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Sunny ist ein Mensch und jagt als Reaper Rogues – von Dämonen besetzte Menschen. Eines Abends führt sein Weg unfreiwillig tief in die Hölle – die Sphäre der Dämonen. Er begegnet einem Dämon mit goldenen Augen und schwarzen Haaren, der ihn für einen Auftrag anheuern möchte. Dieser Dämon ist niemand anders als der König der Hölle – Lucifer. Gemeinsam begeben sie sich auf die Jagd nach einer Gruppe Dämonen, welche zahlreichen Menschen ihre Seele raubt und stetig an Macht gewinnt. Dabei begegnen die beiden einem alten Feind aus Lucifers Vergangenheit und er ist nicht der Einzige, der die Jagd auf den Reaper begonnen hat. Irgendwann muss sich der Dämon entscheiden – wird er Sunny gehen lassen, sobald die Jagd beendet ist? Hier kommt die Geschichte des charmantesten Reapers auf Erden – eine etwas andere Liebesgeschichte voll Sarkasmus und schwarzem Humor. Vorhang auf für den ersten Akt.
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Seitenzahl: 600
Veröffentlichungsjahr: 2023
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E. M. HOLLAND
The Devil’s Nemesis
A story of the loveliest reaper on earth
Band 1
Geschichten von E. M. Holland
Die Schicksal-Reihe
1. Belial – eine schicksalhafte Nacht
2. Zackory – eine schicksalhafte Berührung (demnächst erhältlich)
The Devil-Reihe
1. The Devil’s Nemesis
E. M. Holland
The Devil’s
Nemesis
A story of the loveliest reaper on earth
Roman
The Devil’s Nemesis Copyright © 2023 E. M. Holland
Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.
Illustrationen von J. Bühler
1. Auflage
Sunny lief durch die Straßen von Brooklyn, die Hände tief in den Taschen. In seinem schwarzem Hoodie und der schwarzen Jeans verschwand er fast in der Dunkelheit. Die einzigen Geräusche waren das Hallen seiner Schritte in seinen – natürlich – schwarzen Schuhen, das Rascheln der Silberkette, die von seinem Gürtel zu seiner rechten Hosentasche verlief – das wahrscheinlich einzig Farbige an ihm – und das Surren einer flackernden Straßenlaterne, die wahrscheinlich in den nächsten hundert Jahren nicht repariert werden würde.
Das orangene Licht beleuchtete die Gasse nur schwach, doch es reichte. Weiße Wölkchen drangen durch seine schwarze Maske, die seinen Mund und seine Nase bedeckte, und seine aschgrauen Haare wippten vor seiner Stirn. Seine Hände waren lässig in seinen Hosentaschen, immerhin machte er nur einen gemütlichen Spaziergang um zwei Uhr nachts in einer der gefährlichsten Straßen von New York – kein Grund zur Sorge.
Ein leichtes Vibrieren ging durch die Luft und Sunny blieb stehen. Na endlich. Er war sich bereits eine halbe Stunde die Beine in den Arsch gelaufen. Dieses Mal haben sie sich wirklich Zeit gelassen.
Ein Flimmern in der Luft kündigte deren Ankunft an, dann kam das schlurfende Geräusch. Zwei also. Er wusste es, bevor sie um die Ecke schlurften. Leider brachten sie auch den widerlichen Geruch von Verwesung mit sich. Das lag daran, dass die Seele dieser armen Tropfen langsam, aber sicher abnibbelte, während ein anderer sich in ihrem Körper austobte.
Zwei Schatten wanderten über die Mauer, dann traten zwei Gestalten in die Gasse. Es war ein Mann Ende Vierzig und eine junge Frau Mitte Zwanzig. Der Mann trug einen blauen Anzug mit ockerfarbener Krawatte. Bah, allein für diese Krawatte sollte ich ihn umlegen. Designerschuhe bedeckten seine Füße und auch eine Rolex dessen rechtes Handgelenk. Er wäre als normaler Mensch durchgegangen, wenn nicht die Blutflecken auf dessen hellblauen Armani-Hemd gewesen wären und der blutverschmierte Mund. Bah.
Die junge Frau hatte lange dunkelbraune Haare, die wirr über ihre schicke weiße Bluse hingen, die mit roten Sprenkeln verziert war – ich spoiler einfach, es ist kein Ketchup und gehört auch nicht zur Bluse. Dazu trug sie einen kurzen schwarzen Rock. Wollte sie den Alten knallen? Und schon lief die Szene einer geheimen Büroaffäre in Sunnys Kopf ab.
Der Mann beugte sich über die neue Praktikantin, schob ihr eine Strähne hinter das Ohr. Diese errötete leicht und drehte den Kopf weg.
„Du siehst heute wieder zauberhaft aus“, sagte er und fuhr mit seiner Hand unauffällig zu ihrem Oberschenkel.
„N-nicht hier“, stotterte sie leise, biss sich auf die Lippe.
„Meine Frau ist heute Abend nicht da, wir zwei könnten doch-“
Eine Kralle schoss knapp an Sunnys Gesicht vorbei. „Nicht dein Ernst. Ich hatte gerade die Idee für Büroschlampen Teil 2“, sagte er und trat einen Schritt zur Seite. Rogues konnten einem auch jeden Spaß verderben.
Rogues waren von Dämonen besessene Menschen, die leider eine Vorliebe für Blut und Menschenfleisch hatten. Es kam immer wieder vor, dass Dämonen auf die Erde kamen, dort friedlich lebten. Manchmal besetzten sie aber auch Menschen, auch nicht unbedingt ein Problem. Wenn diese aber zu menschenfressenden Viechern mutierten – ja, schlecht. Es gab zwei Gründe für diese Wandlung. Einer war, dass die Seele einfach mit einem Untermieter nicht zurechtkam. Mimimi, ich will keinen anderen auf meinem Stuhl, der stinkt. Hatte er wirklich gerade eine winselnden Erstklässler imitiert?
Auf jeden Fall reagierten diese Seelen sehr sensibel und verkümmerten langsam, was sich leider auf den Körper auswirkte. Sie gaben dann den unwiderstehlichen Geruch von Kotze und Verwesung von sich. Ein anderer Grund war, die Dämonen drangsalierten absichtlich die Seele des Wirts – einfach, weil sie Spaß daran hatten zu sehen, wie die Menschen zu Fressmaschinen mutierten. Dann verließen sie diesen lachend wieder und schauten sich den Spaß von den besten Plätzen an.
Die Zweiteren waren die Arschlöcher, die ihm am meisten auf den Sack gingen, die Ersten verließen nämlich normalerweise den Körper, bevor es wirklich zu einem Zwischenfall kam – à la blöd gelaufen, ich such mir ‘nen besseren Gastgeber.
Wie gesagt, an sich hatte Sunny nichts gegen Dämonen. Viele schafften es auch mit einem eigenen Körper hier zu leben, doch es gab nun mal immer faule Säcke, die sich lieber ins gemachte Nest setzten – bloß keinen Finger krumm machen.
Seufzend wich er einem weiteren Angriff aus. Zombiebraut hatte sich nun auch entschieden, mitzumachen. Nach eingehender Prüfung atmete er auf. Die beiden sind erst im Anfangsstadium. Das hieß, ihre Seele konnte sich wieder regenerieren. Dafür musste er nur den ungebetenen Untermieter aus ihren Körpern manövrieren.
Der Mann knurrte und fauchte. Aus seinen Fingern wuchsen scharfe, schwarze Krallen. Sabber rann über aus seinem Mund. Bahh, mach doch mehr Sport, ansonsten wird es nichts mit Büroschlampen Teil 2. Blitzschnell fuhr er mit der Kralle nach Sunny, der mit einer neunzig Grad Drehung auswich und dessen Handgelenk packte. Sofort schlug er mit der Faust auf dessen Solarplexus, sodass dieser zurücktaumelte.
Schon griff die Tussi an. Sie sprang ihn an, wollte ihm in den Hals beißen. „Sorry, ich steh nicht auf Braunhaarige“, sagte er mit einem Lächeln und schlug ihr ins Gesicht. „Ach, und ich schlage Frauen – zumindest, wenn sie sich mir aufdrängen. Vielleicht sollten wir erst einmal mit einem Kaffee beginnen.“
Fauchend schoss die Braunhaarige wieder auf ihn zu. Er rammte ihr das Knie in den Bauch, sodass sie sich direkt neben ihn auf den Boden erbrach. Bah, keine Manieren. „Gut, genug gespielt. Wenn ich mich in zwei Stunden nicht bei Red Dead Online einlogge, breche ich meinen Lauf. Wobei, seit der Umstellung sind die wirklich knausrig mit den Belohnungen.“
Beide Rogues wollten sich gerade wieder aufrichten, doch Sunny verhinderte es. Er krempelte beide Ärmel seines Hoodies nach oben und entblößte zahlreiche Tattoos an seinen Unterarmen. In seinen Handinnenflächen waren zwei Pentagramme eintätowiert, die er aufeinanderpresste. Diese begannen zu leuchten und er zog sie auseinander. Zwischen seinen Händen entstand ein weißleuchtender magischer Zirkel, den er um die beiden Rogues platzierte. Dieser erstrahlte und drehte sich, sodass sie innerhalb von ihm gefangen waren.
„Gut. Dann wollen wir zum Grande Finale kommen“, sagte er und machte eine dramatische Handbewegung. An Coolness nicht zu übertreffen, ganz klar. Das Fauchen und Kratzen an der Barriere versaute ihm erneut seinen Tagtraum. Gut, konzentrier dich Sunny. Er streckte beide Hände aus und sein Blick wurde ernst.
Seine Finger zeichneten ein kompliziertes Muster in die Luft und der Zirkel leuchtete und drehte sich schneller. Worte aus einer fremden Sprache wanderten über seine Lippen und die Rogues begannen zu kreischen. Schwarzer Rauch schoss aus ihren Augen, der Nase und dem Mund, der sich zu einer wirbelnden Wolke zusammenstauchte.
