Time Thief - Kommt Zeit, kommt Liebe - Katie MacAlister - E-Book

Time Thief - Kommt Zeit, kommt Liebe E-Book

Katie MacAlister

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Beschreibung

Die Hexe Gwenhwyfar Byron Owens hat alle Hände voll zu tun, ihre beiden magisch begabten Mütter im Zaum zu halten. Als diese eine Sterbliche entführen, heftet sich der Wächter Gregory Faa an ihre Fersen, um sie und Gwen zur Rechenschaft zu ziehen. Doch die hübsche Gwen weckt schon bald tiefere Gefühle in Gregory, und er ist hin und her gerissen zwischen seiner Pflicht und dem Ruf seines Herzens.

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

Geneigte Leserin, geneigter Leser,

Time Crossed

The Art of Stealing Time

1

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8

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Epilog

Glossar

Die Autorin

Die Romane von Katie MacAlister bei LYX

Impressum

KATIE MACALISTER

Time Thief

Kommt Zeit, kommt Liebe

Roman

Ins Deutsche übertragen von

Antje Görnig

Zu diesem Buch

Für Gwenhwyfar Byron Owens ist es nichts Neues, ihre zwei chaotischen Hexenmütter aus brenzligen Situationen zu retten. Allerdings gerät sie diesmal bei dem Versuch, den beiden aus dem Schlamassel zu helfen, selbst in große Gefahr: Gwen wird von einem Unbekannten über eine Klippe gestoßen und findet sich in Anwyn wieder – dem walisischen Jenseits. Genauso schnell, wie sie dort landet, ist die Alchemistin aber auch wieder zurück in der Welt der Lebenden. Denn Gregory Faa, Mit-glied der Wache für Übernatürliches, konnte die fremde Schöne einfach nicht dem Tod überlassen. Um Gwen zu retten, hat er Zeit gestohlen. Doch nun verlangt T.O.D., der gegenwärtige Repräsentant des Todes, was ihm zusteht: Gwens Seele. Als auch noch Gwens Mörder ihr seine Häscher auf den Hals hetzt, ist sie gezwungen, an den einzigen vermeintlich sicheren Ort zurückzukehren: Anwyn. Obwohl die Wache hier keine Autorität besitzt, bleibt der charismatische Gregory Gwen weiter dicht auf den Fersen. Denn die hübsche Gesetzesbrecherin hat ihm gehörig den Kopf verdreht. Das Jenseits ist jedoch alles andere als ein friedlicher Ort – Gwen und Gregory geraten mitten zwischen die Fronten eines seit Ewigkeiten währenden Krieges …

Schriftsteller lassen sich von allem Möglichen inspirieren, und in diesem Fall gehen die zwei Mütter meiner Heldin zurück auf Shannon Perry, die unermüdlich in meinem Leben für Ordnung sorgt und mich bei Laune hält.

Dieses Buch ist Shannon und ihren beiden Müttern gewidmet, in der Hoffnung, dass sie ein ebenso glückliches Leben führen wie ihre literarischen Abbilder.

Geneigte Leserin, geneigter Leser,

dieses Buch beginnt mit der Kurzgeschichte »Time Crossed«, in der erzählt wird, wie und warum sich die Hauptfiguren Gregory und Gwen kennenlernen. Die Leute der New American Library wollten sie ursprünglich nur online veröffentlichen, kamen jedoch nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss, dass Sie als passionierte Print-Leserinnen und -Leser es verdient haben, die Geschichte ebenfalls zu lesen. Wir hoffen, Sie haben Freude an dieser kleinen Zugabe, die nur in der Print-Version dieses Buches erhältlich ist.

Außer der Geschichte, die auf die Handlung zu Beginn des Romans einstimmt, haben wir am Ende des Buches als weiteres Hilfsmittel ein Glossar bereitgestellt. Wenn Sie sich also fragen, warum jemand, der den Namen Arawn trägt, Aaron genannt wird, dann schlagen Sie einfach dort nach.

Ich hoffe, Sie haben viel Vergnügen am zweiten Band der Time Thief-Reihe. Mir hat es großen Spaß gemacht, mit der walisischen Mythologie zu spielen, und ich freue mich darauf, von Ihnen allen zu hören, was Sie zu Gregory, Gwen und den anderen Leuten im Annwn sagen.

Herzliche Grüße,

Katie MacAlister

Akasha-Akten, Eintrag Nr. 2573

1. August, 12.14 Uhr

Malwod-Upon-Ooze, Wales (Whale’s Elbow Pub)

Zielperson: Gwenhwyfar Byron Owens

Seawright Pendleton, Juniorprotokollantin (dritte Klasse)

Beginn der Aufzeichnung

Zielperson Owens, bislang nach den Richtlinien für die Überwachung von auf Bewährung Entlassenen als »Gwen« bezeichnet (die schnippisch wurde, als sie öffentlich als Straftäterin auf Bewährung bezeichnet wurde, und sich in Beschimpfungen erging, die sich auf sonderbare bis völlig inakzeptable physische Handlungen der Juniorprotokollantin S. Pendleton mit einem großen Anker auf dem nahegelegenen Dock bezogen), befand sich zum oben genannten Zeitpunkt im ebenfalls oben genannten Lokal.

Gwen begann ein Gespräch mit dem sterblichen Wirt, womit sie unter Umständen gegen die Bewährungsauflagen verstieß. Aus diesem Grund hielt ich es für angeraten, das Gespräch zu belauschen.

»… wüsste ich gern, ob es hier einen Hinterausgang gibt. Keine Angst, ich bin keine flüchtige Kriminelle, aber es gibt eine Frau, die mir überallhin folgt, eine Stalkerin quasi, und sie macht mich wahnsinnig. Wirklich wahnsinnig! Wissen Sie was, machen Sie aus dem halben Pint Bier mit Limettensaft ein ganzes. Meine Mutter – also, eine meiner Mütter, ich habe zwei, aber ich rede jetzt von meiner leiblichen – sagt immer, es sei undamenhaft, ein ganzes Pint allein zu trinken, aber diese Stalkerin treibt mich in den Suff. Wohin ich auch gehe, taucht sie auf. Heute Morgen konnte ich ihr entwischen, beim Einkaufen, aber ich weiß, sie wird mich früher oder später aufspüren. Ich glaube, es ist ein ganzes Pint Bier nötig, um damit klarzukommen, dass man auf Schritt und Tritt von jemandem verfolgt wird, der alles aufschreibt, was man sagt und tut.«

Der Wirt, der die Theke, wie in Wales und auf den ganzen Britischen Inseln üblich, auf althergebrachte Weise abwischte, murmelte etwas Unverständliches und goss Gwens Bier in ein größeres Glas, füllte es wie gewünscht auf und stellte es ihr wieder hin.

»Danke.« Gwen schob ein paar Münzen über den Tresen und nahm einen großen Schluck. Der Pub war leer bis auf einen mürrischen alten Mann in einer Ecke und seinen gleichermaßen mürrischen alten Hund. »Ah, schon viel besser! Das wird mir helfen, entspannter zu sein, falls Seawright wieder auftaucht. So heißt meine Protokoll … äh … Stalkerin. Es ist so ungerecht, dass sie mir nachspioniert. Ich habe nichts Böses getan. Auf jeden Fall nichts, weswegen ich eine Stalkerin verdient hätte. Okay, die Indizien lassen es zugegebenermaßen so aussehen, als wäre ich hinsichtlich bestimmter Dinge nicht diskret genug gewesen, aber das stimmt nicht. Auf meine Mütter mag das zutreffen, aber das war in der Vergangenheit, und sie haben ihre Lektion gelernt. Oh Gott, das will ich jedenfalls hoffen! Doch, sie haben ganz bestimmt daraus gelernt – sie haben es mir versprochen. Und wenn Wiccas etwas versprechen, dann halten sie es. Sie haben da so einen Leitspruch – was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu –, und der hält sie auf Linie. Meistens. Wow, von Bier wird man echt geschwätzig, was? Sie sind das Gejammer über meine Stalkerin bestimmt schon leid. Tag und Nacht, ständig ist sie da, wo ich bin, und schreibt auf, was ich tue oder sage und mit wem ich rede. Und sie ist wahnsinnig pedantisch. Außerdem tituliert sie mich mit den unmöglichsten Begriffen und hat diese Du-bist-eine-Kriminelle-und-ich-deine-Aufpasserin-Haltung, die mich total agro macht. Ich hasse solche Leute, Sie nicht auch?«

Der Wirt schaute über ihre Schulter zu mir herüber. Ich notierte Gwens Worte sorgfältig, um im Fall eines tätlichen Angriffs Beweismaterial vorlegen zu können.

Gwen erstarrte und sagte langsam: »Sie ist direkt hinter mir, oder?«

Der Wirt nickte und bewegte sich wischenderweise ans andere Ende der Theke.

Gwen fluchte leise. Ich konnte sie jedoch nicht genau verstehen, und da man von mir eine präzise Berichterstattung erwartet, werde ich keine Spekulationen anstellen, sondern lediglich festhalten, dass sie fluchte, wie man es auf einem Segelschiff voll finsterer, verwahrloster Männer, die auf den Boden rotzen und sich in der Öffentlichkeit kratzen, erwarten würde.

