Tod eines Engländers - Magdalen Nabb - E-Book

Tod eines Engländers E-Book

Magdalen Nabb

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Beschreibung

Florenz, kurz vor Weihnachten: Wachtmeister Guarnaccia brennt darauf, nach Sizilien zu seiner Familie zu kommen, doch da geschieht ein Mord. Betrug und gestohlene Kunstschätze kommen ans Licht, aber sie sind nur der Hintergrund zu einer privaten Tragödie. Zuletzt kommt der Wachtmeister (wenn auch eher unwillig) dem Mörder auf die Spur ­ und an Heiligabend gerade noch den letzten Zug nach Syrakus erwischt.

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Magdalen Nabb

Tod eines Engländers

Ein Fall für Guarnaccia

Roman

Aus dem Englischen von Matthias Fienbork

Diogenes

{5}Erster Teil

1

Es war dunkel in dem kleinen Büro, nur die rote Nachtlampe auf dem Schreibtisch neben dem Telefon brannte und ließ die weißen Glacéhandschuhe auf dem Papierstapel im Lichtschein tiefrosa erscheinen. Eine schwarze Uniformjacke hing über der Lehne eines Drehstuhls, und hinter der Tür, unter einer makellosen Uniformmütze, hing ein gleichfarbiger Militärmantel mit roten Litzen ordentlich geknöpft auf einem Kleiderbügel. Im Zimmer war gerade noch Platz für ein Feldbett an einer weißgetünchten Wand; darauf lag, die Beine sorgfältig ausgestreckt, damit die Hose mit den roten Seitenstreifen nicht knitterte, der Carabiniere Bacci. Er hatte Nachtdienst. Sein Gesicht mit den florentinischen Zügen wirkte entspannt. Er schlief.

Er war sehr jung und schlief fest; ein Exemplar des Codice di Procedura Penale lag aufgeschlagen auf seiner Brust, ein Lehrbuch der Militärtaktik neben ihm auf dem Fußboden. Ursprünglich hatte er die ganze Nacht über wach bleiben und lernen wollen, doch die Enge des Zimmers, das sanf‌te rote Licht und die Stille hatten bewirkt, dass ihm die braunen Augen zugefallen waren, wenngleich er im Traum noch weiterlas.

{6}Das Telefon schrillte laut und nachdrücklich. Carabiniere Bacci war halb wach aufgesprungen und salutierte, noch ehe er richtig auf den Beinen stand. Als ihm klar wurde, woher das Geräusch kam, griff er, bevor es den Maresciallo aufwecken würde, schnell zum Hörer.

»Maresciallo Guarnaccia, Signor Maresciallo … Es wäre gut, wenn Sie sofort hier vorbeikommen könnten, der Engländer, er –«

»Einen Moment, bitte.« Carabiniere Bacci tastete nach dem Lichtschalter und griff nach einem Stift.

»Signor Maresciallo?«

»Ich bin nicht Maresciallo Guarnaccia, sondern Carabiniere Bacci. Mit wem spreche ich?«

Es entstand eine Pause, dann sprach die Stimme folgsam weiter: »Cipolla, Gianpaolo Maria.«

»Und die Adresse?«

»Meine Adresse?« Die Stimme war so dünn, dass Carabiniere Bacci sich fragte, ob sie einem Mann oder einem Jungen gehörte.

»Ihre Adresse und die Adresse, von der aus Sie sprechen, wenn es nicht dieselbe ist.«

»Meine Adresse ist Via Romana 83 rot.«

»Und von wo aus sprechen Sie?«

»Via Maggio 58.«

»Und dort ist ein Verbrechen verübt worden?«

»Ja, der Engländer … Ist der Maresciallo denn nicht da? Meine Schwester, ihr Mann arbeitet als Gärtner im Boboli-Garten, ist eine Nachbarin des Maresciallo, daher kenne ich ihn – und den Maresciallo –«

»Dürf‌te ich erfahren«, sagte Carabiniere Bacci mit all {7}der Kühle seiner praktischen Erfahrung von zwei Monaten, »was Sie mitten in der Nacht in der Via Maggio machen, wenn Sie in der Via Romana wohnen?«

Wieder eine Pause. Dann sagte die dünne Stimme: »Aber … es ist doch schon Morgen … Ich arbeite hier.«