„So, ab in die Hölle. Prin prezenta te alung, te trimit înapoi la locul de osândă.“ Mit diesen Worten fuhren beide Dämonen nach unten und versanken in der Erde. Der Zirkel verschwand und beide Menschen fielen bewusstlos um.
Lässig holte Sunny sein Smartphone heraus und tippte eine Nummer ein. „Hey, Jo. Ich bin’s, Sun. Jap, ich hab zwei. Wäre schön, wenn du sie wieder aufhübschen würdest. Ich schick dir den Standort. Morgen Abend? Klar, im Murphy’s, acht Uhr. Ist gebongt.“ Er legte auf und schickte seine Standortdaten an den Cleaner. Sein Auftrag war erledigt.
Er steckte sein Handy weg, schob seine Ärmel wieder nach vorne und steckte die Hände in die Taschen. Ab nach Hause, mein Pferdchen wartet bestimmt schon sehnsüchtig auf mich. Also schlenderte er los. Für einen Moment spürte er eine starke Präsenz und er drehte sich um. Er sah nichts. Seltsam.
Ja ihr Lieben, so im Nachhinein hätte ich einfach nicht so faul sein und die drei Meter laufen sollen, um meinen damaligen Verfolger zu stellen. Dann wäre die ganze Geschichte vielleicht nicht so verlaufen. Aber seien wir ehrlich, ihr hättet auch keinen Bock gehabt, oder? Gut, ich kann’s nicht mehr ändern, also sage ich nur: Vorhang auf und genießt die Show, denn nun kommt die Geschichte des charmantesten Reapers auf Erden.
Nach getaner Arbeit lief Sunny zu seinem Block. Er schloss die Tür auf und lief zwei Stockwerke nach oben, bis er endlich bei seinem Apartment war. Dort gab er den Code ein und die Tür zu seinem Reich öffnete sich. Fein säuberlich zog er sich die Schuhe aus und stellte sie ins Schuhregal. Auch wenn viele es nicht vermuteten, er war ein sehr ordentlicher Mensch. Chaos gab es in seinem Leben genug, immerhin war er ein Reaper.
Die Bezeichnung machte sich zwar nicht wirklich gut im Lebenslauf, aber Dämonenaustreiber hatte doch absolut keinen Stil. Bei diesem Begriff kam einem doch sofort das Bild von einem Mönch in Kutte mit fünf Kreuzen, der Weihrauch auf eine Tussi sprenkelte, welche wie bei „der Exorzismus der Emily Rose“ einen Aufstand machte. Alles natürlich im weißen Kleidchen. Manchmal wäre mir die kleine Emily lieber.
Seinen Pullover warf er mit dem Rest in seine Wäschetonne, die er morgen früh in Angriff nehmen würde, also dreizehn Uhr mittags. Seine Uhr lief anders, da er nachts unterwegs war. Ein Klingeln ließ ihn zum Handy schauen.
»Betrag für die erfolgreiche Ausführung wurde überwiesen.«
Nice. Damit war die Miete für diesen Monat gesichert. Auch wenn viele glaubten, Dämonen auszutreiben wäre eine Berufung – Leute, das ist ja aller Ehren wert, aber wovon soll ich bitte meine Rechnungen bezahlen? Reaper und Cleaner wurden selbstverständlich bezahlt. Für jeden Auftrag erhielt er ein Honorar. Je schwieriger, desto höher, immerhin setzte er jedes Mal sein Leben aufs Spiel.
Mit einem Seufzen trat er unter den warmen Strahl der Dusche. Eine weitere erfolgreiche Nacht ging zu Ende, doch etwas machte ihm Sorgen. Diese Woche hatte er bereits vier Aufträge erledigt. Das war verdammt viel. Normalerweise hatte er einen pro Woche. Im letzten Monat war die Anzahl der Rogues rapide angestiegen und sie wussten nicht weshalb.
Mit kreisenden Bewegungen lockerte er seine Muskeln und rieb sich mit einer Bodylotion ein, um den widerlichen Gestank wegzubekommen. Anschließend setzte er sich auf den Boden und schloss die Augen. Das warme Wasser lief über seine Haut, wanderte die Tattoos entlang, die überall auf seinen Oberarmen und seiner Brust verteilt waren. Das waren keine normalen Tattoos, es waren magische Runen. Mithilfe von ihnen konnte er Magie wirken.
Cool, kann ich Magie benutzen, wenn ich mir die Dinger auf den Körper brutzeln lasse? Nein, so einfach war das nicht. Es gab Menschen, die eine Affinität zur Magie in der Umgebung hatten, doch damit konnten sie vielleicht einfache Bannsprüche ausführen. Menschen mit Fähigkeiten wie Sunny waren sehr selten und er war bisher auch erst einem begegnet – seinem Meister. Schnell schüttelte er den Kopf, denn daran wollte er nicht denken.
Neben der Tatsache, dass er Magie benutzen konnte, hatte er noch zwei weitere … sagen wir Fähigkeiten? Er konnte Dämonen riechen – auch die, die einen eigenen Körper hatten. Es gab einen Grund, wieso er einer der besten Spürhunde war. Jetzt fragt ihr euch sicherlich: wie riechen Dämonen? Die Antwort ist einfach, sie rochen nach allem Möglichen, doch das Besondere war, dass sie intensiv rochen. Wie ein Mensch, der in einem Tank voll Parfüm gebadet hat. Kein Mensch hatte einen solch intensiven Geruch. Oftmals verführten sie die Menschen mit diesem, beispielsweise Sukkubi und Inkubi nutzten diesen Lockduft und hatten Spaß mit den ahnungslosen Opfern.
Die zweite Fähigkeit war eher abnorm. Seine Magie lud sich wie ein Akku von alleine auf, doch er konnte auch einen Schnellladevorgang durchführen, wenn er sich bei Dämonen selbst bediente. Er konnte ihnen ihre Magie entziehen und sie als eigene nutzen. Das hatte er bei den Rogues auch gemacht, wenn auch nur im kleinen Stil. Die Berührung am Handgelenk hatte gereicht, um den Zirkel zu zaubern. Geschickt, nicht wahr?
Er machte es jedoch ungern, denn die Magie schmeckte nicht immer besonders gut. Magie hatte einen Geschmack? Ja, das hatte sie. Er hatte schon zahlreiche Geschmackssorten probiert. Jedes Mal, wenn er seine Magiesaug-Fähigkeit benutzte, legte sich ein Geschmack auf seine Zunge. Heute hat es nach sauren Kutteln geschmeckt. Bah.
Zurück zum Thema. Mensch, lass dich doch nicht immer so leicht ablenken. Der Anstieg machte ihm wirklich Sorgen. Es musste mehr dahinter stecken. Das würde er morgen aka heute Abend mit Jo besprechen. Stumm stellte er das Wasser ab und trocknete sich ab.
Mit leisen Schritten tapste er durch seine kleine Wohnung in Richtung Bett. Erschöpft legte er sich auf dieses und schlief ein.
Die Sonne stand schon im Zenit, als Sunny sich nach links drehte und die Hand vors Gesicht hielt. Die Decke hatte er im Schlaf zwischen seine Beine geknödelt, was verdammt bequem gewesen war. Als er sich aufrichtete, standen seine Haare wirr zu allen Seiten und ein verschlafener Ausdruck zierte sein Gesicht. Nein, er war entgegen seinem Namen kein Morgenmensch. Mit einem Gähnen manövrierte er sich aus dem Bett und brach sich fast das Genick, als er mit dem Bein am Bett hängen blieb und stolperte. Er richtete sein Krönchen und lief zum Bad. Er kämmte sich einmal die Haare – musste reichen – und putzte sich die Zähne.
Danach zog er sich ein schwarzes T-Shirt mit einem verzogenen weißen Hexagramm darauf an und dazu eine bequeme Jogginghose. Auf dem Weg in seine Küche blieb er leider mit dem Zeh am Türrahmen hängen. Verdammte Axt. Die hüpfenden Bewegungen machten es nicht besser, auch wenn er es sich einzureden versuchte.
Die Küche war ein gemütlicher kleiner Raum, der direkt an sein Wohnzimmer angrenzte. Er hatte eine anthrazitfarbene Küchenzeile mit schwarz-weiß marmorierten Arbeitsplatten. Sämtliche Geräte, die ein Singlemann brauchte, waren vorhanden. Ein Backofen mit Herd, eine Mikrowelle, eine Toaster, eine Heißluftfritteuse, die Jo ihm zum Geburtstag geschenkt hatte, und einen Minigrill. Er füllte Wasser in den Teekocher und schaltete ihn ein. Während dieser brodelte, öffnete er den Kühlschrank und holte zwei Eier und eine Scheibe Speck heraus, die er in der Pfanne anbriet. Zudem steckte er ein Pitabrot in seinen XXL-Toaster.
Während er in der Pfanne herumwerkelte, drang Licht durch das große weiße Fenster und tauchte den Raum in ein goldenes Licht. Die Wände waren weiß, sauber gestrichen, keine Flecken. Auf Verzierungen wie Bilder oder Ähnliches hatte er verzichtet. Wen hätte er auch dorthin hängen sollen? Er hatte keine Familie und Jos Gesicht sah er jeden Tag, das musste nicht auch noch an seiner Wand kleben.
Pfeifend schaltete er seine Musikanlage ein und wippte zu den Klängen von der koreanischen Boyband, die gerade lief. Irgendwann hatte er begonnen, ausladende Bewegungen zu machen, die sicherlich nicht einmal annähernd der Performance der Gruppe entsprachen, doch das war ihm egal.
„Can we stay together, can we stay together?”, sang er die wenigen englischen Zeilen mit. Beim Rest mimte er die Laute nach, denn er sprach kein Koreanisch. Trotzdem mochte er die Musik.
Der Teekocher meldete sich und er schaltete ihn aus. Er goss das kochende Wasser in eine große Teetasse in Form eines Totenkopfes – ebenfalls ein Geschenk von Jo – und platzierte zwei Teebeutel Früchtetee darin. Die Eier und den Speck schaufelte er in das Pitabrot und mit Teller und Tasse wanderte er aus der Küche zu seiner Hauptzentrale – dem Sofa.
