Torelli Aquarelle - Kurt Dröge - E-Book

Torelli Aquarelle E-Book

Kurt Dröge

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Beschreibung

Neben der massenhaft gedruckten Bildpostkarte und als eine Art kleine Gegenbewegung zu ihr hat es zwischen etwa 1900 und 1930 die von Hand gemalte Postkarte gegeben, die in Serie hergestellt wurde. Ihre wirtschaftliche Bedeutung war vergleichsweise gering, aber sie war auf dem Postkartenmarkt überall vertreten. Seriell handgemalte Postkarten verfügen über eine gewisse Aura des originalen Kleinkunstwerkes, wirken aber naiv und wie von Kinderhand gemalt. Sie haben wohl Sehnsüchte nach Harmonie und Idylle bedient und sind bisher nicht systematisch gesammelt worden. Mit dem Kunstverlag Torelli in Berlin, später Dresden, stellt das Buch beispielartig einen von zahlreichen Kleinstverlagen vor, der sich zwischen 1912 und etwa 1924 der Produktion und dem Vertrieb von seriell handgemalten Postkarten gewidmet hat. Der Text und die Bilderauswahl verstehen sich auf der Basis einer umfangreichen Sammlung als Vorstufe zu einer Gesamtdarstellung, auch unter sozialgeschichtlichen und popularästhetischen Gesichtspunkten.

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Das niedere Bild

Inhalt

Einführung

Seriell handgemalte Postkarten

Kinderkram?

Erste Belege und Postkarten-Unikate um 1900

Allgemeine Fragen und Aspekte

Torelli Aquarelle

Der Beginn 1912:

Kunstverlag Torelli

Künstlerkarten von Torelli als Sammelobjekte

„Namenszug gesetzlich geschützt“

Antikisierende Symbolik

Otto Peters, Berlin

Kriegskarten

Rückseiten-Druck

Oelmalerei

Sujets

Nachkriegs-Veränderungen

Zypressen in anonymer Landschaft

Fräulein Gertrud Bärwald

Torelli-Kunst-u. Verlags-Anstalt

Torelli als Beispiel

Benutzte Quellen und Literatur

Nachwort: zu diesem Buch in einer kleinen Reihe

Einführung

In einem großen Feld irgendwo zwischen der massenhaft gedruckten Bildpostkarte sowie der besonderen, „echten“, gemalten Künstlerpostkarte mit Unikat-Charakter hat es zwischen etwa 1900 und 1930 von Hand gemalte Postkarten gegeben, die in Serie hergestellt wurden und zumeist einen ausgesprochen naiven, zuweilen geradezu „kindlichen“ Eindruck erwecken.

Diese seriell handgemalten Karten wurden komplett mit manuellen zeichnerischen Mitteln, zwar mit Hilfsmitteln wie Schwämmen, Stempeln oder Schablonen, aber ohne maschinelle Hilfe gefertigt. Sie sollten nicht mit partiell handkolorierten – gedruckten – Bildpostkarten verwechselt werden. Ihre exakte Verortung in einem Begriffsfeld zwischen Heimarbeit, Handwerk, Kinderbild, Kunsthandwerk, Volkskunst, Fabrikkunst, Naiver Kunst und Laienmalerei bleibt noch zu leisten.

Der Kunstverlag Torelli O.P. in Berlin ist einer von zahlreichen Kleinverlagen gewesen, der gezielt seriell von Hand gemalte Postkarten produziert und in den Handel gebracht hat. Die meisten Postkartenverlage mit „Handmalerei“ sind sehr klein gewesen, wie sich an der Zahl der erhalten gebliebenen Karten in etwa festmachen lässt. Wenige große Verlage versuchten sich in einer Nebensparte ebenfalls an diesem Metier, welches sich aber zumeist wohl als nicht lukrativ genug erwies. Im Umfeld der vielen spezialisierten Kleinverlage hat Torelli in den Jahren um den 1. Weltkrieg wohl zu den wichtigeren, jedenfalls bekannteren gehört.