»Verdammt, Seawright!« Gwen drehte sich zu mir um und umklammerte ihr Bierglas mit beiden Händen. »Kannst du mich nicht mal einen Tag in Ruhe lassen?«

Ich schaute die Theke entlang, befand, dass der Wirt und der mürrische alte Mann außer Hörweite waren, und schüttelte den Kopf. »Dann würde ich meinen Pflichten nicht nachkommen. Ich bin Protokollantin. Es ist meine Aufgabe, alles aufzuzeichnen, was du tust – mit Ausnahme von intimen Dingen. Zur Kenntnisnahme des Komitees des Au-delà und um zu prüfen, ob du gegen deine Bewährungsauflagen verstößt.«

»Pah!« Gwen fegte an mir vorbei, setzte sich auf eine Bank und nahm einen weiteren großen Schluck, bevor sie das Glas auf den Tisch stellte. Da keine anderen Gäste im Lokal waren, hielt ich es für besser, mich zu ihr zu setzen, statt auf meinem Beobachtungsposten zu bleiben. »Das ist eine Unverschämtheit, Seawright! Ich hätte erst gar keine Bewährung bekommen dürfen!«

»Dann wärst du jetzt noch inhaftiert«, entgegnete ich.

»Völlig zu Unrecht! Ich wurde zu Unrecht eingesperrt! Ich verkaufe keine Magie an Sterbliche, das weiß doch jeder. Ich habe nicht mal besonders viel drauf, was Magie angeht, obwohl meine Mütter ihr Bestes gegeben haben. Ich bin Alchemistin, eine einfache kleine Alchemistin. Ich stelle Heiltränke und Elixiere her und manchmal, wenn ich das nötige Material bekomme, auch ungewöhnlichere Dinge. Sonst nichts. Und nichts davon verkaufe ich an Sterbliche.«

»Warum glaubt das Au-delà trotzdem, dass du magische Mittel an Unbefugte verkauft hast, und sperrt dich ein?«

Gwen ließ die Schultern hängen. »Das ist eine lange Geschichte. Im Endeffekt habe ich aber nichts Falsches getan. Und als sie mich rausließen, dachte ich, sie hätten begriffen, dass sie mir nichts beweisen können, aber stattdessen haben sie mir ein ganzes Rudel Protokollanten hinterhergeschickt. Du bist die fünfte in fünf Wochen. Die anderen mussten alle wieder gehen. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht hatten sie es einfach nur satt.« Sie trank missmutig von ihrem Bier. »Für dich sind es erst ein paar Tage. Ich habe schon fünf lange Wochen Überwachung hinter mir. Wenn du mir ein bisschen Luft lassen würdest, wäre ich superdankbar. Ich komme mir vor wie ein Tier im Zoo, wirklich! Wohin ich auch gehe, da bist du und beobachtest mich mit deinen kleinen Knopfaugen.«

Ich straffte die Schultern, hielt den Blick auf meinen Schreibblock gerichtet und protokollierte ihre Äußerung. Ich musste unbeteiligt bleiben und durfte mir nicht anmerken lassen, dass sie mich kränken konnte.

Sie fluchte wieder, griff dann über den Tisch und tätschelte meine Hand. »Tut mir leid. Das war gemein und außerdem gelogen. Du hast keine kleinen Knopfaugen. Du hast wunderschöne blaue Augen, und ich bin nur wegen dieser ganzen Überwachungsgeschichte so unleidlich.«

»Falls du mich persönlich unangenehm findest«, ich war bereit, ihr die Beleidigung zu verzeihen, zögerte jedoch, weil ich mir nicht sicher war, ob sie mir doch nur Honig ums Maul schmieren wollte, »dann kannst du beim Komitee einen Antrag auf Austausch meiner Person einreichen.«

Sie schenkte mir ein mattes Lächeln. »Mit dir persönlich habe ich kein Problem. Ich habe etwas dagegen, dass mir permanent jemand nachspioniert.«

Ich gestattete mir ein professionelles Lächeln. »Dann verzeihe ich dir die Beleidigung, und wir machen so harmonisch weiter wie bisher.«

Zwei Männer betraten das Lokal und gingen direkt zur Theke. Gwen sah ihnen nach und malte mit dem Finger Zeichen auf den verschrammten Holztisch, die wie alchemistische Formeln aussahen. »Mmhmm. Lass es mich mit einem Bier oder so wiedergutmachen. Oder willst du ein Glas Wein?«

»Ich darf im Dienst nicht trinken«, informierte ich sie.

»Ja, aber du darfst auch nicht auffallen. Ich erinnere mich, dass jemand bei der Bewährungsanhörung sagte, du sollst dich so unauffällig wie möglich verhalten und Sterbliche nicht auf dich aufmerksam machen oder mich irgendwie in meiner Freiheit einschränken. Und da wir in einem Pub sind, sähe es komisch aus, wenn du nichts trinkst.«

»Na schön. Da du mich unbedingt einladen willst, nehme ich eine Limonade.«

Ich beobachtete aufmerksam, wie sie lächelnd aufstand und zur Theke ging. Die beiden Männer am anderen Ende beachteten sie nicht. Sie bestellte beim Wirt und kehrte kurz darauf mit meinem Getränk zurück.

»Also, du willst bestimmt wissen, was ich hier in Malwod-Upon-Ooze mache. Ich will hier einige Zutaten kaufen, die ich brauche, um eine Quintessenz herzustellen. Du weißt, was das ist, oder?«

»Ich bin leider nicht vertraut mit der Alchemie.«

»Verstehe. Also, Quintessenzen sind unschätzbar wertvoll. Im wörtlichen Sinn, denn wenn es einem gelingt, eine herzustellen – und das können nur wenige Alchemisten –, kann man im Grunde jeden Preis verlangen. Man braucht Jahre für die Herstellung, da sie aus eintausendzweihundertundzwölf Arbeitsschritten besteht. Das schüttelt man nicht eben so aus dem Ärmel. Mit der Quintessenz, an der ich arbeite, habe ich als Achtzehnjährige begonnen. Jetzt fehlen mir zur Fertigstellung nur noch ein paar seltene Stoffe. Ich habe gehört, dass sich eine der drei Zutaten in der Nähe des Hauses meiner Mütter befindet, und ich will sie dem Besitzer abkaufen.«

»Interessant«, sagte ich.

»Ja, Alchemie ist wirklich faszinierend«, schwärmte sie und stand dann auf. »Entschuldige, ich habe eine schwache Blase. Ich gehe kurz zur Toilette und bin sofort wieder da.«

Ich musterte sie kritisch und sah mich im Pub nach Sterblichen um, mit denen sie kommunizieren könnte. Von den beiden Männern, die hereingekommen waren, saß der eine an der Theke vor seinem Glas. Der andere war wieder gegangen. Ein dritter Mann kam herein. Er trat jedoch gleich zu dem Herrn an der Theke und zeigte kein Interesse an Gwen. Der Wirt hatte sein Handy am Ohr und sprach mit jemandem namens Cyril über eine Chipslieferung, die nicht eingetroffen war. Der mürrische Alte hockte mit seinem Hund neben dem Gaskamin und hob hin und wieder mit knotiger Hand sein Glas an die Lippen.

»Na schön, aber ich vertraue darauf, dass du nicht versuchst, durch das Toilettenfenster zu flüchten wie heute Morgen im Supermarkt.«

»Ich bin nicht durchs Toilettenfenster abgehauen«, entgegnete sie lachend. »Die Tür zum Ladedock stand offen, also bin ich da raus. Ich komme gleich zurück.«

Ich blieb ruhig sitzen und ging in der Gewissheit, dass das Toilettenfenster zu klein für eine Erwachsene war, meine Tagesaufzeichnungen durch. Ich hatte mir vor Betreten des Pubs das Gebäude genau angesehen.

Ende der Aufzeichnung

SMS-Verkehr

Ich: Mama! Hilfe! Protokollantin ist hier, kann sie nicht abschütteln. Mit welcher Formel öffnet man Portale?

Magdalena Owens: Du liebe Göttin, du willst doch wohl kein Portal öffnen? Viel zu gefährlich!

Ich: Du musst mir helfen! Brauche die Formel in den nächsten zehn Sekunden. Sitze auf der Toilette fest.

Magdalena Owens: Klemmt die Tür? Kannst du um Hilfe rufen?

Ich: Das meine ich nicht. Brauche sie, um zu verschwinden!

Alice Hill: Mags sagt, du sitzt auf der Toilette fest. Brennt es im Gebäude? Soll ich die Feuerwehr anrufen? Wo bist du genau?

Ich: Malwod-Upon-Ooze, und hier ist kein Feuer. Brauche die Formel, um abzuhauen. Anwalt ist hier.

Magdalena Owens: Alice ruft den Rettungsdienst! Leg dich auf den Boden! Atme keinen Rauch ein!

Ich:Herrje! HIERISTKEINFEUER!

Magdalena Owens:Großbuchstaben, Liebes?

Ich: MAMA!

Alice Hill: Es brennt also nicht?

Ich: NEIN!

Alice Hill: Was machst du in Malwod? Das bedeutet übrigens »Schnecken« auf Walisisch. Wusstest du das?

Magdalena Owens: Alice sagt, du wirst von Schnecken angegriffen?

Ich: Ihr macht mich fertig!

Ich: Mama zwei, schick mir die Fluchtformel! Bitte! Der Anwalt, dem ihr Zaubermittel versprochen habt, ist hier.

Alice Hill: Ach so, das wolltest du? Warum machst du deiner Mutter mit Feuer und tollwütigen Schnecken Angst?

Magdalena Owens: Nimm Salz, Gwenny. Schnecken hassen Salz.

Ich: Ich nehme dir dein Handy weg, Mama!

Alice Hill: PDF mit Fluchtformel im Anhang. Liebe Grüße. Sehen wir uns heute Abend?

