Vieh - Thomas Reich - E-Book

Vieh E-Book

Thomas Reich

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Beschreibung

EKELFAKTOR: BRAUNER SPLATTER AUF DEM BAUERNHOF! Martin Knöpfle gestaltet die Natur nach seinen Regeln. Zwischen Stall und Weide verlierst du dein Menschsein. Er melkt dich, wenn er es für richtig hält. Füllt deinen Trog mit Futter. Wenn die Nacht über den Hof hereinbricht, gehörst du ihm mit Haut und Fell. Auch die fäkalen Bedürfnisse kommen dabei nicht zu kurz. Dein Blut für meinen Acker, dein Fleisch für mein Vieh! GÜLLE UND GRAUSAMKEIT Ein erster Klecks tropfte aus ihrem Arschloch, braun und schleimig. "Die Fruchtblase ist geplatzt. Weiter so, mein liebstes Huhn!" Ida gab sich sichtlich Mühe. Welche schier unmenschliche Anstrengung es kosten mochte, als Mensch die Aufgabe des Tiers zu übernehmen, konnte Martin schwer erahnen. Auch wenn er ihr die Bürde auferlegt hatte. Dass der Mensch formbar sei, daran hegte er keinen Zweifel. Wie genau sie es am Ende anstellten, interessierte den Bauern nicht. Rein das Ergebnis zählte. Knöpfles Magen knurrte gierig. Man sollte nie hungrig in den Stall gehen. Ida würde ihm eine Fäkalie gebären, die keine Familienähnlichkeit besaß zu den gelb gefiederten Küken. Urplötzlich drängte es ihr heraus, und sprenkelte Martins Wangen. Genussvoll leckte er sich die Lippen, um keinen Tropfen des kostbaren Sekrets zu verschwenden. "Das ist kein Ei." Ida war den Tränen nahe. Wie würde der Bauer reagieren? Drohte ihr schwere Züchtigung? "Habe ich auch nie behauptet." "Soll wohl Rührei sein." Martin steckte den Daumen in die braune Pampe, und leckte ihn ganz langsam ab. Dabei sah er seinem Huhn tief in die Augen. "Muss ich mir wohl einen Wecken mit Nutella bestreichen. Würde das schmecken? Was denkst du?" Grün im Gesicht starrte sie ihn fassungslos an. Jede Antwort war falsch auf diese Frage. Hier ging es um das köstliche Aroma von Scheiße. "Bloß weil man es nie gegessen hat, kann man sich trotzdem eine Meinung ausbilden." Er schmierte ihr einen Schnurrbart unter die Nase, dass auch sie einen Hauch erschnuppere. Dann ließ er sich sein Frühstück schmecken. Mit bloßen Händen riss er den Wecken auseinander, und bestrich das Brötchen mit Gottes natürlichem Messer: seinem Zeigefinger. Wie ein Maler seinen Pinsel, tauchte Knöpfle immer wieder in die Palette ein, die nur Töne wie Umbra und Ocker im Sortiment hatte. Diese brachte er zu Brot, und setzte sich gemütlich zum Geflügel. Morgens wie ein Kaiser, mittags wie ein König, und abends wie ein Bauer. Lebendig wimmelte es zwischen den Zähnen. Ida hatte sich Würmer eingefangen.

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Thomas Reich

Vieh

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Vieh

Vieh

 

 

 

 

 

Thomas Reich

 

Text 2016 © von Thomas Reich

 

Coverphoto © https://www.deviantart.com/kw-stock/art/Mouth-XI-90677551 + https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Human_Feces_(cropped).jpg mit Änderungen

 

Impressum: Thomas Reich

Bachenstr. 14

78054 Villingen-Schwenningen

 

Über das Buch:

 

EKELFAKTOR: BRAUNER SPLATTER AUF DEM BAUERNHOF!

