Zackory - eine schicksalhafte Berührung - E. M. Holland - E-Book

Zackory - eine schicksalhafte Berührung E-Book

E. M. Holland

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Beschreibung

Fünfundzwanzig Jahre hat Zack seinen kleinen Bruder Aleksander aus dem Schatten beschützt, bis dieser seine zweite Hälfte gefunden hat und die Prophezeiung der Zerstörung die gesamte Dämonenwelt erschütterte. Nun begeben sich alle auf die Jagd nach den drei Schlüsseln, die die Prophezeiung nannte. Zack als Meister der Schätze begibt sich ebenfalls auf Anweisung des Höllenfürsten Astaroth auf die Suche. Doch ausgerechnet Astaroths Befehlshaber Lucan, ein Dämon, der ihm schon seit Längerem unter die Haut geht, soll ihn begleiten. Gemeinsam ergründen sie auf ihrer Jagd mystische Orte und Rätsel in der Menschenwelt und Geheimnisse treten zu Tage, die der männliche Sukkubus lange versteckt hielt. Bald schon ist er sich nicht mehr sicher, ob das Ziel seiner Suche nur noch der Schlüssel ist, denn eines ist sicher – Lucan ist ein begnadeter Jäger und er hat die Fährte nach dem Mann, der seine Sinne mehr als alles andere reizt, aufgenommen.

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Seitenzahl: 458

Veröffentlichungsjahr: 2023

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E. M. HOLLAND

Zackory

Eine schicksalhafte Berührung

Band 2

Geschichten von E. M. Holland

Die Schicksal-Reihe

1. Belial – eine schicksalhafte Nacht

2. Zackory – eine schicksalhafte Berührung

3. Nix – ein schicksalhafter Kuss (demnächst erhältlich)

The Devil-Reihe

1. The Devil’s Nemesis

E. M. Holland

Zackory

Eine schicksalhafte Berührung

Band 2

Roman

Zackory – eine schicksalhafte Berührung

Copyright © 2023 E. M. Holland

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Illustrationen von J. Bühler

1. Auflage

Prolog

Der Beat drang an seine Ohren. Er spürte die Vibration auf seiner Haut und die Lichter, die durch den dunklen Raum wanderten. Überall sich windende Körper, die sich entweder im Takt der Musik verloren oder die anderen in ihre Falle lockten. Heiße Kurven, volle Lippen – die Falle für jeden Mann. Nur einmal kosten.

Er wollte diese Süße kosten, sich in den schwarzen Locken vergraben und verlieren. Ihr Körper schwang im selben Takt wie der seine und er wusste, sie würde heute Nacht ihm gehören. Endlich würde er erwachsen werden. Er flüsterte ihr eine Einladung ins Ohr. Sie folgte ihm.

Gemeinsam liefen sie an den Rand über die Tanzfläche, er hinter ihr her. Plötzlich wurde er am Arm gepackt. Sie lief einfach weiter, bemerkte nicht, dass er ihr nicht mehr folgen konnte.

Eine tiefe Stimme drang an sein Ohr: „Du riechst so gut.“

Er riss seinen Arm los und ging weiter, machte sich auf die Suche nach seiner Beute.

Am Rand der Disco angekommen, musste er feststellen, dass sie weg war. Enttäuscht seufzte er. Heute würde es wieder nichts werden, also machte er sich auf den Weg – ab nach Hause. Doch bevor er auch nur in die Nähe des Ausgangs kam, wurde er erneut am Oberarm gepackt und in eine dunkle Ecke des Clubs gedrückt. Mit dem Rücken an die Wand gepresst starrte er in zwei braune Augen, die ihn verschlangen. Sein Gegenüber lehnte sich nach vorne und roch an seinem Hals.

In diesem Moment hatte er genug. „Geh weg, ich steh nicht auf Männer“, sagte er wütend und versuchte, sich loszureißen.

„Ich auch nicht, aber ich will dich.“

Bevor er etwas erwidern konnte, drückten sich Lippen auf die seinen. Eine Zunge drang in seinen Mund und streichelte die seine. Ein leises Stöhnen entrang ihm, als er die Energie des Fremden absorbierte. Eine Hand griff unter sein T-Shirt und fuhr über den Bauch zu seinen Brustspitzen. Nein!

Er stieß ihn weg und floh, rannte wie verrückt aus dem Club auf die Straße. Er hielt nicht an, bis er daheim angekommen war. Dort warf er sich aufs Bett und zitterte. Er hasste sein Leben, er hasste, dass er so reagierte. Er hasste alle Männer, alle außer seinen kleinen Bruder. Sollten sie doch alle verrecken.

Doch wenn alle Männer auf der Welt verschwinden würden, dann würde er verhungern.

Warum?

Weil er die Arschkarte des Universums gezogen hatte. Er war eine der seltensten dämonischen Rassen, die es gab – er war ein männlicher Sukkubus. Ein Dämon, der sich von dem Lebenssaft von Menschen oder Dämonen ernährte. Doch leider war es nicht der Lebenssaft von den weiblichen Exemplaren, der ihn nährte, nein, nur der von Männern.

Er weigerte sich, sich seinem Schicksal zu ergeben. Er würde eine Freundin finden und sich mit ihr verbinden. Er würde mit ihr Kinder bekommen. Auch wenn er wusste, dass es unmöglich war, er ließ sich seine Träume nicht nehmen. Ich werde stark und ich werde einen Weg finden.

Männer hatten ihn bis jetzt nur verletzt. Es war ihr Vater gewesen, der sie verlassen hatte – ihn und seinen Bruder ohne Schutz zurückgelassen hatte. Es waren drei Männer gewesen, die seine Mutter getötet hatten, und es war ein Mann gewesen, der sich an ihm als Kind hatte vergreifen wollen.

Männer waren schlecht. Alle außer seinem kleinem Engel, den er beschützen musste, auch wenn dieser nichts von ihm wusste.

Er ballte die Faust und riss sich zusammen.

Morgen ist ein neuer Tag.

Kapitel 1

Nachdem seine Mutter seinen kleinen Bruder Aleksander versiegelt hatte, waren beide durch ein Portal wegbefördert worden. Zack fand sich neben seinem weinenden Bruder auf einer großen steinernen Treppe wieder. Als er sich umsah, erkannte er sofort, wo er sich befand. Oh nein, wir müssen weg!

Panik ergriff ihn, als er herannahende Stimmen hörte. Aber wo sollte er allein mit seinem Bruder hin? Panisch versteckte er sich hinter einer Säule. Aleks lag immer noch an Ort und Stelle, weinte.

Tacina!

Zwei Nonnen kamen aus dem Eingang und erblickten das weinende Kind.

„Oh nein, wie schrecklich! Wer könnte nur so etwas tun?“, sagte eine mit entsetztem Ausdruck. Die andere hob das weinende Kind auf und wiegte es. „Wer könnte einen solch kleinen Engel nur zurücklassen?“

Zunächst schienen sie etwas ratlos, doch dann sagte die Rechte: „Wir werden ihn aufnehmen, in unser Waisenhaus. Komm, Maria, lass uns zur Oberin gehen.“

Zack beobachtete, wie sie seinen Bruder wegtrugen, und Tränen rannen ihm übers Gesicht. Aber wie sollte er seinen Bruder beschützen? Er war allein und viel zu klein. Die Nonnen würden ihn beschützen, auch wenn er selbst nicht zu ihm konnte.

Einst hatte ein Geistlicher ihn als Satans Brut beschimpft, seitdem hatten er und seine Mutter religiöse Orte gemieden. Er wird es dort guthaben. Ich werde es irgendwie schaffen. Entschlossen machte sich Zack davon.

Zwei Tage waren vergangen, seit er Aleks bei den Nonnen gelassen hatte. Er saß auf einer Bank im Park und blickte in den Himmel. Sein Magen gab ein lautes Grummeln von sich. Er hatte seit diesem Tag nichts mehr gegessen. Seine Glieder waren schwer und er fror. Er hatte versucht, Essen aus Mülltonnen zu holen, war aber erwischt worden. Ein blauer Fleck prangte auf seiner Backe, die der Besitzer mit seinem Fuß erwischt hatte, als er nach Zack getreten hatte. Er war hilflos und allein. Nur die Gedanken an seinen kleinen Bruder hielten ihn noch wach. Leise begann er zu weinen und sich zu einem Päckchen zusammenzurollen.

„Na, warum hast du mich allein gelassen?“

Dicke Tränen rollten ihm übers Gesicht. Dann ließ er einen Schrei los. Die Vögel in der Umgebung schreckten auf und flatterten wild durch die Luft. Er war so müde. Vielleicht war es besser, wenn er einfach einschlief. Langsam schloss er die Augen.

„Wach auf“, sagte eine dumpfe Stimme. Er spürte ein Rütteln an seiner Schulter.

Ich will nicht. Lass mich schlafen.

„Ist er tot?“, fragte eine andere Stimme.

Erneut ein Rütteln. Widerwillig öffnete Zack die Augen. Vor ihm stand eine junge Frau mit langen, braunen, lockigen Haaren und graublauen Augen. „Kleiner, hast du mich gerufen?“, fragte sie.

Gerufen? Zack verstand nicht, worauf sie hinauswollte. Mit einem Ächzen setzte er sich auf und schaute sie an.