»Aha. Na gut. Bleiben Sie, wo Sie sind, ich bin in fünf Minuten bei Ihnen.« Carabiniere Bacci zog sich die Jacke und den Mantel an und überprüf‌te sorgfältig den Sitz von Mütze und Handschuhen. Es verdross ihn, dass er sich nicht waschen und rasieren konnte, aber vielleicht war es dringend … Er zögerte, sah zur Tür, wo sein Mantel gehangen hatte und jetzt eine Beretta 92 zu sehen war, die dort im weißen Lederhalf‌ter mit Gürtel hing. Der Maresciallo lag mit einer beginnenden Grippe im Bett und schwitzte; deshalb hatte Carabinere Bacci auch darauf bestanden, hier unten im Büro zu schlafen und nicht oben auf der Stube – völlig überflüssigerweise, wie der Maresciallo fand –, aber Carabiniere Bacci galt als Musterschüler. Leise nahm er die Dienstwaffe herunter, überprüf‌te sie und schnallte sie sich um, den Blick auf die Tür ins Innere der Dienstwohnung gerichtet. Vielleicht sollte er den Maresciallo doch lieber wecken oder im Borgo Ognissanti Bescheid geben, für den Fall, dass er Verstärkung brauchte … Aber wenn er in der Zentrale anrief, würden sie ihm bestimmt sagen, er solle sich nicht vom Fleck rühren, sie würden einen Beamten losschicken … Carabiniere Bacci war noch nie in seinem Leben am Schauplatz eines Verbrechens gewesen … dennoch … Leise trommelte er mit den behandschuhten Fingern auf die Tischplatte. Der Maresciallo hatte gesagt, wenn irgendetwas Wichtiges passiere – nicht, {8}dass damit zu rechnen sei – im Polizeirevier Pitti passierte ohnehin nichts …

Carabiniere Bacci konnte den Maresciallo nicht leiden. Vor allem, weil dieser ein Sizilianer war und er ihn im Verdacht hatte, wenn nicht der Mafia anzugehören, so doch mit ihr zu sympathisieren, und er wusste, dass der Maresciallo diesen Argwohn kannte, ihm sogar Vorschub leistete. Offenbar fand er das komisch. Bacci mochte den Maresciallo aber auch deswegen nicht, weil er so dick war und ein peinliches – für Carabiniere Bacci peinliches – Augenleiden hatte, denn bei Sonnenschein musste er hef‌tig weinen. Und da der Maresciallo ständig darüber klagte, wie sehr er seine Frau und seine Kinder vermisste, die in Syrakus wohnten, hatten seine Tränen oft genug etwas unangenehm Realistisches – unangenehm für Carabiniere Bacci. Der Maresciallo selbst pflegte unbeeindruckt davon seine Sonnenbrille hervorzuholen, die immer in einer seiner großen Taschen steckte, und allen Leuten zu erklären: »Keine Sorge! Es ist bloß ein Augenleiden. Immer wenn die Sonne scheint, fängt es an.«

Er beschloss, den Maresciallo nicht zu wecken. Die Via Maggio lag gleich um die Ecke. Er konnte in zehn Minuten wieder zurück sein und den Maresciallo dann aufwecken, wenn es notwendig schien. Er ging nach draußen und schloss hinter sich ab.

Der Anrufer hatte recht – der Morgen kündigte sich schon an. Ein schwerer, feuchter Dezembermorgen. Dichter gelber Nebel lag über dem Arno, drang durch die schmalen Straßen und verschluckte die Schritte Carabiniere Baccis, als er unter dem dunklen steinernen Torbogen heraustrat {9}und den leicht abschüssigen Platz vor dem Palazzo Pitti überquerte. Die wenigen geisterhaft anmutenden Autos, die die ganze Nacht dort gestanden hatten, waren mit einer feinperligen Tauschicht überzogen. Er überquerte die ruhige Piazza und kam zu einer Gasse, die sich wie ein Schnitt durch die hohe Häuserzeile zwischen Piazza Pitti und Via Maggio zog. Ihn fröstelte so mutterseelenallein in seinem schweren Mantel bei der Vorstellung, dass die ganze Stadt hinter verrammelten Fensterläden schlief. Die Straßenlaternen brannten noch; da aber nur eine Lampe an jedem Ende der Gasse stand, musste Carabiniere Bacci sich vorsichtig bewegen, sich an der unvermeidlichen Reihe von unerlaubt abgestellten Mopeds vorbeidrücken, die Nase leicht erhoben wegen des Kanalisationsgestanks im frühmorgendlichen Nebel, den erst der Berufsverkehr mit seinen Abgaswolken verdrängen würde. In der Mitte der Gasse, dort, wo es am dunkelsten war, stieß er gegen eine Coca-Cola-Dose, so dass sie aufreizend laut über die unebenen Steinplatten rollte. Als er auf die Via Maggio hinaustrat, blieb er stehen und überlegte, in welche Richtung er gehen sollte. Nach rechts führte die Straße mit den hohen Renaissancepalästen in Richtung Arno, zur Santa-Trinità-Brücke hinunter, die im Nebel jetzt nicht zu sehen war. Nach links führte ein kürzerer Straßenabschnitt zu einem kleinen dreieckigen Platz und traf dort auf die Straße, die vom Palazzo Pitti herkam. Nachdem Carabiniere Bacci eingehend die roten und schwarzen Hausnummern studiert hatte, wandte er sich nach links, in Richtung Piazza, und ging auf die andere Straßenseite – 52 … 106 rot … 108 rot … Die roten Nummern, blass und alt, waren im grauen Halbdunkel {10}kaum zu entziffern, während die großen schwarzen auf den weißen Schildern deutlich zu erkennen waren. Er suchte nach einer schwarzen Nummer … 54 … 110 rot … 56 … 58. In Höhe des ersten Stockwerks schmückte ein unkenntliches Steinwappen die Fassade. Die hohen eisenbeschlagenen Türen reichten bis unter das Wappen, und in allen drei Obergeschossen waren die Fensterläden geschlossen. Nirgends ein Lichtschein, der ihm angezeigt hätte, von wo der Anruf gekommen war, und Carabiniere Bacci fiel jetzt ein, dass er vergessen hatte, nach dem Namen zu fragen. Im Erdgeschoss des Hauses befanden sich eine Bank und ein Geschäft, dessen metallene Rollläden heruntergelassen waren. Hier an diesem Haus endete die Via Maggio, und der Laden sah auf die kleine Piazza hinaus. Jetzt erinnerte er sich – ein Engländer – irgendwo hatte er es gelesen … »a nation of shopkeepers« … Mit einem weißbehandschuhten Finger fuhr er am polierten Messingklingelschild herunter und studierte die Namen … Frediani … Cipriani … Cesarini … nein … A. Langley-Smythe, das war Parterre rechts, aber das Erdgeschoss kam bestimmt nicht in Frage! Das Namensschild daneben war leer, das war sicher die Hausmeisterwohnung. Ganz oben links sah er noch einen englischen Namen: Miss E. White, und in Klammern dahinter »Landor«. Aber der Anrufer hatte eindeutig von einem Mann gesprochen. Er drückte auf die Klingel der Erdgeschosswohnung. Nichts rührte sich. Er klingelte wieder und hielt das Ohr ganz dicht an die Gegensprechanlage. Nichts. Es konnte ja sein, dass sich jemand einen Scherz erlauben oder ihm sogar irgendeine Art Falle stellen wollte, das kam oft vor … Solche Geschichten hatte er schon {11}gehört … Er wurde etwas unruhig … Vielleicht war es ein Sizilianer, der es auf den Maresciallo abgesehen hatte … oder Terroristen? »Im Revier Pitti passiert nie etwas«, murmelte er, und dann hörte er Schritte. Sie schienen ganz nahe zu sein, konnten aber nicht aus diesem Gebäude kommen, diese Türen ließen kein Geräusch durch. Die Schritte kamen von der Ecke her, hinter dem Laden, langsam und schwer. Eine dunkle Gestalt tauchte aus dem Nebel auf. Es war der Nachtwächter auf seiner Tour.