Sein Wohnzimmer war ein quadratischer Raum und wie der Rest des Hauses, waren alle Wände weiß und ohne Bilder. Vor ihm stand ein 55 Zoll 4k QLED-TV. Daneben eine brandneue Playstation und extra Boxen – alles für das optimale Spielerlebnis. Er war single, was sollte er sonst mit seiner Zeit anfangen? Eine Beziehung kam im Moment auch nicht in Frage, denn wie sollte er seinem Partner erklären, dass er mitten in der Nacht durch die Gegend zog, manchmal mit Blut beschmiert oder verletzt nach Hause kam?
Er nahm einen Schluck vom Tee und zischte, als er sich die Zunge verbrannte. Daraufhin griff er nach seiner Eier-Speck-Pita und begann an dieser zu knabbern, während er seinen Red-Dead-Online-Charakter im Saloon einen lächerlichen Tanz aufführen ließ. Was macht man nicht alles für ein paar Barren Gold. Wenn das im echten Leben auch nur so einfach wäre…
Nachdem er genügend Tiere gejagt und betäubt hatte, schaltete er die Konsole aus und räumte sein Geschirr in die Spülmaschine. 15 Uhr, Zeit für eine Einheit. An der Seite hatte er mehrere Hanteln und einen Boxsack. Er wärmte sich erst auf, dann begann er mit einer Boxeinheit. Tritte und Schläge landeten auf dem Sack, bis er schwitzte. Anschließend dehnte er sich und hängte die Fitnesseinheit dran – Situps, Kniebeugen, Liegestützen. Nach einer kurzen Pause begann er mit geschlossenen Augen die Abläufe seiner Kampfkunst zu üben.
Ein Reaper, der körperlich nicht fit oder kämpferisch nicht ausgebildet war, war ein toter Reaper. Die Bewegungen flossen, sie waren bereits ein natürlicher Ablauf, den sein Körper kannte. Dreimal die Woche trainierte er alleine, manchmal mit einem Partner.
Als Sunny seine Einheit beendet hatte, ging er in die Dusche. Seine Muskeln schmerzten, doch das war gut so. Morgen hatte er frei, es war also kein Problem. Mit nassen Haaren und mit einem Tanktop und einer Jogginghose bekleidet lief er zurück in die Küche und machte sich erneut einen Tee. Er hatte noch eine gute Dreiviertelstunde, bis er sich mit Jo treffen würde.
Er nahm seinen Tee und ging auf die kleine Terrasse, zu der er über sein Schlafzimmer kam. Sein Schlafzimmer enthielt nicht viel – ein Bett, sein Schreibtisch mit Laptop und einen Kleider- sowie Waffenschrank. Sunny nutzte ungern Waffen, doch manchmal waren sie unverzichtbar. Wenn ein Rogue im fortgeschrittenen Stadium war, hatte er keine Chance mehr auf ein normales Leben, sein Körper war zu kaputt. Der Tod war in dieser Hinsicht eine Gnade, denn der Rest, der von der Seele übrig geblieben war, konnte Frieden finden.
Grübelnd stand er vor seinem Kleiderschrank. Welches Schwarz sollte es heute sein? Sein Blick wanderte zu dem T-Shirt, das er heute Morgen erst angezogen hatte. Ein Teil weniger zum Waschen. Dann entschied er sich für eine schwarze Jeans und einen silbernen Gürtel. Er trug drei schwarze Ringe – an der linken Hand zwei an Mittel- und Zeigefinger, an der rechten einen am kleinen Finger. Ein schwarzes Lederarmband fand an seinem linken Handgelenk Platz und er legte seine Ohrringe an – jeweils vier an jeder Seite, wobei es ein Mix aus Ringen und Steckern war.
Er ging ins Bad und kämmte sich einmal die Haare, musste reichen. Den Abschluss bildete die schwarze Maske. Diese trug er nicht, um sein Gesicht zu verstecken, es war ein Geruchsschutz. Keiner hatte Lust die ganze Zeit den Geruch von Dämonen in der Nase zu haben. Die Maske half, auch wenn er angestarrt wurde. Das wurde er wegen seinen Tattoos so oder so, also machte es keinen Unterschied. Es sei denn, es würde ganz zufällig eine Pandemie ausbrechen und jeder müsste mit einer Maske durch die Gegend laufen – doch seien wir ehrlich, wie wahrscheinlich war das schon? An seiner Hose versteckte er anschließend noch mehrere Messer – für den Fall der Fälle.
Auf geht’s.
Kurz darauf war er an seinem Ziel.
Die Tür klingelte und der typische Geruch einer alten Schenke wehte Sunny entgegen. Jap, alte Schuhe und leere Bierflaschen. Das roch doch gleich nach einem ausgelassenen Abend. Ricky, der Betreiber der Bar, winkte ihm zu. Dieser war Anfang Fünfzig, hatte eine Glatze und ebenfalls Tattoos an den Armen. Der Bierbauch war natürlich Standardausstattung.
Das Murphy’s war seit mehr als zwei Jahrhunderten – Sunny konnte es selbst nicht glauben – der Treffpunkt für das Gesindel der Straßen – aka Cleaner und Reaper und… der Rest. Hier konnte man sich ungestört unterhalten, ohne dass jemand die Polizei rief. Zudem wurden auch Connections geknüpft und Aufträge weitergegeben.
Neben der langen Holzbar, auf der zahlreiche Schleifspuren von Gläsern und Krügen waren, gab es zahlreiche runde und rechteckige Tische aus Holz mit den passenden Stühlen aus dem letzten Jahrhundert. Autoschilder und andere Tafeln hingen an den Wänden, dazu hunderte Fotos. Eine große Pinnwand zierte den Eingang, neben dem niemand seine Jacke aufhing, auch wenn es passende Ständer gab. In der Ecke an einem großen Ecktisch saß bereits ein Fünfergespann, das pokerte.
„Jo, Sonnenschein. Wie geht’s dem Knackarsch?“, rief Kasper, ein Cleaner Ende Dreißig.
Sunny drehte sich um und schaute auf seinen Hintern. „Besser als deinem Gesicht“, erwiderte er und fügte hinzu. „Der hat immerhin Klasse.“
Seine Mitspieler lachten und einer klopfte Kasper auf die Schulter, der nur eine Beleidigung vor sich hinbrabbelte.
Zurück zu der Pinnwand. Dieses große, aus bröselndem Kork bestehende Etwas war ein Suche- und Biete-Forum – uralt, aber immer noch nicht in der Tonne. Auf der linken Seite hingen Zettel mit Gesuchen, auf der rechten die mit den Angeboten, wobei die recht rar waren.
Sunny hängte seine Jacke über den Stuhl an seinem Stammplatz und schaute sich die Gesuche an. Bevor er auch nur beim dritten ankam, spürte er einen saftigen Schlag auf sein Hinterteil und er zuckte zusammen. Mit finsteren Augen drehte er sich um und schaute in ein fast widerlich grinsendes Gesicht. Man präsentiere, die Grinsekatze der Cleaner – Joseph Adrian James aka Jo. Alles andere wäre zu anstrengend gewesen.
Jo war Anfang Dreißig, hatte fuchsrote Haare und grüne Augen, was auf seine irischen Wurzeln zurückzuführen war. Er hatte die Haare oben etwas länger und unterhalb des Ohrs einen Undercut. Drei Piercings zierten sein linkes Ohr oben. Er hatte wie Sunny null Komma null Bart und das Gesicht eines Zwanzigjährigen, wobei die Lachfältchen an den Augen ihn verrieten.
Er trug wie immer lächerlich abstruse Klamotten, bei denen sich Sunny fremdschämte. Dieses Mal war es eine graue Lackhose und ein Oberteil mit einem blauen Rosenmuster. Dazu eine Goldkette. Bah. Zum Glück verdeckte die Maske, die er trug, seinen Gesichtsausdruck – zumindest bis zu einem gewissen Grad.
„Guten Abend, mein Sonnenschein. Erwärme mir das Herz, Schnucki“, begrüßte dieser ihn und er gab ihm einen Fistbump zur Begrüßung.
„Nehmt euch ein Zimmer“, rief Kasper.
Jo drehte sich zu dem Griesgram. Er zog Sunny an sich und leckte ihm über das Ohr. „Werden wir. Aber dann brauchen wir einen Cleaner für die Sauerei, die wir veranstalten. Stehst du heute zur Verfügung?“
Wieder lautes Gelächter und Kasper stand auf und verzog sich auf die Toilette. Auch wenn man ihnen eine heiße Affäre nachsagte, Sunny und Jo waren einfach nur Besties. Jo hatte sich seit ihrem ersten Treffen nicht verändert, er war derselbe Kindskopf.
Sunny schnipste seinem Freund gegen die Stirn und beide setzten sich an ihren Stammtisch. „Du hast heute aber wirklich eine scharfe Schnitte hinterlassen“, sagte Jo und bedeutete Ricky ihnen zwei Bier zu bringen.
Jo war kein Reaper, er war Cleaner. Das bedeutete, er machte die Sauerei weg, die die Reaper veranstalteten. Im besten Fall – wie heute – musste er nur die Bewusstlosen einsammeln, neue Kleidung anziehen und saubermachen. Dann setzte er sie in einem Heim aus, in dem sie aufwachen würden und nach Hause ziehen würden. Im Worst Case musste er die Leiche eines Rogues beseitigen. Neben diesen Aufgaben hatten sie auch die Aufgabe, alle Beweise und Hinweise auf Dämonen zu löschen. Das galt auch für die digitale Welt. Es gab Cleaner, die sich auf das Netz und die Datenbanken der Polizei spezialisierten. Keiner wollte eine fanatische Jagd nach Dämonen – die Hexenprozesse von Salem hatten gereicht.
Dämonen waren Teil dieser Welt und es gab ein unausgesprochenes Gesetz, dass es zu keinen Auseinandersetzungen zwischen Menschen und Dämonen kam, außer sie verletzten Menschen. Wenn das der Fall war, hatten sie die Erlaubnis, die Dämonen entweder zu töten oder in die Hölle zu schicken. Dort hatten sie dann ein unangenehmes Gespräch mit den Aufsehern unten. Wann dieser Vertrag geschlossen worden war, wusste niemand. Er bestand schon seit über tausend Jahren und es funktionierte – meistens zumindest.