Beispielhaft sollen hier anhand der überlieferten Karten von Torelli sowie einzelner historischer Quellen zur konkreten Entwicklung dieses Verlages die seriell handgemalten Postkarten als größeres Thema mit vielfältigen Fragen und Aspekten in den Blick kommen.

Die Darstellung beruht auf einer Sammlung von insgesamt mehreren Tausend seriell handgemalten Karten und darin deutlich mehr als 100 Exemplaren von Torelli. Ihnen und der individuellen Verlagsgeschichte gilt hier das Hauptinteresse. Berührt werden sollen anhand des konkreten Beispiels mentalitätsgeschichtliche Fragen der Popularästhetik einschließlich weiterer auch technik- und sozialgeschichtlicher Themenkreise einer Produktion von Kleinkunst im Sinne der miniaturartigen Schaffung einer Aura originaler Gemälde – zumindest ein Stück weit auch als Gegenbewegung zur massenhaft verbreiteten Reproduktionskunst.

Seriell handgemalte Postkarten

Parallel zur Genese und vor allem zur geradezu revolutionär anmutenden Ausbreitung der gedruckten Bildpostkarte seit dem späten 19. Jahrhundert (vgl. Haack) ist ab etwa 1900 als zahlenmäßig kleine Gruppe die von Hand gemalte, jedoch seriell gefertigte Postkarte entstanden. Sie wirkt häufig naiv bis kitschig, wie von Kinderhand gestaltet, und bildete über etwa ein Vierteljahrhundert hinweg ein spezifisches Metier innerhalb der Postkarten-Produktion, über welches bisher so gut wie nichts bekannt ist.

Die in Serie handgemalte Postkarte zeigt in der Regel eine Landschaftsansicht, nur gelegentlich auch Blumenzeichnungen. In ihrer Machart könnte man sie als eine Nische oder auch Mischung bezeichnen zwischen der Ansichts- und der Motivpostkarte, auch zwischen der bunten Massenproduktion von gedruckten Karten und der „echten“, handgemalten Künstlerkarte als Unikat. In wirtschaftlicher Hinsicht stellte sie zu jeder Zeit ein relativ kleines Marktsegment dar, das aber allgemein bekannt, weit verbreitet und nicht ohne Bedeutung war.

Die Geschichte der seriell handgemalten Postkarte beginnt in den Jahren um 1900 und endet im Verlauf der sich vollendenden 1920er Jahre (mit wenigen späteren Nachläufern oder Nachahmungsversuchen). Zahlreiche Postkartenverlage haben sich an der Herstellung dieser Karten beteiligt. Dabei ist die Zahl der unbekannten Verlage, deren erhalten gebliebene Karten keinerlei Hinweis auf ihre Herkunft enthalten, wohl noch größer als diejenige namentlich genannter oder erschließbarer Produzenten oder Vertriebsquellen. Für einige „Große“ der Branche haben handgemalte Karten allenfalls zuweilen oder phasenweise eine Art Nebenverdienst dargestellt. Die meisten Kleinverlage sind bisher nur in Gestalt von Verlagslogos und abgekürzten Verlagsbezeichnungen oder Initialen fassbar, die noch der Auflösung harren.

Frühe, in Serie handgemalte Postkarte aus dem Leipziger Verlag Vögele & Schulze, der auch als Kartografische Anstalt und Plandruckerei tätig war, mit vorgedrucktem und geprägtem Jugendstil-Rahmen, kurz nach 1900

Am schwierigsten ist es freilich, den Herstellungsumständen der Karten auf die Spur zu kommen. Quellen hierzu sind bisher nicht oder kaum aufgefunden worden. Es darf davon ausgegangen werden, dass die Karten zumeist nicht in den Klein- oder Kleinstverlagen selbst entstanden sind, sondern in Heim- oder Lohnarbeit von kleinen Werkstätten oder auch Einzelpersonen in Privaträumlichkeiten gefertigt wurden.