Scharf sog die Frau die Luft ein. „Du siehst wie Killian aus, nur in klein“, sagte sie.

Killian? „Papa?“, fragte Zack.

Überraschung trat in das Gesicht der Frau. „Bist du Killians Sohn?“, fragte sie.

Zack nickte. So war der Name seines Papas. „Papa ist im Himmel“, sagte er. Daraufhin begann die Frau zu weinen und schloss ihn in eine feste Umarmung.

„Das ist ein Wunder“, schluchzte sie.

Zack verstand sie nicht, also tat er das, was seine Mama immer gemacht hatte, wenn er traurig war. Er streichelte ihr über die Haare. Die junge Frau schien sich langsam zu beruhigen. „Wie ist dein Name?“ Sie schaute ihn an. „Mein Name ist Rikara, aber nenn mich Rika.“

„Mein Name ist Zackory, aber nenn mich Zack“, antwortete er.

„Warum bist du denn hier ganz allein?“, fragte Rika.

Der kleine Junge begann wieder zu weinen. „Mama ist gestorben. Ich bin allein.“ Die Frau machte einen mitleidigen Gesichtsausdruck.

„Rika, wir müssen weiter“, sagte die Begleitung, die sich bis dato im Hintergrund gehalten hatte.

„Lina, geh ohne mich. Ich werde Zack mit mir nach Hause nehmen und mich um ihn kümmern“, sagte Rika mit entschlossenen Worten.

„Das wird Kara nicht gefallen, aber das musst du mit ihr klären. Ich bin dann mal weg“, sagte die Frau und ging dann ohne ein weiteres Wort.

Rika schaute wieder zu Zack. „Willst du mit mir kommen? Du kannst bei mir leben, wenn du willst.“

Zack nickte. Auch wenn seine Mama gesagt hatte, er dürfe nicht mit Fremden mitgehen, so war er nun ganz allein und hatte keine Wahl. Also ging er mit der jungen Frau mit.

Rika sorgte für alles. Zack bekam Essen und Kleidung und ging ein Jahr später zur Schule. Sie lebten mit vier weiteren Frauen in einem großen Haus. Zack schlief in einem kleinen Raum neben Rikas Zimmer. Die anderen Frauen – Lina, Seira und Connie – hatten ihn freudig begrüßt und hatten sich mit Rika beim Babysitten abgewechselt.

Lina war eine 1,50 m große Blondine mit einem kurzen Bob und amethystfarbenen Augen. Auf ihrem Gesicht war immer ein Lächeln zu sehen.

Seira war das Gegenteil von Lina. Sie war introvertiert und zurückhaltend. Sie war zwei Köpfe größer als Lina, hatte langes hellbraunes Haar und dunkelbraune Augen.

Connie war das Mittel – die gute Seele. Mit ihrem Afro und ihren schwarzen Augen sah sie sehr exotisch aus.

Die Hausherrin war Kara – eine rothaarige Frau mit sturmgrauen, kalten Augen. Er hatte von Anfang an die Abneigung gespürt, doch sie tolerierte ihn, vorerst. Grund dafür war, dass er der Sohn von Rikas bestem Freund Killian war. Killian hatte den Frauen vor seinem Tod viel geholfen, also sahen sie es als Schuldenausgleich. Zack war es egal. Hauptsache, er hatte ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen.

Zack wusste, dass er sich von normalen Menschen unterschied, doch was er war, begriff er erst mit zwölf Jahren. Zweimal im Monat gab es einen Abend, an dem zahlreiche Männer in das Haus kamen. Zack musste währenddessen in seinem Raum bleiben und durfte nicht raus. 

Eines Tages musste er jedoch dringend auf die Toilette, also wagte er sich trotz der Warnungen hinaus. Auf leisen Pfoten schlich er zur Toilette.

Als er sich auf den Rückweg machte, hörte er seltsame Geräusche. Neugierig folgte er – wider besseren Wissens – den Geräuschen. Als er vor Linas Zimmer ankam, sah er, dass die Tür einen Spalt offenstand. Neugierig schaute er in das Zimmer. Was er sah, konnte er damals noch nicht verstehen. Lina und Rika sowie drei Männer waren unbekleidet und rieben sich aneinander. Die Frauen machten komische Geräusche und die Körper bewegten sich schnell. Dann nahm Zack einen Geruch wahr – süßlich, tief. Sein Körper begann zu kribbeln. Hastig wich er zurück, stolperte und fiel hin. Er hörte Schritte hinter sich.

„Na, wer bist du denn?“, fragte ihn eine tiefe Stimme.

Ängstlich drehte sich Zack um und schaute nach oben. Hinter ihm stand ein hochgewachsener Mann mit kurzen, schwarzen Haaren, braunen Augen und einem leichten Bartschatten. Er trug nur eine Jogginghose.

Unsicher wich er zurück. „Ich muss gehen“, sagte er und wollte davonrennen, doch der Fremde packte ihn am Arm. Daraufhin spürte er dessen heißen Atem im Nacken.

„Du riechst so gut.“

Ein Schauer rann dem Jungen über den Rücken und er zappelte panisch. Eine Hand griff unter sein T-Shirt und zog es nach oben.

„Rosige Brustspitzen“, sagte der Mann mit rauer Stimme. Dann leckte er über eine.

Zack zuckte zusammen. Er hasste es, aber er war zu schwach, konnte sich nicht wehren.

„Dein Geruch wird immer intensiver“, flüsterte der Fremde und schob ihm eine Hand in die Hose.

„Nein, lass mich los!“, schrie Zack und begann zu weinen. Er sah, wie der Fremde seine eigene Hose herunterzog und sein Ding hervorsprang. Panisch riss Zack die Augen auf. „Rika! Rika, rette mich!“

Plötzlich wurde der Mann nach hinten gerissen. Zwei purpurne Augen tauchten hinter ihm auf und Krallen schnitten ihm in die Brust. Dann sah Zack, wie Rika dem Mann in den Nacken biss. Dieser wehrte sich, doch der Widerstand schwand schnell. Nach wenigen Minuten sackte er leblos nach vorne. Hinter ihm stand Rika, doch sie sah anders aus. Sie hatte zwei schwarze, fledermausartige Flügel, sowie einen schwarzen Schwanz mit blattförmiger Schwanzspitze. Ihre Augen leuchteten violett und zwei Fangzähne ragten über die mit Blut beschmierten Lippen.

Noch nie hatte Zack eine solche Angst verspürt. Langsam ging Rika auf ihn zu, umarmte ihn und sagte: „Es ist alles gut, schhh, mein Baby. Er kann dir nicht mehr wehtun. Alles gut, ich bin bei dir.“

Zack weinte und krallte sich in Rikas lockiges Haar. Irgendwann war er dann vor Erschöpfung eingeschlafen.

Kara hatte das Ganze beobachtet. „Rika, wir müssen reden. Morgen.“ Mehr gab es nicht zu sagen.

Rika seufzte und trug Zack zurück ins Zimmer. Das würde Ärger geben. Aber sie würde den Kleinen beschützen.

Am nächsten Morgen versammelten sich alle Frauen im Gemeinschaftsraum. Zack saß mit geschwollenen Augen und gesenktem Kopf auf dem Sofa, wagte nicht, ein Wort zu sagen.

Kara begann ohne Umschweife: „Gestern ist etwas geschehen. Zackory ist einem unserer Männer begegnet und dieser wurde übergriffig. Rika ging dazwischen, doch nun ist der Angreifer tot. Das ist ein Problem.“

Zack zitterte, traute sich immer noch nicht aufzuschauen.

„Kara, schalt mal einen Gang zurück. Wir sollten vielleicht Zack erst einmal erklären, was vorgefallen ist.“ Kara zog ein unzufriedenes Gesicht, ließ Rika jedoch weiterreden. Rika kniete sich vor Zack. „Zack, Schatz.“

Zack hob vorsichtig den Kopf und schaute sie an. „Es tut mir leid“, begann er zu schluchzen.

Rika nahm ihn in den Arm und tätschelte ihm den Kopf. „Zack, es war nicht deine Schuld. Grund für den Vorfall ist ...“ Sie brach ab, wusste nicht, wie sie es ihm sagen sollte.

„Zack, es wird Zeit, dass wir dir erklären, was wir sind“, schritt Connie ein. „Wir sind keine Menschen und du auch nicht. Aber das weißt du bereits.“

Zack nickte.

„Wir sind Sukkubi. Wir ernähren uns von den Lebenssäften männlicher Wesen. Es ist für uns wie Essen für dich. Damit sie uns das, was wir brauchen, freiwillig geben, können wir sie bezirzen. Wir betören sie mit einem Duft, der sie willig macht.“ Connie fuhr fort und klärte Zack auf. Er machte große Augen, als er zum ersten Mal in seinem Leben aufgeklärt wurde.

Nach Abschluss setzte Kara fort: „Zackory. Du bist ein seltenes Exemplar unserer Spezies – ein männlicher Sukkubus. Sobald du deine Reife durchläufst, wirst du dich vermutlich auch auf unsere Weise ernähren müssen. Wie oft, oder ob überhaupt, wissen wir nicht, da deine menschliche Hälfte eine unbekannte Variable ist.“

In diesem Moment brach für Zack eine Welt zusammen. „Heißt das, dass ich niemals mit einem Mädchen zusammen sein kann?“

„Nein“, sagte Kara mit tonloser Stimme.