„Wie dem auch sei, die Dame war wirklich scharf. Das perfekte Material für heute Abend. Der Mann dagegen…“, Jo fuhr fort und untermalte seine Beschreibung mit passenden Gesten. Große Möpse. Das waren Jos Bedingungen an seine Partnerin.
Sunny dagegen hatte folgende Ansprüche: . Seht ihr diese Leerzeile? Das ist kein Grammatikfehler, das sind seine Ansprüche – keine. Er hatte absolut keine Präferenz oder Vorliebe. In Gedanken versunken begann er eine der langen Strähnen, die ihm ins Gesicht hingen, mit den Fingern zu drehen. Wenn sein Freund anfing zu reden, dann nahm das leider nicht so schnell ein Ende.
Ein Klingeln erklang, doch das war nicht der Grund, weshalb sich Sunny versteifte. Jo hörte auf zu reden, schaute seinen Freund an. Seine Augen sprachen das Wort und Sunny nickte. Dämon. Auch wenn er die Maske trug, der Geruch von frischgebrannten Mandeln drang in seine Nase. Immerhin nicht saure Kutteln, wie das letzte Mal. Die Frau, die hereintrat, hatte lange blonde Haare und hellblaue Augen. Sie war etwas kleiner als Sunny und hatte ein dunkelblaues Sommerkleid an. Sie lief an die Bar und setzte sich.
Neben sie setzte sich eine weitere Frau und sie begannen eine Unterhaltung. Eine Informantin also. Es war nicht unüblich, dass manche Dämonen als Informanten dienten und Rogues meldeten. Sie hatten selbst Interesse, dass ihre Rasse im Verborgenen blieb.
Für einen Moment spürte er einen glühenden Blick auf sich. Er drehte sich um, konnte jedoch niemanden ausmachen, der ihn anstarrte. Den Rest des Abends unterhielt er sich mit Jo, wobei es mehr ein Monolog von Seiten seines Freunde war. Um kurz nach eins verließen sie gemeinsam die Bar.
„Möchtest du noch einen Absacker bei mir?“, fragte Sunny, vergrub die Hände wie immer in den Taschen.
Jo legte grinsend seinen Arm um seine Schulter und sagte: „Du weißt, wie man mich locken kann, Sonnenschein.“
Sunny grinste. „Nur wenn du mir Frühstück machst, Schatz“, erwiderte er. Und wieder lief ein Film vor seinen Augen ab.
Sunny lag auf dem Bett, schaute müde zur Tür. Jo stand mit einer Schürze und einem Kochlöffel in der Tür und zwinkerte ihm zu. „Frühstück, Arschgesicht.“
Der Geruch von frisch gebratenen Eier stieg von dem Teller auf, den Jo in der Hand hielt.
Der Teil mit dem Arschgesicht ist gar nicht so abwegig, der Rest…
Sie bogen in eine Gasse ein, waren noch etwa zwei Blocks von seiner Wohnung entfernt. Plötzlich hielt Sunny inne. Das ist nicht möglich. Er stand dort, wie zur Salzsäule erstarrt. Sofort handelte er und riss Jo am Arm zu einer großen Mülltonne. „Rein da“, sagte er forsch.
Jo schaute ihn mit großen Augen an. „Sunny, was-“
Er hatte keine Zeit. Er umschlang seinen besten Freund und warf ihn einfach in die mit Säcken halbgefüllte große Tonne und schloss den Deckel. Dann trat er zurück und entfernte sich etwas. Es dauerte nur wenige Sekunden. Zahlreiche Schatten wanderten über die Hauswände, die nur schwach von einer entfernten Laterne beleuchtet wurden. Fünf.
Jo saß in der Tonne, konnte nur einen Schlitz nach draußen sehen. Er war still, denn ihm war bewusst, dass Sunny solch eine Aktion nicht zum Spaß brachte. Als er jedoch sah, wie sein bester Freund von fünf Gestalten umstellt wurde, presste er sich die Hand auf den Mund. Fuck, Sun. Sofort rief er mit dem Handy Verstärkung. Zehn Minuten, so lange musste Sunny durchhalten.
Als Cleaner war er zwar trainiert, doch gegen Dämonen hatte er keine Chance. So saß er dort und musste das Ganze mit ansehen. Helfen konnte er nicht, er wäre Sunny nur im Weg und dieser würde wegen ihm einen Fehler machen. Nein. Fuck, fuck, fuck.
„Ist das eine Party? Bin ich eingeladen?“, fragte Sunny, schaute die Männer und Frauen an, die ihn umstellt hatten.
„Wo ist der Andere?“, fragte eine Dämonin mit kurzen schwarzen Haaren.
Die hatte auch schon bessere Zeiten. „Der wohnt um die Ecke, ist schon daheim. Ich kann ihn gerne herrufen, dann kann er mitfeiern.“
Genervt verzog diese das Gesicht. „Schnappt ihn. Wir haben keine Zeit. Er will ihn heute noch.“
Er? „Ich wusste gar nicht, dass ich so beliebt bin. Gibt es eine extra Grußkarte?“ Seine Augen wanderten über jeden Angreifer. In seinem Hirn arbeitete es, er spielte sämtliche Szenarien durch.
Der erste Angriff erfolgte, wie er geahnt hatte, von dem Größten. Eine Faust rauschte auf ihn zu. Er schlug sie mit einer schnellen Bewegung zur Seite und mit einem schnellen Schlag auf den Kehlkopf fiel dieser um und lag röchelnd auf dem Boden. Da waren es nur vier.
„Das war vom Grim Reaper zu erwarten“, sagte die Anführerin. Die anderen nahmen ihre Kampfposition ein. Zwei fuhren lange schwarze Krallen aus. Hervorragend. Das waren keine normalen Dämonen, es waren Kopfgeldjäger. Nur dass sie es dieses Mal nicht auf ihresgleichen abgesehen hatten, sondern auf ihn.
Mit einer Aufwärtsbewegung schnitten die Krallen des ersten Dämons durch die Luft, wo Sunny gerade noch gestanden war. Er aktivierte eine Rune und zog einen Schutzschild vor sich, sodass der zweite abprallte. Dann zog er zwei Dolche, die er an seinem Körper versteckt hatte und brachte Abstand zwischen sich und die Angreifer. Er aktivierte eine weitere Rune und kleine Blitze zogen sich über seine Haut und die Waffen.
Eine Dämonin griff an und verdammt, sie war schnell. Er wich zwei Frontalschlägen aus, dann einem Haken in den Bauch. Mit dem Messer schnitt er ihr über den Oberarm und entlud eine Ladung Elektrizität in diese. Mit einem Kreischen wurde sie zurückgeschleudert.
Unsicher schauten die übrigen drein. Ich bin kein leichtes Opfer. Dieses Mal griff die Anführerin an, während sich einer unbemerkt von hinten anzuschleichen versuchte. Ich rieche dich. Mit den Krallen riss sie ihm den Oberarm leicht auf, doch es war notwendig, denn in diesem Moment drehte er die Klinge und rammte sie nach hinten, sodass sie in den Oberkörper hinter sich fuhr. Er machte eine Drehung, umschlang den bulligen Hals und drückte ihn mit einem Würgegriff zu, bis auch dieser bewegungslos nach vorne plumpste. Noch zwei.
„Yaja, wir können uns nicht mehr zurückhalten“, sagte der übriggebliebene Dämon zu seiner Anführerin. Diese nickte.
Gegen beide gleichzeitig wird schwierig. Er hatte keine Wahl. Seine Magie neigte sich dem Ende zu. Zwar hatte er dem Bulligen etwas abgezweigt, doch das brauchte er noch. Er warf beide Messer auf die Dämonen und lenkte sie ab. Beide Handflächen schlugen aufeinander und er aktivierte die Barriere. Der weißleuchtende magische Zirkel erschien und mit einer schnellen Bewegung schloss er alle fünf ein.
Wütend schlugen die beiden dagegen. Hölle. Er begann den Exorzismus, seine Hände die ganze Zeit gegeneinandergepresst. Wenn sie sich auch nur einen Moment trennten, würde der Bannkreis brechen. Fuck.
Die Worte flossen über seine Lippen und der magische Zirkel begann zu leuchten und sich zu drehen. Seine Knie gaben nach, doch die Hände blieben aufeinander. „… hiermit banne ich euch.“ Ein helles Leuchten erstrahlte und die fünf wurden verschluckt. Keuchend fiel er auf den Boden.
Zu spät sah er den Fuß, der ihn in die Rippen traf. Ein lautes Krachen hallte in der Gasse und Sunny flog gegen die Wand. Die Umgebung verschwamm für einen Moment und er bekam keine Luft.
„Unglaublich, dass ein kleiner Junge wie du fünf Kopfgeldjäger gebannt hat“, erklang eine tiefe Stimme.
Sunny blinzelte und schaute in blutrote Augen. Große Hände packten ihn am Hals und drückten ihn die Luft ab. Sunny legte seine Hände an den Dämon, dann begann er ihm die Magie abzusaugen. Dieser riss die Augen auf. Blitze überzogen seine Haut, doch bevor er diese entladen konnte, spürte er einen Schlag auf den Hinterkopf und die Dunkelheit verschlang ihn.
Jo sah, wie Sunnys Kopf zur Seite flog und die Spannung aus seinem Körper wich. Die beiden hielten ihn fest. „Du hast ihn unterschätzt. Wäre ich eine Sekunde später gekommen, wärst du bei den anderen“, sagte ein kleinerer Dämon mit silbernen Haaren. Dieser zeichnete einen magischen Zirkel in die Luft und platzierte ihn auf den Boden.
Der Größere platzierte Sunny auf diesem. Langsam versank er im Boden. „Du hast uns viel Ärger bereitet, Grim Reaper.“ Sein bester Freund wurde vom Boden verschluckt und die beiden Dämonen verschwanden.
