erster Sonnenstrahl berührte den Himmel. Er blies sich in die eiskalten Finger. Erneut ins Bett zu kriechen, lohnte sich für den Förster kaum. Stattdessen würde er den Kamin anheizen und sich etwas zu essen wärmen. Die Reste des gestrigen Hirsebreis klebten im Kessel. Vielleicht würde er ein Glas eingelegte Kirschen dazu öffnen. Warum dachte er jetzt an Kirschen?

Er befand sich wieder vor seiner Tür. Diese stand halb offen. Womöglich hatte sie der Wind aufgestoßen. Müde schritt er in seine Stube. Hillen legte seine Armbrust ab und bog zielstrebig in Richtung Küche. In dem Korb lag dünnes, trockenes Reisig. Er stopfte es in die Ofenluke und blies. Mit dem Schürhaken stocherte er.