Ein Wort und all seine Träume waren zerstört. Er wollte sich nicht von Männern ernähren müssen. Er hasste Männer.

„Zackory, hör mir gut zu“, sagte die Hausherrin. „Normalerweise erreicht ein Sukkubus seine Reife im Alter von dreißig bis vierzig Jahren. Doch da du ein Mensch bist, gilt dies nicht für dich. Gestern hast du zum ersten Mal gelockt.“ Ein Keuchen ging durch die Reihen.

Ich habe gelockt?

„Du riechst so gut.“

Die Erinnerung an gestern ließ Übelkeit in ihm aufsteigen.

„Wir wissen nicht, ob das ein einmaliges Ereignis war oder ob deine Reife beginnt. Ab jetzt bist du unter Beobachtung. Sobald du das Gefühl hast, dass du lockst, musst du sofort jemanden von uns rufen. Wir können nicht riskieren, aufzufliegen. Hast du das verstanden?“, fragte Kara.

Zack nickte stumm. Sein Leben würde sich ab jetzt verändern, aber nicht zum Besseren. Nein. Ich werde mit einem Mädchen zusammenkommen und eine glückliche Familie gründen. Dann werde ich Aleks holen und wir sind wieder eine Familie.

„Er kommt nicht mit!“, rief Rika empört.

„Er lebt hier auf unsere Kosten, also hat er seinen Beitrag zu leisten“, antwortete Kara gefühlskalt.

„Er ist vierzehn. Wir können ihn nicht einfach mitnehmen!“, protestierte Rika, doch die Anführerin ließ nicht mit sich reden.

Sukkubi konnten auf verschiedene Arten Geld verdienen. Einige arbeiten als Models, andere in gewöhnlichen Jobs, doch diese Frauen hatten eine andere Berufung – sie waren Schatzsucher. Sie suchten und fanden Artefakte, die sie für viel Geld verkaufen konnten.

„Er wird uns begleiten. Ende.“

Damit war die Diskussion beendet. Zack ging mit Rika, Kara und Connie mit gepackten Rucksäcken auf Schatzsuche. Ihr Ziel, eine Höhle in Vietnam. Dort angekommen kletterten sie durch einen Spalt in eine dunkle Höhle. Mit Taschenlampen liefen sie den dunklen Gang entlang, der immer schmaler wurde. Gegen Ende mussten sie krabbeln. Trotz der Enge hatte Zack keine Angst, nein. Ein Gefühl von Freude durchdrang ihn. Am Ende des Ganges öffnete sich eine Kammer, hier war Endstation.

„Es scheint hier nicht weiterzugehen – sicher, dass wir hier richtig sind?“, fragte Connie.

Kara nickte und sagte: „Ja, wir müssen nur das Rätsel lösen.“

„Welches Rätsel?“, fragte Rika, „hier ist nichts.“

Die drei standen in einer Ecke und berieten sich. Zack sah sich währenddessen im Raum um. An einer Wand sah er mystische Zeichen, die von Moos bedeckt waren. Vorsichtig entfernte er das Moos und betrachtete sie.

„Strecke dich höher, immer höher, bis du den Himmel erreichen kannst. Dort versteckt neben den Zwillingssternen werden deine Augen sehen“, sagte Zack.

Die drei Sukkubi verstummten und schauten ihn an.

„Was hast du gerade gesagt?“, fragte Connie.

Zack richtete sich auf und schaute sie an. „Ich habe nur vorgelesen, was hier steht.“

Die drei schauten verwirrt. Er hatte keine Lust auf viel Diskussion. „Löscht bitte das Licht.“

Unerwarteterweise taten sie es und Zack schaute nach oben. Da!

„Rika, komm her und heb mich hoch. Ich muss auf deine Schulter steigen“, sagte er ruhig und Rika trat neben ihn. Er stieg auf ihre Schultern, dann drückte er mit zwei Fingern auf zwei nebeneinanderliegende leuchtende Steine. Die Decke hob sich und er konnte die Platte, gegen die er drückte, anheben und wegschieben. Vorsichtig tastete er mit seinen Händen in dem Schacht umher und wurde fündig. Er zog den Gegenstand mit sich und stieg wieder von Rikas Schultern herunter. Die Frauen schalteten wieder das Licht an und schauten auf den Gegenstand, den Zack in der Hand hielt. Es war ein faustgroßes Katzenauge.

„Wie hast du das herausgefunden?“, fragte Kara.

Zack schaute sie an und zuckte mit den Schultern. „Strecke dich höher, immer höher, bis du den Himmel erreichen kannst. Damit ist der Sternenhimmel gemeint. Aber da wir uns in einer Höhle befinden, musste damit die Decke gemeint sein. Wenn man das Licht ausschaltet, leuchten die Mineralien wie Sterne, sodass es einem Sternenhimmel ähnelt. Diese sollte man berühren. Dort versteckt neben den Zwillingssternen werden deine Augen sehen. An der Decke gibt es zwei Steine, die direkt nebeneinander liegen, wie Zwillinge. Diese soll man berühren. Das habe ich gemacht.“

Den Frauen stand der Mund offen. Dieser Junge war ein geborener Schatzsucher. Der Gegenstand war ein seltenes Artefakt, das ihnen ein Vermögen einbringen würde. Und sie hatten mit ihrer Vermutung recht. Zack war ein Trüffelschwein für versteckte Schätze und Artefakte.

Zweimal die Woche schlich sich Zack nachts aus dem Haus. Dies tat er schon, seit er acht Jahre alt war, und er ging immer an denselben Ort. Wie jedes Mal positionierte er sich auf einem Baum, dann wurde er ruhig und beobachtete. Er sah goldene Haare durch die Gegend fliegen. Das brachte ihn zum Lächeln.

Seinem Bruder beim Spielen zuzusehen, war Balsam für seine Seele. Er sah, wie Aleks lachte, und ihm wurde warm ums Herz. Die Nonnen hatten sich gut um Aleks gekümmert. Er war glücklich. Und so beobachtete er ihn, bis er schlafen ging. Er wartete noch eine Weile, dann ging er. Jedes Mal, wenn er ihn verlassen musste, tat ihm das Herz weh.

Er würde bald wiederkommen, vielleicht sogar tagsüber. Das machte ihm Mut. „Auch wenn du nicht weißt, dass es mich gibt, ich werde immer auf dich aufpassen, Tacina.“

Daheim angekommen schlich er sich durch sein Fenster. Gerade, als er es schloss, ging das Licht an. Er fuhr erschrocken zusammen und sah eine verärgerte Rika im Raum stehen.

„Wo warst du, Zackory?“

Mein vollständiger Name, das ist kein gutes Zeichen.

„Luft schnappen.“

Rikas Gesicht wurde noch wütender. „Lüg mich noch einmal an und ich werde dich nackt durch die Straßen jagen.“

Zack sog scharf die Luft ein.

„Du gehst seit Jahren immer nachts aus. Ich habe ein Auge zugedrückt, aber Zackory, du hast deine Reife erreicht. Es ist zu gefährlich.“

Scheiße, sie weiß Bescheid. Ich habe wohl keine Wahl. Zack setzte sich aufs Bett und kramte eine Box unter dem Bett hervor – seine Schatzbox. Dort waren alle Erinnerungen drin. Er öffnete sie vorsichtig. Dann holte er zwei identische Amulette heraus, auf die jeweils ein Kreis mit mystischen Symbolen eingraviert war. „Rika, ich werde dir jetzt eine Geschichte erzählen, die ich vorher noch niemandem erzählt habe. Bist du bereit?“, fragte er mit ernstem Gesicht.

Rika setzte sich schweigend neben ihn und hörte zu. In dieser Nacht erzählte er ihr alles über seinen Bruder, die Eindringlinge, den Tod ihrer Mutter und Aleks‘ Siegel.

Sie war die einzige Person, der er je vertraut hatte. In dieser Nacht vertraute er ihr nicht nur seinen Bruder an, sondern auch einen der drei Schlüssel, die das Siegel von Zacks Bruder brechen konnten. Seit dieser Nacht haben sie nie wieder darüber geredet, aber zwischen ihnen hatte sich eine Verbindung entwickelt, die bis zum Tod reichen würde. Und so begannen sie beide, auf Aleks aufzupassen.

Als Aleks sich in der Uni einschrieb, taten sie das Gleiche. Endlich war Zacks Zeit gekommen. Er würde mit seinem Bruder Kontakt aufnehmen.

Nach der ersten Begegnung hielt Rika ihn im Arm, als er weinte. Er hatte ihm nicht die Wahrheit sagen können. Es hätte Aleks‘ Leben zerstört. Also entschlossen sie sich dazu, zu schweigen. Unter dem Tarnmantel der Freundschaft blieb Zack an Aleks‘ Seite. Dann traf dieser eines Nachts seinen Gefährten und alles änderte sich.

Oft fragte sich Zack, ob er es hätte verhindern können. Doch letztendlich hatte das Schicksal sie zusammengeführt und Aleks war glücklich.