Zitternd stieg er aus der Tonne, kniete sich an die Stelle, an der Sunny gelegen hatte. Schritte hallten und die Reaper trafen ein, doch es war zu spät. Von seinem besten Freund war nur ein Blutfleck auf dem Boden übrig.
Ein Zirkel leuchtete auf, dann kamen Iriya und Kane heraus. Iriyas silbernes Haar glänzte und sein grauer Anzug passte perfekt zum Rest.
Ungeduldig klopfte der Dämon vor ihnen auf die Lehne seines Throns, der aus Knochen und zahlreichen Schädeln bestand. Die obsidianschwarzen, kurzen Haare des gefallenen Engels vor ihnen glänzten und die goldenen Augen ließen sie erschauern. Sie gingen auf die Knie und senkten ihr Haupt.
„Mein König, wir haben ihn“, sagte Iriya, die Ehrfurcht war ihm deutlich anzusehen. Niemand wollte diesen Mann verärgern, denn die ewige Verdammnis, die darauf folgen würde, war schlimmer als alles, was man sich vorstellen konnte.
„Wo?“, fragte die tiefe, rauchige Stimme, die jedem Dämon die Knie weich werden ließ. Das engelsgleiche Aussehen stand im Gegensatz zu dem grausamen Zug, den er hatte, und den goldenen Augen, in denen ein kühler Blick stand.
Iriya machte eine kreisende Bewegung mit der Hand und ein Zirkel erschien. Aus diesem tauchte ein Körper auf.
Der Dämon roch sofort das Blut, nahm die flachen Atemzügen des jungen Mannes mit den aschgrauen Haaren wahr. „Ich sagte, ich will ihn lebend, nicht halbtot.“
Beide Dämonen erzitterten. „Wir hatten keine Wahl. Er hatte bereits fünf unserer besten gebannt-“, doch der silberhaarige Dämon verstummte.
„Dieser Junge soll fünf gebannt haben? Seit wann sind die Dämonen denn zu Waschlappen mutiert? Wie dem auch sei, geht mir aus den Augen.“
Beide nickten und verschwanden sofort. Langsam ging der Dämon zu dem bewusstlosen Menschen und hob ihn hoch. Schweigend trug er ihn aus dem Saal in sein Schlafgemach, dort legte er ihn auf das Bett. Was soll diese Maske? Er zog sie ihm vom Gesicht und sein Atem stockte.Der junge Mann vor ihm hatte filigrane Gesichtszüge, eine schmale Nase und rosige Lippen. Für einen Moment krampfte dessen Körper und eine leichte Blutspur lief über dessen Mundwinkel.
Ohne zu zögern, riss er dem Menschen das Oberteil vom Leib und sah den Grund dafür. Haben sie ihn mit voller Wucht getroffen? Ein dunkelblauer Bluterguss, der beinahe die Hälfte der seitlichen Rippen bedeckte, kam zum Vorschein. Mehrere Rippen mussten gebrochen sein und er verblutete innerlich. Hölle nochmal.
Der Dämon biss sich ins Handgelenk und saugte etwas von seinem Blut in den Mund. Dann presste er seine Lippen auf die des Reapers und flößte es ihm ein. Anschließend packte er den jungen Mann am Arm und legte die andere Hand auf dessen Wunde. Mit Worten aus einer uralten Sprache wob er einen Zauber.
Mit einem Mal riss der Mensch die Augen auf und begann zu schreien. Seine Knochen krachten, als sie an die ursprüngliche Stelle zurückkehrten. Blitze wanderten über die Haut des jungen Mannes und entluden sich in die Umgebung. Fassungslos betrachtete er das Schauspiel, schaute auf seine verbrannte Hand, als er ihn losließ. Bewusstlos fiel dieser zurück.
Er hatte ihn geheilt, doch die Schmerzen, die der junge Mann hatte durchstehen müssen, waren schlimmer als das Zufügen der Wunde gewesen. Besser als der Tod.
Der Dämon war sich sicher, dass der Reaper die nächsten Tage nicht aufwachen würde, was ärgerlich war. Er deckte diesen zu und verließ das Zimmer.
Vor der Tür stand Eligos, sein engster Vertrauter. Er kümmerte sich um sein Anwesen und auch um die anderen hochrangigen Dämonen, die ihm unterstanden.
„Das hat sich aber nicht gut angehört“, sagte Eligos. Seine haselnussbraunen Haare hatte er zu einem Zopf nach hinten gebunden, der ihm bis zu der Mitte der Schulterblätter reichte. Er hatte efeugrüne Augen und einen leichten Pony. Er war etwas kleiner als er selbst, doch einer der gnadenlosesten Krieger, die er kannte.
„Sie haben ihn halbtot bei mir abgeliefert. Ich musste ihn heilen.“
Eligos kniff die Augen zusammen. Er hatte von Iriya bereits den Bericht bekommen, den er nicht hatte glauben können.
„Unterrichte mich, wenn er aufwacht – und Eligos, lege ihm eine Halsfessel um.“ Sicher war sicher.
Sein Freund nickte kurz und machte sich auf den Weg.
Keuchend schreckte Sunny auf. Er schnappte nach Luft. Instinktiv griff er sich an die Rippen, doch er spürte keinen Schmerz mehr. Es dauerte einen Moment, bis er realisierte, dass er in einem fremden Zimmer war. Das Bett, auf dem er lag, bestand aus einem dunklen Holz mit schwarzer Bettwäsche und dunkelroten Kissen. Die Wände waren aus Stein, erinnerten ihn an eine Burg. Ein großer, mindestens drei Meter breiter Schrank stand an der Wand und an der Decke leuchteten mehrere orangene Steine. Gegenüber dem Bett hing ein Spiegel mit einem goldenen Rahmen, in dem er sich sehen konnte. Er konnte auch sehen, dass seine Rippen heil waren und nur noch ein leichter Schatten über diesen lag.
Wie lange habe ich geschlafen? Das war der erste Gedanke. Der zweite war, was zur Hölle ist das? Er fasste sich an den Hals, um dem ein bronzener Ring mit einer Breite von etwa zwei Zentimetern prangte. Auf diesem waren verschlungene Symbole eingraviert. Er zog an ihm, doch er lag passgenau auf seiner Haut an, sodass er nicht unter diesen kam. Er bewegte sich keinen Millimeter, als er diesen nach oben oder unten zog. Verdammte Axt. Es dauerte einen Moment, bis er begriff, was das war. Das ist eine Dämonenfessel. Sie verhinderte, dass Dämonen ihre Magie regenerieren konnten und somit wehrlos waren. Hervorragend.
Langsam stiegen die Erinnerungen an den Kampf hoch. Sunny rieb sich über die Stirn. Ich kann es nicht glauben. Er war von Dämonen vermöbelt und verschleppt worden. Doch wohin? Auch wenn er eine Ahnung hatte, blieb er ruhig. Dann schaute er zu Boden und erstarrte.
Die Tür öffnete sich und ein Mann trat ein. Dieser hatte kurze obsidianschwarze Haare und goldene Augen. Er sah verdammt heiß aus, vielleicht war es der schönste Mann, den Sunny je gesehen hatte. Doch das alles spielte keine Rolle. Bevor der Dämon reagieren konnte, war Sunny vom Bett gesprungen und hatte sich auf ihn gestürzt. Überraschung machte sich auf dem Gesicht des Schwarzhaarigen breit, denn damit hatte er nicht gerechnet.
„Du mieses Arschloch, wie kannst du es wagen?“, rief Sunny aufgebracht. Der Dämon wollte antworten, doch der Mensch kam ihm zuvor. „Das war mein Lieblings-T-Shirt. Für dieses T-Shirt bin ich sechs Stunden durch die Pampa gefahren und drei Stunden angestanden. Hast du eine Ahnung, was du angerichtet hast?“
Der Dämon schaute Sunny fassungslos an und fing die Faust ab, die auf sein Gesicht zusteuerte.
„Drei Stunden!“, schrie Sunny.
Ist dieser Mensch verrückt? Er schrie ihn nicht gerade wegen eines Kleidungsstücks an, oder? Das musste ein Code sein, oder etwas anderes. Er warf den Menschen ab, doch dieser rollte sich seitlich ab und packte das zerrissene T-Shirt. „Das kaufst du mir neu und es ist mir scheiß egal, wie du das anstellst.“ Die Wut war deutlich zu erkennen.
„Du hast keine Ahnung, wen du vor dir hast, Mensch. Ich könnte dich mit einer Handbewegung töten“, grollte der Dämon mit den goldenen Augen.
„Das ist mir schnuppe. Das war ein Bandshirt einer Band, die nur drei Konzerte im Jahr hat und es so gut wie unmöglich ist, an Tickets oder Merchandise zu kommen. Du könntest der Teufel persönlich sein“, schoss Sunny zurück.
Für einen Moment entspannte sich der Dämon, dann lächelte er. Der Mensch vor ihm zeigte keinerlei Angst, doch das würde sich nun ändern. „Du hast ein gutes Gespür, Reaper.“
Sunny hielt inne. Womit?
„Mein Name ist Lucifer und ich bin der König der Hölle“, sagte der Dämon und ließ seine Aura aufwallen.
Lucifer. Sicher. Er verschränkte die Arme. „Klar.“ Dann seufzte er. Erst sein T-Shirt und nun ein durchgeknallter Dämon, der sich für den König der Hölle hielt.
Lucifer war erneut sprachlos. Er glaubt mir nicht? Seine Aura war doch mehr als deutlich gewesen, jeder andere wäre vor ihm auf die Knie gefallen. „Du glaubst mir nicht?“, fragte er den Menschen.
Sunny schaute ihn an und rollte die Augen. „Hör zu, ich weiß, dass du ein Dämon bist und kein kleiner Fisch, Mister Sauerkirschtörtchen – doch sind wir ehrlich, wieso sollte mich der König der Hölle entführen lassen? Ich bin ein Mensch und er hat sicherlich genügend anderes Spielzeug und sicherlich auch nicht so viel Freizeit. Ich will deinem Ego nicht wehtun, aber können wir das Spielchen lassen? Sag mir, was du willst, dann schick mich zurück.“
Mister… Sauerkirschtörtchen. Der Dämon wusste erneut nicht, was er darauf erwidern sollte. Also fuhr er seine Flügel aus, die in einem aschgrauen Goldton schienen.