 

Martin Knöpfle gestaltet die Natur nach seinen Regeln. Zwischen Stall und Weide verlierst du dein Menschsein. Er melkt dich, wenn er es für richtig hält. Füllt deinen Trog mit Futter. Wenn die Nacht über den Hof hereinbricht, gehörst du ihm mit Haut und Fell. Auch die fäkalen Bedürfnisse kommen dabei nicht zu kurz.

 

„Dein Blut für meinen Acker, dein Fleisch für mein Vieh!“

Die neue Kuh

Im Stall roch es nach frischem Heu von der Weide, das er heute morgen geschnitten, und mit dem Traktor eingeholt hatte. Darunter gärte das Aroma alten Strohs, vermischt mit von den Rindern ausgeschiedenen Fäkalien. Martin Knöpfles Hand zögerte über dem Lichtschalter. Am Ende entschied er sich für eine gedämpfte Atmosphäre. Auch Duftkerzen gegen die penetrante Ammoniaknote stellte er auf. Er wollte eine Kuh künstlich befruchten, so zärtlich und liebevoll wie möglich. Im Vorfeld hatte es mehrfach Versuche gegeben, doch der Bulle wollte nur seine Artgenossen bespringen. Und keine Menschen, die der Bauer kurzerhand zum Vieh erklärte. Knöpfle erinnerte sich: Als einfache Touristin hatte Lisa den Weg auf seinen Hof gefunden. Zwei Wochen Erholungsurlaub auf dem Land hatte sie gebucht. Seine Frau hatte ihr ein Zimmer in der Pension ZUM FLECKIGEN VIEH gerichtet, mit karierter Bettwäsche und Schokoladentäfelchen auf dem Kopfkissen. Alles hatte so einladend ausgesehen wie im Prospekt. Sein Hof arbeitete eng mit dem Büro für Tourismus und Fremdenverkehr zusammen. Dort wurde die Vorauswahl getroffen. Scheu war Lisa gewesen wie ein junges Kalb. Die eigentliche Intimität kam später. Da war sie schon angekettet und bestens vertraut mit den lokalen Bräuchen und Traditionen. Martin konnte nicht fürs ganze Tal sprechen, aber auf dem Knöpflehof herrschten strenge Sitten.

„Wir sind nicht sehr gesprächig, was?“

Anfangs hatte sie ihm den halben Hof zusammengeschrien. Als er sich das erste Mal an Lisa verging. Der Herr Pfarrer predigte, dass ein Mann nicht seinem Vieh beiwohnen soll. Die Wut hatte ihn gepackt, und er schnitt ihr die Zunge aus. Die schwere Wunde versiegelte er mit dem Brandeisen. Dabei hatte sie sich unter seinem festen Zugriff gewunden wie eine geölte Sau zum Pfingstfest. Am Ende keilte er Lisa zwischen seine Knie, und führte ihr das heiße Schüreisen zwischen die Lippen. Ein paar Zähne waren ausgebrochen, weil sie sich so sehr dagegen sträubte. Aber am Ende hatte sie das Maul gehalten. Danach war sie ihm tagelang ausgewichen, aber die unsinnige Schreierei hatte ein Ende gefunden.

„Bist mir immer noch böse wegen deiner Zunge?“

Die Wunde war angeschwollen, und hatte ihr die Kehle zugeschnürt. Tagelang lag Lisa auf dem Stroh, und hechelte wie ein Hund in der Sonne. Dabei war es die Brandblase in ihrem Mund. Fast hätte er den Tierarzt gerufen. Mit einer spitzen Nadel piekste Martin sie auf. Warum war er nicht gleich darauf gekommen? Die Humankuh trank das Wundwasser aus, und schon verschwanden ihre Fieberpusteln. Danach galt sie als geheilt.

„Nicht einmal der Bulle wollte dich haben. Du bist ein dreckiges Stück Vieh. Auf die Weide kann ich dich nicht schicken, weil der Nachbar mich anzeigt. Und zu den anderen Kühen passt du nicht.“

Nur kläglich hatte sie die Transformation abgeschlossen. Nicht akzeptiert, dass ihre Tage als Mensch ein Ende fanden. Nicht einmal der Verlust ihrer Stimme konnte sie dazu bewegen. Oder dass der Bauer sie ankettete.