»Machen Sie mir auf«, sagte Carabiniere Bacci, als der Wachmann bei ihm angelangt war. »Irgendetwas stimmt hier nicht.«

»Bei meiner letzten Runde war alles in Ordnung«, sagte der Wachmann phlegmatisch und schob seine Mütze zurück. Er suchte einen Schlüssel an dem klappernden Bund in seiner Hand, schloss die hohe Tür auf und stemmte sich dagegen, so dass sie ein paar Fußbreit aufging. Er warf das weiße Kärtchen hinein, für die Hausbewohner der Beweis, dass er seine Runde gemacht hatte, und trat dann zurück. Sein Funkgerät krächzte plötzlich, und mit einem Pfeif‌ton verstummte es ebenso plötzlich wieder.

»Haben Sie das bei Ihrer letzten Runde auch so gemacht?«, fragte Carabiniere Bacci streng.

»Nein. Ich bin mit dem Aufzug hochgefahren und habe jede Tür überprüft. Wenn Sie reingehen, werden Sie an jeder Tür mein Kärtchen finden. Aber wo Sie schon mal hier sind, werde ich jetzt weitergehen.«

»Sie könnten auf Ihrer letzten Runde mal vorbeikommen … Vielleicht können Sie für mich etwas ausrichten …« Carabiniere Bacci wünschte sich abermals, er hätte Zeit {12}gehabt, sich zu rasieren. Er fühlte sich noch unsicherer als vorhin, als er aus der Carabinieri-Wache getreten war.

»Ich habe gleich Feierabend«, sagte der Wachmann. »Ist meine letzte Runde. Um acht müsste der Bankwächter da sein.« Er ging entschlossen weiter, suchte einen anderen Schlüssel und verschwand in dem nächsten hohen Hauseingang. Mit Glück würde der Bankwächter ein Ex-Carabiniere sein und entsprechend hilfsbereiter. Carabiniere Bacci stemmte sich gegen die eisenbeschlagene Eichentür, bis sie so weit offen stand, dass er eintreten konnte.