„Nette Flügel. Aber ich kenne mindestens zehn gefallene Engel.“ Nicht persönlich, aber ich habe genügend Bücher gelesen.
Dieser Mensch ist wahnsinnig. Etwas anderes konnte es nicht sein. Er nahm immer noch keinen Hauch an Angst wahr. Das war doch völlig irrsinnig. Er war der König der Hölle, wieso musste er es diesem Mensch beweisen? Dieser Gedanke ließ ihn innehalten. Sein Blick wurde finster. „Genug von diesem Theater. Knie nieder.“ Er würde sich dieses respektlose Verhalten nicht gefallen lassen. Jeden anderen hätte er bereits bestraft.
Sunny streckte die Hand mit dem zerrissenen T-Shirt aus. „Drei Stunden.“ Die Luft wurde schwer, er spürte den Druck. Seine Knie zitterten, doch er gab nicht nach. Daraufhin nahm dieser weiter zu. Fuck. Er fühlte sich wie ein Sandwich, das in diese lächerlichen Sandwichtoaster gepresst wurde. Also setzte er sich im Schneidersitz auf den Boden und verschränkte die Arme. „Zur Information, ich knie nicht. Es ist nur zu anstrengend zu stehen.“
Das ist nicht die Wahrheit. Lucifer schaute zu dem Menschen. „Höre mir zu, Grim Reaper, ich habe dich aus einem wichtigen Grund herbringen lassen“, begann der Dämon, doch Sunny unterbrach ihn.
„Das interessiert mich nicht. Ich werde keinen Auftrag erledigen, wenn dieser nicht offiziell an die Gilde geschickt wurde. Nun bring mich zurück, Möchtegern-König der Hölle.“
Plötzlich befand sich Sunny in der Luft, seine Beine baumelten. Die Hand des schwarzhaarigen Dämons hatte sich um seinen Hals geschlossen. Bevor er jedoch reagieren konnte, wurde er aufs Bett geworfen. Was? Der Dämon war über ihm und die Augen glühten. Er ist sauer.
„Ich denke, du hast etwas falsch verstanden. Du wirst nun ruhig sein und genau zuhören. Wenn nicht, werde ich dafür sorgen, dass du dir wünschst, du hättest dein freches Mundwerk gehalten.“ Sturmgraue Augen starrten ihn an, er sah immer noch keine Angst in diesen.
„Egal, was du tust, das Ergebnis bleibt dasselbe. Ich habe keine Angst vor dem Tod oder Schmerzen.“ Dieses Mal war die Stimme kühl und ernst. Dieser Mensch verspürte keine Angst, die Augen erzählten eine deutliche Geschichte. Die Frage stellte sich: was war diesem jungen Mann passiert, dass er völlig ruhig in die Augen des Todes blicken konnte, ohne die Miene zu verziehen?
Er ist faszinierend. Dieser Gedanke war in Lucifers Kopf. Er war noch nie jemandem begegnet, der ihm so die Stirn geboten hatte, der so widersprüchlich war. Zwei Hände legten sich an seine Wangen und er spürte ein Kribbeln.
Ein leichtes Lächeln erschien auf dem Gesicht des Menschen. „Zeit zu fliegen, Engel.“ Im nächsten Moment entlud Sunny einen Schlag an Blitzen. Der Dämon wurde von ihm geschleudert. Zuckend blieb er auf dem Bett liegen, hatte keine Kontrolle über seine Gliedmaßen. Das war es wert gewesen. Mit einem Lächeln rollten seine Augen nach hinten und sein Kopf kippte bewusstlos zur Seite.
Fassungslos rappelte sich Lucifer auf. Sein Oberteil war völlig verbrannt und nur seine schnelle Reaktion – die Barriere, die er erschaffen hatte – hatte ihn vor größerem Schaden bewahrt.
„Was zur Hölle bist du?“
Mit stechenden Kopfschmerzen drehte sich Sunny nach links. Himmel nochmal. Er rieb sich die Stirn. Ruhig blieb er liegen, dachte nach, soweit es die Kopfschmerzen zuließen. Eine schlagartige Entladung von Magie sorgte in neunundneunzig Prozent der Fälle für einen „Kurzschluss“ beim Entlader inklusive Kopfschmerz am Tag danach.
Konzentrier dich. Er musste den Status Quo festmachen. Er saß in einem Zimmer im Anwesen eines Dämons, der sich für Lucifer hielt. Zudem war sein Lieblings-T-Shirt kaputt. Bei der Sache bleiben. Die Aura des Dämons war gewaltig gewesen, auch dessen Schnelligkeit.
Der gefallene Engel, der geliebte Sohn, der aus dem Himmel verstoßen und in die Hölle gefallen war. Goldene Flügel und Augen. Er hatte noch nie einen Engel gesehen, auch keinen gefallenen – doch es wird sehr wahrscheinlich nicht viele mit dieser Flügelfarbe geben, zumindest wurden keine überliefert. Er war wirklich wunderschön. Viele Dämonen wählten ein schönes Äußeres, wenn sie auf der Erde wandelten, doch dieses Kaliber war ihm noch nie begegnet. Was, wenn du den König der Hölle beleidigt hast?
„Hör zu, ich weiß, dass du ein Dämon bist und kein kleiner Fisch, Mister Sauerkirschtörtchen, doch sind wir ehrlich, wieso sollte mich der König der Hölle entführen lassen? Ich bin ein Mensch und er hat sicherlich genügend anderes Spielzeug und sicherlich auch nicht so viel Freizeit. Ich will deinem Ego nicht wehtun, aber können wir das Spielchen lassen? Sag mir, was du willst, dann schick mich zurück.“
Hmm. Das könnte man noch geradebiegen.
„Zur Information, ich knie nicht. Es ist nur zu anstrengend zu stehen.“
Das wird schon schwieriger. Er hatte ihm den Respekt verweigert. Vielleicht noch machbar.
„Das interessiert mich nicht. Ich werde keinen Auftrag erledigen, wenn dieser nicht offiziell an die Gilde geschickt wurde. Nun bring mich zurück, Möchtegern-König der Hölle.“
…vielleicht sollte ich mein Testament schreiben. Wenn Sunny wütend wurde, konnte er sich nicht zurückhalten. Jahrelang hatte er geschwiegen, jedes Wort zurückgehalten. Daran wollte er nicht denken.
Die Tür öffnete sich und er drehte sich um. Ein Dämon mit glatten haselnussbraunen Haaren und spitzen Ohren trat ein. Er hatte efeugrüne Augen, wobei der Rest des Auges schwarz war, und ein Muster aus geschwungenen Linien lief von dessen linker Schläfe nach unten zu seinem Hals. Efeu mit Salz. Danach roch der Dämon. Es war kein so angenehmer Geruch wie der des Dämons mit den goldenen Augen. Dieser hatte nach Sauerkirschen gerochen – tief, köstlich.
„Du bist wach?“, sagte dieser mit einem Lächeln.
Sunny setzte sich auf.
„Mein Name ist Eligos“, sagte der Dämon mit einer freundlichen Stimme.
„Gibt es einen Grund, warum du Freundlichkeit heuchelst?“, fragte der Mensch. Dessen graue Augen schauten den Dämon an.
Er hat mich durchschaut? Lag es an seiner Rasse?
„Es ist nicht deine Rasse. Dein Lächeln ist falsch, es erreicht deine Augen nicht. Zudem gibt es keinen Grund freundlich zu mir zu sein, immerhin bin ich ein Gefangener“, antwortete der Reaper.
Er ist intelligent. Eligos würde sich vorsehen müssen. Der Mensch faszinierte ihn, denn er zeigte keine Angst, war völlig ruhig. Was hast du getan, um Lucifer so auf die Palme zu bringen? Sein Freund war außer sich gewesen, so hatte er ihn noch nie erlebt. Dazu das zerstörte Oberteil.
„Gut, dann kommen wir zur Sache-“
Er wurde jedoch von dem Menschen unterbrochen. „Ist der Schwarzhaarige mit den goldenen Augen wirklich Lucifer?“
Was? Ungläubigkeit stand in seinem Gesicht. „Ja. Warum fragst du?“ Hatte sich sein Fürst ihm nicht vorgestellt? Das konnte er kaum glauben.
Verdammt, er war es also doch. Nachdenklich knabberte Sunny an seinem Daumen. Dann muss ich das wohl gerade biegen, aber wie?
„Ähm, Mensch, hörst du mich?“
Vielleicht mit einem netten Kopfnicken und lieben Worten? Wird glaub ich nichts. Hmmm, wie kann man einen beleidigten gefallenen Engel gutstimmen?
Eligos schaute zu dem Mensch. „Hallo?“
Ich hab‘s, so mach ich das. Er stand auf und ging zu dem Schrank, öffnete ihn. Der Dämon schaute ihm zu, doch er hatte ihn einfach ausgeblendet. Die Garderobe lässt zu wünschen übrig. Zudem waren alle Sachen eine Nummer zu groß. Er zog ein schwarzes Oberteil heraus und eine kurze schwarze Hose. Beides zog er an, wobei die Hose recht groß war. Das kurzärmlige Oberteil knotete er an der Seite auf die richtige Höhe. Ein Blick in den Spiegel, dann drehte er sich zu dem Dämon, der ihn mit offenem Mund anschaute.
„Auf geht’s, Elisa, bring mich zu deinem Boss.“
Elisa? Eligos stand fassungslos da. Er hat einfach Lucifers Kleider angezogen und… Der Dämon wusste nicht, was er empfinden sollte, also begann er einfach zu lachen. Die Situation war absolut unwirklich. Grandios. Er lief aus dem Zimmer und der Mensch folgte ihm. Ich kann kaum erwarten, was er als Nächstes tut.