Ich: Ja, wenn ich der Protokollantin entwischen kann. Danke für die Formel. Bussi!

Privates Diarium von Gregory Faa

Mitglied der Au-delà-Wache auf Probe. Nicht für den dienstlichen Gebrauch.

Am Donnerstag, dem 1. August, wurde der Sterbliche Edwin Kleibschiemer beim Betreten eines Pubs in Malwod-Upon-Ooze gesehen, einem Küstenstädtchen in Wales.

»Meinst du, es passiert da drin?«, fragte ich Peter (meinen Cousin und beruflichen Mentor), der solche Dinge aufgrund seiner Erfahrung besser einschätzen kann.

»Ich bezweifle es.« Wir stiegen aus dem Mietwagen, um Kleibschiemer zu beschatten. »Aber geh sicherheitshalber rein und mach dir ein Bild von der Lage. Mal sehen, ob die Verdächtige auch dort ist.«

»Wir könnten zusammen gehen.«

Peter schüttelte den Kopf. »Ich bin schon zu lange bei der Wache. Sie könnte mich erkennen. Es ist besser, wenn du gehst. Außerdem«, er grinste mich an, »kann niemand deinem Charme widerstehen. Wenn sie misstrauisch wird, zeigst du ihr deine Grübchen, und sie ist Wachs in deinen Händen.«

»Ich habe keine Grübchen«, erwiderte ich und boxte ihn auf den Arm, um zu zeigen, dass ich das Quasi-Kompliment zu schätzen wusste. »Und woher soll ich wissen, ob es die richtige Frau ist? Du hast gesagt, es gibt kein Bild von Owens.«

»Ja, weil das Au-delà beim letzten Mal, als sie geschnappt wurde, erst anfing, Kameras einzusetzen. Das Beste, was wir seit anderthalb Jahrhunderten von ihr haben, sind Beschreibungen, aber die variieren. Mal ist sie eine Frau mittleren Alters, mal eine junge, mal blond, mal brünett. Sie kann offensichtlich ihr Erscheinungsbild verändern.«

»Großartig. Dann hoffe ich, nicht im Gefängnis zu landen, weil ich der falschen Frau nachstelle.«

»Wenn du nicht innerhalb von fünf Minuten erkennst, ob jemand sterblich ist oder eine Wicca, bist du bei der Wache falsch.« Peter gab mir einen freundschaftlichen Schubs und ging zum Schaufenster eines Zeitungsladens.

Ich schlenderte in den Pub, grüßte den Wirt und bestellte ein Bier. Während ich wartete, blieb ich an der Theke stehen und sah mich unauffällig um. Unmittelbar zu meiner Linken saß Kleibschiemer. Bei ihm war ein Mann, den ich nicht aus den Akten kannte, aber er zog ab, als ich an die Theke trat. Ich nahm mein Handy aus der Tasche, als wollte ich eine SMS verschicken, und machte heimlich ein Foto, bevor er zur Tür hinausging.

Dabei bemerkte ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Auf einer der Bänke an den Wänden saßen zwei Frauen. Die eine hatte einen flauschigen, hellroten Schopf, und die andere … Meine Hand schloss sich ein paar Sekunden fest um mein Handy, während ich die zweite Frau betrachtete. Sie war wohlproportioniert, hatte üppige Rundungen, rabenschwarzes Haar, das ihr bis auf die Schultern fiel, und klare graue Augen mit dichten schwarzen Wimpern. Ich konnte die Wimpern sogar aus diesem Abstand sehen, so dicht und lang waren sie. Die Rothaarige schien alles zu notieren, was die dunkelhaarige Schönheit zu ihr sagte. Und deren Gestik nach zu urteilen, war das eine ganze Menge.

»Ihr Bier, Kumpel.«

»Danke.« Ich gab dem Wirt ein paar Münzen, ohne die Frau aus den Augen zu lassen. Sie stand auf und kam in meine Richtung. Ich nahm rasch das Bierglas, gab vor zu trinken und beobachtete über den Rand hinweg, wie sie zur Damentoilette ging.

Sie war keine Sterbliche. Das wusste ich in dem Moment, als sie an mir vorbeikam. Ihr Duft stieg mir augenblicklich zu Kopf. Sie roch nach Seeluft, herb und wild und etwas salzig. Ich musste den Gedanken unterdrücken, ihre warme, gebräunte Haut zu lecken, um herauszufinden, ob sie auch salzig schmeckte, und rief mir in Erinnerung, dass Mitglieder der Wache, insbesondere solche auf Probe, nicht gehalten waren, Verdächtige abzulecken, wie appetitlich sie auch sein mochten.

Habe sie gefunden, schrieb ich Peter. Kleibschiemer ist hier, hat aber schon bezahlt. Jetzt geht er.

Super. Bleib an ihr dran! Ich folge ihm, antwortete er.

Ich wartete eine Weile und kam dann zu dem Schluss, dass es unauffälliger wäre, die Verfolgung von Magdalena Owens draußen zu beginnen. Also trank ich mein Bier aus und verließ den Pub, um am Ende der Straße Position zu beziehen, wo praktischerweise eine niedrige Mauer zum Sitzen einlud.

Zehn Minuten vergingen, ohne dass sie auftauchte. Ich ging noch einmal am Pub vorbei und schaute ins Fenster, dann riss ich die Tür auf und stürzte hinein.

Das Lokal war leer bis auf einen alten Mann und seinen Hund.

»Sie haben nicht zufällig …«, sprach ich den Wirt an, hielt jedoch inne, als die rothaarige Frau von den Toiletten kam und etwas von Vertrauensmissbrauch murmelte.

»Herrentoilette?«, fragte ich den Wirt.

Er wies mit dem Kopf auf den schmalen Flur. Ich ging ihn hinunter und betrat – mit einer Entschuldigung auf den Lippen – die Damentoilette.

Es war niemand da, auch die zwei Kabinen waren leer. Oben unter der Decke befand sich ein Fenster. Es war eindeutig zu klein für die kurvige Frau. Verdammt, sie hatte anscheinend eine ihrer Zauberformeln benutzt, um den Pub zu verlassen.

Ich eilte nach draußen und hielt nach den Frauen Ausschau.

»Es gibt ein kleines Problem«, sagte ich kurz darauf in mein Handy, während ich an den Geschäften vorbeilief, die dem kleinen Hafen von Malwod-Upon-Ooze gegenüberlagen.

»Was ist?«

»Ich habe Owens verloren. Sie ist auf die Toilette gegangen und verschwunden.«

»Verschwunden? Wie? Ach, ist auch egal. Wir sind jetzt am Strand nordöstlich des Ortes. Geh am Hafen und dem Badebereich vorbei, dann kommst du zu einem felsigen Strand, den du weiter entlanggehst. Wenn deine Zielperson in Bewegung ist, kommt sie wahrscheinlich hierher.«

Ich ging langsamer, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, und ließ den Blick über die Frauen schweifen, die am Hafen einkauften, spazieren gingen oder auf dem felsigen Strand nach einem Platz suchten, um ein Sonnenbad zu nehmen.

Doch die Schönheit aus dem Pub war nicht unter ihnen. Im Geiste ging ich die Informationen durch, die uns über sie vorlagen. Außer ihrem Namen und ihrem Beruf (praktizierende Wicca) wussten wir nur, was Peter von einem Informanten erfahren hatte: Der Sterbliche Kleibschiemer hatte kundgetan, er sei am Kauf von Zaubermitteln interessiert, die unter den Namen »Romulanischer Tarnzauber« und »Houdinis Berühmte Befrei-O-Matic-Formel« bekannt sind. Und da kürzlich eine gewisse Frau wegen des Verkaufs dieser Mittel angeklagt und aus einem uns bisher unbekannten Grund auf Bewährung entlassen worden war, war sie wahrscheinlich wieder im Geschäft.

»Wo bist du?«, murmelte ich vor mich hin, während ich an der Mauer entlangging, die die Hauptstraße vor der Flut schützte. Am Strand lagen Frauen in allen Formen, Größen und Altersstufen, aber keine von ihnen roch nach etwas anderem als Sonnenmilch und warmer Haut. Ich ging bis ans Ende des Strandes, wo die Steilküste begann. Daran vorbei führte nur ein schmaler Landstreifen. Er war mit Treibholz und Gesteinsbrocken übersät, die trotz der rastlosen Wellen scharf und spitz genug waren, um an handelsüblichen Schuhen die Sohlen aufzuschlitzen. Ich folgte dem Streifen und mied dabei sowohl das Wasser (das gerade zurückging) als auch den fauligem Schlick und die spitzen Steine so gut es ging. Am Fuß war die Felswand ausgewaschen, sodass sich ein Überhang gebildet hatte, der erahnen ließ, wie mächtig die Brandung an dieser Küste sein musste.

Ich schaute nach oben und versuchte abzuschätzen, wie gefährlich der Überhang war. Es sah zwar nicht aus, als würde er jeden Moment auf mich herabstürzen, aber darauf ankommen lassen wollte ich es nicht. Ich wich auf die nassen Felsbrocken aus und versuchte Peter und Kleibschiemer im Auge zu behalten, die sich ein gutes Stück vor mir befanden.

