Tom Prox 136 - Gordon Kenneth - E-Book

Tom Prox 136 E-Book

Gordon Kenneth

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Beschreibung

Die Nebelberge - eine Gebirgsregion mit höchsten Berggipfeln, mit idyllischen Wasserläufen und herrlichen Wäldern. Ein Paradies geradezu. Allerdings nicht für gestresste Großstädter und Erlebnisreisende, sondern für ein Klientel, das für die Schönheiten dieser Landschaft wohl kaum ein Auge haben dürfte. Nur die übelsten Halsabschneider sind es, die in diesem Labyrinth aus unzähligen großen, kleinen und kleinsten Schluchten, in der selbst geübte Westmänner schnell die Orientierung verlieren können, Unterschlupf finden.
Cora Laudon, die ungekrönte Königin der Nebelberge, bietet allen Gangstern und Gaunern, die ihre Herrschaft anerkennen, hier eine Zuflucht, die selbst für die besten Polizei-Kräfte der Staaten bisher unauffindbar scheint. Auch Tom Prox, Captain der berühmten Ghostsquad, und seine Männer tappen anfangs buchstäblich im Dunkeln ...


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Inhalt

Cover

Das Geheimnis der Nebelberge

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

Vorschau

Impressum

Das Geheimnisder Nebelberge

Von Gordon Kenneth

Die Nebelberge – eine Gebirgsregion mit höchsten Berggipfeln, mit idyllischen Wasserläufen und herrlichen Wäldern. Ein Paradies geradezu. Allerdings nicht für gestresste Großstädter und Erlebnisreisende, sondern für ein Klientel, das für die Schönheiten dieser Landschaft wohl kaum ein Auge haben dürfte. Nur die übelsten Halsabschneider sind es, die in diesem Labyrinth aus unzähligen großen, kleinen und kleinsten Schluchten, in der selbst geübte Westmänner schnell die Orientierung verlieren können, Unterschlupf finden.

Cora Laudon, die ungekrönte Königin der Nebelberge, bietet allen Gangstern und Gaunern, die ihre Herrschaft anerkennen, hier eine Zuflucht, die selbst für die besten Polizei-Kräfte der Staaten bisher unauffindbar scheint. Auch Tom Prox, Captain der berühmten Ghostsquad, und seine Männer tappen anfangs buchstäblich im Dunkeln ...

1. Kapitel

Als die Schwingtür in Bells Saloon zurückglitt, fiel der Lichtschein der gleißenden Texassonne in einem spitzen Dreieck auf den dunklen Steinholzfußboden des Lokals, und inmitten dieses Dreiecks erschien der lange Schatten eines Mannes.

Austin Ardisson, der an der Bar lehnte, fuhr herum und starrte auf den Eingang. Ihm war, als nahe dort das Schicksal in seiner unerbittlichen Gestalt. Sein dunkelbraunes Gesicht, von Wind und Wetter gegerbt, wurde grau. Langsam glitt seine Rechte zum Holster, in dem sein .36er-Colt steckte.

Sheriff Hunter stand neben Ardisson und unterhielt sich angeregt mit Bell, dem dicken Wirt. Als er die Veränderung im Gesicht seines Nebenmannes bemerkte, setzte er sein Glas nieder.

»Was ist, Ardisson?«

Der Gefragte lächelte verzerrt. »Ich glaube, Sie bekommen Arbeit, Sheriff«, antwortete er heiser.

Als Hunter sich umwandte, schlugen die Flügel der Tür gerade wieder zurück. Er sah dicht hinter dem Eingang einen Mann von vielleicht fünfundzwanzig Jahren stehen. Der Ankömmling war etwas über mittelgroß, schlank und breitschultrig und trug die Tracht der Weidereiter. Aus seinem schmalen, kühn geschnittenen Gesicht leuchtete ein Paar graue Augen in durchdringender Schärfe.

»Hallo, Austin!«, sagte der Fremde freundlich. »Ich denke, wir haben eine Kleinigkeit zu bereden. Willst du kurz mit mir hinauskommen?«

Der Mineningenieur Austin Ardisson gab sich einen Ruck. Langsam kehrte das Blut in sein blasses Gesicht zurück.