„Ich werde dich künstlich befruchten.“

Wohlweislich hatte Martin sie an allen vier Hufen festgebunden. Die schweren Eisenringe scheuerten ihre Knöchel blutig. Und doch war er kein Unmensch. Als Tierfreund hatte er eine antiseptische Salbe aufgetragen. Sie linderte nicht die Schmerzen, aber die Gefahr einer Infektion. Knöpfle zog die langen Gummihandschuhe an. Aufgebockt auf einen Leiterwagen lag ihre gespreizte Scham vor ihm. Da konnte ein Bauer schon auf schmutzige Gedanken kommen.

„Vergib mir Vater, denn ich werde sündigen.“

Martin knöpfte die Latzhose auf, und fickte seine Latexfaust. Das kaltes Material nahm die Körperwärme schnell auf. Es war ein gutes Gefühl, als würde ein fremder Arm ihn abwichsen. Etwa die neue Magd aus der Bukowina mit den strammen Zöpfen und dem losen Brustwerk. Später würde er die Schlüssellöcher der Mägdekammern polieren. Man wusste nie, was man zu sehen bekam. Gestern war eine Brust dabei. Knöpfle hoffte auf einen Po. Besonders jetzt, wo er das ausgestreckte Hinterteil der Kuh vor der Nase hatte, und den Dreschflegel schüttelte, bis das Korn in alle Richtungen spritzte.

„Gleich wirst besamt. Und meine Frau wollte den Tierarzt holen. So ein Blödsinn. Das kann ich doch selbst.“

Stand er auf das glatte Material? Bauer Knöpfle gab ungern eine neue Perversion zu. Er hatte einfach so viele davon, dass er im Beichtstuhl damit hausieren ging. Und der Herr Pfarrer jedes Mal mit einem bleichen Gesicht wieder herauskam.

„Kruzifix, da kommt die Sauce.“

In seinem Handschuh glibberte es wie Fischlaich. Behutsam sammelte er den Nektar in der hohlen Fläche, und weitete das rosige Loch mit der anderen Hand. Martin führte sein Bullensperma tief in die Plazenta ein. Dann gab er der Kuh einen Klaps aufs Hinterteil.

„Für ein Vieh bist du verdammt geil.“

Unter der schweren Last des Samens brach sie zusammen. Aus dem aufrechten Zweihufer war ein kriechender Vierhufer geworden. Knöpfle befreite sie von der Last der schweren Ketten, und legte sie an die lange Leine für die Nacht. Schonender zur Haut, die unter Stroh und Gülle arg strapaziert wurde. Sie würde sich an den Stall anpassen, dessen war Martin sicher. Er kannte das Vieh und seine Marotten. Im Hinausgehen ließ Knöpfle das Schlummerlicht an. Davon schliefen die Kühe schneller ein. Es machte sie sanftmütig wie kleine Engel.

*

Zwei Figuren schälten sich aus den Schatten, die mit der Nasenspitze bis zum Gatter der Kojen reichten. Der Junge mochte vielleicht acht Jahre sein, mit wuscheligen Haaren und gefühlskalten Äuglein im teigigen Gesicht. Paul war seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Sie hatten gesehen, wie Bauer Knöpfle an sich rumspielte. Wie sein Ding ganz hart gegen das Stalllicht stand. Scham und Ekel tosten in ihrem schlichten Gemüt, das für solche Bilder nicht ausgelegt sein sollte. Dann hatte er seinen Arm in die Kuh gesteckt. Ganz hinten rein. Da, wo die Aa rauskam.

„Lass uns nach ihr schauen.“

In einigem Abstand folgte ihm seine jüngere Schwester hintendrein. Sie trug ein einfaches Baumwollkleid aus dem Webstuhl der Mutter, mit grünen und braunen Streifen. Ins lockige Haar hatte Samira eine Feldblume geflochten. Ihr Stofftier schleifte am Boden im Dreck.