Peter hielt sich dicht an der Steilwand und folgte Kleibschiemer langsam und vorsichtig. Letzterer näherte sich einer verwitterten Holztreppe, die im Zickzack an der Wand hinaufführte. Obwohl er weit entfernt war, kauerte ich mich neben einen angeschwemmten Baumstumpf, als er den Fuß der Treppe erreichte. Er schaute verstohlen den Strand entlang, und nachdem er weder Peter (der sich flach an die Wand drückte) noch mich entdeckt hatte, stieg er die Treppe hoch und kam nach wenigen Minuten oben auf dem Kliff an, wo er aus meinem Blickfeld verschwand.

Ich richtete mich auf. Peter winkte mir und sprintete auf die Treppe zu. Ich folgte, doch nach wenigen Augenblicken klingelte mein Handy.

»Bleib da!«, flüsterte Peter, während er die Treppe hochstieg. »Bleib unten am Strand.«

Ich war schon fast bei der Treppe, blieb jedoch stehen und warf einen Blick über die Schulter. »Warum? Owens ist nicht hier.«

»Man gelangt nur über die Treppe nach oben. Oberhalb des Kliffs gibt es eine weitere Steilwand. Ich hocke in einer Mulde mit ein paar Bäumen und habe Kleibschiemer im Blick, ohne dass er mich sehen kann. Owens muss von unten kommen, vom Strand her.«

»Alles klar. Ich gehe in Deckung.« Ich schaltete mein Handy aus und trat gerade in den Schatten des Kliffs, um mich hinter einem Felsblock zu verstecken, als der Wind mir einen merkwürdigen Schrei zutrug, der nach einem großen Meeresvogel klang, sich jedoch zu meinem Entsetzen als Schrei eines Menschen entpuppte.

Er endete abrupt mit einem lauten, klatschenden Geräusch, das sich noch schrecklicher anhörte, und ich erstarrte bei dem grauenvollen Anblick, der sich mir bot. Wenige Meter entfernt lag eine dunkelhaarige Frau blutüberströmt auf den Felsen. Ich lief zu ihr und versuchte, einen Puls zu ertasten, obwohl ich wusste, dass es vergeblich war.

Ihr Herz hatte aufgehört zu schlagen.

In meinem Kopf drehte sich alles. Es war unfassbar: Jemand hatte meine Verdächtige getötet. Jemand hatte die schöne salzige Frau umgebracht. Ich blickte nach oben, aber auf dem Kliff war niemand zu sehen. Vom Strand her kam jedoch eine Frau auf mich zu. Sie trug einen kirschroten Hosenanzug, hatte kurzes, dunkelbraunes Haar und eine Brille mit dickem, schwarzem Gestell.

»Guten Tag«, rief sie. »Wie ich sehe, haben Sie meine Klientin. Ich komme von Rückführungen Incorporated. Würden Sie bitte zur Seite treten, Mr …« Sie kniff ihre blassblauen Augen zusammen. »Oh, ein Traveller? Ihresgleichen begegnen wir nicht oft. Treten Sie bitte zur Seite, Mr Traveller, und lassen Sie meine Klientin los.«

»Rückführungen …« Bei mir begannen sämtliche Alarmglocken zu schrillen. »Sie sind der Tod!«

»Ich bitte Sie!«, entgegnete sie empört und zupfte ihr Jackett glatt. »Wir bevorzugen den Terminus Rückführungsbevollmächtigte.«

»Ja, aber Sie sind der Tod. Sie holen tote Unsterbliche ab.«

»Wir holen ihre Seelen oder Wesensessenzen ab, das ist richtig. Und ich bin nicht der Vorsitzende des Unternehmens, sondern nur eine seiner vielen fleißigen Angestellten. Wenn Sie jetzt bitte zurücktreten würden! Ich brauche Platz, um die Seele dieser Frau zu nehmen.«

Ich weiß nicht, was in diesem Moment in mir vorging. Vielleicht war es Schicksal, vielleicht hatte etwas Unerklärliches, Undefinierbares von mir Besitz ergriffen, als Owens an mir vorbeigegangen war, oder es war einfach nur das Interesse eines Mannes an einer schönen Frau – ich tat auf jeden Fall genau das, was ich unter keinen Umständen hätte tun dürfen.

Ich stahl Zeit.

Gently-Institut für seelisches Wohlbefinden – Therapeutisches Beratungszentrum

Roberta Gently, Leiterin

Patientennr.: 2144

Datum: 2. August

Patientin Gwen O. wurde von ihrer Mutter Magdalena O. und deren Lebenspartnerin Alice H. hergebracht. Gwen schien angesichts der Situation verstört und betonte bei der Anmeldung mehrmals, sie brauche keinen »Seelenklempner« und sei kein bisschen verrückt, ganz egal, was alle anderen dächten.

Sie betrat mein Büro in Begleitung einer weiteren Frau.

»Ich denke, es handelt sich um einen Termin für ein vertrauliches Gespräch.« Ich schaute auf Gwens Patientenkarte.

»Verzeihung, ich bin Protokollantin«, sagte die Frau und stellte sich mir als Seawright P. vor. »Wo Gwen hingeht, gehe auch ich hin. So will es das Komitee des Au-delà.«

»In die Hölle bist du mir allerdings nicht gefolgt«, brummelte Gwen.

»Weil du mir entwischt bist. Schon wieder! Genau wie den anderen Protokollanten in den vergangenen Wochen!«, sagte Seawright. Sie war so empört, dass ihre krisseligen Haare bebten.

»Wenn ihr mir ein bisschen Freiraum lassen würdet, bräuchte ich nicht ständig wegzulaufen«, erwiderte Gwen, die Hände in die Hüften gestemmt, während sie sich vor der kleineren Frau aufbaute.

»Aber es ist meine Aufgabe! Ich muss für die Akasha-Akten alles aufzeichnen, was du tust, damit du nicht in schlechte Gewohnheiten zurückfällst.«

»Ich habe keine schlechten Gewohnheiten!«, donnerte Gwen.

Ich hielt es für nötig, den Streit zu schlichten, bevor er sich weiter verschärfte. »Bitte, meine Damen! Dieses Büro ist ein Ort der Ruhe und Besinnung. Ich möchte nicht, dass Ihre persönlichen Differenzen die anderen Patienten stören, die hier Zuflucht suchen.«

Seawright zeigte mit dem Stift auf Gwen. »Sie hat angefangen.«

Ich erlaubte mir, die Protokollantin streng anzusehen.

»Hier urteilen wir nicht. Niemand hat Schuld. Niemand ist im Unrecht. Und da mir nicht bekannt ist, dass die psychiatrische Versorgung in den Zuständigkeitsbereich des Komitees fällt, muss ich Sie bitten, im Empfangsbereich zu warten, es sei denn, Gwen ist damit einverstanden, dass Sie bleiben.«

Seawright schaute zu meinen Fenstern. »Dann springt sie einfach aus dem Fenster.«

»Nein, das tut sie nicht.«

»Doch.«

Ich bemühte mich um professionelle Ruhe, trommelte mit dem Stift auf den Aktenordner und sagte: »Gwen, versprechen Sie, dass Sie nicht durchs Fenster fliehen werden?«

»Oder auf eine andere Weise«, fügte Seawright streitlustig hinzu und warf den Kopf zurück.

»Oder auf eine andere Weise?«

»Na klar, solange ich mir die für ein paar Minuten vom Hals schaffen kann«, sagte Gwen.

»Also gut. Da Gwen es offensichtlich lieber ist, ohne Sie mit mir zu sprechen, und da sie zugesagt hat, das Büro nicht auf unorthodoxe Weise zu verlassen, warten Sie doch bitte im Empfangsbereich, bis unsere Sitzung beendet ist.«

»Na schön, aber Sie sind dafür verantwortlich, wenn sie wieder stiften geht.« Die Protokollantin sah Gwen vielsagend an, bevor sie den Raum verließ.

Als sie weg war, entspannte sich Gwen sichtlich. Sie sprach zusammenhängend und mit offenkundiger Intelligenz. Mir fiel jedoch auf, dass ihr Sprachmuster amerikanisch war, nicht walisisch oder britisch. Sie schien Anfang dreißig zu sein, hatte schulterlanges schwarzes Haar, graue Augen, keine sichtbaren Tätowierungen oder Piercings und trug eine leicht zerknitterte Leinenbluse zu einer schwarzen Jeans.

»Guten Morgen, Gwen«, begrüßte ich sie und gab ihr Zeit, sich einen Platz zu suchen, auf dem sie sich wohlfühlte. Sie wählte einen Sessel, der nicht in der Sonne stand. »Wie ich von Ihrer Mutter und deren Partnerin erfahren habe, hatten Sie kürzlich ein traumatisches Erlebnis. Möchten Sie mir davon erzählen?«

»Eigentlich nicht«, entgegnete sie freundlich und verzog dann das Gesicht. »Aber ich habe keine große Wahl, weil Mama zwei mir Ausweis, Brieftasche und Schlüssel weggenommen hat. Ich bekomme sie erst wieder, wenn ich mit Ihnen geredet habe. Deshalb bin ich hier.«

»Mama zwei?«, fragte ich und notierte, dass sie nicht freiwillig gekommen war.

»So nenne ich Alice. Mama ist meine Mutter. Mama zwei ist meine andere Mutter, die Partnerin meiner Mutter.«

»Verstehe. Und wie lange haben Sie schon zwei Mütter?«

Sie zuckte mit den Schultern und knibbelte einen getrockneten Schlammkrümel von ihrer Hose. »So lange ich denken kann.«

»Stört Sie die Beziehung Ihrer Mutter?«

Sie richtete sich in ihrem Sessel auf und sah mich böse an. »Was wollen Sie damit sagen?«

»Gar nichts«, antwortete ich ruhig. »Ich frage Sie nur, was Sie von der Beziehung Ihrer Mutter zu einer anderen Frau halten.«

»Ich liebe meine Mütter«, sagte sie brüsk. »Beide.«

»Freut mich zu hören. Intakte, liebevolle Familienverhältnisse sind nicht zu unterschätzen, nicht wahr? Ich nehme an, es gehört auch ein Vater ins Bild?«

»Da irren Sie sich.« Sie schlug die Beine übereinander und verschränkte die Arme vor der Brust. Ein Zeichen, dass sie sich mir verschließen wollte.