Kapitel 2

„Kannst du mir den Salat reichen?“, fragte ihn Rika.

Zack nickte. Die Feier war in vollem Gange. Wenige Wochen, nachdem Aleks mehr oder weniger vor der gesamten Welt als Engel enttarnt worden war, war endlich etwas Ruhe eingekehrt.

Aleksander und dessen Gefährte veranstalteten eine Party, zu der sie all ihre Freunde eingeladen hatten. Zu Zacks Leidwesen gehörte jedoch auch ein gewisser Dämon mit verschiedenfarbigen Augen dazu. Zwar saß er ganz am Ende des Tisches, doch er konnte seine Blicke spüren. Ich habe ihm bereits deutlich gemacht, dass ich nichts mit ihm zu tun haben möchte. Warum kann er es nicht akzeptieren?

Schon von der ersten Begegnung an hatte Zack etwas gespürt. Etwas an ihm war anders. Was es war, konnte er nicht sagen – aber er war auch nicht im Geringsten daran interessiert, es herauszufinden.

Er genoss die Zeit der Ruhe. Aleks strahlte über beide Ohren und hatte sichtlich Spaß. Zack unterhielt sich mit Ariana und Lyric und sie diskutierten über Schätze und Artefakte. Erneut spürte er Hitze in seinem Nacken.

„Geh zu ihm und rede mit ihm“, sagte Astaroth. Lucan zuckte zusammen.

„Er hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass er mich nicht in seiner Nähe möchte“, flüsterte er mit schmerzlichem Unterton. Er hatte Zack bei ihrer letzten Zusammenkunft nach Aleks‘ Erweckung bei Ariana abgefangen. Er war jedoch nicht weit gekommen. Zack hatte ihm mit einem kalten Lächeln und einem „Bleib mir vom Leib“ verdeutlicht, dass er auf seine Gesellschaft verzichten konnte. Seine Katze hatte gefaucht. Seine beiden Hälften verhielten sich seltsam, seit sie Zack zum ersten Mal erblickt hatten – er fühlte sich aufgekratzt.

Das, was seine Katze am meisten in den Wahnsinn trieb, war Zacks unwiderstehlicher Geruch. Er hatte sofort erkannt, dass Zack ein Sukkubus war, was ihn erstaunt hatte. Männliche Sukkubi waren sehr selten, deshalb konnte er die Abscheu in seinen Augen noch weniger verstehen. Was hatte Lucan getan, um eine solche Abscheu ihm gegenüber zu verdienen? War es seine Rasse? Sein Aussehen? Er wusste es nicht, aber es ließ ihn nicht los. So ein Jucken an einer Stelle, an der man sich nicht kratzen konnte. Was machst du mit mir? so spüre ich ein solches Verlangen nach dir?

Astaroth seufzte. „Du bist der Anführer meiner zweiten Legion. Du hast zahlreiche Schlachten gekämpft und gewonnen. Wirst du dich von so einem kleinen Hindernis etwa aufhalten lassen?“, sagte sein Fürst.

Lucan wusste, dass er recht hatte. Er würde einen Angriff starten, aber dafür brauchte er einen Plan. Er musste eine Strategie ausarbeiten, die es seiner Beute unmöglich machte, zu entkommen. Ruhig atmete er nochmals Zacks Geruch – der Geruch von Lilien und Honig – leckte sich über die Lippen und lächelte. Seine Jagdinstinkte waren geweckt. „Keine Sorge, ich werde bald die Jagd beginnen. Bald.“

Wenige Wochen später…

Zack trat durch die Tür in Belials Anwesen, die von der Eingangshalle zu einem Empfangszimmer für Gäste führte. Ehrlich gesagt, hatte er dieses noch nie von innen gesehen. Warum haben sie mich herbestellt? Er machte sich Sorgen, dass etwas mit Aleks sein könnte. Doch anstatt von einem besorgten Gesicht wurde er von dem strahlenden Lächeln seines Bruders begrüßt. Dieser stand auf und umarmte ihn innig. Gott, ich ihn vermisst habe, meinen kleinen Engel.

Er lächelte und sie setzten sich. Belial nickte ihm einmal zu, das war‘s dann auch schon mit der Begrüßung. Sein Bruder setzte sich zu seinem Gefährten und lehnte sich an ihn. Dann atmete er einmal tief ein. Was kommt jetzt?

„Zack, du fragst dich sicher, warum wir dich hergebeten haben, oder?“, fragte Aleks.

Er nickte und antwortete: „Ich vermute, es hat etwas mit der Prophezeiung zu tun.“

Belial stimmte ihm zu. „Das auch, aber vorher gibt es etwas, das Aleks dir sagen möchte.“

Nun war er verwirrt. Was wollte ihm sein kleiner Bruder sagen?

„Zack, ich … soll ich es sagen … “

Zack runzelte die Stirn.

„Zack, du wirst Onkel“, sagte Aleks und seine Wangen nahmen eine leichte Röte an.

Onkel? Na wenn‘s weiter nichts … Moment.  „Was?“ Das konnte er nicht wirklich gesagt haben. Aleks kann nicht ...

„Ich bin schwanger“, sagte Aleks.

Mein kleiner Bruder ist schwanger? Schwanger? Fassungslos schaute er die beiden an. Wie? „Ich werde Onkel?“, fragte Zack verdattert. Aleks nickte. Dann schien Zack es zu realisieren. „Ich werde Onkel?“, rief er freudig. Er sprang auf und nahm seinen kleinen Bruder in die Arme. „Herzlichen Glückwunsch, Tacina! Ich freu mich so für dich.“

Er spürte das Lachen seines kleinen Bruders an der Brust. Er konnte es nicht fassen. Dann drehte er sich zu Aleks‘ Gefährten. „Ich wünsche euch das Beste. Pass gut auf ihn und das Kleine auf.“ Belial nickte und er sah, wie sich auch dessen Mundwinkel nach oben zogen.

Als sich Aleks wieder gesetzt hatte, begann er zu erzählen. „Wir waren selbst überrascht. Wir haben nicht damit gerechnet. Doch jetzt sind wir überglücklich.“

Es klopfte an der Tür. Daraufhin wurde Aleks‘ Gesicht ernst. Der Dämon, der durch die Tür trat, war niemand anders als der hier herrschende Höllenfürst – Astaroth. Er setzte sich auf eine Sitzgelegenheit seitlich von beiden, sodass sie in einem Dreieck saßen.

„Zack, der zweite Grund, warum wir dich hergebeten haben, ist die Suche nach den Schlüsseln“, sagte Aleks.

Dann fuhr Astaroth fort. „Wir haben eine alte Schrift gefunden, von der wir glauben, dass sie einen der Schlüssel beschreibt. Nun, da Aleksander in diesem Zustand ist, ist es noch wichtiger, die Schlüssel vor den Feinden zu finden“, sagte der Höllenfürst mit ernster Stimme.

Zack verstand. Er würde alles tun, um seinen kleinen Bruder zu beschützen.

Astaroth breitete eine alte, vergilbte Schriftrolle auf dem Tisch vor ihnen aus. Darauf waren leicht verblasst die folgenden Worte zu lesen.

»Klopf, klopf, erklingt es an der Tür. Die großen Tränen eines Engels fallen auf die Welt, rinnen unaufhaltsam. Folge dem Weg und ein Strom aus Blut wird dich begleiten. Finden wirst du den Schlüssel. Klopf, klopf, erklingt es an der Tür.«

Die Schrift sprach ganz klar von einem Schlüssel, doch war es wirklich einer der Schlüssel, die in der Prophezeiung genannt wurden? Ob ja oder nein spielte jedoch keine Rolle, sie mussten diesen Hinweisen nachgehen.

„Meine Gelehrten versuchen schon seit Wochen, den Hinweis zu entschlüsseln, waren jedoch nicht erfolgreich. Wir glauben, es ist ein Ort in dem Hinweis enthalten“, sagte Astaroth.

Zack seufzte. „Es ist der Kerepakupai Merú in Venezuela.“ Alle Augen waren schlagartig auf ihn gerichtet. „Es ist der höchste, nicht unterbrochene Wasserfall der Menschenwelt und wird auch Angel Falls genannt. Der Berg Auyan-tepui,von dem der Wasserfall hinabstürzt, wird auch ‚Teufelsberg‘ genannt. Den ansässigen Pemón-Indianern sind die Tepuis heilig.“

„Du machst deinem Ruf alle Ehre“, sagte der Höllenfürst. „Dann habe ich nichts mehr dagegen einzuwenden.“

Was meint er mit nichts dagegen einzuwenden?

Belial schaute ihn an und sagte mit fester Stimme: „Zack, wir bitten dich darum, auf die Suche nach diesem Schlüssel zu gehen. Es gibt keinen, der dafür besser geeignet ist. Wir benötigen jemanden, dem wir vertrauen können und der die nötigen Fähigkeiten besitzt.“

Zack nickte. Natürlich würde er sich auf die Suche nach dem Schlüssel begeben. Immerhin ging es hier nicht nur um die Sicherheit seines kleinen Bruders – es ging um das Schicksal ihrer Welt. „Gut, ich werde mich auf die Suche begeben.“ Er machte Anstalten, sich zu erheben, doch Astaroth hielt ihn mit einer Handbewegung auf.