„Ich habe Angst. Wenn uns nun der Vater erwischt?“

„Der sieht nach den Mägden, bevor er zur Mutter geht. Das kann dauern.“

„Wenn er zurückkommt, versohlt er uns wieder mit dem Holz.“

„Nun sei keine Zimperliese. Guck, er hat die Tür angelehnt. Um es uns leichter zu machen.“

Auf Zehenspitzen schlichen die Kinder durch den Stall. Das Vieh gehörte ihnen allen auf dem Hof zu gleichen Teilen. Das hatte ihnen der Vater früh beigebracht. Wenn Gäste abreisten, und in den Stall einzogen. Kannte ihr Spiel keine Regeln. Regeln waren etwas für Stadtmenschen. Sie wollten keine Stiefmutter. Schon gar keine Kuh aus dem Stall.

„Oh, Pfui Deibel!“

Zuerst einmal stank das Vieh unerträglich. Im Moment der erzwungenen Befruchtung hatte es sich vor Angst eingestuhlt. Frisches Stroh gab es erst am Morgen wieder. Bis dahin lag die Kuh in ihrem eigenen Dung. Auch jetzt war sie noch erstaunlich schreckhaft.

„Schh, wir sind es nur. Des Bauern Kinder.“

Schnaubend zerrte sie an ihrer Kette. Paul strich ihr über die Nase, wo sie besonders kitzlig war. Fuhr die fettigen Haare am Kopf nach. Langsam beruhigte sich das Tier.

„Sieh nur, wie hässlich sie ist.“

Irritiert von der Anatomie einer erwachsenen Frau, tastete Samira den Körper der Kuh ab. Auch die haarige Stelle zwischen den Beinen, wo der Vater seinen Arm eingesteckt hatte.

„Alle unsere Kühe haben ein Euter. Die ist voll behindert.“

„Zwei Euter können nicht gesund sein.“

„Papa hat uns nie gefragt, ob wir eine Stiefmutter wollen.“

„Wir könnten machen, dass es ihr auf dem Hof nicht gefällt. Dass sie abhaut aus ihrer Box.“

„Wie willst du das anstellen?“

„Wir könnten sie zwicken.“

„Und wenn sie sich wehrt?“

„Dann gib ihr die Rute.“

Kleine Finger suchten nach Hautfalten, und drehten sie gegen den Uhrzeigersinn. Der Schmerz war bestimmt gemein, aber auszuhalten. Das geplagte Vieh stöhnte mit stimmlosem Maul.

„Die verträgt noch mehr.“

„Geh ihr ans Euter, da sind sie sensibel.“

Man musste bei den Kühen aufpassen, wenn man die Stutzen der Zapfanlage ansetzte. Entzündete Euter waren ein häufiges Problem auf dem Hof. Ihre Igelschnauzen wurden von braunen Warzenvorhöfen eingerahmt. Paul zwickte sie zuerst in die fleischigen Stellen. Stoisch ertrug das Vieh seine Demütigung.

„Du musst ihre Nippel langziehen!“

Bei Mutter hätte er sich das nie getraut. Aber seine neue Stiefmutter war nur Stallvieh. Wie eine Pinzette packten seine Finger mit den scharfkantigen Nägeln die sensiblen Zitzen, und zogen sie in die Länge. Zwischen Daumen und Zeigefinger rieb er sie wund. Nun blutete die Kuh wie ein frisch geborenes Kalb. Sein kleiner Pimmel wurde hart dabei. Paul ähnelte dem Vater in jeder schlechten Eigenschaft seines Charakters.

„Hnnn!“

„Lass gut sein, wir kommen morgen wieder.“

„Hast gehört, du Kuh? Wir sind mit dir noch nicht fertig!“

Paul spie ihr einen schleimigen Batzen ins Gesicht, wo er unter der Hitze der Heizstrahler trocknete. Man konnte gegen den Bauern sagen was man wollte, er war gut zu seinem Vieh. Kein Schwein und keine Kuh mussten im Stall frieren.

