Vita Nuova - Magdalen Nabb - E-Book + Hörbuch

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Magdalen Nabb

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Beschreibung

Auf einer Anhöhe mit Blick auf Florenz steht das alte Landgut des Signor Paoletti, das er mit viel Pomp hat renovieren lassen. Doch so nobel, wie Paoletti tut, ist er bei weitem nicht. Mehr als einen schwarzen Fleck hat er auf seiner Weste, und als Guarnaccia die Personalvermittlung näher untersucht, die Paoletti betreibt, wird der Maresciallo handfest bedroht.

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Seitenzahl: 369

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Magdalen Nabb

Vita Nuova

Guarnaccias vierzehnter Fall

Roman

Aus dem Englischen von Ulla Kösters

Titel des Originals:

›Vita nuova‹

Die deutsche Erstausgabe

erschien 2008 im Diogenes Verlag

Umschlagfoto: Copyright © Grant Faint/

Getty Images

All rights reserved

Alle Rechte vorbehalten

Copyright © 2014

Diogenes Verlag AG Zürich

www.diogenes.ch

ISBN Buchausgabe 978 3 257 23942 3 (1. Auflage)

ISBN E-Book 978 3 257 60599 0

Inhalt

Hinweis für den Leser

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

Autorenbiographie

Mehr Informationen

Die grauen Zahlen im Text entsprechen den Seitenzahlen der im Impressum genannten Buchausgabe.

[5]1

Maresciallo Guarnaccia stand am Rand des Swimmingpools: Die dunklen Gläser einer Sonnenbrille schützten seine Augen vor dem gleißenden Licht der tiefstehenden Sonne. Ein großes, gelbes Blatt dümpelte einsam auf der blauen Wasseroberfläche. Unter seinen Schuhsohlen klebten ebenfalls ein paar nasse Blätter. Die schwüle Wärme fühlte sich nach September an, aber das oberste Blatt seines Taschenkalenders zeigte erst den neunzehnten August. Guarnaccia kehrte dem Swimmingpool und damit auch dem gegenüberliegenden, steinernen Turm den Rücken zu und senkte den Blick. Kein Geräusch drang hier oben an seine Ohren, obwohl die roten Dächer und die marmornen Türme von Florenz direkt unter ihm lagen. An normalen Tagen musste der Verkehrslärm, der dort unten tobte, auch hier oben deutlich zu hören sein – wenn auch nur gedämpft. Doch im August war die Stadt, abgesehen von den Touristen, so gut wie ausgestorben. Der Swimmingpool lag am äußeren Rande der Hügelkuppe, und wer den Kopf aus dem Wasser streckte, blickte direkt auf die Kuppel des Doms, die Kirchturmspitze und den endlos blauen Himmel. Ganz schön beeindruckend. Das kühle Nass allerdings konnte den Maresciallo nicht locken, da konnte es so heiß sein, wie es wollte. Eigentlich konnte er diesem Anwesen hier oben [6]nichts Besonderes abgewinnen, auch wenn es eine schicke Extravaganz ausstrahlte. Ihm gefiel es hier nicht … diese Stille, dieses gleißende Licht kaum Schatten. Guarnaccia drehte sich noch einmal um und starrte über das Becken hinweg zu dem Turm hinüber, zu dessen Füßen zwei cremefarbene Liegestühle mit Blick zum Pool aufgestellt waren. Ein Sonnenschirm, ebenfalls cremefarben, spendete einem Tisch und ein paar Stühlen Schatten.

Eigentlich sollte sich hier anstelle des offenen, blau glitzernden Pools ein hübscher Obstgarten befinden oder vielleicht auch ein Weingarten. Die aufsteigende Sonne brannte durch das blaue Hemd hindurch sengend auf seine Schulter. Der Maresciallo trat einen Schritt zurück, suchte Schatten.

Von den beiden Frauen war nur die junge, hübsche in lautstarkes, verzweifeltes Wehklagen ausgebrochen. Sie ließ den Tränen freien Lauf und wrang die feuchten Taschentücher in den Händen. Die Mutter war stumm geblieben. Der Schock vielleicht. Aufrecht saß sie auf dem Küchenstuhl, das Gesicht gerötet, der Blick eher glasig als den Tränen nahe, Schweißperlen auf der Stirn. Mit keiner Geste versuchte sie ihre Tochter zu trösten, blieb einfach nur stumm und reglos sitzen. Die Küche war sehr groß und mit allerlei modernem Firlefanz ausgestattet, aber sie befand sich in einem Kellerraum mit hochgesetzten, kleinen Fenstern. Auf Guarnaccia wirkte dieser Raum ausgesprochen beklemmend und düster. Deswegen verabschiedete er sich auch recht bald mit der Entschuldigung, den Staatsanwalt empfangen zu müssen, und zog sich erleichtert nach draußen zurück. Der Garten lag ebenso ruhig und friedlich da wie der Pool. Ein großes, gelbes Blatt segelte nach unten und verfing sich in einer [7]Hemdepaulette. Der Maresciallo wischte es herunter. Ihm war viel zu warm. Wenn es doch nur schon September wäre! Bei dem Gedanken, dass er von nun an den herrlichen Duft des Herbstlaubes mit verwesenden Leichen in Verbindung bringen würde, drehte sich ihm der Magen um. Blödsinn, nichts als Blödsinn! Zum einen befand sich da noch immer der Pool mit dem gechlorten Wasser vor dem Turm mit den offen stehenden Türen, und zum anderen lag die tote Frau im zweiten Stock. Unmöglich, dass der Verwesungsgeruch bis zu ihm drang. Dennoch hielt Guarnaccia den Atem bewusst flach. Irgendwie steckte ihm der Geruch noch immer in der Nase. Er konnte zurück in die Küche, zögerte aber wegen der beklemmenden Atmosphäre dort, oder vielleicht war es ja auch dieser undefinierbare, unangenehme Geruch, der ihn davon abhielt. Nichts, was greifbar gewesen wäre. Diese Leute rochen nach Geld, viel Geld. Der Vater in einer Privatklinik, die älteste Tochter tot, wahrscheinlich ermordet, ein Enkelkind, jetzt Vollwaise; die andere Tochter steigerte sich in ein lautstarkes Lamento, und weit und breit kein Staatsanwalt in Sicht. Wo zum Teufel steckte der bloß? Wo immer er auch wohnte, im August gab es keine Verkehrsstaus, nirgendwo. Der Maresciallo marschierte um den Pool herum, machte kehrt, als er die Ecke des Turmes erreicht hatte, und zockelte dann zurück zu dem hohen, mit Eisenbeschlägen verzierten Haupttor. Die Villa war eines dieser jahrhundertealten, befestigten Landhäuser mit dicken Mauern, vergitterten Fenstern und hohen Zinnen. Die großen Augen hinter der Sonnenbrille registrierten sämtliche Details. Zwei Familienautos, ein Mercedes-Kabrio und ein schwarzer Mini, parkten im Schatten eines großen Baumes. [8]An das mächtige Tor zur Auffahrt schlossen die hohen Umfassungsmauern direkt an, dennoch würde es Unbefugten keine Probleme bereiten, in das Anwesen einzudringen. Guarnaccia hatte schon einen Blick hinter das Haus und die angrenzende Gartenanlage geworfen, wo offenbar ein zweiter Swimmingpool angelegt wurde. Doch im Augenblick war der Baulärm verstummt. Der Carabiniere des Capitano hatte sämtliche Arbeiten stoppen lassen. In einem der Dächer weiter unten klaffte ein großes Loch. Es gehörte zu einem Bauernhaus, das noch innerhalb der Umfriedung lag. Bestimmt gab es eine Tür in dieser Mauer und einen daran anschließenden Feldweg, über den man in friedlichen Zeiten – von denen es früher wohl nicht allzu viele gegeben hatte – die landwirtschaftlichen Erzeugnisse des Hofes nach unten in die Stadt gebracht hatte. Ein steinernes, ziemlich verwittertes Wappen prangte am Tor zur Villa, keines, das der Maresciallo kannte. Beim Betreten des Hauses nahm er Schirmmütze und Sonnenbrille ab. Noch immer hörte er lautes Weinen, aber es klang jetzt ein wenig ruhiger und wurde von leisem Gemurmel unterbrochen. Ein moderner, grauer Steinfußboden, ein neues, schmiedeeisernes Treppengeländer, glatte, graue Stufen, die nach unten in die Küche führten. Reiche Leute, da stand ihm wohl Ärger ins Haus. Alles hing davon ab, welcher Staatsanwalt den Fall übernehmen würde. Beim Geräusch seiner schweren Schritte auf der Treppe schwoll das Weinen wieder an.