„Du wirst nicht allein gehen. Allein ist es zu gefährlich.“

Zack zog die Stirn kraus. Er hatte recht, Schatzjäger gingen immer mindestens zu zweit auf die Suche. Er zuckte mit den Schultern. „Dann werde ich mich auf die Suche nach Rika machen und ...“

„Ich fürchte, das kann ich nicht gestatten“, unterbrach ihn der Höllenfürst.

„Warum?“

„Du wirst einen Krieger mitnehmen. Jemand, der dich im schlimmsten Falle verteidigen kann. Jemand, der strategisch denken kann und der über die Situation Bescheid weiß. Jemand, dem wir bedingungslos vertrauen können“, sagte Astaroth.

Und wer soll dieser jemand sein?

Die Tür öffnete sich. Ein bekannter Geruch drang in den Raum.

Nein.

Zack drehte sich zu dem Gast um und schaute in zwei verschiedenfarbige Augen.

Nein. Nein. Nein. Ich weigere mich.

Doch bevor Zack irgendeinen Protest aussprechen konnte, sagte Aleks: „Bruder. Ich würde mein Leben in seine Hände legen. Er ist die absolut beste Wahl. Ich bitte dich, arbeite mit Lucan zusammen.“ Aleks wusste, dass es seinem Bruder aus einem ihm unbekannten Grund widerstrebte, doch die Sicherheit seines Bruders stand für ihn an erster Stelle. Er hatte ein schlechtes Gewissen, ihn in dieses Schlamassel mit hineinzuziehen. Aber wie Astaroth gesagt hatte, er war der fähigste Schatzsucher und Lucan würde sein Beschützer sein, also spielte er, wenn auch widerwillig, die kleine-Bruder-Karte aus.

Alle konnten Zacks Resignation spüren. Aleks‘ Schachzug hatte funktioniert.

„Gut.“ Zack stand auf. „In drei Tagen treffen wir uns hier. Ich werde bis dahin alle nötigen Besorgungen für die Reise machen.“ Dann verließ er den Raum.

„Du wirst ihn mit deinem Leben beschützen, Lucan“, sagte Aleks mit ernster Miene.

„Selbstverständlich“, antwortete der Dämon, dessen Herz für einen Moment höher schlug. Seine Katze kratzte an der Oberfläche. Möge die Jagd beginnen.

Die Glocke an der Ladentür läutete und Shawn schaute auf. Ah, ein Stammkunde. „Hallo, Zack, was brauchst du heute?“, sagte Shawn lachend.

Zack war ein Schatzsucher und deckte sich vor jeder Reise in seinem Geschäft ein. Dank ihm lief der Laden, den er vor fünf Jahren fast hatte aufgeben müssen.

„Hey, Shawn, das Übliche. Ich brauch neue Seile für meine Kletterrüstung, einen zusätzlichen Karabiner, dazu eine neue Kopfkamera und zwei leuchtstarke Taschenlampen.“

Shawn huschte durchs Lager, um die Sachen zu holen. Währenddessen schaute Zack sich um und packte noch dies und das ein. Am Ende tippte Shawn alles ein und verpackte es in einer umweltfreundlichen Tüte. „Das macht achthundertvierundsechzig.“

Zack legte zehn Hunderter hin und ging. Shawn freute sich über das saftige Trinkgeld und rief ihm „Danke und bis zum nächsten Mal!“ nach. Sein Kunde hob als Zeichen die Hand, dann ging er weiter.

Einen Tag später traf sich Zack dann mit Aleks. Er lief diesem in seinem Anwesen hinterher. Nachdem Aleks von Belials Schatzkammer erzählt hatte, war die Neugier schier unerträglich geworden. Heute durfte er (ausnahmsweise) hinein und nach Dingen, die ihm auf der Suche helfen könnten, stöbern. Voll Vorfreude rieb er sich die Hände. Er schlenderte durch die Regale. So viele Schätze. Ihm juckte es in den Fingern, jeden einzelnen zu untersuchen, doch dafür war er nicht hier.

Zwei Dinge stachen ihm ins Auge. Eines davon war eine Kette mit einem Leuchtstein, der hell leuchten konnte. Das war extrem nützlich. Das Zweite würde hoffentlich nie zum Einsatz kommen.

Voll ausgerüstet stand er am dritten Tag dann in der Eingangshalle. Er trug wetterbeständige, aber doch sehr flexible Kleidung und Schuhe. Dazu hatte er einen Rucksack, in dem er alles Wichtige verstaut hatte. Gut, ich bin bereit. Wo ist Mr. Klotz-am-Bein? Just in diesem Augenblick hörte er schon die vertrauten Schritte – leicht und elegant.

Lucan hatte Kampfkleidung an und einige Waffen um den Körper geschnallt. Zack seufzte. „Nicht dein Ernst, oder?“

Der Dämon schaute ihn fragend an.

„Himmel Herrgott, wir gehen in die Menschenwelt. Da kannst du nicht als Krieger herumlaufen, oder willst du als Amokläufer verhaftet werden?“, fragte Zack genervt.

Lucan hatte keine Ahnung, wovon er sprach. Zack sah alles andere als passend gekleidet für die Reise aus. Wie sollte er sich in so dünner Kleidung ohne Waffen verteidigen?

„Lucan, kannst du wenigstens einen Tarnzauber sprechen, damit du so aussiehst wie ich?“, fragte er den Dämon. Dieser nickte und wob einen Replikationszauber, sodass seine Kleidung nun der von Zack ähnelte.

Schlecht gelaunt stapfte Zack an ihm vorbei. „Lass uns gehen und es hinter uns bringen.“

Erneut diese Abneigung. Was habe ich getan, um ihn so zu verärgern? Lucan war bewusst gewesen, dass Zack nicht gut auf ihre Zusammenarbeit reagieren würde, aber es war die einzige Möglichkeit, Zeit mit ihm zu verbringen. Dafür war er Astaroth etwas schuldig.

Ruhig klopfte dieser mit seinen Fingern auf seine verschränkten Unterarme und schaute ihn an.

Worauf wartet er? Lucan war verwirrt.

„Würdest du so nett sein und ein Portal öffnen?“

Warum hatte er das nicht gleich gesagt?

„Ich kann es nicht, ich bin nur ein Halbdämon. Ich habe heute bereits die Anzahl erreicht, die mir möglich ist“, nuschelte Zack mit beschämtem Gesichtsausdruck.

„Wo soll ich es öffnen?“, fragte Lucan.

Zack überlegte. „Warst du schon einmal in Südamerika?“

„Ja, aber vor sehr langer Zeit. Das letzte Mal, dass ich auf der Erde war, ist bereits sechzig Jahre her und das war in Nordamerika“, sagte Lucan. Das war ein Problem, das er nicht bedacht hatte.

Ungebundene Portale konnten nur zu Orten geöffnet werden, an denen der Dämon schon gewesen war, oder wenn er diesen zumindest schon einmal gesehen hatte. Leider konnte er Lucan kein Bild von den Wasserfällen zeigen und wenn es zu vage war, konnten sie im Nichts landen.

„Dann bring uns nach Los Angeles“, sagte er zu Lucan. Dieser öffnete daraufhin ein Portal, das sie nacheinander durchschritten.

In Los Angeles landeten sie in einem Park. Sie hatten kein öffentliches Portal nutzen können, da sonst jemand bemerkt hätte, dass sie auf die Suche nach den Schlüsseln gehen würden. Zack hielt ein Taxi an, das sie zum Flughafen fuhr. Dort suchte er den Schalter für Flüge nach Venezuela. Am Schalter war ein unmotivierter Mitarbeiter mit kurzem aschblondem Haar, speckigen Backen und einer Hornbrille.

„Hallo, gibt es heute noch einen Flug nach Venezuela?“, fragte Zack freundlich.

„Ausgebucht.“

Er hatte nicht einmal aufgeschaut. Lucan hinter ihm verzog das Gesicht. Gut, dann halt anders. Zack ließ etwas von seinem Duft verströmen und fragte mit verführerischer Stimme: „Mick, bist du sicher, dass es nicht noch zwei freie Plätze gibt?“

Der Mann schaute ihn an und er sah, wie sich seine Pupillen weiteten. „I-Ich ...“, stotterte er.

Zack legte ihm einen Finger ans Kinn und flüsterte. „Du kannst doch sicher etwas für mich arrangieren, oder?“

Völlig verzaubert nickte Mick nur.

Zehn Minuten später machten sie sich auf den Weg zum Gate. Lucan hatte bis jetzt nur geschwiegen. Als Zack den Mitarbeiter bezirzt hatte, hatte seine Katze gefaucht und sein Adler geflattert. Er hatte einen Stich in der Brust gefühlt. „Bezirzt du immer Männer, um dein Ziel zu erreichen?“, fragte er und bereute es in dem Moment, in dem er es ausgesprochen hatte.

Zack schaute ihn fassungslos an. „Manipulierst du alle Menschen, die dir hier begegnen, um dir das Leben zu erleichtern?“, erwiderte er trocken. Das hatte gesessen. „Ich kann es nicht, also muss ich es so machen. Und um deine Frage zu beantworten: Nein. Aber ich habe heute keine Zeit, drei Tage auf einen weiteren Flug zu warten, denn dann müsste ich noch mehr Zeit mit dir verbringen.“ Kalte, deutliche Worte.