»Ich wüsste nicht, was wir uns zu sagen hätten, Jack«, erwiderte er. »Das Beste wird sein, du verschwindest von hier. In Morton-City ist kein Platz für deinesgleichen.«

Der Mann, der Jack genannt wurde, lächelte, aber in seinen Augen war keine Spur von Belustigung.

»So, kein Platz für meinesgleichen?«, wiederholte er. »Wie kommt es dann aber, dass man einem Dieb und Halunken von deiner Sorte, der obendrein noch ein niederträchtiger Judas ist, den Aufenthalt gestattet? Vier Jahre habe ich deinetwegen hinter Gittern gesessen, während du dir von dem gestohlenen Geld einen guten Tag nach dem anderen gemacht hast. Oder ist die Beute einfach so aus dem Versteck verschwunden, nachdem du mich verpfiffen hattest, du dreckiges Etwas?«

Der Ingenieur schluckte bei der schweren Beleidigung. Er würde für alle Zeiten in dem Minenstädtchen unmöglich sein, wenn er diese Beleidung auf sich sitzenließ.

All die Gäste, die Zeugen der Auseinandersetzung waren, starrten ihn an. Aber obgleich er die Hand auf dem Revolverkolben hatte, während sein Gegner mit lässig herunterhängenden Armen einfach nur dastand, wagte er nicht, die Waffe zu ziehen.

»Sheriff«, sagte er, »Sie werden mich für einen Feigling halten, doch Sie ändern vielleicht Ihre Meinung, wenn ich Ihnen sage, dass dieser Bursche dort Devil-Jack ist. Der Mann, der sich vor viereinhalb Jahren auf einer Felsenkanzel im Wasatch-Gebirge in Arizona sechs Tage lang fünfzig Mountain-Polizisten vom Leibe hielt und nur mit Tränengas überwältigt werden konnte.« Er hielt kurz inne. »Er ist der irrigen Ansicht, dass ich es war, der ihn damals den Rangern in die Hände spielte, und will nun hier mit mir abrechnen. Ich stelle mich unter den Schutz des Gesetzes.«

»Wird dir nichts nützen, du Schuft!«, erklärte Devil-Jack mit einem Grinsen, das seinen Beinamen erklärte machte. »Ich bin nicht aus dem Zuchthaus ausgebrochen und habe mich jagen lassen wie einen Wolf, um mich jetzt von einem kleinen Sheriff davon abhalten zu lassen, was zu tun ist. Zieh ... oder ich schieße dich nieder wie einen räudigen Hund!«

»Halt!«, donnerte Hunter. »Nehmt den Mann fest! Er hat gestanden, aus dem Zuchthaus ausgebrochen zu sein!« Und mit diesem Ausruf riss er seinen Revolver hoch.

Zu spät! Eben noch hatte Devil-Jack seine offenen Hände gezeigt. Jetzt aber blinkte in seinen beiden Fäusten der Stahl seines Colts.

Ardisson hatte bereits seine Waffe gezogen und ließ den Hahn springen. Auf Jacks linker Wange erschien ein blutroter Streifen von der Kugel des Ingenieurs. Aber während noch der Schuss dröhnte, verschmolz sein Knall mit denen zweier weiterer Schüsse.

Mit einem Schmerzensschrei griff Hunter nach seinem durchschossenen Arm und ließ den Revolver fallen. Austin Ardisson taumelte. Dann tasteten seine beiden Hände nach seiner Brust, ehe er lautlos vorn über zu Boden fiel.

Wie ein Wirbelwind fegte Devil-Jack herum und gewann mit einem langen Satz die Tür. Mit einem Fußtritt stieß er die Flügel auf und sprang die Stufen hinunter, die auf den hölzernen Plankengehsteig führten. Ein dritter Satz brachte ihn in den Sattel eines hochbeinigen Rappen, dessen Zügel lose um das Geländer der Veranda geschlungen waren.

Die Ereignisse hatten sich mit so unglaublicher Schnelligkeit abgespielt, dass die Zuschauer des Dramas noch wie gelähmt dastanden, als Jack mit einem schrillen Schrei seinem Pferd die Sporen einsetzte und in einer Staubwolke die Straße hinunterjagte.