*

Hätten sie gewusst, dass im Bauch der Kuh ein neues Geschwisterlein reift, wären sie nicht so zimperlich mit ihr umgesprungen. Aber sie konnten jederzeit in den Stall zurückkehren, wenn ihnen nach Grausamkeit war. Einen Fernseher kannten die Knöpfle-Kinder nicht. Nur den Wald, das Feld und den Stall. Irgendwann hat man jede Figur geschnitzt, jeden Kiesel geworfen, und jedes Versteck erkundet. Die Langeweile sollte sie oft in den Stall treiben.

Urlaub auf dem Land

Ein betagter Mercedes quälte sich durch die engen Bergtäler. Für die burschikose Frau am Steuer wäre jeder Mann liebend gerne Pferde stehlen gegangen. Oder hätte laute Rockmusik auf dem Balkon mit ihr gehört, bis die Nachbarn sich beschwerten. In die Kiste sprang keiner so schnell mit Wiebke, sie galt als ewige Kumpeloption. Die meisten Kerle gaben ihrer Hose jedoch nach ein paar Schnäpsen einen Ruck. Hinterher wurde es peinlich.

Ihre Schwester Ida war in der Hinsicht bodenständiger. Für sie musste es die wahre Liebe sein, oder der Prinz auf dem weißen Ross. Sie trug ein leichtes Sommerkleid und einen Strohhut dazu. Federn wuchsen aus ihren Ohren, und bunte Tonkugeln säumten ihr Halsgelenk. Sie war der Natur verbunden und den Tieren. Überhaupt war es Idas Idee gewesen, in die Berge zu fahren. Wandertouren mit dem Rucksack und einer Feldflasche Quellwasser waren voll ihr Ding. Die beiden Schwestern hatten einen lokalen Radiosender gewählt, der in breitestem Schwäbisch die Hitparade ankündigte. Es fiel ihnen schwer, den erdigen Dialekt zu verstehen. Seit sie die Autobahn kurz nach Stuttgart verlassen hatten, ging es über holprige Landstraßen, die anscheinend für breite Traktorreifen gedacht waren. Nicht aber für die eines altersschwachen Mercedes mit Rost im Radkasten. Bei jedem Schlagloch staubte es orangerot.

„Ist es noch weit?“

„Nach dem dritten Misthaufen kommt eine Abzweigung.“

„Dein Ernst?“

„Behauptet jedenfalls das Navi.“

Wiebke und Ida waren noch nie im Schwarzwald gewesen. Der höchste Berg ihrer Kindheit war der Deich vor dem Wattenmeer gewesen. Umso mehr freuten sie sich auf urige Fachwerkhäuser und hohe Tannen.

*

Im Ort war der Hof schlecht ausgeschildert. Es blieb ihnen also nichts anderes übrig, als sich bei Passanten durchzufragen. Nicht den Zombies mit den dicken Kopfhörern, deren Augen starr auf den kleinen Kasten zwischen ihren Fingern gerichtet war, aus dem die Welt in ihre Adern sickerte. Von denen erntete man höchstens irritierte Blicke, oder ein landestypisches „Verpiss dich, Alter!“ Tiefgreifendere Erkenntnisse zur geographische Lage des Knöpflehofs erhofften sich die Schwestern von den Alteingesessenen. Karierte Flanellhemd-Träger vor dem kleinen Supermarkt. Von der Last der Kinder und Enkel geschrumpfte Mütterchen mit ihrem Hackentrolley.

„Ich frage mal die Oma da drüben.“

Ida fuhr rechts ran, im Schritttempo am Gehsteig entlang, und kurbelte ihr Seitenfenster herunter.

„Moin, können Sie uns sagen, wie wir zum Knöpflehof finden?“

Wie vom Blitz getroffen fuhr die Alte zusammen. Die Einkäufe fielen ihr aus der Hand. Drei Orangen kullerten aus dem Einkaufsnetz. Beim Versuch sie aufzusammeln, zerquetschte sie eine davon unter ihrem Absatz.