»Aha.«

»Mit meinen Müttern ist alles in Ordnung«, erklärte sie ziemlich hitzig. »Sie können mich nicht dazu bringen, etwas anderes zu sagen. Meine Mütter sind super. Meistens jedenfalls. Ab und an geraten sie in Schwierigkeiten, und ich muss sie retten, aber in den letzten Jahren waren sie wirklich ziemlich brav. Vor Kurzem allerdings … Ach, das spielt jetzt keine Rolle.«

Ich warf einen Blick auf das Anmeldeformular in ihrer Akte. »Ihre Mütter sind Wiccas und betreiben eine Schule?«

»Warum machen Sie aus allem eine Frage?« Sie beugte sich mit zusammengekniffenen Augen vor.

»Tue ich das?« Ich lächelte sie beschwichtigend an. »Es ist meine Aufgabe, Leuten zu helfen, Gwen. Und das kann ich nur, wenn ich weiß, was sie belastet, nicht wahr?«

»Mich belastet Ihre Andeutung, dass mit meiner Beziehung zu meinen Müttern etwas nicht stimmte.« Sie lehnte sich wieder zurück und machte damit klar, dass das Thema für sie beendet war.

Ich sprach ein anderes an: »Was ist gestern passiert?«

Für einen Moment wirkte sie überrascht, dann schob sie störrisch das Kinn vor, als rechnete sie mit Tadel oder Unglauben. »Ich bin gestorben und war in der Hölle.«

Ich bedeutete ihr fortzufahren.

»Also eher in der Totenwelt als in der Hölle. Im Annwn, um genau zu sein. Sie wissen, was das Annwn ist, oder?«

»Eine der vielen Formen eines Jenseits, die den verschiedenen Wesen als Zwischenstationen vor der Wiedergeburt oder der Beförderung auf eine andere Existenzebene dienen. Viele Sterbliche nennen sie Himmel. Ich dachte aber …« Ich tippte einen Begriff in meinen Laptop, las die Suchergebnisse und nickte. »Ja, ich hatte recht. Ich dachte, das Jenseits der Wiccas sei Sommerland?«

»Ist es auch. Aber ich bin keine Wicca. Ich bin Alchemistin.«

»Wenn Sie also beschließen, von dieser Existenzebene auf die nächste …«

»Oder wenn ich getötet werde, wie gestern.«

»Oder wenn Sie getötet werden, wie Sie sagen – nicht dass es bei einer Unsterblichen wie Ihnen leicht zu bewerkstelligen wäre –, dann kommen Sie ins Annwn, und ihre Mütter gehen ins Sommerland?«

»Ja, so ungefähr. Und Sie mögen zwar denken, es wäre schwer, mich zu töten, aber ich kann Ihnen versichern, dass es möglich ist. Allerdings unterscheidet sich das Annwn vom Sommerland. Dort gibt es nur glückliche Wiccas und Picknicks und so. Meine Mütter haben mich vor Jahren mal dorthin mitgenommen, damit ich meine Großmutter sehen kann. Das Annwn sieht ähnlich aus, ist aber anders. Zumindest habe ich das gehört.«

»Verstehe. Wären Sie so freundlich, mir den Ablauf der Ereignisse zu schildern, damit ich mir eine genauere Vorstellung machen kann?«

»Kein Problem. Aber Sie müssen mir versprechen, meinen Müttern zu sagen, dass ich nicht verrückt bin. Die glauben nämlich, ich hätte mir die ganze Sch … äh … Sache nur ausgedacht.«

»Das Wort ›verrückt‹ verwenden wir in unseren Beratungszentren nicht.« Ich lächelte sie erneut beschwichtigend an. »Erzählen Sie mir, was passiert ist. In aller Ruhe.«

»Also, gestern habe ich fröhlich die Vorbereitungen für meine Heimreise getroffen – ich bin zwar in Wales geboren, wohne aber in einer kleinen Stadt in Colorado, in den Staaten. Ich komme alle paar Monate nach Wales, um meine Mütter zu besuchen. Ehrlich gesagt nicht nur ihretwegen, sondern auch, weil ich Alchemistin bin und es in London die besten alchemistischen Auktionen gibt.«

»Verzeihen Sie die Unterbrechung.« Ich hob entschuldigend die Hand. »Möchten Sie mir erklären, warum die Protokollantin Seawright Sie begleitet?«

Ihre Miene verfinsterte sich. »Nein.«

»Wie Sie wünschen.« Ich machte eine Notiz über ihre entschlossene Reaktion und Körpersprache und bat sie fortzufahren.

»Ich war also dabei, meine Koffer zu packen, als ich einen Anruf von einem Typen namens Tesserman bekam. Oder Bandersnatch oder so ähnlich. Klang auf jeden Fall merkwürdig. Er sagte, er habe einen sterblichen Kunden für ›das Zeug‹ und ich müsse ›es‹ sofort nach Malwod-Upon-Ooze bringen. Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete, aber es schien mir offensichtlich, dass meine Mütter sich auf etwas Verbotenes eingelassen hatten – nein, auch darauf will ich nicht näher eingehen, weil es nichts mit meinem Tod zu tun hat. Gut, okay, eigentlich schon, aber ich will trotzdem nicht darüber reden. Jedenfalls war mir klar, dass meine Mütter in Teufels Küche kommen, wenn sie tun, was der Typ verlangt. Also sagte ich ihm, ich würde unter keinen Umständen zulassen, dass meine Mütter sich strafbar machen und Zaubermittel an Sterbliche verkaufen. Er ist total ausgerastet und hat die irrsten Drohungen gegen sie ausgestoßen. Sie können sich vorstellen, wie ich das fand. Ich habe also noch mal in aller Entschiedenheit Nein gesagt, aber er drohte, sich zu rächen, falls niemand nach Malwod kommt, um die Ware zu übergeben. Das musste ich selbstverständlich verhindern, und so bin ich nach Malwod gefahren, um die Sache zu klären.«

»Sie sind eine sehr fürsorgliche Tochter. Aber hielten Sie das nicht für gefährlich? Wäre es nicht besser gewesen, die Wache zu rufen?«

Sie schüttelte den Kopf. »Meine Mütter und ich haben uns bei der Wache unbeliebt gemacht. Die würden für uns keinen Finger rühren. Außerdem hatten meine Mütter das Geld für die Bestellung anscheinend schon angenommen.« Sie atmete tief durch und schnippte abermals Matschkrümel von ihrer Jeans. »Ich bin Seawright in einem Laden gleich neben dem Bahnhof entwischt und nach Malwod gefahren. Aber Seawright wird immer besser und hat mich in einem Pub aufgespürt, in dem ich auf den Käufer gewartet habe. Sobald der auftauchte, bin ich unbemerkt aus dem Pub abgehauen und zum vereinbarten Treffpunkt an der Steilküste gegangen. Ich habe den falschen Weg genommen und musste von der Straße aus eine furchterregende Steilwand hinuntersteigen, um ein kleines Plateau zu erreichen. Jedenfalls war ich hinter einem Baum in Deckung gegangen, als plötzlich ein Typ in ein Gebüsch sprang und sich duckte, als würde er sich vor jemandem verstecken. Ich dachte, er wäre derjenige, mit dem ich telefoniert hatte, und wollte rüberkrabbeln, um ihm ordentlich den Marsch zu blasen, als mich plötzlich jemand von hinten packte. Und ehe ich begriff was passierte, stürzte ich von dem Plateau auf den felsigen Strand.«

»Das muss schrecklich gewesen sein«, murmelte ich.

Gwen erschauderte sichtlich. »Sie haben keine Ahnung! Ich meine, es war ein langer Sturz, aber nicht lang genug, um eine Schutzformel zu sprechen.« Sie hielt mit nachdenklicher Miene inne und rieb sich die Arme. »Ich wünschte, ich hätte gesehen, wer mich geschubst hat.«

»Und dann fanden Sie sich im Annwn wieder?«

»Ja. Ich kam zu mir und lag auf einem grasbewachsenen Hügel. Die Sonne schien von dem blauesten Himmel herab, den ich je gesehen habe. Vögel zwitscherten. Die Bäume wiegten sich im Wind. Die Margeriten auf den Wiesen wippten mit den Köpfen und schienen zu tanzen. Schmetterlinge landeten auf mir und fächelten mir mit glitzernden Flügeln Luft zu. Häschen hoppelten herum und machten sich über Lupinen her. Ein Rudel Rehe kam vorbei. Es war der idyllischste Ort der Welt, und ich wollte gerade ein schönes Nickerchen zwischen den ganzen Häschen und Schmetterlingen halten, als ich aus dem Annwn herausgerissen wurde und mich auf der Straße oberhalb des Kliffs wiederfand.«

Ich schrieb mir ein paar Dinge auf. »Klingt nach einem wirklich kuriosen Erlebnis. Wie haben Sie sich dabei gefühlt?«

Sie warf mir einen vernichtenden Blick zu. »Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie aus einem idyllischen Paradies à la Disney herausgerissen würden, um sich auf einer windgepeitschten Steilküste wiederzufinden, mehrere tausend Meter über der Stelle, wo Sie kurz zuvor zu Tode gestürzt sind?«

»Das wäre allerdings eine außergewöhnlich hohe Steilküste«, murmelte ich und machte mir eine weitere Notiz. »Vielleicht übertreiben Sie da etwas?«

Gwen sprang auf und schlug sich auf die Oberschenkel. »Ja, natürlich ist das eine Übertreibung! Möglicherweise um meine Gefühle in Bezug auf diese Küste zum Ausdruck zu bringen! Gerade habe ich noch einen Augenblick sommerlicher Glückseligkeit genossen und im nächsten Moment bin ich wieder an dem Ort meiner Ermordung.«

»Hmm.«

»Also, ich habe natürlich gedacht, ich wäre verrückt geworden und hätte Halluzinationen. Ich meine, ich habe mit übersinnlichen Wahrnehmungen nichts am Hut, also konnte es keine Vorahnung oder so gewesen sein.« Sie begann im Raum auf und ab zu gehen. »Ich dachte, ich hätte den Verstand verloren oder Seawright hätte mir was ins Bier getan. Und ich habe darüber nachgedacht, zum Pub zurückzugehen und sie zur Rede zu stellen, aber dann hätte ich nicht erfahren, was tatsächlich passiert war. Ich musste es wissen, verstehen Sie?«

Sie wartete auf Zustimmung meinerseits.