Sie liefen einen Gang entlang, bis sie in eine größere Halle gelangten. Dort gab es mehrere weitere Gänge und Türen – eine war eine große Holztüre, die Sunny an ein Tor erinnerte. Dieses öffnete sich und gab den Weg frei. Wie in Gruselfilmen. Sterben die, die in solche Räume gehen, nicht immer? Mit einem Schulterzucken lief er dem braunhaarigen Dämon hinterher. Sie betraten einen größeren Saal, in dem ein großer Thron stand.
Eligos blieb stehen, doch Sunny lief einfach weiter, den Blick an dem Thron klebend. Wahnsinn. Da ist der Thron von Game of Thrones ja ein Scheiß dagegen. Er umrundete diesen. Wie viele Dämonen hierfür gestorben sind? „Wie hältst du das in Schuss?“ Jo würde ausrasten. Seine Tasse würde hervorragend zu dem Thron passen.
„Was macht der Mensch hier?“
Fasziniert riss sich Sunny von dem Thron los und schaute zu dessen Besitzer. Ich geb’s ja zu, er sieht beeindruckend aus.
Lucifer lief an ihm vorbei und nahm Platz. Diese Szene könnte glatt aus einem Film sein. Nur dass das kein Film war, also setzte er sein Pokerface auf.
Der Dämon musterte den Menschen. Ist das… meine Kleidung? Er schaute nur zur Eligos, der verzweifelt versuchte, ein Grinsen zu unterdrücken. Was ist hier los?
Sunny schaute den König der Hölle an. Zeit, ihm in den Arsch zu kriechen. Nein, das würde er nicht, auch wenn er darüber nachgedacht hatte. „Gut, was wollt Ihr von mir?“ Er hatte es versucht.
„Langsam bin ich mir nicht sicher, ob du deines Lebens müde bist“, sagte Lucifer mit kalter Stimme. Er hatte ihre erste Begegnung Revue passieren lassen. „Nenne mir deinen Namen, Mensch, dann reden wir weiter.“
Die Augen des Reaper verengten sich. Ruhig. Er rieb seinen Daumen und Zeigefinger aneinander. „Sunshine Mitchell. Mensch. Widder. Möchten Sie auch meine Schuhgröße wissen?“
Nun kannte Eligos kein Halten mehr. Das Lachen brach aus diesem und er krümmte sich. „Hölle nochmal. Es tut mir leid“, sagte er, doch auch Lucifers dunkle Blicke ließen ihn nicht verstummen.
Sunshine. „Du willst mich also auf den Arm nehmen. Nenne mir deinen Namen.“
Nun war Sunny angepisst. Er lief zu dem Dämon, beugte sich vor, sodass ihre Gesichter nur wenige Zentimeter entfernt waren. „Ach entschuldigt, Euer Hochwohlgeboren. Es kann nicht jeder Lichtbringer heißen. Eifersüchtig, weil ich das Licht nicht nur bringe, sondern es erschaffe, und nicht wie ein Fackelträger bei den olympischen Spielen heiße?“ Und genau so hatte es nicht laufen sollen.
Jeder spürte, wie die Spannung stieg, nun hatte auch Eligos nichts mehr zu lachen. Lucifer stand auf und einen Moment später hing Sunny über dessen Schulter. Er lief mit dem strampelnden Reaper aus dem Raum, direkt in das Schlafgemach. Bevor er sich versah, landete er auf der weichen Bettdecke und Lucifer lag über ihm.
Was? Sunny reagierte instinktiv, er schlug nach dem Dämon, doch beide Hände wurden abgefangen und mit einer Hand über seinen Kopf gedrückt. „Deine Zunge hat dich in eine Situation gebracht, die jeden anderen den Kopf kosten würde. Es ist Zeit, dass du deinen Platz kennst, Mensch.“ Die rauchige Stimme ging Sunny unter die Haut. Er schloss die Augen, machte sich für den Schmerz bereit.
Lucifer spürte, wie der Mensch sich versteifte und die Augen schloss. Jegliche Gegenwehr stellte sich ein. Er roch keine Angst, es war anders. Es war Resignation. Wieso? Dieser Reaper hatte sich wegen einem lächerlichen Kleidungsstück in eine Wildkatze verwandelt und nun lag er reglos unter ihm. Sanft beugte er sich nach vorne, fuhr mit den Fingern die filigranen Züge des Menschen nach. Sunshine. Ein überraschender Gedanke entfaltete sich in seinem Kopf und er setzte diesen in die Tat um.
Weiche Lippen pressten sich auf Sunnys Lippen. Sofort riss er die Augen auf und starrte in goldene Augen, in denen er für einen Moment versank. Die Zunge des Dämons schob sich in seinen Mund und der tiefe Geruch von Sauerkirschen drang in seine Nase. Gütiger Gott. Er stöhnte auf und Hitze wanderte durch seinen Körper.
Lucifer streichelte die Zunge des Reapers, der nach Minze schmeckte und wie ein Herbststurm roch – wild und ungezügelt. Der Mensch zog sich zurück und keuchte. „Mach das noch einmal und ich brutzle dir dein Gesicht weg.“ Blitze wanderten über Sunshines Wangen, eine sanfte Warnung. Das Funkeln in den Augen war zurück.
„Weißt du, Sunshine, ich werde dich in mein Spielzeug verwandeln. Du wirst zu meinem Lustsklaven, der mir schon bald sehr viel Freude bereiten wird. Dann kann dieser Mund das tun, wofür er gedacht ist“, grollte der König der Dämonen.
Was?
Sunny wanderte in einem Maidkostüm mit einem Tablett zu dem Thron. Er nahm eine Traube und hielt sie Lucifer entgegen. Dieser umgriff sein Handgelenk und nahm die Traube inklusive seiner beiden Fingerspitzen in den Mund. Mit funkelnden Augen schaute er Sunny an.
„Köstlich, doch ich will etwas anderes schmecken, etwas Süßeres.“
Ehe sich Sunny versah, lag er auf Lucifers Schoß und seine Hand wanderte unter seinen Rock.
Mit wedelnden Bewegungen vertrieb Sunny die Bilder. Kuschkusch. Absolut falscher Zeitpunkt, Sun. Leider war sein Kopf manchmal ein größeres Arschloch als der Dämon vor ihm. Der Körper entfernte sich und er schaute den Dämon an. „Vergiss es.“ War er verrückt? Vielleicht…
„Ach wirklich? Du bist in der Hölle, in meinem Anwesen. Du kannst nirgendwohin und dein Leben ist in meiner Hand. Was wirst du tun, Soare? Kämpfen oder dich ergeben?“
Sunshine stand auf und schaute ihn mit funkelnden Augen an. So ein verdammter Mist. Er biss sich auf die Unterlippe. So lustig der Tagtraum auch gewesen war, die Realität würde es nicht sein. Alleine bei dem Gedanken, mit jemandem das Bett zu teilen, wurde ihm übel.
Lucifer sah, wie sich das Gesicht des Menschen veränderte. Er kannte ihn noch nicht lange, doch bisher hatte er immer dieses Funkeln in den sturmgrauen Augen des Menschen gesehen. Er hatte ihm immer in die Augen geschaut, doch nun schaute er zu Boden, leicht blass. Also wartete er.
Mit kreisenden Bewegungen begann Sunny seine Schläfen zu massieren. Konzentrier dich. Für was hast du einen IQ von 142, wenn du ihn nicht nutzt? Vor ihm erschienen zahlreiche Optionen und er begann diese zu analysieren und auszuwerten. Es gibt also keine andere Möglichkeit… „Gut. Was hältst du von einem vorläufigen Waffenstillstand und Verhandlungen?“
Der Dämon schaute ihn mit verschränkten Armen an. „Sprich.“
Der Reaper trat vor ihn. „Hör zu, ich bin nicht dumm. Mir ist völlig bewusst, dass du mich nicht zum Spaß hergeholt hast. Wie ich bereits sagte, der König der Hölle hat sicherlich nicht die Zeit, ein Menschchen aus Spaß entführen zu lassen. Zudem war ich meinen Informationen nach der Einzige, auf den dämonische Kopfgeldjäger angesetzt gewesen waren, sonst hätten meine Kollegen davon berichtet – es musste also spezifisch ich sein. Nun stellt sich die Frage, wieso ich? Und vor allem, wieso hast du keine offizielle Anfrage an die Gilde gestellt? Das lässt nur drei Optionen zu – entweder man durfte nicht erfahren, dass du es bist, der mich herbeordern ließ, oder dass niemand erfahren durfte, dass du speziell mich wolltest.“ Ein dritter Finger hob sich und Sunny fuhr fort. „Oder das Letzte, du musstest jemandem zuvor gekommen und hattest nicht die Zeit, auf eine Antwort der Gilde zu warten.“
Lucifer war beeindruckt. Er ist wirklich so gut, wie mir berichtet wurde. In der Hölle ging schon seit längerem das Gerücht über einen menschlichen Reaper mit außergewöhnlichen Fähigkeiten um. Sie sprachen von einem jungen Mann, welcher in der Lage war, jeden Dämon egal welchen Standes zu finden und zu bannen – eine Universalwaffe. Er hatte es zunächst nicht glauben können, doch Sunshine hatte bereits einen Teil unter Beweis gestellt.
„Gut, um meine hervorragenden Schlussfolgerungen zu beenden, womit ich sogar Shinichi Kudō in den Schatten stellen würde – du brauchst mich, mich und niemand anderen. Jedem anderen hättest du bereits die Eingeweide als Kette um den Hals geknotet, doch ich stehe hier. Es ist deutlich, dass du mich lebend und unversehrt brauchst. Also mache ich dir nun ein Angebot, Dämon. Ich werde dir bei dem helfen, wofür du diesen ganzen Hokuspokus veranstaltet hast, sofern kein Unschuldiger – ob Mensch oder Dämon – Schaden nimmt. Dafür schickst du mich unversehrt wieder nach Hause.“
Sunny hatte es tatsächlich geschafft. Auf diese Ansprache ist meine verstorbene Oma sicher sehr stolz. Hörst du das Omi, ich bin doch der weltbeste Enkel, oder nicht?
Der Dämon wählte seine Worte mit Bedacht: „In Ordnung, Mensch, doch ich füge einige Bedingungen an.“
Das hört sich nicht mehr ganz so positiv an.