„Der Knöpfle Martin ist ein schlechter Mensch. Immer schon gewesen. Was er als Kind mit der Scheurer Kerstin angestellt hat, pfui Teufel!“

Endlich hatte sie ihre auf dem Gehweg verstreuten Einkäufe wieder beieinander. Sie machte das Zeichen des bösen Blicks, und fauchte wie eine schwarze Katze mit Buckel.

„Auch wenn Sie ihn nicht leiden können, möchten wir trotzdem gerne den Weg wissen.“

„Wie Vieh hat er sie behandelt, das arme Ding.“

Mit der war kein Staat zu machen. Murmelnd zog das bucklige Kräuterweib von dannen. Machte sie ihren Frieden mit Gott? Verfluchte sie die Stadtmenschen? Das Geplapper aus ihrem schrundigen Mund war kaum zu verstehen. Wie die Mühle am Bach flossen die Worte dahin, und höhlten das Tal zu einem Flusslauf.

„Verdammt, sie sind verdammt. Alle beide zugleich. Möge der Schafgott ihre Seelen gnädig haben!“

„Die Alte tickt doch nicht ganz sauber. Wir fragen besser im Touristencenter nach.“

*

Bunte Pfeile wiesen das Fremdenbüro als einen freundlichen und hilfsbereiten Ort aus. Das Dach war mit grauen Schindeln gedeckt, was dem Bau das Aussehen einer Kuckucksuhr verlieh. Moos wuchs auf ihnen. Im Innern erwartete die beiden Kieler Mädels ein girrender Fichtenboden, der sie aus tausend Astlöchern verstohlen musterte. Am verputzten Fachwerk lehnten Metallständer voll mit Broschüren. Ida griff wahllos ein paar Hefte heraus, und blätterte sie durch. Töpfern nach alter Sitte, Wandertouren durch Tannenwald, eine Käserei mit offener Produktion, der Imker lädt zum Honigfest, Rafting im ungezähmten Wildbach.

„Siehst du? Wir haben hier viele Möglichkeiten. Und du wolltest nach Berlin.“

„Weil die Jungs von der Band einen Bekannten dort haben, bei dem wir pennen können.“

„Klar, und nachts geht er uns heimlich an die Wäsche, und stellt Nacktbilder online.“

„Okay, dein Ex war ein Arschloch. Aber deswegen sind nicht alle Männer so krank drauf.“

„Manche sind noch schlimmer.“

„Vergiss die Männer. Wir relaxen in der freien, unberührten Natur. Da geht uns niemand an die Muschi.“

Zwei lange Arme schlossen sich um ihren Schultern. Sie spürte ein Bäuchlein gegen ihr Rückgrat drücken, und harte Knöpfe. Der Atem in ihrem Nacken roch nach Kräuterbonbons und geräuchertem Speck.

„Bitte, bedienen Sie sich.“

Peinlich berührt löste Wiebke sich aus der Umarmung, und blickte in ein unschuldiges Mondgesicht. Der Bürotiger mochte über Fünfzig sein, mit den wasserblauen Augen eines Gebirgsbachs. Eigentlich sah er genauso erschrocken aus, wie sie sich fühlte. Die etwas zu herzliche Umarmung hatte er bestimmt nicht so gemeint. Also herzlich schon. Aber ohne sexuelle Hintergedanken. Wiebke hatte sein Bäuchlein gespürt, sonst war nichts Hartes dabei gewesen. Alois Gröber stand auf seinem Namensschild. Darunter die ulkig anmutende Berufsbezeichnung „Tourist Information“. Selbst auf dem Land neigten sie zu hochtrabenden Anglizismen.

„Eigentlich suchen wir den Knöpflehof. Wir haben nämlich reserviert.“

„Oh, beim Martin? Das wird ihnen gefallen. Junge Mädchen sind dort immer willkommen. Wenn sie so hübsch sind wir Sie beide. Den Prospekt habe ich am Tresen ausliegen, einen kleinen Moment.“