Es dauerte noch eine ganze Stunde, bis der Staatsanwalt endlich auftauchte. Und als er schließlich auf der Bildfläche erschien – sonnengebräunt, weißer Leinenanzug und kleiner[9] Schmerbauch unter dezent gestreiftem Hemd – , war das für den Maresciallo wie ein kräftiger Schlag in die Magengrube: Fulvio De Vita! Ganz offensichtlich war auch der Staatsanwalt nicht gerade entzückt, als er die dunkle, kompakte Statur des Maresciallo erkannte, die ihm den Weg versperrte. Sie reichten sich die Hände. Der Staatsanwalt war ein wenig außer Atem, als wäre er in halsbrecherischem Tempo hier heraufgejagt.

»Ah, Guarnaccia, ja, ja, ich erinnere mich …«

Ich auch, dachte der Maresciallo, ich auch, ganz besonders an unseren ersten gemeinsamen Fall. Damals war es auch August gewesen. Ganz klarer Selbstmord, hatte De Vita entschieden, weil er möglichst rasch seinen Urlaub hatte antreten wollen. Warum auch nicht, das Opfer damals war ja nur eine arme, unbedeutende alte Frau. Für diesen Fall hier würde er sämtliche Puppen, die ihm zur Verfügung standen, tanzen lassen.

»Entschuldigen Sie bitte, darf ich?«

Sie standen auf dem Treppenabsatz im zweiten Stock des Turms und traten einen Schritt zurück, um den jungen Carabiniere mit der Videokamera seine Arbeit machen zu lassen. Der Maresciallo beobachtete den Mann. Er machte eine Aufnahme von der weißen Kreidezeichnung auf den ausgetretenen, roten Fliesen, trat dann in das Zimmer und nahm jede Einzelheit sorgfältig ins Visier, Detail für Detail. Um ein Vielfaches gründlicher und rascher als das menschliche Auge. Der Maresciallo selbst hatte sich zuvor einen Weg durch das Wohnzimmer gebahnt, wo die Tote hinter der geöffneten Schlafzimmertür direkt vor dem Bett hingestreckt [10]lag. Er hatte nach eventuellen Lebenszeichen gesucht, obwohl ihm das beim Anblick der roten Schleifspur, die sie hinterlassen hatte, als sie sich von der Tür zum Telefon am Bett geschleppt hatte, höchst unwahrscheinlich erschien. Die junge Frau hatte das Telefon nicht mehr erreicht. Den Arm hatte sie schon danach ausgestreckt gehabt, die Hand lag auf dem geschwungenen Fuß des Nachttisches. Aber die Kugel in ihrem Hinterkopf musste sie abrupt aufgehalten haben. Vielleicht hatte sie versucht, den Nachttisch zu sich heranzuziehen. Ein Foto in einem silbernen Rahmen lag umgeben von zersplittertem Glas auf dem weißen Läufer.

»Können wir sie umdrehen?«

Der Kameramann machte Platz, und zwei Kriminaltechniker in weißen Schutzoveralls drehten die Tote um.

»Sie hat wenigstens vier oder fünf Kugeln im Bauch«, riefen sie dem Staatsanwalt zu.

»Hat die Schwester irgendwelche Spuren am Tatort zerstört, Maresciallo?«

»Nein, hat sie nicht. Als sie die Tür geöffnet und die Tote entdeckt hat, ist sie gleich wieder davongestürzt.«

»Hat sie denn nicht einmal nachgeschaut, ob ihre Schwester wirklich tot war?«

»Hat sie nicht, zumindest hat sie das so ausgesagt.«

»Und? Sagt sie die Wahrheit?«

»Ich denke schon. Hier draußen gibt es keine Blutspuren, es wäre aber ziemlich schwierig gewesen, in das Zimmer zu gelangen, ohne in Blut zu treten.«

»Aha, dann wissen wir also nicht, ob irgendwas gestohlen wurde, oder?«

»Richtig, mit Gewissheit können wir das jetzt noch nicht [11]sagen, aber es gibt keine Anzeichen, dass der Turm nach Wertgegenständen durchsucht worden ist.«

»Echte Profis haben es schon lange nicht mehr nötig, Wohnungen zu durchsuchen. Diebstähle in solchen Villen sind meist sorgfältig geplant, und oft genug steckt ein Auftraggeber dahinter. Manchmal haben sie es nur auf ganz bestimmte Sachen abgesehen.«

»Ja schon …«

»Aber?« Der Staatsanwalt musterte Guarnaccia angriffslustig. Der Selbstmord, der keiner gewesen war, war längst passé … und außerdem hatte der Maresciallo ja recht behalten! »Normalerweise müssen wir uns dann aber nicht um derlei Hinterlassenschaften kümmern …«

Die ›Hinterlassenschaft‹ war der Leichnam, der gerade in einen Metallsarg gehoben wurde. Ein weicher, weißer Morgenmantel, der ein wenig offenstand, stämmige, nackte Beine, blondes, offenes Haar.

Mit einem Nicken stimmte der Staatsanwalt dem Abtransport der Leiche zu, und wieder mussten sie auf dem Treppenabsatz zurücktreten, als der Sarg nach draußen gebracht wurde.

»Professor Forlis Assistent …«, der Maresciallo tastete nach dem Notizbuch in der Brusttasche des blauen Hemds, »hat, von der Körpertemperatur ausgehend, als ungefähre Todeszeit neun Uhr morgens genannt. Keine Totenstarre, keine Leichenflecken. Der Mörder hat so lange gewartet, bis – «

»Ja, ja, danke. Wenn ich den vollständigen Bericht habe, dann … Was ist mit der Familie?«

Der Maresciallo blätterte zurück.