Ein breiter, steingefliester Durchgang, von einer winzigen Lampe nur notdürf‌tig beleuchtet, endete an einer hohen zweiflügligen Tür, die wahrscheinlich zum Innenhof des Gebäudes führte. Carabiniere Bacci tastete nach einem Lichtschalter, und in einer gusseisernen Laterne vor dem Hof‌tor leuchtete eine fast ebenso schwache Birne auf. Rechts befand sich der Personaleingang der Bank, links eine nicht mehr benutzte Portierswohnung mit verrammeltem Fenster. Langsam und hörbar auf dem Steinfußboden voranschreitend, kam er zu dem verschlossenen Tor, folgte dann einem kleinen Durchgang nach links und stieß auf eine breite Steintreppe, die zu den oberen Stockwerken führte. Am Fuß der Treppe befanden sich links die Briefkästen der Mieter und rechts ein Aufzug und eine Tür, die aussah, als könnte sie zu einem Lagerraum führen. Ein dünner gelber Lichtstreifen umrahmte diese Tür. Auf dem Klingelschild stand »A. Langley-Smythe«. Carabiniere Baccis laute Schritte verstummten. Mit einem behandschuhten Finger drückte er vorsichtig gegen die Tür, bis sie aufging. Auf einem staubigen, unaufgeräumten Schreibtisch brannte {13}eine Lampe mit Pergamentschirm. Im Raum dahinter war es dunkel, und er sah A. Langley-Smythe zunächst nicht. Er sah vielmehr, auf einem Stuhl neben der Lampe sitzend, als hielte er dort Wache, einen kleinen Mann mit aschfahlem Gesicht, Stoppelhaaren und schwarzem Overall.

 

»Warum haben Sie mich denn nicht geweckt, verdammt noch mal? … Ach, ja? Na, dann haben Sie sich aber getäuscht … Was haben Sie gemacht? Carabiniere Bacci, ich werde persönlich … Haben Sie irgendetwas angerührt? Fassen Sie um Himmels willen nichts an! … Wer? Was macht der denn da … Moment, ich muss mir mal ein … ha-tschi! Er sieht nicht nur so aus, als ob er unter Schock stehen würde, er steht unter Schock. Seine Frau liegt im Sterben, ja ist womöglich diese Nacht gestorben, seine Schwester ist in der Via Romana, was macht er dann … Hören Sie, halten Sie ihn fest, bis ich da bin. Ich muss erst im Borgo Ognissanti anrufen – und fassen Sie nichts an! … Herrgott …« Er verständigte die Zentrale.

Maresciallo Guarnaccia kämpf‌te sich, fast pausenlos niesend, so schnell er konnte, in seine Uniform. Er fühlte sich elend und schwindelig, alles tat ihm weh, und sein Körper glühte. Er fand eine Schachtel Aspirin im Badezimmer und nahm sechs Tabletten mit vier Glas Mineralwasser, aber seine Kehle war noch immer so heiß und ausgedörrt wie zuvor. Morgen sollte er über die Weihnachtsfeiertage nach Hause fahren, er durf‌te nicht krank werden, er konnte Weihnachten nicht allein und krank in seiner Dienstwohnung in Florenz verbringen, wenn sich jeder andere Sizilianer in der Stadt, beladen mit riesigen Kartons und {14}verschnürten Koffern, in einen der überfüllten Züge Richtung Süden zwängte. Er nieste wieder laut und trat unter dem Torbogen hervor, und sein fiebriges Gesicht fühlte sich in der feuchten Kälte angenehm leicht an. Eine blasse Sonne drang durch den Morgennebel, und Maresciallo Guarnaccias Augen begannen zu tränen. Seufzend schob er die Hand in seine Manteltasche und setzte sich seine Sonnenbrille auf.

Als der Maresciallo in der Wohnung des Engländers eintraf, ging es dort so lebhaft zu wie auf einem Bahnhof. Mehr als zwölf Personen hielten sich im Innern auf, und zwei Träger vom Gerichtsmedizinischen Institut führten im Durchgang eine erregte Debatte mit dem Wachtposten.

»Ich vertrage es nicht, ganz einfach …«

»Es kommt auf die Temperatur des Öls an; wenn du es so zubereitet hättest wie meine Mutter …«

»Ich finde, ein gutes Beefsteak …«

Der Maresciallo drückte sich mit einem Kopfnicken an ihnen vorbei. »Santo cielo«, entfuhr es ihm leise, kaum dass er über die Schwelle war. Er sah dabei nicht zur Leiche von A. Langley-Smythe – zwei Fotografen, der Staatsanwalt und Professor Forli vom Gerichtsmedizinischen Institut versperrten ohnedies die Sicht –, sondern hinaus in den Hof, auf die beklagenswerte Gestalt des kleinen Treppenputzers in seinem zu kleinen schwarzen Overall. Vor nicht allzu ferner Zeit war eine Tür auf den Hof in die dicke Mauer eingesetzt worden, und der Mann dort draußen war dabei, einzelne Gegenstände von den moosbewachsenen Steinfliesen rings um die Terrakottatöpfe aufzulesen und in eine Plastiktüte zu tun. Sein Gesicht war grünlich blass.