»Sie mussten wissen, wer der Unbekannte auf dem Plateau war?«

»Genau. Also bin ich, nach kurzer Überlegung, die Steilwand runtergeklettert. Als ich das Plateau erreichte, kam ein Mann von unten – da war eine Holztreppe, die zum Strand hinunterführte – und sah sich panisch um.«

»Panisch?«, fragte ich und sah vom Schreibblock auf.

»Ja, Sie wissen schon.« Sie machte eine vage Handbewegung. »Hektisch. Er schaute sich um, und ihm standen die Haare zu Berge, seine Augen waren aufgerissen.«

»Haben Sie sich bedroht gefühlt?«

Gwen schlug sich abermals auf die Schenkel und ging weiter auf und ab. »Natürlich habe ich mich bedroht gefühlt! Da war ein Mann, genau an dem Ort, wo mich jemand in den Abgrund gestoßen hatte, und er sah wie ein Geisteskranker aus. Total zerzaust und mit irrem Blick.«

»Was haben Sie gemacht?«

»Er fing an, mich nach Zaubermitteln zu fragen, und ich sagte, ich würde ihm nichts geben. Und als ich gerade ausführen wollte, was ich tun würde, sollte er meine Mütter weiter belästigen, tauchte ein anderer Typ auf. Der kam allerdings aus dem Gebüsch, wo er sich versteckt hatte.«

»Sie müssen besorgt gewesen sein. Ein einzelner Mann ist schon gefährlich. Aber zwei können ziemlich beängstigend sein.«

»Also …« Sie zog nachdenklich die Nase kraus. »Ja und nein. Der zweite Typ wirkte nicht bedrohlich. Da jedenfalls noch nicht. Er war blond und hatte wahnsinnig schöne blaue Augen und ein Grübchen im Kinn, in das ich am liebsten reingebissen hätte.«

»Halten Sie diese Reaktion unter den gegebenen Umständen für angemessen?«

Sie sah mich aus dem Augenwinkel an und schlenderte zum Fenster. »Hören Sie, Sie können mit potenziell gefährlichen, gut aussehenden Verrückten umgehen, wie Sie wollen! Ich bin jemand, dem ein sexy Kinn auffällt. Wo war ich? Genau, da war also dieser verrückte Typ, der wüste Drohungen ausstieß, und plötzlich packte er mich, und der andere Typ kam und verpasste ihm eine mitten ins Gesicht. Ich meine, er hat ihn richtig fertiggemacht. Und da lag der Anwalt auch schon auf dem Boden. Hatte ich erwähnt, dass der Typ, der meine Mütter bedroht hat, Anwalt ist? Das hat schon was Ironisches, oder? Tja, und dann stehe ich mit diesem blonden Fremden allein da. Ich bin nicht blöd und hatte natürlich nicht vor, mich noch mal umbringen zu lassen – vorausgesetzt, ich bin tatsächlich beim ersten Mal umgekommen und habe es nicht nur vorgeahnt. Und vorausgesetzt, Blondie war derjenige, der mich umgebracht hat – nicht dass ich das glaube, mir scheint, der Anwalt hat sich als Bösewicht entlarvt, aber ich konnte nicht sicher sein, oder?«

Ich versuchte, ihren Redeschwall zu entwirren, und klammerte mich an das Einzige, was ich verstanden hatte. »Ich glaube, es heißt nicht ›vorgeahnt‹, sondern ›vorausgeahnt‹.«

»Und dann«, fuhr sie mit theatralischer Geste fort, »hat der blonde Typ das Schlimmste gesagt, was er sagen konnte, und zwar …«

Die Tür zu meinem Büro flog auf, und Gwen fuhr herum. Eine Frau mittleren Alters fegte herein. Sie war klein, etwas mollig und hatte einen dunklen Pagenkopf mit silbernen Strähnen. »Gwen!«, rief sie aufgeregt und packte meine Patientin am Arm. »Wir müssen hier weg, Liebes.«

»Was? Sofort? Ihr habt gesagt, ich muss mit dieser Frau reden, wenn ich mein …«

Eine weitere Frau kam herein, knallte die Tür hinter sich zu und schloss ab. »Schnell!«, sagte sie, rannte zum Fenster und öffnete es, ohne mich eines Blickes zu würdigen. »Wir müssen sofort verschwinden!«

»Das ist ein privates Gespräch!«, sagte ich streng. Die zweite Frau war größer, hatte eine maskuline Kurzhaarfrisur, die jedoch ihre feinen Gesichtszüge unterstrich, und einen ausdrucksvollen Mund. »Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie Gwens Mütter sind?«

»Ja, ich bin Magdalena Owens«, entgegnete die Mollige, lächelte mich freundlich an und zog ihre Tochter zum Fenster. »Das da ist Alice, Gwens andere Mutter. Freut mich, Sie kennenzulernen. Ich hoffe sehr, Sie konnten unserer Gwenny helfen. Sie war völlig außer sich wegen eines Vorfalls, der sich gestern ereignet hat, und da Sie mir wärmstens von einem sehr guten Freund empfohlen wurden – von Amor Tantrize, dem Handleser –, wusste ich, dass Sie genau die Richtige sind für …«

»Mags!«

Die Mahnung der anderen Frau, die bereits aus dem Fenster kletterte, ließ Magdalena verstummen. Sie drehte sich um. »Was ist, Liebes? Oh! Komm, Gwenny, wir müssen auf der Stelle verschwinden. Alice besteht darauf.«

»Was ist denn los?«, fragte Gwen, während ihre Mutter sie wieder zum Fenster zog. Für eine kleine Frau machte Magdalena einen kräftigen Eindruck. »Warum wollt ihr unbedingt abhauen? Ist jemand draußen am Empfang, den ich nicht sehen soll?«

Jemand hämmerte an die Tür, und trotz der dicken Verkleidung waren vom Flur her aufgeregte Stimmen zu hören. Ich schaute zur Tür, dann drückte ich einen Knopf an meiner Gegensprechanlage. »Ludwig, würden Sie der Person, die da so eifrig an meine Tür klopft, sagen, dass sie abgeschlossen ist und ich mich nicht scheuen werde, ihr etwaige Schäden in Rechnung zu stellen? Danke.«

Alice streckte den Kopf zum Fenster herein und griff nach Gwens freiem Arm. »Es ist eher so, dass du sie nicht sehen willst, Schatz. Beeil dich! Die Tür wird sie nicht ewig aufhalten.«

»Sie? Moment mal!« Gwen machte sich von ihren Müttern los. »Was ist hier eigentlich Sache? Wer hämmert da an die Tür? Seawright? Es klingt nicht nach ihr. Mama, hör auf, an mir herumzuzerren! Ich habe Seawright versprochen, dass ich nicht durchs Fenster abhaue, und du weißt, dass ich meine Versprechen halte.«

Die Schläge gegen die Tür gingen weiter, und die Stimmen wurden lauter.

»Es ist nur zu deinem Besten, Schatz«, sagte Alice, packte Gwen mit beiden Händen, hob sie hoch und machte Anstalten, sie durchs Fenster zu ziehen.

Gwen kreischte und klammerte sich an der Fensterbank fest, aber gegen die vereinten Kräfte ihrer Mütter hatte sie keine Chance.

»Sagen Sie Seawright, ich habe es nicht aus freien Stücken getan«, war das Letzte, was ich hörte, bevor Magdalena – mit einem strahlenden Lächeln – aus dem Fenster stieg. Dann waren sie weg.

Der Lärm hinter der Tür verstummte kurz, dann gab es ein splitterndes Geräusch. Die Tür flog mit solcher Wucht aus dem Rahmen, dass die losen Papiere auf meinem Schreibtisch durch die Luft wirbelten.

Eine kleine brünette Frau in einem knallroten Hosenanzug kam herein und stemmte die Hände in die Hüften. Die Gläser ihrer dicken schwarzen Brille blitzten im Licht. Direkt hinter ihr stand Seawright.