[12]»Die Schwester der Toten, Silvana Paoletti, lebt mit ihren Eltern in der Villa. Sie ist hergekommen, um Piero, ihren Neffen, abzuholen. Piero ist drei Jahre alt. Sie wollte ihn um Viertel nach acht in den Sommerhort bringen, weil seine Mutter, das Opfer, arbeiten musste. Silvana hat den Jungen im Hort abgeliefert, ein paar Erledigungen in der Stadt gemacht und ist dann hierher zurückgekommen. Beim Anblick ihrer toten Schwester ist sie schreiend geflüchtet.«

»Warum hat das Mädchen Sie angerufen und nicht einfach den Notruf der Polizei?«

»Sie war es ja gar nicht, die angerufen hat. Silvana ist nach draußen auf die Straße gerannt und hat geschrien wie am Spieß. Die Nachbarin von gegenüber hat gerade Blumen gegossen und das Mädchen in ihr Haus gebracht. Dann hat sie mich angerufen, wir kennen uns. Das war um zehn Uhr siebenunddreißig. Anschließend ist sie mit Silvana wieder hierher und hat mit ihr zusammen auf mich gewartet, denn das Mädchen war völlig außer sich. Die beiden sind aber nicht wieder nach hier oben gegangen.«

»Und wer, bitte schön, ist diese Bekannte von Ihnen?« Mit einer kurzen, unverhohlenen Musterung von Kopf bis Fuß gab der Staatsanwalt Guarnaccia deutlich zu verstehen, welche Art Bekannte seiner Ansicht nach ein Mensch wie er in dieser Gegend nur haben konnte. »Ist sie Angestellte dort?« Das Haus auf der anderen Straßenseite war etwas kleiner als die Villa und wahrscheinlich gerade mal knapp hundert Jahre alt, dennoch war es ein eindrucksvolles, herrschaftliches Gebäude.

»Nein, keine Angestellte …« Guarnaccia stopfte das Notizbuch in die Tasche zurück und schloss bedächtig den [13]Knopf. »Sie ist die Hausherrin.« Er machte sich nicht die Mühe, dem Staatsanwalt zu erläutern, dass er der Frau damals geholfen hatte, als ihr Sohn den Wehrdienst bei den Carabinieri ableisten wollte, denn er schämte sich ein wenig. Er saß nun wirklich nicht mit Leuten an einem Tisch, die sich ein Haus in einer der kostspieligsten Gegenden von Florenz leisten konnten. Ganz im Gegenteil, im Augenblick saß er mit gar niemand an einem Tisch. Seine Laune sank unter den Gefrierpunkt, als er an den Abend dachte, den er wohl wieder allein verbringen würde.

»Und die Mutter?«

»Sie steht ganz offensichtlich unter Schock. Ihr Mann hatte einen leichten Schlaganfall und liegt im Krankenhaus. Und jetzt auch noch das … Sie hat tief und fest geschlafen, als Silvana mit der Nachbarin kam, um ihr von dem Unglück zu erzählen. Selbst als ich hier eintraf, war sie noch immer ganz benommen. Ist wohl besser, ich spreche morgen mit ihr.«

»Ja, tun Sie das … oder nein, warten Sie, vielleicht sollte ich das besser übernehmen … schließlich müssen Sie sich ja auch noch um Ihre Station kümmern – Palazzo Pitti, nicht wahr?«

»Ja.«

»Gut, dann rede ich morgen mit ihr. Das spart Ihnen Zeit. Das Opfer war also nicht verheiratet? Gut, aber schaffen Sie mir trotzdem den Mann aus ihrem Leben herbei, den Vater des Kindes, ihren Freund, den Mann, mit dem sie ausgegangen ist. So was kann man nicht geheim halten. Irgendjemand wird was wissen. Konzentrieren Sie sich darauf.«

[14]»In Ordnung, ja, ich kümmer mich drum. Lorenzini, mein Stellvertreter, kommt demnächst wieder aus dem Urlaub zurück. Es wird also keine Probleme geben, wenn ich …«

»Alles klar.« De Vita starrte in das Zimmer, in dem noch immer zwei Kriminaltechniker arbeiteten, einer sammelte mit einer Pinzette etwas vom Boden auf, der andere untersuchte das Fensterbrett unter einem offenen Fenster. Doch schien sich der Staatsanwalt nicht sonderlich für die Arbeit der beiden zu interessieren. Er starrte einfach nur gedankenverloren vor sich hin, eine steile Falte auf der Stirn. Die Spitzen der beiden Zypressen streckten sich dem Himmel entgegen, regungslos wie zwei Wachposten. In dem großen Schlafzimmer stand die Luft. Nur ein Fenster war geöffnet. Die Morgensonne brannte heiß ins Zimmer, strahlte wie ein Scheinwerfer das weiße, ungemachte Bett an, das auf der einen Seite mit zahllosen kleinen, roten Sprenkeln übersät war. Die Türen zum Bad und zum Kinderzimmer standen offen. Der Staatsanwalt fixierte noch immer gedankenverloren denselben Punkt. Bestimmt überlegt er gerade, wie er mir den Fall am geschicktesten wieder entziehen und an jemand anderen übergeben kann, schlussfolgerte Guarnaccia. Er wusste nur zu genau, was der Staatsanwalt von ihm hielt, hatte seine Worte keineswegs vergessen, die der Mann ihm vor Jahren hinterhergerufen hatte:

»Dieser Kerl, begreift nichts, aber auch rein gar nichts!«

Zugegeben, im Reden war er nicht sonderlich gut, und der Staatsanwalt war nicht der Erste, der deshalb die Geduld mit ihm verloren hatte, und würde mit Sicherheit auch nicht der Letzte bleiben. Was soll’s, wenn De Vita tatsächlich jemand[15] anderen auf den Fall ansetzte, umso besser. In letzter Zeit neigte er sowieso ziemlich häufig zu Verdrossenheit und Missmut, wahrlich keine gute Voraussetzung dafür, um reichen Leuten auf die Füße zu treten, die jederzeit ihre Verbindungen spielen lassen und jede Menge Ärger machen konnten.

»Gut.« Der Staatsanwalt hatte offensichtlich einen Entschluss gefasst. Er nahm die Aktentasche auf, die er zwischen den Beinen abgestellt hatte, und klopfte Guarnaccia auf die Schulter. »Alles klar! Sie suchen nach ihrem Freund … und bringen Sie die Schwester nach hier oben, wenn die beiden Jungs hier fertig sind mit ihrer Arbeit. Sie muss unbedingt nachsehen, ob was gestohlen worden ist. Ich erwarte Sie dann morgen mit dem Bericht in meinem Büro.«

Sie verabschiedeten sich mit einem Händeschütteln, und urplötzlich blitzten den Maresciallo strahlend weiße Zähne an. Das ungewohnte, breite Lächeln im Gesicht des Staatsanwalts beunruhigte den Maresciallo mehr als jeder Wutausbruch. Was hatte das zu bedeuten?