»Was steht ihr herum wie die Ölgötzen?«, brüllte Hunter, weiß vor Schmerz und Zorn, indem er sein Halstuch herunterriss und um seinen blutenden Arm schlang. »Hinter ihm her! Er darf nicht entkommen!«

Dieser Appell brachte Leben in die Gäste. In wenigen Sekunden war die Kneipe leer. Und die Straße erdröhnte vom Hufschlag der Pferde, als die Reiter hinter dem flüchtigen Mörder herjagten.

Jack machte sich ihretwegen keine Sorgen. Sein ausgezeichneter Wallach hatte ihn in den vergangenen Wochen schon oft aus beinahe aussichtslosen Gefahren gerettet. Schwerlich konnten es die Pferde seiner Verfolger mit dem Rappen aufnehmen, der Lungen wie Blasbälge und Beine wie aus Stahl besaß.

Und nicht weit war es mehr zu den Nebelbergen, dem Reich der gesetzlosen Desperados, in deren unzugänglichem Schluchtenlabyrinth all die eine Zuflucht gefunden hatten, die dem Galgen verfallen waren, sobald sie in die Hände der Polizei gerieten.

Die Nebelberge reichen vom nordwestlichen Texas bis weit hinein nach New Mexiko. Sie stellen eine Gebirgslandschaft von so wilder Zerrissenheit dar, wie sie selbst im Westen der Vereinigten Staaten nur selten zu finden ist.

Da sich dort Erzabbau nicht lohnt, befindet sich dieser Gebirgsabschnitt noch in absoluter Unberührtheit. Es ist eine Felsenwildnis von riesigen Ausmaßen. Hier reiht sich Schlucht an Schlucht. Kein anderes Gewächs ist zu finden als stachelgespickte Kakteen.

Jack Croone, genannt Devil-Jack, erklomm einen Geröllhaufen, um nach seinen Verfolgern auszuschauen, doch musste er erst sein Fernglas zu Hilfe nehmen, um sie schließlich zu entdecken.

Vor dem Eingang der Schlucht zügelten die Männer ihre Pferde, und Jack sah, dass sie eifrig aufeinander einredeten. Er grinste höhnisch, denn er konnte sich denken, was dort besprochen wurde: keiner dieser Männer hatte wohl Lust, seinen Hals zu riskieren und die Verfolgung in den Nebelbergen fortzusetzen.

Selbst Polizeiabteilungen mit automatischen Waffen konnten es nur in Schwadronsstärke wagen, in diese Schluchten einzudringen, wo verborgene Schützen tausend Möglichkeiten hatten, aus dem Hinterhalt zuzuschlagen und dann spurlos zu verschwinden.

Jack Croone hatte richtig vermutet: Das Aufgebot aus Morton-City brach die Verfolgung ab. Nach kurzer Beratung wendeten die Reiter ihre Pferde und ritten zurück. Beruhigt, setzte der Desperado seinen Weg im Schritt fort.

Von der Hauptschlucht zweigten Dutzende von Seitenschluchten ab. Jack folgte unbeirrt dem Pfad.

Als er beim Anbruch der Dämmerung das Ende des Gebirgseinschnitts erreichte, sah er vor sich wieder drei Schluchten liegen. Unschlüssig hielt er seinen Rappen an.

Doch als er bemerkte, dass das Tier der mittleren zustrebte, gab er ihm die Zügel frei. Sogleich setzte sich der Wallach in Trab. Zweifellos hatte er Wasser gewittert.

Der abendliche Aufwind säuselte an den Basaltwänden empor. So vernahmen selbst Devil-Jacks scharfe Ohren nicht das leise Geräusch von Schritten.

Unwillkürlich riss er sein Pferd zurück, als aus der Dämmerung vor ihm plötzlich eine Gestalt auftauchte. Blitzschnell wollte er zum Revolver greifen, erstarrte aber mitten in der Bewegung, als er den hellen Klang einer Frauenstimme vernahm: »Seien Sie kein Narr, mein Lieber! Ich brauche nur den Hahn schnappen zu lassen, und Sie sind auf der Stelle ein toter Mann!«

Die Unbekannte hielt einen Revolver in der Hand, dessen Lauf genau auf das Herz des Desperados zielte.