»Wie kann sie es wagen! Unfassbar, dass sie … Das schlägt dem Fass wirklich den Boden aus! Niemand überlistet den Tod, niemand! Nicht, solange ich verantwortlich bin. Wo ist diese verschlagene kleine Alchemistin hin?«, fragte die fremde Frau ohne lange Vorrede und ohne sich in irgendeiner Weise zu entschuldigen, nachdem sie meine schöne Tür kaputtgemacht hatte.

Ich blätterte in meinem Schreibblock eine Seite weiter und machte eine neue Überschrift. »Ich heiße Roberta Gently. Ich bin die Leiterin dieses Instituts. Wie lange leiden Sie schon unter diesen unkontrollierten Wutausbrüchen?«

Akasha-Akten, Eintrag Nr. 2712

2. August, 8.55 Uhr

Malwod-Upon-Ooze, Wales (vor einer therapeutischen Einrichtung)

Zielperson: Gwenhwyfar Byron Owens

Seawright Pendleton, Juniorprotokollantin (dritte Klasse)

Beginn der Aufzeichnung

Sie ist mir entwischt. Schon wieder!

Das war’s! Mir reicht es. Ich kündige! Hiermit gebe ich diesen Fall ab!

Ende der Aufzeichnung

Privates Diarium von Gregory Faa

Mitglied der Au-delà-Wache auf Probe. Nicht für den dienstlichen Gebrauch.

Ich wusste, dass es unvermeidbar war, wieder mit Peter im Auto zu sitzen. Verdammt, jeder hätte geahnt, dass etwas im Gange war, als ich der forschen Rückführungsbevollmächtigten Zeit stahl, aber Peter ist ein Traveller. Auch wenn er von dem Zeitdiebstahl selbst nicht betroffen war und die Veränderungen durch ihn nicht bemerkte, so besaß er doch genug Gespür, um zu wissen, dass etwas faul war. Zumal ich, als wir vor dem Pub ausstiegen (zum zweiten Mal, obwohl ihm das nicht bewusst war), rasch wieder in den Wagen sprang und Peter zurief, wir sollten uns am Strand unterhalb des Kliffs treffen.

»Was? Wo willst du hin?«, rief er, als ich den Motor anließ. Er schaute verwirrt, aber ich hatte keine Zeit, ihm alles zu erklären. Um ehrlich zu sein, ich hoffte inständig, das auch später nicht tun zu müssen, denn es würde das Ende einer Erfolg versprechenden Karriere bedeuten.

»Muss mich beeilen! Muss jemanden retten. Geh den Strand entlang, bis zu der Treppe an der Steilwand. Ich komme von oben. Ich denke, aus der Richtung ist sie gekommen.«

»Wer kam von wo? Wovon redest du? Gregory …«

Ich trat aufs Gas und raste los, wobei ich fast meinen Cousin und einen älteren Mann niedergemäht hätte. Meiner Schätzung nach blieben mir zwanzig Minuten, um auf das Plateau zu gelangen und zu verhindern, dass jemand meine Verdächtige hinunterstieß.

Auf der fünfminütigen Fahrt zu dem steinigen Gelände, das zwischen der Straße und dem oberen Ende des Kliffs lag, versuchte ich mir eine plausible Geschichte zurechtzulegen, die Peter mir abkaufen würde. Aber so ganz rechnete ich nicht damit. Ihm würde auffallen, dass mit der vergangenen halben Stunde etwas nicht stimmte, und dann hinge für mich alles davon ab, ob er im Namen der Familie beide Augen zudrücken würde.

Ich stellte den Wagen ab und lief auf den Rand des Kliffs zu. Dabei hielt ich nach der schwarzhaarigen Frau Ausschau, doch sie war nirgends zu sehen, was mich nicht überraschte. Sie war im Pub gewesen, als Peter und ich dort eingetroffen waren, aber kurz nach unserer Ankunft irgendwie aus dem Toilettenraum geflüchtet. Da das Fenster dafür ungeeignet war, musste sie eine andere Fluchtmethode gewählt haben.

Eine magische zum Beispiel. Das würde zu jemandem passen, der verbotenerweise Zaubermittel an Sterbliche verkauft.

Halb rutschte, halb fiel ich den oberen Teil des Steilhangs hinunter. Auf dem keilförmigen, schmalen Plateau gab es eine Baumgruppe und Büsche. Niemand war zu sehen.

»Hoffentlich passiert dir nichts auf dem Weg hierher! Einen zweiten Zeitdiebstahl kann ich mir nicht leisten«, murmelte ich, als ich auf das Gebüsch zuging, um mich zu verstecken.

Ich hatte mich darauf eingestellt, ungefähr eine Viertelstunde zu warten, aber es waren erst fünf Minuten vergangen, als ich jemanden keuchen hörte. Durch die Zweige sah ich einen Mann von der Treppe her auf das Plateau kommen. Er beugte sich einen Moment vor, stemmte die Hände auf die Oberschenkel und schöpfte Atem. Dann richtete er sich auf, zog sein Jackett glatt und kam in meine Richtung.

Hinter mir stürzte ein Stein von oben herunter, gefolgt von ein paar kleineren Kieseln. Wir sahen beide hinauf. Magdalena Owens seilte sich an der Felswand ab. Ich bewunderte sie einen Moment lang, dann rief ich mir in Erinnerung, dass ich vor zwei Monaten der Wache beigetreten war und Verdächtige nicht begaffen durfte. Ich hatte einen Eid geschworen, mich an die Vorschriften zu halten, auch an diese.

Als ich mich umdrehte, um zu sehen, was der mysteriöse Treppensteiger machte, befand sich dieser wieder auf der Holztreppe und spähte über den Rand des Plateaus. Er wollte anscheinend nicht von Owens entdeckt werden.

Ich betrachtete ihn nachdenklich. Er kam mir irgendwie bekannt vor, aber es war nicht Kleibschiemer, den Peter vom Pub aus verfolgt hatte – zumindest in der vorherigen Version dieser halben Stunde.

Dieser Mann war kleiner, schmaler, und es gefiel mir nicht, wie gierig er meine Verdächtige beobachtete. Kaum dass sie das Plateau erreicht hatte, kam er die letzten Treppenstufen herauf und sprach sie an: »Sie haben tatsächlich den Mumm hierherzukommen, was?«

Sie drehte sich blitzschnell um, sodass ihr die Haare wie ein schwarzer Vorhang um den Kopf flogen. »Sozusagen. Sie sind der Anwalt?«

»Das ist richtig.« Er machte einen Schritt auf sie zu. »Ich hoffe, Sie sind zur Vernunft gekommen«, er klang drohend. »Mein Kunde sollte jeden Moment hier sein, und ich möchte nicht, dass er enttäuscht wird. Das wäre nicht gut für Ihre Familie.«

Sie klopfte gelassen den Schmutz von ihrer Jeans und schaute nicht einmal in seine Richtung, als sie antwortete. »Wissen Sie, ich kann Drohungen nicht ausstehen. Ich finde jede Art von Schikane widerlich, ganz besonders, wenn sie gegen Schwächere gerichtet ist.«

»Denken Sie, ich hätte Angst vor Ihnen?«, fragte er lachend.

Sie musterte ihn. »Die sollten Sie haben. Ich habe Mittel und Wege und werde nicht zulassen, dass Sie jemandem etwas antun, vor allem nicht meinen Müttern!«

»Geben Sie mir die Ware, dann passiert niemandem etwas.«

»Nein«, sagte sie zu meiner Überraschung. Sie weigerte sich, Zaubermittel zu verkaufen? Warum?

Der Mann zuckte mit den Schultern. »Dann muss ich es leider auf die harte Tour machen, aber vielleicht ist ein Exempel auch mal angebracht. Die Leute werden sich zweimal überlegen, mich zu täuschen, wenn sich herumspricht, was dem geschieht, der es versucht.«

Er stürzte sich genau in dem Moment auf sie, in dem mir einfiel, woher ich ihn kannte: Er war im Pub gewesen, als ich hereinkam. Er hatte bei Kleibschiemer gestanden, war aber gleich nach meiner Ankunft gegangen.

Das ging mir im selben Moment durch den Kopf, als Magdalena Owens aufschrie und weglief. Er packte sie an der Taille und zog sie an den Rand des Abgrunds, um sie hinunterzustoßen. Zum zweiten Mal.

»Nur über meine Leiche«, knurrte ich und warf mich auf den Mann. Wir gingen alle drei zu Boden.

»Wer zum Teufel …«, begann er.

»Ich bin von der Wache«, sagte ich, versetzte ihm einen Faustschlag vors Kinn, durch den er das Bewusstsein verlor. Ich drehte ihn auf den Bauch, zog zwei Kabelbinder aus der Tasche, die ich für solche Gelegenheiten immer bei mir habe, und schnürte ihm die Handgelenke so fest zusammen, dass sich die Binder in seine Haut drückten. Er hatte es nicht anders verdient, dieser Dreckskerl von einem Mörder.

»Sind Sie verletzt?«, fragte ich und stand auf. Sie kauerte schwer atmend und mit schreckgeweiteten Augen ein paar Meter entfernt.

»Wer … nein. Wer, sagten Sie, sind Sie?«

»Gregory Faa. Ich bin bei der Wache. Sie kennen diesen Mann?«

Sie schüttelte langsam den Kopf und sah mir dabei in die Augen. »Bin ihm noch nie begegnet. Äh … hat er etwas angestellt? Sind Sie hier, um ihn zu verhaften?«

»Das ist ein bisschen kompliziert. Ursprünglich hatte er S… äh … jemanden getötet, aber diesmal konnte ich es verhindern.«

Sie sah mich verwirrt an, aber ich wollte es gewiss nicht genauer erklären.