Das war ein Schlag in die Magengrube. Was habe ich mir nur angetan? Warum kann meine Katze nicht einfach bei jedem anderen Dämon auf dieser gottverdammten Welt schnurren?

Schweigend bestiegen sie das Flugzeug. Zack stöpselte Kopfhörer in die Ohren und schaute aus dem Fenster. Klarer hätte die Nachricht nicht sein können – sprich mich bloß nicht an.

Stunden später landeten sie. Dann nahmen sie den Bus und fuhren weitere drei Stunden, bis sie Halt in einem Motel machten. Am nächsten Tag legten sie den Rest des Weges mit einem Mietwagen zurück. Sie sprachen nur das Nötigste. Lucan schien immer wieder ein Gespräch beginnen zu wollen, ließ es aber dann doch bleiben. Er wollte mehr über Zack wissen, doch er traute sich nicht zu fragen. Der Fehler, der ihm gestern unterlaufen war, verunsicherte ihn. So hilflos hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt. Er wusste, dass er sich entschuldigen musste – wusste aber nicht, wie er das Thema anschneiden sollte.

„Rede“, sagte Zack aus dem Nichts.

Lucan blickte ihn an.

„Du willst die ganze Zeit etwas sagen und tust es doch nicht. Das macht mich wahnsinnig. Sag, was du zu sagen hast, oder hör auf, nervös hin und her zu rutschen.“

Er ist wirklich unglaublich. Lucan betrachtete Zacks Silhouette, die von der aufgehenden Sonne leuchtete. Sein bronzenes Haar war seit ihrer ersten Begegnung länger geworden, fiel ihm in den Nacken. Er hatte wunderschöne blaue Augen, ähnlich wie Aleksander, doch sie hatten einen grünen Ring um die Pupille. Sein Kinn und seine Nase waren geschwungen und eine Mischung aus weich und hart. Mit seinen 1,90 m war er etwas kleiner als Lucan und er war schmaler gebaut.

Ob seine Haut so weich ist, wie sie aussieht? Ob seine Lippen so süß schmecken, wie ich es mir vorstelle?

Zack war nicht zierlich oder schwach. Er würde ihn nicht brechen, wenn man etwas grober zu ihm wäre. Er war männlich und sinnlich zugleich.

Der besagte Dämon schnipste vor seinem Gesicht und er kehrte in die Gegenwart zurück. „Ich möchte mich entschuldigen. Das, was ich gesagt habe, war mehr als unangebracht“, sagte Lucan und konnte den Blick nicht von ihm abwenden.

„Passt schon.“

Kapitel 3

Sie parkten etwas entfernt am Rand des Waldes.

„Von hier aus müssen wir laufen“, sagte Zack. Das wird dauern.

„Weißt du, wo wir entlang müssen?“, fragte ihn sein Begleiter. Zack nickte nur kurz. „Gut, dann ist es nicht notwendig.“

Zack wusste nicht, was er meinte. Als Lucan sich in einen großen Weißadler verwandelte, verstand er.

Steig auf und lenke mich.

„Ich … kann dich hören?“, fragte Zack verblüfft.

Wenn du meine Stimme einmal gehört hast, kann ich auf diese Weise mit dir kommunizieren – jedoch nur, wenn du in meiner Nähe bist.

„Wow. Ok.“

Halt dich fest, Zackory.

Zacks Herz setzte für einen Moment aus. Lucan hatte zum ersten Mal seinen Namen gesagt. Er schob es auf den spektakulären Start, den der Dämon hinlegte. Nach einigen kraftvollen Flügelschlägen waren sie in der Luft und der Wald raste unter ihnen vorbei. Zack lachte. Wahnsinn! So fühlt sich Fliegen an.

Ein warmes Gefühl breitete sich in Lucans Brust aus, als er Zacks Lachen hörte. Er spürte seine Wärme in seinem Gefieder, er war so nah.

Unter Zacks Anleitung kamen sie schnell voran. Als sie ihrem Ziel nahe waren, flog Lucan ein paar Extrarunden mit ein paar spektakulären Manövern.

Unter ihnen erstreckte sich der gewaltige Wasserfall und stürzte in einem verhältnismäßig dünnen Strahl in die Tiefe ins Tal. Die Wassermassen klatschten immer wieder gegen die Felswände und sprangen nach vorne oder der starke Wind wehte sie zu allen Seiten. Kleine Nebelschwaden zogen sich an den Seiten des Wasserfalls entlang, was einem das Gefühl gab, über den Wolken zu fliegen.

Zack genoss jede Sekunde. Leider war es viel zu schnell vorbei. Lucan landete in der Nähe des Wasserfalls und verwandelte sich zurück. Zacks Wangen waren gerötet und sein Haar zerzaust. Er sah einfach nur schön aus.

Konzentriere dich auf die Mission. „Was denkst du, wo befindet sich der Eingang?“, fragte ihn Lucan.

 „In der Schrift hieß es: ‚Klopf, klopf, erklingt es an der Tür. Die großen Tränen eines Engels fallen auf die Welt, rinnen unaufhaltsam.‘ Ich vermute, der Eingang wird sich nicht hier oben befinden, das wäre zu einfach. Er wird sich sehr wahrscheinlich auf dem Weg nach unten oder am Fuße befinden. An einer Stelle, an der das Wasser auf Gestein trifft und ein klopfendes Geräusch entsteht.“

Das ergibt Sinn, dachte Lucan. Dann sah er, wie Zack begann, Seile aus seinem Rucksack auszupacken.

„Wofür brauchst du die?“, fragte ihn der Dämon.

Zack schaute ihn an. „Zum Klettern, oder wie sollen wir herunterkommen?“

„Indem wir fliegen“, antwortete Lucan.

Zack hielt inne und überlegte. „Am Wasserfall sind starke Luftströmungen und Verwirbelungen. Kannst du diesen standhalten?“

Lucan nickte. Sein Adler war stark und trainiert. Sein Partner zögerte, packte dann jedoch die Seile wieder ein.

„Gut, dann zeig mir, was du drauf hast, Meister der Lüfte.“

Sarkasmus? Lucan grinste und nahm die Herausforderung an.

Zack stieg erneut auf den weißen Adler, dann segelte Lucan über den Abgrund. Es ging über einen Kilometer in die Tiefe, unter ihnen war alles in einen weißen Dunst gehüllt. Wunderschön. Sein Herz klopfte und Adrenalin schoss durch seine Adern.

Lucan flog zum Wasserfall und hielt etwa drei Meter Abstand.

Näher kann ich nicht fliegen.

Zack spürte, wie Wassertropfen seine Haut benetzten, und genoss das Gefühl. Dann flog Lucan spiralförmig den Wasserfall nach unten. Nach etwa einem Drittel der Strecke entdeckte Zack einen Felsvorsprung auf der rechten Seite, auf dem das Wasser aufprallte und weiterfloss. „Lucan, dort. Kannst du auf dem Vorsprung landen?“, schrie er gegen das laute Rauschen des Wasserfalls an.

Ja, das ist möglich, aber halte dich gut fest!

Lucan drehte eine Runde und steuerte dann ungebremst auf den Vorsprung zu. Himmel, wir knallen gegen die Wand, dachte Zack panisch und krallte sich in das Gefieder des Adlers. Kurz davor führte Lucan drei kraftvolle Flügelschläge aus, sodass sie etwas ungestüm auf dem Vorsprung landeten. Sobald der Adler seine Krallen abgesetzt hatte, verwandelte sich Lucan in seine Nullform. Er fing Zack ab und zog ihn an sich.

Zack spürte seine Körperwärme, wollte sich befreien. Doch als er sich umdrehte, sah er, dass es hunderte Meter in die Tiefe ging, und er überlegte es sich nochmals. Vorsichtig ging er an dem Dämon vorbei auf den Wasserfall zu. Er drückte sich an die Wand, dann sah er es. „Lucan, da ist ein Eingang.“

Lucan nickte und vorsichtig tasteten sie sich an die Wand gedrückt vor. Kalte Tropfen sprangen in ihre Nacken und durchnässten ihre Kleidung. Wenn sie auch nur eine falsche Bewegung machten, konnten sie von den Wassermassen erfasst und mitgerissen werden.

Im Innern angekommen zog Zack sein Oberteil aus, um es auszuwringen. Dabei entblößte er seine muskulöse Brust unter einem dünnen Funktionsshirt. Hölle. Er fühlte wortwörtlich die Hitze, die Lucans Blick ausstrahlte, auf seiner Haut. „Genug gespannt?“, fragte er den Dämon.

Nein. Ich will dich verschlingen. Ich will … Lucan drehte sich um. „Ich werde warten, bis du fertig bist.“

Zack schnaubte abfällig. Doch der Dämon hielt Wort. „Willst du nicht auch deine nassen Klamotten auswringen?“, fragte er ihn.

Lucan schüttelte den Kopf. Er führte einen Zauber aus und seine Kleidung war im Nu trocken. Zack schaute ihn fassungslos an.

„Warum hast du das nicht vor zehn Minuten bei mir gemacht?“, fragte er angefressen.