»Steigen Sie ab und heben Sie die Hände!«, befahl die Frau. »Ich möchte Sie mir etwas näher anschauen, bevor ich Sie willkommen heiße – oder hängen lasse.«

»Um aufgehängt zu werden, brauchte ich nicht hierherzukommen«, erwiderte Jack. »Das konnte ich schon billiger haben. Eben aus dem Grunde, um mir eine Hanfkrawatte zu ersparen, bin ich in die Berge getürmt.« Er stieg aus dem Sattel und hob die Arme.

Die Frau war ein paar Schritte näher gekommen.

Jack Croones Gesicht verzog sich in jäher Überraschung, denn sie war von dämonischer Schönheit. Blauschwarzes Haar umrahmte ein klassisch schönes Gesicht mit strahlend blauen Augen, und der knappsitzende Reitanzug aus weißem Hirschleder zeigte ihre tadellose Figur.

Der Lauf des Smith & Wesson-Revolvers, den sie in der Rechten hielt, bewegte sich nicht um einen Millimeter, während sie den Desperado musterte.

Devil-Jack vergaß die unmissverständliche Bedrohung seines Lebens. Wie ein Wunder starrte er die Frau an, die höchstens so alt sein mochte wie er selber. Dann hob ein tiefer Atemzug seine Brust, und er machte die Andeutung einer Verbeugung.

»Entschuldigen Sie, dass meine Ehrerbietung nicht tiefer ausfällt«, sagte er. »Aber wenn ich so die Händchen in die Luft strecke, würde es aussehen wie eine Rumpfbeuge. Mein Name ist Jack Croone, besser bekannt als Devil-Jack.«

»Nach der Beschreibung, die ich von Jack habe, könnten Sie es sein«, erwiderte die schöne Unbekannte. »Ich brauche also wohl keine Bedenken zu haben. Sie sind mir willkommen. Ich bin die Königin der Gesetzlosen; man nennt mich Cora.«

»Erfreut, Sie kennenzulernen, Miss Cora«, sagte Jack.

Die Banditenkönigin überhörte die Phrase und wollte stattdessen wissen: »Weshalb kommen Sie hierher?«

»Ich schoss vor ein paar Stunden in einer Kneipe in Morton-City den Schweinehund über den Haufen, der mich ins Zuchthaus gebracht hat«, antwortete Jack, der dabei eiskalt wirkte. »Mit ihm zusammen plünderte ich vor ungefähr viereinhalb Jahren die Staatsbank von Arizona. Austin Ardisson war ein geschickter Ingenieur und hatte die Alarmanlagen außer Betrieb gesetzt. Wir hatten die Beute schon in der Tasche, als wir überrascht wurden. Bei der Flucht schoss ich einen der Wächter nieder und verwundete ihn schwer. Dann flohen wir in die Berge.«

Es schien, als ließe er die Bilder dieser Ereignisse noch einmal vor seinen Augen ablaufen.

»Da uns die Beute am Fortkommen hinderte, versteckten wir sie in einer Felsspalte und trennten uns. Es gelang mir zu entkommen. Aber als ich vier Wochen später das Geld abholen wollte, geriet ich in einen Hinterhalt und konnte mich nur mit knapper Not auf eine Felskanzel retten. Dort befand sich ein natürlicher Brunnenschacht, halb mit Wasser gefüllt. Munition hatte ich genug. Da ich ein ausgezeichneter Schütze bin, konnte ich mir die Polypen vom Leibe halten. Aber sie schickten nach Tränengaspatronen und räucherten mich am sechsten Tage aus.« Er grinste. »Und bei der Gerichtsverhandlung erfuhr ich, dass das Geld verschwunden war. Niemand anders als Ardisson konnte es genommen haben. Er war es auch, der die Polizei auf meine Spur geführt hatte. Ohne Zweifel wollte er die Beute für sich allein haben. Vier Jahre musste ich brummen, bevor es mir gelang, auszubrechen.«

Hass flammte nun in seinen Augen auf. Doch er war noch nicht fertig mit seinem Bericht.