Man soll seine Mitmenschen nicht voreilig in Schubladen stecken. Möglicherweise hatte der Staatsanwalt inzwischen seine freundliche, mitfühlende Seite entdeckt. Auf jeden Fall hatte der Kerl viel zu weiße Zähne. Und sein Haar war gefärbt.

»Außerdem kann ich Männer nicht ausstehen, die wie eine Parfümerie riechen. Ich weiß, ich weiß, du sagst jetzt wieder, ich sei altmodisch. Na und? Ich bin altmodisch! Wo zum Teufel ist …« Er öffnete eine Schranktür nach der anderen und schlug sie krachend wieder zu, ohne richtig hineinzusehen;[16] so fand er natürlich nicht das Gesuchte. »O Teresa!«

Doch kurz darauf bald blieb er plötzlich wie angewurzelt mitten in der Küche stehen – die Schranktüren waren ihm ausgegangen.

»Und komm mir jetzt bloß nicht wieder damit, dass Männer nie was finden. Wenn die Sachen dort wären, wo sie hingehören, dann müsste man nicht suchen, dann wären sie nämlich einfach da.«

Das Telefon klingelte. »Wo zum Teufel …?« Er hatte das schnurlose Gerät aufs Bett gelegt, als er duschen war, falls sie …

Der Maresciallo eilte ins Schlafzimmer und ging ans Telefon, war dabei aber so wütend, dass er sich nicht einmal aufs Bett setzte, sondern stocksteif stehenblieb.

»Hallo?«

»Salva? Alles in Ordnung?«

»Nein, nichts ist in Ordnung! Ich dachte, du hättest eingekauft, bevor du geflogen bist. Der Salzstreuer ist leer.«

»Dann füll ihn halt auf.«

»Wie denn, wenn kein Salz da ist?«

»Im Schrank links neben der Abzugshaube, unterstes Regal. Hör mal, Salva, ich hab gestern ganz vergessen, dich zu fragen … hast du Capitano Maestrangelo noch mal auf die Wohnung angesprochen, von der er erzählt hat?«

»Ich hatte keine Zeit, mich um Wohnungen zu kümmern.«

»Ach Salva, du hast doch selbst gesagt, dass der August sehr ruhig ist, die beste Zeit, um ein solches Projekt in Angriff zu nehmen. Und außerdem mag ich es nicht, wenn du mich so anschreist.«

[17]»Ich schrei doch gar nicht!« Trotzdem senkte er gehorsam die Stimme. »Lass uns darüber reden, wenn du wieder zu Hause bist.«

»Aber der Capitano hat gesagt, wir müssten uns sofort darum kümmern.«

»Das ist doch totaler Blödsinn, wenn du nicht hier bist. Was soll ich mir eine Wohnung angucken, die dir hinterher vielleicht nicht gefällt?«

»Du könntest dir einen ersten Eindruck verschaffen, mir alles erzählen, vielleicht gibt es ja Pläne, dein Interesse bekunden … Außerdem ist es keine Frage von Gefallen oder Nichtgefallen; entscheidend ist einzig und allein, ob es eine gute Investition ist. Du könntest schon mal mit der Bank reden und fragen, wie viel Geld sie uns zur Finanzierung bewilligen würden.«

»Nein, nein, das klappt ja doch nicht, wir haben August, da ist der Filialleiter in Urlaub.«

»Der war schon im Juni in Urlaub. In der Karibik, falls es dich interessiert. Er wollte seiner Frau etwas Besonderes gönnen, nachdem sie diese schwere Operation überstanden hatte. Er hat gesagt, du sollst dich einfach melden, wenn du einen freien Tag hast. Er wird sich dann schon Zeit für dich nehmen.«

»Ich kann mir aber nicht freinehmen. Ich arbeite an einem wichtigen Fall.«

»Im August?«

»Ja, im August. Nicht alle Leute sind ans Meer gefahren und amüsieren sich dort.«

»Du hast gesagt, dass im August rein gar nichts passiert, abgesehen von ein paar Bagatelleinbrüchen in leerstehenden [18]Häusern. Sind die Einbrecher denn dieses Jahr nicht im Urlaub?«

»Offenbar nicht. Außerdem ist es kein Einbruch, sondern – «

»Willst du denn gar nicht wissen, wie es Nunziata geht?«

»Wie geht es ihr denn?«

»Sie ist wieder optimistischer, das ist das Wichtigste.«

»Bestimmt, weil du jetzt bei ihr bist.«

»Komm schon, Salva! Blas mir jetzt bloß keine Trübsal. Du hast es schließlich auch überlebt, als ich mich um deine Mutter gekümmert habe.«

»Damals war ich deutlich jünger.«

»Stell dich nicht so an! Die Jungs tun ihr richtig gut. Totò hat ihr gestern gesagt, sie sei seine allerliebste Lieblingstante. Und das hat er wirklich so gemeint. Du hättest ihr Gesicht sehen sollen!«

»Sie ist die einzige Tante, die er hat.«

»Das hat er auch gesagt! Gleich, als ihm das aufgegangen ist. Du kennst ja Totò. Er bringt sie immer zum Lachen. Sie wird übrigens schon am Montag operiert und muss nicht bis September warten, wie wir zuerst dachten. So was darf man nicht auf die lange Bank schieben.«

»Kommst du dann früher heim?«

»Kann ich jetzt noch nicht sagen. Das hängt davon ab, ob sie anschließend noch eine Chemo machen muss.«

»Könnte sie die nicht auch hier bei uns machen? Was ist, wenn die Schule wieder anfängt?«

»Mal sehen.«

»Speis mich nicht mit so was ab. Das kannst du mit den Jungs machen, aber nicht mit mir!«

[19]»Aber das ist genau das, was Nunziata von den Ärzten zu hören bekommt. – Hast du schon was gegessen?«

»Was hat das denn damit zu tun?«

»Du hast immer so schrecklich schlechte Laune, wenn du hungrig bist.«

»Ich habe keine schlechte Laune. Und ich hätte schon längst was gegessen, wenn ich das Salz gefunden hätte.«

»Ah, da fällt mir ein, dass ich dir ja noch was ganz anderes erzählen wollte. Hör mal …«

Und er hörte ihr zu, presste den Hörer so fest ans Ohr, dass es weh tat, nur um ihrer warmen Stimme ein bisschen näher zu sein. Von dem, was sie erzählte, bekam er nicht wirklich etwas mit.