{15}»Er sah aus, als würde er jeden Moment in Ohnmacht fallen, wenn er hier drin noch länger gewartet hätte«, rechtfertigte sich Carabiniere Bacci, der, als er noch allein bei der Leiche gewartet hatte, beinahe selbst ohnmächtig geworden wäre. »Einmal im Monat macht er offenbar den Hof sauber und einmal in der Woche das Treppenhaus und die Eingangshalle. Ich dachte, es würde ihn auf andere Gedanken bringen, da er warten musste, und Sie hatten gesagt, dass seine Frau krank ist …«

»Sie ist tot«, murmelte der Maresciallo und ließ die gebeugte Gestalt dort draußen nicht aus den Augen. Bevor er losging, hatte er noch schnell bei den Nachbarn geklingelt. Der Gärtner hatte ihm aufgemacht, die Augen gerötet, das Gesicht dunkel vor lauter Bartstoppeln. Er war gerade dabei, den Kindern das Frühstück zu machen, da seine Frau noch in der Via Romana bei der Verstorbenen war.

Die Gruppe, die um die Leiche stand, löste sich auf. Der Capitano vom Präsidium, der den Fall übernommen hatte, kam aus dem Schlafzimmer, in dem die Techniker arbeiteten, und sah den Staatsanwalt mit hochgezogener Braue an. Dieser verdrehte die Augen gen Himmel. Man brauchte es gar nicht auszusprechen. Dass dies so kurz vor den Festtagen passieren musste …

»Und keine Chance, dass es ein Selbstmord ist«, seufzte der Staatsanwalt.

»Kaum. Von hinten erschossen, und keine Waffe zu finden.«

»Tja, tun Sie, was Sie können …«

Tun Sie, was Sie können, um den Fall bis Weihnachten aufzuklären. Der Staatsanwalt verabschiedete sich mit {16}einem Händedruck vom Capitano und von Professor Forli, der ebenfalls gehen wollte und schon seine Tasche zumachte. Der Maresciallo wandte sich hoffnungsvoll an ihn:

»Könnten Sie mir wohl …«

»Nein«, sagte der Professor automatisch. »Nicht vor der Autopsie – nur das, was Sie mit eigenen Augen sehen können. Und dann wird viel davon abhängen, ob wir feststellen können, wann er das letzte Mal etwas zu sich genommen hat … Wollen wir hoffen, dass er in Restaurants gegessen hat … Ist sogar wahrscheinlich, er war offenkundig Junggeselle.« Der Professor, ein eleganter grauhaariger Mann, betrachtete sichtlich angewidert die Unordnung um ihn herum.

»Also«, sagte der Maresciallo matt, »das ist alles ein bisschen viel für mich.« Er setzte sich schwerfällig auf einen staubigen antiken Stuhl und wischte sich über die Stirn. »Ich wollte Sie fragen, ob Sie mir etwas gegen dieses Fieber geben könnten.«

»Grippe?«

»Vermutlich.«

»Was haben Sie bis jetzt genommen?«

»Bloß Aspirin.«

Der Professor fühlte seinen Puls. »Sie sollten sich ins Bett legen!«

»Ich weiß.« Der Blick des Maresciallos ging unwillkürlich zu Carabiniere Bacci hinüber, der an der Glastür stand, der nervös mit seinen Glacéhandschuhen hantierte und in seinen blankgeputzten Schuhen auf und ab wippte.

»Verstehe.« Der Professor war seinem Blick gefolgt.

»Ein Brigadiere ist krank, ein anderer meiner Jungs ist {17}schon unterwegs nach Hause.« Es war überall dasselbe vor den Feiertagen, ein unaufhörlicher Strom in Richtung Süden, so gleichmäßig und unerbittlich wie Sand, der durch eine Eieruhr rinnt; der Personalbestand von Museen, Krankenhäusern, Banken und Polizeistationen wurde dadurch ernstlich dezimiert.

»Wir sitzen alle im selben Boot«, sagte der Professor mitfühlend. »Ich werde Ihnen ein Antibiotikum verschreiben – aber ich würde Ihnen empfehlen, ein wenig kürzerzutreten. Soll der Junge Ihnen doch die Lauferei abnehmen, und überlassen Sie diesen Fall dem Capitano.«

»Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Handtaschendiebstahl ist so etwa das Aufregendste in unserer Wache. Er wird meine Hilfe nicht benötigen. Ich muss nur den Jungen im Auge behalten. Je früher er wieder auf der Polizeischule ist, desto besser. Unsere Schüler wirken jedes Jahr jünger. Ich werde wohl alt.«

»Na, versuchen Sie jedenfalls, sich ein wenig auszuruhen, und nehmen Sie reichlich Flüssigkeit zu sich.« Beide bemerkten gleichzeitig die fast leere Whiskyflasche neben der Pergamentlampe. »Aber nicht von dem Zeug!«

»So was hab ich noch nie angerührt.« Der Maresciallo trank täglich einen halben Liter Rotwein zum Abendessen, nicht weniger und nicht mehr, und sonntags ein Gläschen vinsanto.

»Und auch keinen Wein, solange Sie diese Tabletten einnehmen.« Der Professor wusste, was der Maresciallo dachte. Er reichte ihm das Rezept und klopf‌te ihm auf die breite Schulter. »Wird schon klappen!«

»Capitano …« Einer der Techniker hockte in einer Ecke {18}des Zimmers vor einem Gegenstand. Der Capitano ging zu ihm hinüber. Eine blauweiße Majolikabüste, ein Engelskopf. Behutsam wischte der Techniker den Staub weg und brachte einen Draht um den Hals zum Vorschein.