„Du hast dich mir gegenüber mehr als respektlos verhalten und das kann ich nicht stehen lassen.“
Ach komm schon, bis auf Elisa hat das niemand mitbekommen. Was niemand weiß, macht auch niemand heiß. Murks doch einfach Grünauge ab, dann hat sich’s. Gerade rechtzeitig sprach Lucifer weiter, denn Sunny wusste, dass der Kommentar bereits am Gaumen gehangen hatte.
„Du wirst das Problem mit vollem Einsatz in möglichst kurzer Zeit lösen, ohne weiteren Ärger für mich zu bereiten – das sollte für den Grim Reaper doch ein Leichtes sein.“
Ich hasse diesen Spitznamen. Jo hatte ihm diesen vor Jahren gegeben, weil er schwarze Kleidung und eine Maske trug. Er hatte sogar eine kleine Sense von ihm bekommen. Zu seinem Leidwesen waren seine Kollegen begeistert eingestiegen. Vielleicht sollte ich doch eine Zweitkarriere anstreben. Ein Bild von ihm in einer schwarzen Kutte und einer Totenkopfmaske mit einer Sense kam ihm in den Sinn. Vielleicht mein nächstes Halloween-Kostüm?
„…bist du damit einverstanden?“
Was? Moment… Der Dämon schaute ihn an. Ach verdammt. Hatte er nicht zugehört? Nein, kein Wort.
„Lass uns das Ganze doch vertraglich festhalten.“ Keine Tagträume, Sun. Bleib bei der Sache, sonst endest du irgendwo, wo es kein WLAN gibt. Gab es in der Hölle WLAN? Er schüttelte den Kopf, um in der Realität zu bleiben. Man ist das anstrengend.
Lucifer schaute den Menschen an. Während er gesprochen hatte, hatte auf seinem Gesicht ein Feuerwerk an Emotionen und Gesichtsausdrücken stattgefunden. Er hat mir nicht zugehört. Konnte er das nutzen? Mensch, du hast gerade einen Fehler gemacht, der dir nun zum Verhängnis wird. Er schwenkte mit der Hand und ein Pergamentpapier erschien.
„Wahnsinn.“ Der Mensch griff danach, drehte es in alle Richtungen. „Das ist ja wie im Film. Wirst du nun auch mit den Fingern wedeln und Buchstaben erscheinen auf dem Papier?“
Der Dämon schaute erneut sprachlos zu dem Menschen. „Nimmst du überhaupt etwas ernst?“ Es ging um sein Leben und… begann er gerade das Papier zu einem Drachen zu falten? Das ist nicht die Wahrheit. Verärgert ließ Lucifer ein weiteres Stück erscheinen, denn dem Reaper das jetzige wegzunehmen, war ihm schlichtweg zu anstrengend.
„Beginnen wir mit dem Vertragsbestand. Du, Sunshine Mitchell, wirst die nächsten Zeit exklusiv für mich arbeiten. Du wirst niemandem von diesem Auftrag erzählen, keinen Fluchtversuch unternehmen und meine Anweisungen befolgen. Sobald du den Verantwortlichen aufgespürt hast, schicke ich dich in die Menschenwelt zurück.“
Was? Das musste der Teil sein, den er verpasst hatte. Verdammt, Sun. Über was hatte der Dämon gesprochen? Ein Bild von ihm im Halloweenkostüm erschien in seinem Kopf. Nicht hilfreich. Dann musste er das Beste aus der Situation machen.
„Ich habe noch einige Bedingungen anzufügen“, sagte er mit ernster Stimme. „Erstens werde ich nicht gefoltert oder ähnliches.“ Körperlich unversehrt konnte er nicht verlangen, denn bei einem Kampf konnte es zu Verletzungen kommen. Das ließ sich nicht immer vermeiden. „Zweitens, ich werde diese Zeit wach und bei mir sein, sowie völlige Bewegungsfreiheit haben. Das Letzte und Wichtigste“, nun war Lucifer gespannt. „Du – und auch niemand anderes oder etwas anderes – wirst keinen Sex mit mir haben.“
Der Dämon schaute Sunny an. Etwas? Was sollte dieses Etwas sein? In diesem Moment konnte Lucifer sich glücklich schätzen, nicht in Sunnys Kopf zu schauen.
Ich habe genug Hentais gesehen, in denen Frauen von Tentakelmonstern gebumst wurden, darauf falle ich nicht herein.
Alle Bedingungen, die Sunshine gewählt hatte, waren sowohl von der Formulierung als auch vom Inhalt gut überlegt. Er band Lucifer in jeglicher Hinsicht die Hände. Er konnte Sunny weder körperlich noch geistig zu etwas zwingen, auch Erpressungen fielen durch die Unversehrtheitsbedingung am Anfang heraus. Das beeindruckte Lucifer mehr, als er zugeben wollte.
„Ich stimme den Bedingungen zu, doch möchte ich einen Zusatz hinzufügen. Ich werde nichts davon tun, außer du gibst mir deine Zustimmung. Zudem wirst du deine Fähigkeiten nicht gegen mich verwenden“, sagte der gefallene Engel. Darüber würde er nicht diskutieren.
Sunny dachte gründlich nach. „In Ordnung, aber die Zustimmung muss im Sachzusammenhang und unerzwungen erfolgen. Zudem fordere ich deinen Schutz vor anderen ein, solange ich für dich arbeite, und eine angemessene Vergütung für mich und die Gilde.“
Er ist verdammt gerissen. Doch der Dämon nickte. Auf dem Pergament erschienen schwarze Buchstaben und nach und nach alle Bedingungen.
Sunny las diese noch einmal durch. Das müsste so weit passen. Wieso hatten sie eigentlich keinen Kurs mit dem Thema, »wie schließe ich einen wasserdichten Vertrag mit dem Teufel«? Das würde er auf der nächsten Hauptversammlung ansprechen. „Gut, wo muss ich unterschreiben? Werden wir nun in unsere Hand schneiden und unser Blut als-“
Lucifers Lippen pressten sich auf Sunshines. Er zog den Mensch an sich und vertiefte den Kuss. Als dieser sich löste, begannen die Buchstaben auf dem Vertrag zu leuchten. Sie lösten sich vom Papier, teilten sich auf und wanderten zu ihren beiden Handgelenken, um die sie sich schlangen und in die Haut versanken.
Echt jetzt?Dann lag Supernatural wirklich richtig. „Besiegelt ihr jeden Vertrag mit einem Kuss?“
Die Augen des Dämons glühten und ein schelmisches Lächeln. „Nein, ein Händedruck reicht, doch wo bliebe der Spaß, Kleiner?“
Eine sanfte Röte zog sich über Sunnys Wangen. Der Geschmack von Sauerkirschen brannte auf seine Zunge und er biss sich auf die Lippen. Er wurde ernst und das merkte auch der Dämon. „Gut, dann lass uns anfangen. Ich möchte so schnell wie möglich nach Hause.“
Für einen Moment spürte Lucifer so etwas wie Enttäuschung, doch er schob es beiseite. Mit einem Lächeln lief er aus dem Raum und der Reaper folgte ihm.
„Noch eine Frage, wie soll ich dich eigentlich nennen?“
Der Dämon schaute zu dem Menschen. Was geht in seinem Kopf vor? Einen Moment später war er sich nicht mehr sicher, ob er das überhaupt wissen wollte. Die Frage hatte ihm noch keiner gestellt, denn jeder Dämon kannte seinen Platz. Dieser Mensch schien außerhalb jeder Rangordnung zu stehen. „Bist du gegenüber deinen Vorgesetzten in der Menschenwelt auch respektlos?“, fragte er stattdessen.
„Definiere respektlos. Ich mache meine Arbeit und sie lassen mich in Ruhe. Zudem vermeiden sie es – zu meinem Glück – mich zu irgendwelchen Versammlungen einzuladen. Keiner hat Lust ihren sinnlosen Diskussionen zuzuhören.“ Sie hatten sich schweigend darauf geeinigt und es funktionierte. Sunny war ihre effektivste Waffe. Ob sie nach mir suchen? Wahrscheinlich tanzten einige gerade einen Freudentanz, dass er endlich ins Gras gebissen hatte. Ob es Jo gut geht? Er hoffte es inständig.
Sie liefen durch den Gang, steuerten auf das Besprechungszimmer zu. „Noch etwas, wäre es möglich, mir passende Kleidung zu besorgen?“, sagte Sunny und zog an der etwas zu großen Hose. „Wem auch immer das gehört, richte ihm aus, ich werde die Sachen waschen und zurückbringen.“
Für einen Moment zuckten Lucifers Mundwinkel, doch wie immer war der Mensch noch nicht fertig.
„Aber sein Geschmack in punkto Kleidung lässt wirklich zu wünschen üben. Es ist, als wolle er einen Prinzen auf einem einsamen Ball mimen, der nach einer verschollenen Braut sucht.“
Der König der Hölle schaute ihn an, schüttelte den Kopf.
Sie betraten den Raum, in dem Eligos schon wartete. Der Raum war groß und zahlreiche leuchtenden Steine erleuchteten das Zimmer. Überall waren Bücherregale mit Büchern und Pergamentrollen, auf der rechten Seite ein großer Tisch mit eine großen Karte und einige Papiere, über die der braunhaarige Dämon gebeugt war. Links waren mehrere Sessel um einen kleinen Tisch.
„Setze dich, Sunshine.“ Ausnahmsweise tat der Mensch das, was er sagte, und sie setzten sich im Kreis. „Eligos, bring uns auf den aktuellen Stand.“
Eligos schaute zu seinem Freund, dann zu Sunshine. Haben sie sich… vertragen? Was zur Hölle hatte Lucifer mit dem Menschen gemacht? Er konnte keine sichtbare Spuren sehen. Daraufhin räusperte er sich. „Dann wollen wir. In letzter Zeit sind beunruhigend viele Dämonen in die Menschenwelt übergegangen und nach kurzer Zeit wieder zurückgekehrt. Es gab einen abrupten Anstieg an Mana, was uns beunruhigt.“
„Mana?“, unterbrach Sunny den Dämon.