»Das klingt in der Tat kompliziert. Also, vielen Dank, dass Sie mich gerettet haben. Er hat mich überrascht, und so schnell hatte ich keine Formel parat.«

»Ich habe es gesehen. Sie sollten einen Selbstverteidigungskurs machen.«

»Ja, wirklich.« Sie lächelte zum ersten Mal. Ein hübsches Lächeln, bei dem kleine Fältchen um ihre Augen erschienen. »Da Sie ihn jetzt wahrscheinlich mitnehmen müssen, lasse ich Sie am besten Ihre Arbeit machen und verschwinde.«

Ich hielt sie auf. »Ich fürchte, der komplizierte Teil hat mit Ihnen zu tun, Miss Owens.«

Sie stutzte und sah mich argwöhnisch an. »Wie haben Sie mich genannt?«

»Owens. Ich wurde hergeschickt, um Sie zu suchen.«

Einen Moment lang schloss sie resigniert die Augen. »Ich hab’s gewusst! Die beiden haben noch etwas anderes angestellt … Sagen Sie es mir. Nur zu! Ich kann es verkraften.«

»Ich weiß nicht, wen Sie mit ›die beiden‹ meinen, aber ich bin bevollmächtigt, Sie wegen rechtswidrigen Verkaufs von Zaubermitteln an Sterbliche festzunehmen. Wir haben den Hinweis, dass Sie sich heute mit einem Sterblichen treffen. Aber selbst wenn das, sagen wir, Teil der komplizierten Situation war, so liegt auch wegen früherer Verkäufe ein Haftbefehl gegen Sie vor. Magdalena Owens, als autorisiertes Mitglied der Wache …«

Sie schüttelte den Kopf und hob die Hand. »Das ist nicht mein Name.«

Ich zog gerade widerstrebend einen Kabelbinder aus der Tasche. »Sie heißen nicht Magdalena Owens?«

»Nein. Ich heiße Gwenhwyfar Byron O…«

»Guinevere?«

»Gwenhwyfar.« Sie sprach ihren Namen GWEN-hiff-arr aus. »Das ist die walisische Version. Sie können mich aber einfach Gwen nennen.«

»Oh?«

»Ja, das ist okay. Alle nennen mich so.«

»Nein, ich meinte, Ihr Nachname ist Oh?« Sie sah nicht asiatisch aus, aber was heißt das schon?

»Wie kommen Sie darauf?«

»Weil Sie sagten, Sie heißen Gwenhwyfar Byron Oh.«

»Habe ich das gesagt?« Sie blinzelte. »Das war … also, ich heiße nur Gwenhwyfar Byron.«

»Aber Sie haben Oh gesagt.« Aus irgendeinem Grund schien es mir wichtig, diesem Oh auf den Grund zu gehen.

»Ähm.« Einen Moment lang sah sie mich an. »Das war praktisch der Anfang von ›Oh, sie verwechseln mich anscheinend mit jemandem‹.«

Ich musste lächeln. »Es freut mich, dass Sie nicht die Frau sind, die ich festnehmen soll, Miss Byron. Miss ist doch richtig, oder?«

»Ja«, sagte sie nachdenklich, ihr Blick fiel auf den bewusstlosen Mann zu unseren Füßen. »Jetzt muss ich mich aber wirklich beeilen. Ich habe … äh … einiges zu erledigen. Mit ein paar Leuten zu reden.«

Auf einmal klang sie ziemlich wütend.

»Wenn ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann …«

»Nein«, sagte sie rasch, schenkte mir aber ein Lächeln. »Nur eine Familienangelegenheit.«

»Ich hoffe, sie lässt sich schnell klären. Ähm …« Ich berührte ihren Arm, als sie sich zum Gehen wandte. »Hören Sie, mir ist klar, dass ich das eigentlich nicht tun sollte. Frauen trauen in der Regel keinen Männern, denen sie am Rand eines Abgrunds begegnen, und angesichts der Ereignisse in letzter Zeit völlig zu Recht.«

»Der Ereignisse in letzter Zeit?«

Ich winkte ab. »Das ist …«

»Kompliziert?«

»Sehr. Jedenfalls hoffe ich, Sie können vielleicht über die merkwürdigen Umstände hinwegsehen und trinken einen Kaffee mit mir. An einem öffentlichen Ort selbstverständlich. Wo Sie sich nicht bedroht fühlen oder sich sorgen, ich könnte so ein seltsamer Kerl sein, der Frauen auf Steilhängen aufgabelt und sich später als irrer Stalker entpuppt.«

Sie seufzte. »Ich habe schon eine irre Stalkerin, vielen Dank.«

Ich runzelte die Stirn, unsicher ob das Ja oder Nein bedeutete. Ich entschied mich, positiv zu denken. »In Snail-on-a-Stick gibt es bestimmt eine Teestube oder ein Starbucks. Wir könnten uns da in, sagen wir, einer Stunde treffen? Bis dahin sollte ich das hier erledigt haben.« Ich stieß den Mann mit der Schuhspitze an. Er stöhnte leise.

Sie kicherte, wurde dann jedoch wieder ernst. »Der Ort heißt Malwod-Upon-Ooze. Und es tut mir leid, aber mit dem Kaffee, das wird nichts.«

»Wenn Sie lieber etwas Stärkeres möchten, es gibt auch einen Pub …«

»Nein«, unterbrach sie mich mit einem seltsamen Ausdruck im Gesicht, dann schüttelte sie den Kopf. »Bedaure, ich kann nicht.«

»Wenn ich Sie mit meinem Gefasel über irre Stalker verschreckt haben sollte, versichere ich Ihnen, als Mitglied der Wache nehme ich meinen Eid, Sterbliche und Unsterbliche gleichermaßen zu schützen, sehr ernst.«

Sie legte sich gekonnt das Seil um den Leib, was darauf schließen ließ, dass sie etwas vom Klettern verstand, und begann die Steilwand hochzusteigen. »Ich halte Sie weder für einen irren noch für einen normalen Stalker, falls Ihnen das Sorgen macht.«

»Sie sind mit jemandem liiert? Ich wusste nicht, dass eine Einladung zum Kaffee einem Heiratsantrag gleichkommt, aber falls Sie befürchten, ich könnte Sie angraben …«

»Nein, das ist es auch nicht«, rief sie über die Schulter zu mir herunter. »Sie scheinen nett zu sein. Ein richtiger Gentleman.«

»Ich stamme aus Rumänien. Mir haftet wohl noch einiges von der Alten Welt an.«

»Mir gefällt es. Sie sollten es mehr einsetzen.«

»Wenn ich Ihnen aber nun sage, dass ich gerade Ihr Leben gerettet habe, trinken Sie dann einen Kaffee mit mir?«

Sie schaute wieder zu mir herunter. »Ich wäre schon mit ihm fertig geworden.«

»Sie können nicht wissen, ob er Sie nicht wieder hinuntergestoßen hätte.«

»Wieder?« Ihr Gesicht war voller Misstrauen. »Warum sagen Sie ›wieder‹? Was haben Sie hier oben gemacht?«

»Äh …« Ich zögerte. »Das gehört zu der komplizierten Geschichte, von der ich vorhin sprach.«

»Aha.« Sie kletterte weiter.

Es hätte mehr Willensstärke erfordert, nicht nach oben zu sehen und ihre Beine und ihren Hintern zu bewundern, aber ich gab mir Mühe, das Wesentliche nicht ganz aus den Augen zu verlieren. Nämlich herauszufinden, was ihr an mir nicht passte. Es klingt nicht besonders bescheiden, aber ich hatte nie Probleme, Frauen kennenzulernen, und dass diese so gar kein Interesse zeigte, sich mit mir zu verabreden, verletzte meinen »männlichen Stolz« – wie die Frau meines Cousins es ausdrücken würde.

»Wenn es nicht meine Manieren sind und Sie auch nicht fürchten, ich könnte verrückt oder gemeingefährlich sein, woran liegt es dann, dass Sie kein Interesse haben?«

Sie gab ein damenhaftes Ächzen von sich, als sie oben angekommen die Hände aufsetzte, um sich über den Rand zu hieven. Ein paar Steine und das Wurzelgeflecht einer blühenden Staude fielen herunter und landeten auf dem Kopf des Verhafteten. Er stöhnte abermals und bewegte die Beine. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis er zu sich kam.

Ich dachte schon, sie würde mir eine Antwort schuldig bleiben, doch dann hörte ich sie über das Rauschen von Wind und Brandung.

»Ich kann mit Ihnen keinen Kaffee oder irgendwas anderes trinken, weil Sie bei der Wache sind. Auch wenn Sie mich vorhin nicht getötet haben, ist es einfach zu gefährlich.«

Was zur Hölle sollte das nun wieder bedeuten?

The Art of Stealing Time

TIME THIEF – Kommt Zeit, kommt Liebe

1

»Ticket, ja. Reisepass, auch dabei. Bordkarte … verdammt. Wo ist die? Ich bin sicher, dass ich sie ausgedruckt habe.« Ich vollführte den typischen Tanz, den Leute bei der Ankunft am Flughafen machen: Zuerst klopft man alle Jackentaschen ab, dann jongliert man mit Koffern, Zeitschriften und Taschen, um in jedes Reißverschlussfach zu spähen. Schließlich fand ich den Ausdruck, den ich bei meinen Müttern gemacht hatte. »Da ist sie ja! Okay, ich glaube, ich bin bereit. Hoffentlich ist die Schlange vor der Sicherheitskontrolle nicht so lang!«