»Man hatte mich zu zwanzig Jahren verurteilt. Sobald ich auf freiem Fuß war, hatte ich nur den einen Gedanken: mit Ardisson abzurechnen! Über einige gemeinsame Bekannte gelang es mir, seine Spur aufzufinden. Und jetzt hat er eben daran glauben müssen – das ist alles.«

»Immerhin genug, um Sie an den Galgen zu bringen«, erwiderte Cora, die unbewegt zugehört hatte. »Kommen Sie jetzt mit in meine Burg. Aber versuchen Sie nicht, mir den Hof zu machen. Viele haben das schon mit ihrem Leben bezahlt.«

Sie schob den Revolver in das Holster zurück und ging mit federnden Schritten in die Schlucht hinein. Nach kaum fünfzig Metern blieb sie stehen und stieß einen gellenden Pfiff aus.

Helles Wiehern antwortete.

Aus einer Seitenschlucht stürmte ein Weißfuchs hervor, wie Jack noch keinen gesehen hatte. Es war ein herrliches Tier.

Ohne die Steigbügel zu benutzen, schwang Cora sich in den Sattel und trieb den Hengst mit einem leichten Zuruf an. In dem tiefen Dämmerlicht, das in der Schlucht herrschte, sah Devil-Jack die Reiterin kurz darauf im Schatten der Felswände verschwinden. Wie aus einem Traum erwachend, sprang er gleichfalls auf sein Pferd und folgte ihr.

Zwei Stunden lang ging es im Trab durch das Gebirge; dann erschien die Mondsichel am Himmel.

Nun hielt Cora am Rande eines gähnenden Abgrunds. Sie befanden sich auf einer mindestens hundert Meter breiten Galerie, die überall senkrecht in die Tiefe abstürzte.

In diesem ungeheuren, beinahe kreisrunden Kessel ragte ein gewaltiger Felsenturm in den dunkelblauen, bestirnten Nachthimmel. Das geisterhafte Mondlicht wob bleiche Silberschleier um den Basaltriesen.

Cora deutete hinüber. »Dort liegt meine Burg«, sagte sie kurz.

»Aber wie hinüberkommen?«, fragte der Bandit, indem er sein Pferd dicht an den Felsrand trieb und in die Tiefe schaute, deren Grund er nicht erkennen konnte. »Können Sie etwa fliegen?«

Die Frau antwortete nicht. Stattdessen stieß sie den täuschend echt nachgeahmten Schrei einer Bergeule aus, und alsbald entstand drüben auf dem Felsen ein rasselndes Geräusch.

Devil-Jack sah zu seiner großen Überraschung aus einem langen Spalt im Felsen eine Art Zugbrücke zum Vorschein kommen, die sich an zwei straff gespannten Drahtseilen über den wohl dreißig Meter breiten Abgrund legte. Kaum berührte sie den diesseitigen Felsrand, als Cora auch schon auf die Planken ritt.

»Kommen Sie!«, befahl sie.

Ohne zu zögern, folgte ihr Jack.

Jenseits der Brücke setzte sich der Spalt in einer Höhle fort, die nach wenigen Schritten eine Biegung machte. Der Bandit sah Licht schimmern und hörte das Schnauben von Pferden. Wenige Augenblicke später stand er in einer gewölbten Grotte von beträchtlicher Größe, die man als Stall eingerichtet hatte. Box stand hier an Box, und wohl drei Dutzend Pferde waren darin untergebracht.

Vor einem der Verschläge stand Cora und sah zu, wie ein baumlanger Mestize ihren Weißfuchs absattelte. Als sie Devil-Jack herankommen hörte, wandte sie sich um und bedeutete ihm, sein Pferd in einer der leeren Boxen unterzubringen.