»Concetto, der Briefträger … erinnerst du dich an ihn … die Wohnung des Gemüsehändlers an der Ecke der Piazza. Seine Schwester hat in derselben Firma wie Nunziata gearbeitet, aber sie hat gekündigt, als sie das zweite Mal schwanger geworden ist, und dann ist doch ihr Mann bei diesem Unfall gestorben … wie hieß der noch? Gleich fällt’s mir wieder ein … Wo war ich gerade? Ach ja, Concetto, jetzt weiß ich’s wieder. Seine Mutter wollte ihn immerzu verheiraten, ist nie auf die Idee gekommen, dass … nun ja, jetzt weiß sie’s und ist sehr froh … sie denkt wohl, sie könnte ihn jetzt für immer behalten, also kennt sie wohl noch nicht die ganze Geschichte …

Ich hab ihnen erlaubt zu gehen, aber nur unter der Bedingung, dass sie zusammenbleiben … ich will nicht, dass Totò dort allein herumläuft, und darum hab ich gesagt …

Ach ja, heute gibt’s einen Alberto-Sordi-Film um neun, der wird dich aufheitern …«

[20]Neun Uhr? Er hatte den Anfang verpasst, aber das machte nichts, er kannte den Film so gut wie auswendig. Spaghetti oder Fusili? Spaghetti, auf jeden Fall Spaghetti. Guarnaccia deckte den Küchentisch für eine Person, dieses Mal aber befreit von diesem hässlichen, dumpfen Gefühl der Einsamkeit in der Magengrube, das er so sehr fürchtete. Er spürte noch immer den Hörer an seinem Ohr, fühlte noch immer die Wärme ihrer Stimme durch seinen Körper fluten. Eine große Schüssel Pasta und ein Glas Rotwein würden ihm guttun, und anschließend würde er sich mit Alberto Sordi belohnen. Der Abend hatte plötzlich etwas Angenehmes. Er schloss das Fenster trotz der in der Pfanne dampfenden Sauce, um das Zirpen der Zikaden und die Dunkelheit des Boboli-Gartens auszusperren, die ihn doch nur an seine Einsamkeit erinnerten.

Er gehörte nicht zu jenen Männern, die allein nicht zurechtkamen, ganz im Gegenteil. Er kam sehr gut allein klar, das war wahrscheinlich das Problem. Als Teresa in Syrakus seine kranke Mutter gepflegt und er in Florenz gearbeitet hatte, war er über viele Jahre allein gut zurechtgekommen. Dabei hatten sie sich so viel vorgenommen gehabt, hatten so viele Pläne geschmiedet, doch seine Mutter war nach einem Schlaganfall bettlägerig geworden, und es folgten lange Jahre der Einsamkeit. Der reiche Mann im Krankenhaus war da besser dran. Nur ein leichter Schlaganfall, hatten sie gesagt, eine winzige Blutung. Musste jetzt auf seinen Blutdruck achten. Seiner war ja so weit ganz in Ordnung. Nur sein Gewicht … Besser, er konzentrierte sich auf den Fall. Hunger lenkt ab. Teresa sagte immer, dass er nur darauf achten müsse, nicht über die Stränge zu schlagen.

[21]Hmmm, einfach köstlich. Kein Wunder, schließlich hatte sie die Tomatensauce selbst gemacht … Er würde noch ein winziges Stückchen Butter dazugeben. Eigentlich sollte er darauf verzichten, aber schließlich musste er sich bei Kräften und bei Laune halten, damit er sich auf die Arbeit konzentrieren konnte. Dieser Fall würde eine ausgesprochen heikle Angelegenheit werden, und außerdem hatte er es gerade wirklich nicht leicht, so einsam und verlassen, wie er sich fühlte. Sonst hatte sich immer Teresa um seine Diät gekümmert.

»In all diesen Mahlzeiten ist nichts, was dick macht, wenn du nicht zu viel Brot dazu isst … Und denk daran, jeden Abend eine Portion aus der Tiefkühltruhe zu nehmen …«

Natürlich hatte er es vergessen, er hatte eben an Wichtigeres zu denken, und deshalb würde er wohl, bis sie wieder nach Hause kam …

Es war auch für Teresa nicht einfach gewesen, die kranke Schwiegermutter pflegen zu müssen, während ihr Mann weit weg in einer anderen Stadt sein Geld verdiente und sie weder unterstützen noch trösten konnte. Aber immerhin war sie nicht allein, die Kinder und seine Schwester Nunziata waren ebenfalls dort. Es brauchte schon zwei, um die alte Frau im Bett umdrehen zu können …

Jedes Mal, wenn er hier am Tisch saß und aß, so ganz allein, Abend für Abend, überfiel ihn die Einsamkeit, und auch jetzt war er ihr hilflos ausgeliefert.

Noch ein bisschen Käse. Er mochte ihn nur frisch gerieben, nicht aus einem Schüsselchen, das schon seit Tagen im Kühlschrank stand, wie es bei manchen Leuten und sogar manchen Restaurants der Fall war. Der Parmesan wurde [22]dann leicht sauer. Er liebte es, auf den Basilikumblättern zu kauen, und bat Teresa immer, sie ganz in der Sauce zu lassen. Die Jungs legten sie beiseite, und Teresa …

Verdammt! Er hatte ihr doch von dem urplötzlich so freundlich gewordenen Staatsanwalt erzählen wollen. Frauen kannten sich mit sowas viel besser aus. Vielleicht war dem Mann ja eingefallen, dass der Maresciallo recht behalten hatte, damals, bei dem sogenannten Selbstmord. Nein, nein, als ob De Vita daran auch nur einen Gedanken verschwenden würde, und selbst wenn, hätte er es in der Zwischenzeit längst vergessen, schließlich war das alles schon Ewigkeiten her. Aber diese Sache hier würden sie auf keinen Fall vorschnell als Selbstmord zu den Akten legen, das funktionierte dieses Mal nicht; reiche Familien mochten keine Selbstmorde.

Er ließ den Morgen noch einmal Revue passieren und blieb bei De Vitas Feststellung hängen: ›Diebstähle in solchen Villen …‹

»Nein, nein …« Ein Stückchen Brot, nur ein kleines, um den Rest der Sauce aufzutunken.

Guarnaccia stand vom Tisch auf, spülte die Schüssel, die Gabel, das Glas und die große Pfanne. Da in der kleinen Pfanne noch immer ein Rest Sauce war, stellte er sie zurück in den Kühlschrank.

»Nein.« Natürlich, wenn die Familie, deren Wappen die Eingangstür zierte, noch immer dort wohnte, könnte das vielleicht der Fall sein, wegen der Gemälde und so. Aber in diesem Fall hier, nein, wirklich nicht. Noch bevor der Staatsanwalt überhaupt erschienen war, hatte sich Guarnaccia bereits dort umgesehen und sich ein Bild machen können.[23] Der Mann in der Privatklinik war offensichtlich reich genug, um sich eine solche Villa leisten zu können, aber die Bauarbeiten hinter dem Haus, der zweite Swimmingpool, das war nun wirklich nicht der Stil alten Florentiner Adels. Er hatte mit den Bauarbeitern gesprochen … nun ja, mit einem von ihnen, weil die anderen der italienischen Sprache nicht mächtig waren. Alles Rumänen, bis auf einen, der kam aus Marokko. Sie arbeiteten den ganzen August durch, bauten den Säulengang und die Nebengebäude hinter der Villa zu drei Luxuswohnungen mit gemeinsamem Garten und Swimmingpool um. Zwei der Wohnungen waren bereits verkauft. Leute aus Mailand, hatte der Bauarbeiter gesagt. Und dann war da noch diese Küche, vollgestopft mit dem modernsten Schnickschnack und den teuersten Geräten, die zu haben waren … Welten entfernt von einer Küche alteingesessenen Florentiner Adels. Soweit er wusste, zählten die sogar die Streichhölzer nach, die ihre Angestellten gebraucht hatten. Nein, nein …

Der Maresciallo überprüfte mit einem letzten Blick seine eigene, ordentlich aufgeräumte Küche, machte dann das Licht aus und kehrte in sein Büro zurück, wo die zwei oder drei Notizen vom Morgen auf dem Schreibtisch lagen und darauf warteten, in den Ermittlungsbericht aufgenommen zu werden. Eine ziemlich einfache Sache, zumindest war das früher mal so gewesen, bis ›das Ding‹ gekommen war.