Es gibt bisher nur eine Möglichkeit, sich diesem – sowohl technologisch als auch ästhetisch: spezifischen – „Genre“ innerhalb der Postkarten-Kultur zu nähern: über die originalen Karten selbst, die im Handel allerdings nur außerordentlich selten auftauchen und auch in älteren Sammlungen kaum vorhanden sind.

Das mehrjährige Sammeln solcher seriell handgemalter, auch gleichartiger Karten hat einen Fundus ergeben, der Ansatzpunkte für die Erforschung dieser „naiven“ Malerei, die nicht unpopulär gewesen ist, bietet sowie ihrer Verbreitung. Diese darf sicher als international, ja weltweit bezeichnet werden, denn nicht nur aus Europa, sondern auch aus den USA und aus Japan und China liegen einschlägige Belegstücke vor.

Das vorliegende Buch lässt die Frühgeschichte dieses Metiers der Jahre um 1900 noch beiseite, in welchen offenbar einige größere Verlage das Bild bestimmt haben, bevor der Markt sich intensiv auffächerte (vgl. Luers). Die Darstellung greift mit den Karten und der Geschichte von Torelli einen Kleinstverlag heraus, der zwischen etwa 1912 und 1924 handgemalte Karten vertrieben hat, und versucht ihm beispielhaft mit den Methoden historisch-kulturkundlicher Forschung und Quellenauswertung auf die Spur zu kommen. Die Beschreibung versteht sich als Vorstufe zu einer noch zu leistenden dokumentarischen und analytischen Gesamtdarstellung.

Kinderkram?

Die seriell handgemalte Postkarte muss nach vorherrschender Lehrmeinung als ein verkitschter, niedlicher Kinderkram bezeichnet werden und ist danach „keine Kunst“. Sie zeigt die naive Freude an Farben, an Natur und an einfachen Formen, und die Art ihrer Wiedergabe entspricht wohl in der Tat dem kindlichen Wahrnehmen von undifferenziert gestaffelter Naturlandschaft, von Wiesen, Bäumen und Blumen, Seen, Bergen und dem Meer, mit zeichenartig und schlichtestmöglich wahrgenommenen kulturlandschaftlichen Einsprengseln wie Straßen, Wege oder Häuser.

So entsteht eine bewusst anspruchslose, aber darin ehrlich und authentisch wirkende manuelle Gestaltung, in welcher eine Tiefe mit einfachsten Mitteln einer Flächengliederung zumindest ansatzweise erstellt wird. Die Gestaltung täuscht Kreativität vor, befriedigt ein unreflektiertes Bedürfnis nach Stimmung und bedient sich dabei der sehnsuchtsvollen Rückerinnerung an selbsterlebte kindliche Sehgewohnheiten, Malversuche und Bewusstseinszustände.

Wenn man aber alles Kunst ansehen kann, was fiktionale Brechungen der Wirklichkeit schafft, gestalterischem Auftrag oder Bedürfnis entspringt und bestimmte Formen handwerklicher oder zeichnerischer Fertigkeit voraus setzt, dann handelt es sich nach einer anderen oder zumindest etwas erweiterten Lehrmeinung auch hier um Kunst, vielleicht um so etwas wie einfache, schlichte, vielleicht: schlechte, oder: niedere Kunst. Eine seriell handgemalte Postkarte wäre dann also ein niederes Bild, so wie auch viele andere oder vergleichbare Ausformungen. Dieser Ausdruck ist hier gemeint ohne negativen Beigeschmack, sondern mit einer eher trotzigen Konnotation und durchaus mit Nähe zum Kinderbild (vgl. Schenda). So angesprochen will also auch das niedere Bild in seiner ästhetischen Wirkung und unabhängig von seiner ästhetischen Bewertung ernst genommen werden (vgl. Harvolk).