„Du hast mir deutlich zu verstehen gegeben, dass ich dir nicht zu nahekommen soll. Ich ging davon aus, dass dasselbe für meine Magie gilt.“

Autsch. Das war eine Retoure. Damit musste er leben, denn er hatte recht. Lucan tippte auf seine Brust. Er spürte, wie Magie über seine Haut rauschte, und Sekunden später war seine noch leicht feuchte Kleidung trocken.

„Danke.“ Peinliche Stille, ugh.

Zack öffnete seinen Rucksack, holte eine große Maglite Taschenlampe heraus und schaltete sie an. Damit leuchtete er den dunklen Gang aus. Alles schien normal, doch irgendetwas stimmte nicht. Der Boden sah zu glatt aus. Lucan wollte loslaufen, doch er wurde aufgehalten.

„Warte. Etwas stimmt nicht.“

Zack ging auf die Knie und legte sein rechtes Ohr auf den Boden. Er hörte das Rauschen von Wasser, aber nicht hinter, sondern unter ihnen. Mit der rechten Hand nahm er einen Stein und warf ihn nach vorne. Er rollte etwa anderthalb Meter weit, dann wurde er vom Boden verschlungen. Dacht ich‘s mir.

Lucan sah von dem verschwundenen Stein zu seinem Begleiter. Was war hier passiert?

„Der Boden hat Löcher, die durch eine Illusion verdeckt sind. Leider kann man diese nicht sehen. Wenn du hindurchfällst, ist das der sichere Tod“, beantwortete Zack seine Frage.

„Und wie können wir den Weg dann passieren?“

Zack ging ein paar Schritte nach vorne und hielt vor der Stelle, an der Stein verschwunden war. Vorsichtig drückte er seinen Fuß auf die Stelle, der Boden hielt. Als er jedoch auftrat, verschwand er plötzlich. Er taumelte zurück. Verdammt. Man kann es also nicht überprüfen. Dennoch musste es einen Weg geben, wie sie dieses Minenfeld durchqueren konnten. Fliegen war keine Option, dafür war der Gang zu schmal. Da fiel ihm die Schrift ein. Folge dem Weg und ein Strom aus Blut wird dich begleiten. Ich hoffe, sie meint es nicht wörtlich. Vorsichtig zog Zack sich die Schuhe aus.

„Was machst du?“, fragte ihn der Dämon.

„Die Schrift sagt: ‚Folge dem Weg und ein Strom aus Blut wird dich begleiten.‘ Ich denke, das ist wörtlich gemeint. Wir müssen bluten, um den Weg zu finden.“

„Inwiefern?“

Zack hatte eine These und überprüfte diese. Er setzte seinen Fuß auf eine Stelle, an der mehrere spitze Steine hervorragten. Als sich diese in seine Fußsohle bohrten, zischte er. Plötzlich erschien vor ihnen eine kurze Strecke weiterer solcher Steine. Wusst ich‘s doch.

„Lauf auf diesen Steinen dicht hinter mir.“

Lucan nickte und wollte sich ebenfalls die Schuhe ausziehen, doch Zack hielt ihn davon ab. Es reichte, wenn einer blutete. So gingen sie Schritt für Schritt den Gang entlang. Eine rote Spur aus Blut und Zacks Fußabdrücken folgte ihnen.

Nach gut zehn Minuten waren sie am Ende angekommen. Zack sank auf die Knie. Seine Füße pochten vor Schmerz und er schwitzte. Dann spürte er, wie sein Fuß angehoben und nach oben gezogen wurde. Er wanderte unfreiwillig auf seinen Rücken und sah nach oben. Vor ihm kniete Lucan mit bitterem Gesichtsausdruck. Er leerte etwas Wasser auf seine Füße und tupfte vorsichtig die Wunden ab. Zack zischte erneut.

Lucan hasste jede Sekunde. Er hasste, dass Zack verletzt war und Schmerzen hatte. Er wollte diese lindern. Vorsichtig nahm er ein Tuch und begann: die Wunden abzutupfen und den Dreck zu entfernen. Anschließend benetzte er ein Tuch mit seinem Speichel und tupfte über die nun sauberen Wunden.

Zack fuhr erschrocken zusammen und versuchte, seinen Fuß zurückzuziehen, doch der Dämon ließ das nicht zu. „Nicht. Bitte.“

Als er fertig war, brauchte er kurz einen Moment. Mistkerl. Auch wenn er wusste, dass er es getan hatte, um ihm die Schmerzen zu nehmen. Die Wunden an seinen Füßen hatten begonnen zu heilen.

Er atmete tief ein und aus, würde schweigen und den Vorfall einfach vergessen. Doch Lucan würde das nicht. Er roch den süßen Geruch von Zacks Blut. Seine Katze fauchte. Mehr. Nein, Kontrolle. „Zackory, weshalb reagierst du so abwehrend? Als ich dich berührt habe, hast du dich sofort versteift.“

Zack schwieg. Er spürte, wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete. Er wollte nicht darüber reden, aber er wusste, dass es so auch nicht weitergehen konnte. Lucan hatte sich die ganze Zeit anständig verhalten, während er wie eine missgelaunte Katze immer nur gefaucht und um sich geschlagen hatte. Das hatte der Dämon nicht verdient. Er seufzte. „Ich hasse Männer, außer meinen kleinen Bruder“, begann er.

„Weshalb?“

Unsicher schlang Zack die Arme um sich, als wollte er sich selbst beschützen, und sein Gesicht zeigte eine Verletzlichkeit, die er an ihm noch nie zuvor gesehen hatte. Eine Enge legte sich um sein Herz. Was wurde ihm angetan?

„Du weißt, dass ich ein männlicher Sukkubus bin, der zur Hälfte Mensch ist.“ Pause. „Dadurch kam meine Reife früher, als es bei Sukkubi üblich ist. Als sie sich das erste Mal zeigte, war ich zwölf. Ich lebte in einer Hausgemeinschaft von Sukkubi, die zweimal im Monat Männer zu sich riefen, um sich zu nähren. Eines Abends verließ ich trotz des Verbots mein Zimmer. Ich sah sie beim Akt. In dem Moment begann ich das erste Mal zu locken. Ich lockte einen Mann, der sich außerhalb des Raums befand. Er hat mich gepackt und …“

Lucan blieb fast das Herz stehen. Nein. Seine Katze fauchte, bäumte sich auf. „Du wurdest ...“

„Nein“, sagte er und schüttelte den Kopf. „Kurz davor wurde ich von Rika gerettet. In manchen Momenten beginne ich unterbewusst zu locken und Männer überfallen mich. Ich hasse das. Ich will keinen Mann. Sie verlassen oder verletzen einen nur. Man kann ihnen nicht vertrauen.“ Zack umschlang sich fester und schaute mit verletztem Blick zu Boden.

Lucan wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Er verstand seine Haltung, wobei die letzte Aussage Rätsel aufwarf. Er wollte jedoch nicht nachbohren. „Aber wie nährst du dich dann?“

„Passiv. Ich greife was ab, wenn Rika sich nährt. Ich brauche nicht oft was, nur alle zwei Monate. Normale Nahrung reicht gut, da ich zur Hälfte Mensch bin.“ Aber das hieß, dass er noch nie mit einem Mann zusammen gewesen war.

„Dann bist du noch unberührt?“

Er drehte das Gesicht weg, doch er erkannte, dass eine Röte sich über seine Wangen zog. Sein Schweigen sagte alles. Mein. Nein, ich darf ihn nicht berühren, er hasst es. Innerlich kämpfte Lucan mit seinen Instinkten. Er wollte ihn, durfte ihn jedoch nicht berühren. Wie sollte das funktionieren? Gewöhne ihn an dich, langsam, Schritt für Schritt.

„Genug geredet. Wehe, du erzählst jemandem davon.“ Dann zog er seine Schuhe an und sie liefen durch den Gang in einen runden Raum, der sich in vier weitere Gänge gabelte. Hervorragend. Über die Wand zogen sich Symbole, die einen Schriftzug bildeten.

„Das Rauschen wird dich führen, keine Eile, die Zeit wird selbst schneller“, sagte Zack.

Der Dämon schaute den Schatzsucher an. „Du kannst das lesen?“

Dieser nickte. „Ich bin omnilingual. Ich bin in der Lage, jede Sprache zu lesen.“

Lucan schaute fasziniert zu seinem Begleiter. Der geborene Schatzsucher. Zack tat, als wäre das nichts Besonderes, aber er hatte noch nie von einem Dämon gehört, der diese Fähigkeit besaß. Sie war von unschätzbarem Wert.

Zack bedeutete ihm mit einer Geste, still zu sein. Dann ging er von Gang zu Gang, schloss die Augen und hörte. „Mist, ich höre es nicht.“

Konzentriert aktivierte Lucan seine Katzensinne und ging wie Zack von Gang zu Gang. Erster Gang – nichts. Beim zweiten auch nicht. Beim dritten hielt er an. Dort. „Ein leises Rauschen. Das muss er sein.“

Er nickte ihm zu und sie liefen den Gang entlang. Nach kurzer Zeit gelangten Sie in eine große Höhle. Zahlreiche Stalaktiten hingen von der Decke, von denen Wasser heruntertropfte. In dem Raum gab es sieben Säulen. Eine direkt am Eingang, die anderen im Raum verteilt. Auf jeder Säule lag ein runder Stein und eine Öffnung prangte an deren Vorderseite.