›Das Ding‹, wie er es immer nannte, war ein Computer, der mitten auf seinem Schreibtisch thronte. Er hatte ihn ignoriert, solange es eben ging, aber neuerdings mussten alle Informationen in die Datenbank eingegeben werden, damit sie den Beamten im ganzen Land zur Verfügung standen. [24]Selbst die Tagesbefehle, die über ein Passwort nur ihm zugänglich waren, musste er dort eingeben. Ein höchst effizientes System, keine Frage.

Seufzend schaltete er das verfluchte Ding ein und wartete. Es war so unglaublich langsam. Inzwischen hätte er den halben Bericht im Zwei-Finger-Suchsystem eingetippt gehabt, aber nun blieb ihm nichts anderes übrig, als kurzen, heiteren Tonfolgen zu lauschen, während der Computer immer neue, hübsche Bildchen hochfuhr, ihm tausenderlei Möglichkeiten offerierte, die er alle nicht nutzen wollte, die immer gleichen Daten abfragte, und dann, gerade als er glaubte, er könne endlich zu arbeiten anfangen – ihm dringend empfahl, ein Antivirenprogramm herunterzuladen.

»Nein!« Verdammtes Ding! Was soll’s, er konnte das Programm ruhig laufen lassen, Zeit zum Nachdenken …

Über Mutter und Tochter, zum Beispiel. Die Tochter war wie alt? Er schaute das Geburtsdatum in seinen Notizen nach … fünfundzwanzig! Und hübsch obendrein, trotz des fleckigen, tränenüberströmten Gesichts. Schlanke Figur, das lange, dunkle Haar zum Pferdeschwanz gebunden. Kein Make-up, obwohl Spuren von Wimperntusche auf den tränenfeuchten Tüchern zu sehen gewesen waren, die sie auf dem großen Glastisch liegengelassen hatte. Also schminkte sie sich wohl doch hin und wieder. Vielleicht war sie ja am Abend zuvor aus gewesen. Sie hatte ein einfaches, geblümtes Sommerkleid getragen, das sie in Verbindung mit dem Pferdeschwanz wie ein kleines Mädchen aussehen ließ. Das hemmungslose Weinen hatte diesen Eindruck nur noch verstärkt. Es gab viele Arten zu weinen, und der Maresciallo hatte in den langen Dienstjahren eine Menge verschiedener [25]Arten kennengelernt. Die meisten Erwachsenen weinten unterdrückt, versuchten die Tränen zurückzuhalten, aber diese junge Frau hier hatte lautstark und ohne jede Zurückhaltung losgeweint, hatte Hilfe und Trost gesucht. Am liebsten hätte er ihr beruhigend über den Kopf gestrichen, so wie er es bei seinen Jungs tat, aber heutzutage musste man vorsichtig sein. Er hatte die Mutter abwartend angeschaut, doch die reagierte überhaupt nicht, die arme Frau. Kein Wunder. Sie stand wohl noch unter Schock. Eine Blondine, wie das tote Mädchen; zwar war das Haar gebleicht und inzwischen von grauen Strähnen durchzogen, aber die blassblauen Augen verrieten den Typ. Sie war einundfünfzig, sah allerdings älter aus, vielleicht wegen des Übergewichts. Kam ursprünglich aus Alto Adige, sprach aber wohl Deutsch, denn sie hatte einen deutschen Namen – Anna Wertmüller! Schon ein bisschen seltsam, die deutsche und die italienische Sprachgemeinde dort oben waren sich nicht gerade grün, und darum fand er es ziemlich erstaunlich, dass sie hierhergezogen war. Nun ja, er wusste nichts über die damaligen Umstände, und heute war wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, sich nach derlei zu erkundigen. Er hatte versucht, mit ihr zu reden, aber sie hatte ihn nur angestarrt wie ein kleines, verstörtes Kind, als erwarte sie von ihm gesagt zu bekommen, was sie tun solle. Was sollte er ihr sagen? Ihm fiel nichts weiter ein, als die weinende Tochter zu bitten, der Mutter etwas zur Beruhigung ihrer Nerven einzuschenken.

»Sie trinkt nicht!«, wehrte die Tochter noch immer weinend ab.

Besser, er versuchte morgen noch einmal, mit den beiden [26]zu reden, egal, was der Staatsanwalt meinte. Für ein Weilchen rief er sich das Bild der zwei Frauen ins Gedächtnis zurück, wie sie dort in der großen Küche saßen, die er so gar nicht mochte. Hohe, vergitterte Fenster, eine geschlossene Tür, die wahrscheinlich zu den Quartieren der Dienstboten führte. So ein Haus machte viel Arbeit, aber was für eine blöde, neumodische Idee, die Küche in den Keller zu verlagern! Früher war dieser Raum ein Weinkeller gewesen, die Gewölbedecke hatten sie erhalten. Und dieser schwache Geruch, der kam und ging … kaum, dass er ihn genauer zu bestimmen versuchte, hatte er sich auch schon wieder verflüchtigt. Wahrscheinlich völlig unwichtig, aber irgendwie mit unangenehmen Erinnerungen verbunden. Die feuchten Tücher, die sie unablässig zerknüllte, waren leicht parfümiert, aber das war nicht der Geruch, den er in der Nase hatte. Kurze Fingernägel, nicht lackiert …

Die tote Frau … er sah noch einmal in seine Notizen.

Daniela. Älter als ihre Schwester … siebenundzwanzig. Alleinerziehende Mutter … der Mann in ihrem Leben galt natürlich als der Hauptverdächtige, damit hatte der Staatsanwalt auf jeden Fall recht. Er würde die Männer, die der Capitano für diesen Fall abgestellt hatte, auch morgen noch brauchen. Den ganzen Tag hatten sie den Turm und dessen unmittelbare Umgebung abgesucht, aber sie hatten die Waffe nicht gefunden. Als Nächstes musste das gesamte Baugelände überprüft werden. Es musste getan werden, auch wenn Guarnaccia ziemlich sicher war, dass sie auch dort ergebnislos wieder abziehen würden. Warum sollte der Mörder die Waffe zurücklassen? Jemand, der den Nerv besaß, seinem Opfer in aller Ruhe eine Kugel in den Hinterkopf zu [27]jagen … Wenn der Täter in Panik ausgebrochen wäre, hätte er in dem Moment die Flucht ergriffen, als das Opfer zu Boden stürzte. Der Capitano hatte ihm voll und ganz zugestimmt, als er ihm abends telefonisch berichtet hatte.