»Ein großartiger Schlupfwinkel«, lobte Jack, nachdem er seinen Rappen versorgt hatte. »Hausen hier alle Boys der Nebelberge?«

»Nur meine engeren Vertrauten«, antwortete die Banditenchefin. »Die anderen haben außerhalb der Burg ihre Behausungen. Aber jeder kennt diesen letzten Zufluchtsort. Wenn es wirklich einmal geschehen sollte, dass sie aufgestöbert und gejagt werden, versuchen sie sich hierher zu retten. Wir haben Proviant für Jahre in dieser natürlichen Festung. Weder mit Bombenfliegern noch mit Artillerie kann man uns hier beikommen. Diese Felsenfestung ist uneinnehmbar.«

»Und außer den Gesetzlosen hat niemand eine Ahnung von der Existenz der Burg?«

»Niemand. Deswegen ist es ganz unwahrscheinlich, dass wir hier je belagert werden könnten. Sollte wieder einmal eine Schwadron Polizei die Nebelberge durchkämmen und durch Zufall hierherkommen, so würden die Polizisten doch nicht auf den Gedanken kommen, dass dieser Felsen bewohnt ist. Die Zugbrücke ist so raffiniert getarnt, dass sie von drüben nicht gesehen werden kann.«

Jack Croone folgte ihr durch einen zweiten Höhlengang, der sich ins Innere des Felsens fortsetzte. Er sah, dass man hier mit dem Meißel nachgeholfen hatte, und kam an seitlichen Öffnungen vorbei, die mit Bastmatten verhangen waren, durch deren Ritzen helles Licht schimmerte. Aus diesen Räumen klangen Männerstimmen.

Am Ende des Höhlenganges schlug Cora eine schwarze Portiere zurück.

»Hier werden Sie wohnen«, erklärte sie und war verschwunden, noch bevor Devil-Jack zu einer Entgegnung hätte ansetzen können.

2. Kapitel

Der Telegrafist Garry Hobson hielt Zwiesprache mit sich selber, unter Assistenz seiner Whiskyflasche, die er schon zur Hälfte geleert hatte.

Momentan befand er sich außer Dienst und beobachtete aus dem Fenster seines Pensionszimmers, wie das Wasser des Rio Grande in der Sonne flimmerte. Aber in Hobson rumorte nicht nur der Alkohol, sondern auch die sich widersprechenden Stimmen zweier gegensätzlicher Persönlichkeiten kämpften gegeneinander.

»Wenn du es tust, bist du ein Lump«, sagte soeben der anständigere Mr. Hobson und hob gegen sich selbst warnend den Zeigefinger.

»Bah«, rülpste der innere Schweinehund, »Lump hin, Lump her! Dreitausend Silberne sind dreitausend Silberne. So viel Zaster hast du noch nie auf einem Haufen beisammen gehabt, alter Hobson! Rechne dir aus, was du dafür saufen kannst! Und die schöne Bessy im ,Grünen Papagei' wird dir um den Hals fallen, wenn du ihr endlich das Armband schenkst, das sie schon lange haben möchte. Sei kein Esel! Eine Gelegenheit, so leicht zu Geld zu kommen, gibt es nicht gleich wieder.«

Während Hobson noch abwägte, klopfte es an die Tür.

»Come in!«, rief er, empört darüber, in seinen wichtigen Gedanken gestört zu werden.

Die Tür öffnete sich. Hereinspazierte ein Gentleman, der aussah, als galoppiere die Schwindsucht im letzten Stadium mit ihm geradenwegs auf das Grab zu. Die Hosen flatterten ihm um seine dürren Beine, und als er sich unaufgefordert auf einen Stuhl niederließ, glaubte Mr. Hobson, die Knochen klappern zu hören.

»Gerechter!«, stieß der Telegrafist hervor. »Du bist die magerste Bohnenstange, die mir je im Leben begegnet ist. Ich habe gehört, dass einem die Versuchung immer in verführerischer Gestalt naht. Nun, hier kann man das nicht behaupten.«

Der klapperdürre Besucher lachte meckernd und fischte eine Brieftasche aus seinem Jackett.

»Aber ich hab's in mir!«, erklärte er fröhlich. »Hier sind sie, die lieben guten Scheinchen! Schon abgezählt und alle echt.« Das Klappergestell grinste. »Du kannst sie haben, sobald du mir die Klartexte der Telegramme deiner Dienststelle auf den Tisch legst. Gehst kein Risiko dabei ein. Von uns wird sich jeder hüten, dich zu verraten, und sonst erfährt kein Mensch etwas. Da gibt es doch nichts zu überlegen!«

Um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, öffnete er die Brieftasche und begann bedächtig einen Fünfzigdollarschein nach dem anderen auf den Tisch zu zählen.

Gebannt sah ihm Hobson zu.