»Auch das noch …«, sagte der Capitano leise. Er ahnte, was das zu bedeuten hatte.

»Tja, leider …« Der Techniker drehte den Draht, bis die Plombe zum Vorschein kam.

Der Capitano richtete sich auf. »Lassen Sie jemand vom Pitti herkommen, ja? Versuchen Sie’s mit Doktor Biondini, dem Direktor der Galleria Palatina, er müsste um diese Zeit schon da sein. Er wird Ihnen vermutlich gleich etwas sagen können, aber falls nicht, rufen Sie mich sofort in meinem Büro an, sobald Sie etwas hören …«

Als der Capitano wieder im Schlafzimmer verschwunden war, ging Carabiniere Bacci zu dem gebeugten Mann hinüber und fragte schüchtern: »Was gibt’s denn?« Er starrte auf die kleine Plombe. »Was bedeutet das?«

»Ärger«, sagte der Techniker. »Rom …«, als wären es gleichbedeutende Begriffe. »Kann ich das Licht mal hierher bekommen? Und tu mir den Gefallen, mein Junge, und steh mir nicht im Weg …«

 

»Können wir ihn jetzt raustragen?« Seit mehr als anderthalb Stunden warteten die Träger schon. Der Boden draußen vor der Wohnungstür war übersät mit Zigarettenkippen, die Unterhaltung ging ihrer Wege.

»Aber obendrauf das Filetsteak, blutig. Und nichts dazu, höchstens ein paar Schalotten in viel Butter gedünstet, süßsauer.«

{19}»Zwiebeln vertrag ich nicht. Ich rühr sie nicht an.«

»Sie können ihn wegschaffen«, sagte der Professor und eilte dem Staatsanwalt hinterher, um in einer Bar einen Kaffee mit ihm zu trinken.

Die Träger hievten nun die beträchtliche Leibesfülle von A. Langley-Smythe auf ihre Trage. Dabei fiel dem Maresciallo auf, dass der Tote unter dem Morgenmantel eine Hose anhatte und dass es nicht viel Blut gab, auch wenn die Ecke des Perserteppichs, der vor dem Kamin lag, ein paar Tropfen abbekommen hatte. Die Träger verließen mit ihrer Last die Wohnung, und ihre lauten Stimmen hallten in dem steinernen Durchgang. Der Capitano und seine Leute waren wieder im Schlafzimmer, hatten anscheinend etwas Interessantes gefunden. Der Maresciallo war allein mit Carabiniere Bacci im Wohnzimmer.

»Carabiniere Bacci.«

»Ja, bitte?«

Der Maresciallo hatte die Augen geschlossen, seine großen, feuchten Hände lagen flach auf den Knien, als wollte er sich abstützen. »Ich möchte, dass Sie sofort was für mich erledigen. Und zwar ordentlich und schnell.«

»Jawohl.« Carabiniere Bacci nahm mit knallenden Hacken Haltung an. Der Maresciallo zuckte leicht zusammen, gab ihm dann das Rezept und sagte: »Gehen Sie auf die Piazza hinaus, in die Apotheke gleich neben dem Schreibwarenladen, und lassen Sie sich das Medikament geben.«

»Zu Befehl!« Carabiniere Bacci streif‌te sich die Handschuhe über, nahm das Rezept vorsichtig zwischen zwei Finger und ging mit eleganten Bewegungen zur Tür.

»Und beeilen Sie sich!«

{20}»Jawohl.«

Der Maresciallo blieb sitzen, die großen, wässrigen Augen geöffnet, aber ausdruckslos, registrierten alles um sich herum. Das Zimmer, in einer seltsam planlosen Weise mit Möbeln vollgestellt, war eher staubig als verdreckt und erinnerte an die klaustrophobische Verstaubtheit von Mansarden und Dachkammern. Die Möbelstücke waren eine Kollektion aus allen möglichen Stilrichtungen und Perioden, alles sehr alt und das meiste viel zu groß, selbst für eine so hohe und geräumige Wohnung. Auch ein paar Ölgemälde gab es, die aber nicht an der Wand hingen, sondern auf Möbelstücken standen, einfach gegen die Wand gelehnt. Die einzigen Objekte, die offenbar an einem festen Platz standen, waren der Schreibtisch und die abgewetzten Lederstühle davor und dahinter – der Maresciallo saß auf einem davon – sowie ein großer alter Lehnstuhl mit ausgeblichenem Samtbezug. Die Kissen darauf bewahrten noch den Abdruck ihres Benutzers, und eine englische Zeitung lag auch noch da. Der Sessel stand neben dem gemauerten Kamin, auf dessen Rost die verkohlten Reste eines Holzfeuers zu sehen waren. Die Kaminplatte war mit Kippen übersät. Der Maresciallo hätte sich gern mit seinen schmerzenden Gliedern in den weichen Sessel sinken lassen, doch der Abdruck des Engländers war zu deutlich. Seufzend sah er sich weiter um. »Sehr hübsch«, murmelte er, während er die Marmorstatuen zu beiden Seiten des Kamins betrachtete. Die Figuren, deren tiefe Falten durch den Staub noch betont wurden, sahen römisch aus, konnten aber auch florentinische Kopien sein. Trotzdem, sehr hübsch. Ein reicher Mann also, aber dass er im Parterre wohnte … Er starrte {21}wieder in den leeren Hof hinaus, der massige Leib reglos und die großen Augen leer wie die der Marmorfiguren.