»Ein eiskalter Typ. Bedenken Sie doch, wie lang sie gebraucht haben muss, um sich mit diesen Verletzungen vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer zu schleppen. Und er hat seelenruhig in der Tür gestanden und zugesehen … Haben Sie wirklich die fehlende Kugel nicht gefunden?«

»Tut mir leid, bis jetzt noch nicht.«

»Verdammt selbstsicher, der Typ. Hat genau gewusst, dass sein Opfer ihm nicht entkommen kann; und er hat in dem ganzen Zimmer tatsächlich keine einzige Spur hinterlassen?«

»Sieht ganz so aus.«

»Ein Profi, oder?«

»Nun ja …«

»Sie glauben, eher nicht?«

»Nein, nein, Sie haben bestimmt recht. Nur … einfach dazustehen und zuzusehen … er hätte sie doch sofort richtig erschießen können, oder? Zuzusehen, wie … dazu muss er sie wirklich gehasst haben … deswegen würde ich nicht ausschließen, dass … nein, natürlich, aber vielleicht haben Sie recht.«

»Sie waren am Tatort, Guarnaccia, und Ihr Gefühl hat Sie noch nie getäuscht – was uns dann zu einem Profi führt, der das Opfer aus persönlichen Motiven gehasst hat. Nun, so was kann es natürlich auch geben.«

»Ja, aber die Frau war eine junge Mutter, die ein sehr zurückgezogenes Leben geführt hat, es sei denn …«

[28]»Es sei denn, die Dinge sind nicht so, wie sie scheinen.«

»Ja, aber das finde ich heraus.«

Der Capitano hatte kein Wort über den zuständigen Staatsanwalt verloren. Er hatte nur etwa eine Sekunde verstreichen lassen, bevor er feststellte: »Sie werden schon zurechtkommen, da bin ich mir sicher.«

Der Capitano war ein äußerst diskreter Mann. Verdammt, der Capitano! Jetzt hatte er doch tatsächlich schon wieder vergessen, nach dieser Wohnung zu fragen … nun ja, eigentlich hatte er sowieso keine Zeit, irgendwelche Wohnungen zu besichtigen. Völlig unsinnig, dass er allein loszog. Ja, keine Frage, sie schoben es nun schon seit Jahren vor sich her, und irgendwann einmal mussten sie etwas tun, sonst kamen sie zu nichts, die Immobilienpreise stiegen und stiegen, und eines Tages, wenn er in Rente ging … Es war genau das Richtige. Etwas kaufen und vermieten, eine solide Investition, und bei steigendem Marktwert … – schön und gut, aber nicht ohne Teresa! Jetzt hatte er sowieso erst einmal diesen Fall am Hals, und damit war der Punkt ein für alle Male von seiner Tagesordnung gestrichen.

Um sich selbst zu beweisen, wie beschäftigt er war, legte er die Finger auf die Tastatur und starrte auf den leeren, dunklen Bildschirm. Da hatte dieses verdammte Ding Stunden gebraucht, melodiöse Tonfolgen erklingen zu lassen, nach Viren zu suchen und Gott weiß was sonst noch alles zu tun, und schaltete sich dann, nur weil es einen Augenblick lang keine Aufmerksamkeit erfahren hatte, einfach wieder ab.

»Ich hab es nicht nur ein Mal gesagt, ich hab es hundert Mal gesagt!«, bellte er nach Lorenzini, doch seine Worte [29]verhallten in der Stille; sein Stellvertreter befand sich noch immer mit seiner Familie am Meer.

»Jetzt reicht’s mir!« Guarnaccia zog die Haube über das Ding und verschloss sein Büro. Er würde den Bericht gleich morgen früh eingeben, jetzt wollte er sich den Rest des Filmes ansehen und anschließend ins Bett gehen. Und genau das hätte er auch getan, wenn es nicht schon weit nach Mitternacht und der Film nicht schon lange zu Ende gewesen wäre. Er schaltete den Insektenvernichter an und starrte mit großen, traurigen Augen auf das Nachbarbett und die unberührten, glatten Satinlaken.

[30]2

Der Arbeiter schaute ziemlich unglücklich drein. »Und was sagen wir unserem Boss?«

»Sie können doch nichts dafür, das ist schließlich eine Anordnung des Staatsanwalts. Am besten, Sie gehen jetzt alle nach Hause, bis wir hier fertig sind.«

»Uns werden nur die Arbeitsstunden bezahlt, wir haben gestern durch den Baustopp schon Zeit verloren. Er zahlt den Lohn eh zu spät, und jetzt wird er die Verzögerung als Vorwand nehmen, ihn noch länger einzubehalten.«

Keiner der anderen sagte ein Wort, schweigend starrten sie auf den Boden. Abgesehen von Cristiano, der legal aus Rumänien eingewandert war und fließend Italienisch sprach, hatten sich all die anderen Arbeiter bestimmt für einen Hungerlohn ohne jeglichen Vertrag verdingt. Es hatte ihnen einen ziemlichen Schrecken eingejagt, als die Männer des Capitano ihre Werkzeugkisten durchsucht hatten.

»Es tut mir leid, aber da kann ich leider nichts machen …« Dem Maresciallo tat es wirklich leid, aber die Suche nach der Mordwaffe würde noch mindestens einen Tag in Anspruch nehmen. »Und Sie sind wirklich sicher, dass keiner der Männer gestern Morgen einen Fremden hier gesehen hat? Dass sie das nicht einfach nur sagen, weil sie Angst haben, in die Sache verwickelt zu werden?«

[31]»Ich habe ihnen erklärt, dass es hier um Mord geht und sich niemand für ihre Privatangelegenheiten interessiert. Sie würden es mir sagen, wenn sie etwas wüssten. Sie vertrauen mir.«

Das bezweifelte der Maresciallo nicht. Cristiano war ein großer, kräftiger Mann, der keineswegs eingeschüchtert wirkte, und wie Guarnaccia strahlte auch er Ruhe und Verlässlichkeit aus.

»Außerdem war ich auch schon vor acht hier, und Sie sehen ja selbst, wie ruhig es hier oben ist. Hier hört man die Blätter fallen, ein Auto oder Schritte auf dem Kies hätten wir bestimmt nicht überhört.«

»Und was ist mit dem Ding da?« Der Maresciallo deutete auf den stillstehenden Zementmischer. »Nehmen Sie den morgens nicht als Erstes in Betrieb – und was ist mit dem Bagger? Als ich hier ankam, war der im vollen Einsatz.«

»Ja, stimmt … Wir sind gestern Morgen mit den Erdarbeiten fertig geworden, und gerade als der Bagger zurückgebracht werden sollte, haben Ihre Leute den Baggerführer gestoppt. Sie haben ihn durchsucht und Namen und Adresse notiert. Der Mann war darüber nicht gerade begeistert. Wenn der Boss das erfährt, rastet der aus, er muss für jeden Tag blechen, den die Maschine hier steht.«

»Der Bagger kann heute zurückgebracht werden. Was ist mit dem Zementmischer?«

»Jetzt wo Sie es sagen … ja, der lief von morgens acht, bis Sie gekommen sind … daran hab ich gar nicht gedacht …«

»Verstehe. Wenn der nicht gewesen wäre, hätten Sie die Schüsse bestimmt gehört und auch die Frau bemerkt, die schreiend aus dem Turm gerannt kam.«

[32]»Ja, da haben Sie recht, tut mir leid, das hatte ich völlig vergessen.«

»Schon gut, wem fallen schon Geräusche auf, die immer da sind?«

Der Unbekannte hätte natürlich auch die Nacht mit ihr verbracht haben können, aber bislang hatten die Experten keinerlei Hinweis auf sexuelle Aktivitäten entdeckt, und er hatte sie von der Tür aus erschossen …

»Was ist mit morgen? Können wir morgen wieder arbeiten?«

»Ich denke schon. Geben Sie mir Ihre Telefonnummer, für alle Fälle. Falls wir nicht fertig werden, rufe ich Sie heute Abend an.«

»Danke.«

Guarnaccia war zufrieden: Die Truppe war an diesem Morgen vollzählig zur Arbeit erschienen. Damit hatte sich der ohnehin recht unwahrscheinliche Verdacht erledigt, einer der verschüchterten Männer hätte eine Karriere als Dieb starten wollen, die ein katastrophales Ende genommen hatte.