„Ein weiteres Rätsel“, sagte Lucan.

Zack nickte. Auf dem Boden waren überall Quadrate. Er warf einen Stein, der sofort verschluckt wurde. „Es gibt genau einen Weg. Wenn wir diesen nicht richtig laufen, werden wir verschluckt.“ Doch zu welcher Säule mussten sie gehen?

„Das Rauschen wird dich führen, keine Eile, die Zeit wird selbst schneller“, wiederholte Lucan die Worte, die an der Wand gestanden haben.

„Es muss etwas mit Wasser zu tun haben, denn alles hier stand in Verbindung mit dem Element Wasser“, vermutete Zack. Doch hier gab es abgesehen von den Tropfen, die von den Stalaktiten tropften, kein fließendes Wasser. Er hielt inne, schloss die Augen und lauschte. „Lucan, fällt dir bei den Stalaktiten etwas auf?“

Lucan überlegte und konzentrierte sich auf das Tropfen. Was könnte er damit meinen? Moment.

„Sie tropfen alle in unterschiedlichen Intervallen und immer in exakt demselben Abstand.“

Sein Begleiter nickte. „Keine Eile, die Zeit wird selbst schneller“, sagte er und deutete auf den Stalaktiten neben ihm, der erst jetzt gerade einen Tropfen hatte fallen lassen.

„Wir müssen vom langsamsten zum schnellsten Tropfen gehen“, sagte Lucan. Bingo! Nun mussten sie nur die richtige Reihenfolge herausfinden und beten, dass sie sich nicht irrten. Der Mazoku-Dämon nahm die Kugel, die auf der Säule neben ihnen ruhte. Dann ging er in Richtung der ersten Säule. Er wurde am Arm gepackt.

„Was machst du?“, fragte ihn Zack.

„Ich werde als Erstes gehen. Wenn mir etwas zustößt, ist es nicht so gravierend wie bei dir. Ich kann fliegen und mich vielleicht befreien.“ Das gefiel seinem Begleiter ganz und gar nicht. Widerwillig ließ dieser ihn los.

Als er den ersten Schritt auf die Kacheln setzte, atmete er erleichtert auf, dass er nicht vom Erdboden verschlungen worden war. Schritt für Schritt arbeitete er sich bis zur ersten Säule vor und setzte die Kugel in die Öffnung. Ein kleines Beben erfasste den Raum und die Kacheln verbanden sich zu einem Weg. Zack folgte diesem zu dem Dämon.

„Es hat funktioniert. Wo befindet sich die nächste?“

„Dort hinten links“, sagte Zack und zeigte auf die entsprechende Säule. Dann ging Lucan weiter. Nach gut einer gefühlten Ewigkeit hatten sie die letzte Säule erreicht. Sie hatten sich hundertprozentig sicher sein müssen, dass sie die richtige Säule ansteuerten. Die Intervalle waren immer kürzer geworden und dadurch schwieriger zu unterscheiden gewesen.

Lucan platzierte die letzte Kugel auf der Säule. Erneut ein kleines Beben, dann zersprang die Kugel, die auf der Säule lag, und ein blaues Juwel mit einem Durchmesser von gut vier Zentimetern trat zum Vorschein. Daneben lag eine Schriftrolle. Zack nahm diese und entrollte sie vorsichtig. Dann las er sie laut vor:

»Am Rande des Brunnens fällt ein Stein in die Tiefe. Er musste hoch hinaus, um tief zu fallen. Asche zu Asche, Staub zu Staub. Mit geschlossenen Augen fand er seinen Weg.«

Lucan ergriff das Juwel und zog es aus der Säule. Einen Moment später begann der Raum zu beben. Die Wand vor ihnen stürzte ein und Tageslicht drang ein. Ein weiteres heftiges Beben erschütterte den Raum.

„Wir müssen sofort raus“, rief Zack, packte den Dämon und rannte mit ihm durch die Öffnung. Hinter ihnen stürzte der Raum in sich zusammen.

Nach wenigen Metern traten sie nach draußen. Heftig atmend stützte sich Zack auf seinen Schenkeln ab. „Warum ist überall ein Zerstörungsmechanismus eingebaut? Was, wenn ein Schatzsucher einfach unsportlich oder fett ist und nicht rechtzeitig herauskommt, Hölle?“ Er hörte ein leises Lachen hinter sich. Lucan war kein bisschen aus der Puste. So ein Sack! Egal, jetzt konzentrieren wir uns erst einmal auf das Wesentliche. Zack stellte seinen Rucksack ab und setzte sich auf den Boden. Der Dämon tat es ihm gleich. Er steckte den Stein in die Innenseite seines Kampfanzugs. Dort war er sicher. Zack entrollte erneut die Schriftrolle und las sie vor.

„Hast du einen Ansatz, welcher Ort damit gemeint sein könnte?“, fragte Lucan.

Zack schwieg nachdenklich und schüttelte den Kopf. „Aber ich kenne vielleicht jemanden, der es wissen könnte.“ Lucan schaute ihn erwartungsvoll an.

Auf Lucans Rücken flogen sie zurück zum Auto. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt, sie waren also fast den halben Tag in dieser Höhle gewesen. Als sie endlich an ihrem Motel ankamen, war Zack fix und fertig. Er fiel ins Bett und schlief einfach ein.

Lucan hatte sich auf einem Sofa gegenüber dem Bett hingelegt. Er beobachtete, wie Zacks Brust sich hob und senkte. Er sieht so friedlich aus, wenn er schläft. Eine Sehnsucht ergriff ihn, die er jedoch niederrang. Er musste ein wenig schlafen. Morgen würden sie ihre Reise fortsetzen. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. So viel Spaß hatte er schon lange nicht mehr gehabt.

Am nächsten Morgen wurde er von einem Klappern geweckt. Lucan öffnete die Augen und das Erste, was er an diesem Morgen sah, war ein halbnackter, nur mit einem Handtuch bedeckter Dämon mit nassen, bronzenen Haaren. Hölle. Er verdeckte seine steinharte Erektion mit der Decke. Ihr Götter, weshalb stellt ihr mich vor eine solche Willensprüfung?

Er drehte sich um, als Zack begann, sich anzuziehen. Dennoch erhaschte er einen Blick auf seine Kehrseite. Noch mehr und ich ... Lucan fluchte innerlich und presste die Augenlider zusammen.

„Aufwachen, Schlafmütze. Wir müssen weiter“, sagte Zack. Fragend schaute er den Dämon an. Warum riecht er plötzlich so intensiv? Ein herber Geschmack legte sich auf seine Zunge. „Ich geh schon mal zur Rezeption und checke aus. Wir treffen uns beim Auto.“ Dann war er weg.

Vorsichtig stand Lucan auf und starrte auf seinen Schritt, der sich nicht beruhigen wollte. Er seufzte. Mit einem Grummeln begab er sich in die Dusche.

Am Auto angekommen, setzte sich Lucan auf den Beifahrersitz. Seine Haare waren noch etwas nass von der Dusche, aber zum Trocknen hatte er keine Zeit mehr gehabt. „Dann lass uns losziehen und den Mietwagen abgeben“, sagte Zack und drehte die Musik auf.

Im Radio lief gerade eine Melodie, die sich in seine Gedanken schlich.

»I can't hide it, how I feel about you,

hide these feelings from you. …«

Schlechter Zeitpunkt für so ein Lied. Zack würde sich sicherlich nicht mit dem, was in seinem Inneren vorging, auseinandersetzen, was auch immer das war. Er drehte am Regler und stellte einen spanischen Sender ein.

Die Abgabe des Mietwagens verlief ohne Probleme. Nun standen sie einige Meter entfernt von dem Gebäude.

„Was ist unser nächster Zielort?“, fragte Lucan. Zack hatte gesagt, er wüsste jemand, der den Hinweis entschlüsseln konnte.

„Öffne ein Portal nach Los Angeles. Die Dämonin, die wir suchen, ist dort“, antwortete Zack.

Lucan nickte und öffnete das Portal. Erneut landeten sie in dem Park, in dem sie Tage zuvor angekommen waren. Déjà-vu, dachte Zack und musste lächeln. Sie durchquerten den Park und Zack rief ihnen ein Taxi. Er teilte dem Taxifahrer die Adresse mit und dann fuhren sie los. Es dauerte keine halbe Stunde und das Taxi hielt in einer Seitenstraße von Downtown.

„Sind wir am Ziel?“, fragte Lucan.

Zack nickte und bezahlte den Taxifahrer. Er nahm seinen Rucksack und lief los. Lucan folgte ihm. Zielstrebig ging er durch mehrere Gassen und Winkel. Ist das ein Labyrinth?

Zack hielt an. „Wir sind da“, sagte er.

Lucan schaute das Gebäude an und spürte sofort den Schutzzauber, der dieses umgab. Hier wohnen Dämonen, keine Frage. Doch wer?

Zielstrebig lief Zack zur Haustür, die aus schwarzem Eichenholz bestand und in die zahlreiche Verzierungen geritzt waren. Er drückte seine Hand auf die Tür und sie öffnete sich mit einem leisen Quietschen.