»Boh!« Er klopf‌te auf die gepolsterte Stuhllehne, so dass eine kleine Staubwolke aufstieg, und erhob sich ächzend, um einen Blick ins Badezimmer zu werfen. Dort war schon lange nicht mehr saubergemacht worden. Schmutzige Unterwäsche lag im Bidet und auf dem Fußboden. Im Waschbecken klebten vertrocknete Zahnpastareste und gräuliche Rasierschaumflecken, und in der Badewanne zog sich unter dem tropfenden Hahn eine Rostspur entlang. Automatisch versuchte der Maresciallo, den Hahn zuzudrehen, aber ohne Erfolg.

»Signor Maresciallo?«

»Hier.« Es roch schwach, aber unverwechselbar nach Erbrochenem.

Carabiniere Bacci stand in der Tür, hielt eine weiße Packung in der Hand. Seine wachen braunen Augen registrierten, in welchem Zustand sich das Badezimmer befand, doch er sagte nur: »Soll ich die Schlüssel behalten?«

»Nein … doch, der Capitano wird sie haben wollen.«

Während sie auf den Capitano warteten, warfen sie einen Blick in die Küche. Im Ausguss hatten sich benutzte Kaffeetassen angesammelt, auf dem verschmutzten Herd stand eine kleine Espressomaschine. Im Kühlschrank lagen eine kleine Tüte Milch und ein halbes Päckchen Butter, schon etwas ranzig. In einem Metallschrank fanden sie ein Glas frisch gemahlenen Kaffee, englische Konfitüre, teure Butterkekse.

»Old England Stores«, sagte Carabiniere Bacci. »In der Via Vecchietti.«

{22}Der Maresciallo guckte ihn an.

»Dort hat er diese Sachen bestimmt eingekauft.« Er lief rot an. »Meine Mutter kauft dort manchmal Tee.«

»Tee?«

»Ja.«

»Tee?«

»Man bekommt dort eine besondere Mischung.« Carabiniere Bacci war dunkelrot angelaufen. Wie sollte er dem Maresciallo erklären, dass viele Florentiner seit jeher eine Schwäche für alles Englische hatten. Er holte eine Dose »Old England Breakfast Tea« hervor.

»Hmm«, sagte der Maresciallo.

»Gehen wir?«, rief der Capitano vom Flur her. Erst nachdem er dem Wachtposten vor der Tür die Schlüssel gegeben und ihn beauf‌tragt hatte, hinter den Technikern abzuschließen, bemerkten sie die kleine Gestalt in einer dunklen Ecke des Durchgangs, die dort geduldig wartete.

»Cipolla«, murmelte der Maresciallo dem Capitano ins Ohr. »Der Treppenputzer, der ihn gefunden hat. Seine Frau ist gestern Nacht gestorben, wenn Sie also …«

»Verstehe. – Kommen Sie bitte mit uns zum Revier Pitti. Der Maresciallo wird Ihre Aussage zu Protokoll nehmen – los, los! Lassen Sie den Müllsack da liegen, und kommen Sie!«

»Das ist kein Müll, Signor Maresciallo.« Der kleine Mann traute sich nicht, den Capitano direkt anzureden. »Es ist das Zeug vom Innenhof, Sachen, die aus den Fenstern und von den Terrassen fallen … Wäscheklammern und Kinderspielzeug und manchmal Wäschestücke …«

»Lassen Sie es stehen«, sagte der Maresciallo milde, »wo {23}Sie es sonst auch immer hinstellen, und kommen Sie mit. Sie sehen aus, als könnten Sie dringend einen Kaffee mit Grappa gebrauchen.«

Der kleine Mann hängte seine Plastiktüte an einen Haken neben der Aufzugtür, die Mieter würden sich ihre Sachen schon heraussuchen, und folgte ihnen blinzelnd hinaus in den feuchten, lärmenden Morgen. Der Maresciallo setzte seine Sonnenbrille auf. In der Bar an der Ecke des kleinen dreieckigen Platzes war noch immer Betrieb, auf der Glastheke türmten sich belegte Brötchen und Brioches, und die Kaffeemaschine dampf‌te.