Der Maresciallo wandte den Arbeitern den Rücken zu und machte sich auf den Rückweg. Vorsichtig setzte er einen Fuß auf die Bretter, die sie auf die frisch aufgeworfenen, lehmig gelben Erdhügel platziert hatten. Früher musste das hier ein wunderschöner Ort gewesen sein. Die Villa war bestimmt das einzige Gebäude auf dem bewaldeten Hügel gewesen, der nun von zahllosen kleinen, modernen Häusern und blau glänzenden Swimmingpools verunstaltet wurde. Guarnaccia hielt inne, hinter seinem Rücken registrierte er aufkommende Unruhe, Protest wurde laut.

Einer der Bauarbeiter, ein junger, dunkelhaariger Mann, [33]schien ziemlich verzweifelt zu sein. Aufgeregt gestikulierend redete er lautstark auf Cristiano ein. Der Maresciallo machte kehrt und sah, wie der Mann mit einem Stück Papier vor Cristianos Gesicht herumfuchtelte, doch als er den Beamten auf sich zukommen sah, wandte er sich abrupt ab und verfiel in Schweigen.

»Was ist los?«

»Nichts, Maresciallo, gar nichts … zumindest nichts, was Sie interessieren müsste. Unser Geld für Juli – das meiste jedenfalls steht noch aus. Ich musste unserem Boss die Pistole auf die Brust setzen, damit er uns wenigstens einen Teil auszahlt, aber den größten Batzen ist er uns schuldig geblieben. Vielleicht verstehen Sie jetzt, warum ich nicht gerade glücklich darüber bin, die Männer nach Hause schicken zu müssen. Ich hab noch was in Reserve, ich bin das gewohnt, aber Milo ist pleite. Wir hatten gehofft, dass der Boss heute vorbeikommt und uns auszahlt, zumindest hat er das versprochen.«

»Und was steht auf dem Zettel, mit dem er rumgefuchtelt hat?«

»Nichts …«

»Sagen Sie ihm, dass er ihn mir geben soll.«

Cristiano sprach leise mit dem anderen Mann, der dem Maresciallo daraufhin mit hochrotem Kopf das Stück Papier aushändigte. Der Maresciallo war zwar der darauf verwendeten Sprache nicht mächtig, aber er konnte erkennen, dass es sich um eine Einkaufsliste handelte, und ein Posten darauf war Babynahrung.

»Er soll einkaufen gehen, seine Frau hat ihm die Liste heute Morgen mitgegeben. Windeln und Brei fürs Baby und [34]so. Fünfzehn Euro hätten ihm gereicht, und wir haben doch gedacht, dass der Boss uns heute … Er wollte nach der Arbeit gleich in den Supermarkt, hat aber keinen Cent mehr in der Tasche. Wenn er jetzt mit leeren Händen nach Hause kommt, der Lohn für einen vollen Tag Arbeit futsch …«

Milo hielt den Kopf tief über die Werkzeugkiste gebeugt und packte mit zitternden Händen zusammen. Guarnaccia zog Cristiano auf die Seite, nahm ein paar Geldscheine aus der Tasche und reichte sie ihm. »Sagen Sie ihm, er soll einkaufen gehen. Ich hab hier noch länger zu tun, er kann es mir später zurückzahlen. Dann hätte ich gern die Telefonnummer von eurem Boss – ich werde mit ihm reden, ihm klarmachen, dass ich von nun an ein Auge auf ihn habe und keine Beschwerden mehr hören will. Er wird die Männer morgen auszahlen und ihnen ordnungsgemäße Papiere besorgen, keine Bange.«

»Danke, Maresciallo.«

»Wofür denn? Man tut, was man kann …«

Die Männer, die der Capitano zur Unterstützung geschickt hatte, hielten sich offenbar alle in der frisch ausgehobenen Swimmingpoolgrube auf. Sie arbeiteten schweigend. Einer von ihnen sah den Maresciallo kommen und zeigte ihm den Daumen nach unten. Dort würden sie mit ihren Metalldetektoren eh nichts finden, höchstens irgendwelchen Müll. Guarnaccia ging weiter. Während der Nacht hatte es gedonnert und wohl auch etwas geregnet, der Rasen und die Büsche waren noch leicht feucht. Jetzt aber erstrahlte der Himmel wieder in ungetrübtem Blau, und die Vögel zwitscherten. – Bitte, lieber Gott, gib, dass die Schwester mit dem Weinen aufgehört hat. – Er ging unter [35]einem Torbogen hindurch und an den im Umbau befindlichen Nebengebäuden vorbei. Wahrscheinlich waren das hier früher die Stallungen und das Kutscherhaus gewesen. Er hielt sich eng bei den Mauern, wo die hölzernen Dachtraufen den Kiesweg beschatteten, und kehrte so zum Haupthaus zurück. Der Garten mit den niedrigen, exakt getrimmten Buchsbaumhecken befand sich auf einer tiefer liegenden, in den Hügel eingeschnittenen Terrasse. Darunter gab es noch ein paar Weingärten, einen Olivenhain und etwas Weideland, umgrenzt von einer niedrigen Steinmauer. Nach der wochenlangen Hitze machten die Blumenbeete einen schlappen, ungepflegten Eindruck auf den Maresciallo, der sich ähnlich schlapp und ungepflegt fühlte. Was für Blumen auch immer die niedrig geschnittenen Hecken umsäumt hatten, sie waren vertrocknet oder auf dem besten Wege dorthin. Das bisschen Regen von gestern Abend hatte höchstens dem Unkraut frisches Leben eingehaucht. Ein wenig mehr Pflege und Aufmerksamkeit hätten dem Garten gutgetan. Nicht zu übersehen, dass es hier keinen Gärtner gab. Das mit Eisenbeschlägen verzierte Tor stand weit offen, so dass der Maresciallo die gepflasterte Auffahrt hinauf bis zum Haupteingang sehen konnte, den er gestern benutzt hatte. Er fühlte sich beobachtet. War da jemand am Tor? Nein. Irgendwo in der Auffahrt? Er ging ein wenig weiter, seine Schritte knirschten laut auf dem Kies, dann blieb er stehen. Immer noch dieses deutliche Gänsehautgefühl … aber wo …? Vielleicht gab es doch einen Gärtner.