»Was darf’s denn sein, Maresciallo? Drei Kaffee, ja?«

»Vier.« Der kleine Treppenputzer wollte nichts essen, die anderen bestellten Brioches, aber der Maresciallo bekam seine nicht herunter. Er glühte, und mit jeder Minute ging es ihm schlechter. Sie standen am Tresen, in der Nähe der dampfenden Wärme, und sahen durch die offene Tür einen langen weißen Reisebus aus Deutschland, der Weihnachtstouristen transportierte und auf der Piazza eingekeilt war zwischen den Autos, die in der Mitte des Platzes unerlaubt parkten. Der Chauffeur musste am Palazzo Pitti vorbeigekommen sein und hatte wohl versucht, scharf rechts in die Via Maggio einzubiegen, um zum Arno hinunterzufahren. Die Autos hinter ihm hupten wie wild bis in weite Ferne, während ein weißbehelmter vigile ihm in stiller Verzweiflung beim Zurücksetzen zu helfen versuchte, ohne dass ein Schaufenster zu Bruch ging, und gleichzeitig die Besitzer der parkenden Autos ersuchte, ihren Kaffee stehenzulassen und den Weg frei zu machen.

»Kann man in dieser Stadt nicht mal in Ruhe {24}frühstücken«, beschwerte sich einer, tupf‌te sich vornehm mit einer Papierserviette den Mund ab und ließ sich demonstrativ viel Zeit.

»Habt doch ein bisschen Verständnis«, bat der junge vigile, als er zur Bar hereinsah.

Die Ladenbesitzer, ob sie Kundschaft hatten oder nicht, kamen heraus um das vertraute Schauspiel zu beobachten. Der würdevolle grauhaarige Schreibwarenhändler stand da, die Hände auf dem Rücken verschränkt, und schüttelte angesichts des Durcheinanders bedächtig den Kopf. Der neapolitanische Grillbudenbesitzer, mit dem der Schreibwarenhändler nicht sprach, wischte sich mit einer fleckigen weißen Schürze über die Stirn und grinste, so dass man seine Goldzähne sah, während hinter ihm die Flammen des Holzkohlenfeuers diabolisch auf‌flackerten. Der Juwelier stand neben seinem Schäferhund und sah zu. Der Maresciallo hätte sich normalerweise gefreut, Mord oder nicht Mord, draußen auf der Piazza zu sein und die verschiedenen Düf‌te von Holzkohle und geröstetem Fleisch, von Kaffee und Toast einzuatmen, statt in seinem Dienstzimmer zu hocken. Doch heute schwirrte ihm der Kopf vor lauter Lärm und Durcheinander, und er war froh, als sie bezahlten und gingen. Das Auto des Capitanos wartete auf dem abschüssigen Vorplatz.

»Ich bin gleich wieder da«, sagte der Capitano zum Fahrer, »dann fahren wir ins Präsidium zurück.« Und an den Maresciallo gewandt: »Sie sollten das Britische Konsulat informieren, man wird sich mit seinen Familienangehörigen in Verbindung setzen, sofern es welche gibt – und Sie könnten Ihren Carabiniere für mich zur englischen Kirche {25}und Bibliothek schicken – irgendjemand muss doch etwas über ihn wissen.«

Das Hauptportal des Palazzo Pitti war jetzt geöffnet, ein paar verstreute Wintertouristen und Schulgruppen gingen über den Innenhof, zur Galerie und in den Boboli-Garten dahinter.

»Sie kennen dieses kleine Viertel ja besser als irgendjemand sonst, wenn Sie mir also etwas über die Bewohner des Hauses sagen könnten, bevor ich sie befrage …«

Die wuchtigen, blassen Quader des Palastes schwankten vor dem getönten Blick des Maresciallos. Die Tabletten hatten ihre Wirkung verloren, und die Temperatur stieg rapide an. Vielleicht hätte er nicht einmal den Kaffee trinken dürfen …

Als sie in seinem Büro angelangt waren, nahm er Mütze und Sonnenbrille ab und suchte nach einem Taschentuch. Er zitterte, und seine Stirn war feucht.

»Menschenskind, Sie sind ja krank!«

»Entschuldigung … ich glaube, ich muss mich hinlegen …« Er konnte sich nur noch die Jacke ausziehen und sich aufs Bett legen, in der Hand die Schachtel aus der Apotheke. Von irgendwoher war Carabiniere Bacci aufgetaucht. Doch der Maresciallo war zu krank und zu sehr in Sorge, um sich über die unerbetene Zuwendung Gedanken zu machen. Der kleine Treppenputzer ließ ihn nicht los. Er schluckte zwei Tabletten und legte sich hin.

»Sagen Sie ihm … sagen Sie ihm, dass ich möglicherweise nicht zur Beerdigung kommen kann, wenn es mir nicht bessergeht.« Seine Augen waren geschlossen, sein Gesicht gerötet. »Aber ich kann einen Kranz schicken … Sie war {26}noch jung, wissen Sie … Krebs, hat ihr Schwager gesagt … und er ist nicht so alt, wie er aussieht … Muss wohl Mord gewesen sein … Blut auf dem Teppich … aber nicht sehr viel … nicht viel … Carabiniere Bacci?«

»Ja, bitte?«

»Was rede ich da?«

»Sie sollten sich ausruhen, Maresciallo! Kann ich Ihnen noch etwas besorgen?«

Keine Antwort.