Wolf Creek - Alauda Roth - E-Book

Wolf Creek E-Book

Alauda Roth

4,0

Beschreibung

Jey Hawkes, County Sheriff in Alpine, Kalifornien, und Fin McLochlainn, neuer U.S. Forest Ranger, untersuchen kurz vor Beginn der Wintersportsaison gemeinsam einen Mord und versuchen in den Bergen verschwundene Schmuggelware zu finden. Gleichzeitig erwacht in der Wildnis ein tödliches, übernatürliches Wesen, das nur auf den ersten Schneefall wartet.

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Zum Buch

Jey Hawkes, County Sheriff in Alpine, Kalifornien, und Finley McLochlainn, neuer U.S. Forest Ranger im Humboldt-Toiyabe-Nationalpark, müssen gemeinsam einen Mord in den Bergen der Carson-Iceberg-Wilderness untersuchen und finden dabei einen notgelandeten Helikopter. Sowohl die Ermittler als auch ein Verbrechersyndikat beginnen, die daraus verschwundene Ware zu suchen. Die Wintersaison naht und die beiden Polizisten müssen, trotz ihrer Differenzen, den Fall abschließen, bevor die ersten Touristen in die Wintersportorte kommen, sonst droht der Gemeinde der finanzielle Ruin.

Fast unbemerkt erwacht gleichzeitig in den Bergen ein tödliches, übernatürliches Wesen, das nur auf den ersten Schneefall wartet, um sein Versteck zu verlassen und Beute zu machen.

Zum Autor

Alauda Roth, seit 2004 als Autorin tätig, seit 2017 freischaffend. Diverse Veröffentlichungen von Kurzgeschichten und Lyrik in Magazinen und Anthologien, mehrere Bücher im Eigenverlag Edition Andrann und bei BoD. Lebt mit Pferden und Katzen im südlichen Niederösterreich.

This world is not Conclusion,

A Species stands beyond –

Invisible, as Music –

But positive, as Sound –

It beckons and it baffles –

Philosophy – don’t know –

And through a Riddle, at the last –

Sagacity, must go –

Emily Dickinson

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Epilog

Anmerkung

Nachtrag

Prolog

Schlaf. Brennender Schlaf.

Aus dem es geweckt worden war.

Hunger. Kalter Hunger. Alter Hunger.

Unstillbar zu dieser Zeit.

Noch glüht der Himmel.

Noch hält die Schildwacht.

Aber das Eis wird kommen.

Und mit ihm das Dunkel.

Und mit ihm die Nahrung.

Es rollt sich wieder zusammen.

Hüllt sich. Wartet.

Wolffried Graichen strich über den Felsen und prüfte das Siegel. Heute spürte er die Last mehr als sonst, fühlte sich wie die Tanne neben seinem Hof, die im letzten Winter abgeknickt war.

Vor einer Woche hatte er den Brief von der Post geholt, ihn aber erst gestern geöffnet, nachdem Letitia und der Junge eingeschlafen waren.

Da es jetzt gewiss war, dass er die Tanne nicht mehr zu Brennholz verarbeiten würde können, musste er dringend mit dem Sheriff sprechen. Keiner seiner Söhne hatte die Gabe geerbt, Wolffried war der Letzte, und er musste unbedingt einen neuen Wächter finden.

Die Graichens hatten vor 170 Jahren geschworen, die Menschen in diesen Bergen zu beschützen und er durfte nicht zulassen, dass der Eid gebrochen wurde.

1

Sie stand auf der Schwelle. »Wir haben im Moment nur einen Satz Hausschlüsseln. Bitte verlieren Sie die nicht.«

Mit einer einladenden Handbewegung drehte sie sich um und führte Fin ins Haus.

»Danke, Ms. Hooper.«

»Bitte nennen Sie mich Louise.«

»Das ist ein schönes Haus. Warum wohnen Sie nicht hier?«

»Mein Mann und ich haben es entworfen und bauen lassen. Als Ferienhaus. Wir haben in Austin gelebt, müssen Sie wissen. Ich bin nach seinem Tod wieder nach Markleeville gekommen, aber lieber drüben ins Haupthaus der Ranch eingezogen.«

»Entschuldigen Sie, Louise, ich wollte nichts aufrühren.«

Sie winkte ab. »Ist schon zwei Jahre her. Und Carl hätte ganz und gar nichts davon gehalten, wenn ich in lange Trauer verfallen wäre. Gott gibt’s, Gott nimmts, der Mensch muss es dulden. Das hat er immer gesagt.«

Nachdem sie ihm alle Räume gezeigt und die Zentralheizung erklärt hatte, holte sie eine prall gefüllte Reisetasche aus dem Schlafzimmer.

»Ich habe doch nicht jemanden die Unterkunft geklaut?«, fragte er.

»Nein, nein. Kein Problem. Ein Wohnhaus für das erste Jahr gehört zu Ihrem Vertrag. Also, ich muss jetzt. Wenn Sie etwas brauchen – ich bin gleich da drüben. Sie können jederzeit kommen. Jederzeit, verstehen Sie?«

Sie zwinkerte ihm zu und deutete im Gehen auf die Gebäude der Hawkes-Ranch, die in rund hundert Meter Abstand hinter den Bäumen zu sehen waren: Scheunen, Stallungen und ein großes, gepflegtes Steinhaus. Entworfen 1925 von DeLongchamps, einem bekannten Architekten aus Nevada, hatte ihm Louise erzählt, eines von dreien in Markleeville, die anderen beiden waren das Gerichtsgebäude und die Bibliothek. Sie meinte, dass manche Touristen extra in den Ort kamen, um sich die massiven Bauten aus Rhyolite Tuff anzusehen.

Fin konnte das aber kaum glauben. Wer würde nur für ein Haus in so eine abgelegene Gegend fahren? Gottverlassen, hätte sein Opa gesagt, gottverlassen. Und ab jetzt sein neues Zuhause.

»Und, Henriette, was denkst du, was er ist?« Louise blickte ihre Schwester fragend an.

»Keine Ahnung. Ein Werwolf ist er nicht, das hätte Russell bemerkt. Ist ja im Moment auch egal. Wer weiß, ob er überhaupt bleibt.« Henri zog die Lederhandschuhe aus und warf sie neben den Sattel. »So gut bezahlt ist der Job beim U.S. Forest Service auch nicht. Und du weißt, wie viele von den Zuzüglern nach dem ersten Winter draufkommen, dass sie sich das so nicht vorgestellt haben.«

»Er stammt aus Alaska. Da sollte ihn der Schnee nicht so beindrucken.«

Henri warf ihr einen Seitenblick zu. »Hast du schon wieder in den Gemeindepapieren geschnüffelt?«

»Ach, sei nicht so. Ich darf doch noch ein bisschen neugierig sein. Die Protokolle tippen darf ich ja auch für euch. Da kann ich mir auch die Unterlagen ansehen. Russell hat nichts dagegen.«

»Unser Bürgermeister weiß auch gar nicht, was du ihn gefragt hast, wenn du dich mit deiner zu engen Bluse zu ihm rüber beugst.«

Louise kicherte und sah an sich hinunter. »So lange sie noch wirken, will ich sie auch zeigen. In ein paar Jahren ist es eh vorbei.«

»Jetzt redest du als wärst du sechzig und nicht fünfzig. Was soll ich da sagen? Ich bin älter als du.«

»Vierzig plus, wenn ich bitten darf. Und du bist viel fitter als ich. Wenn ich gewusst hätte, dass Reiten so einen straffen Po macht, hätte ich nicht aufgehört. Aber Carl hatte es nicht so mit den Gäulen.«

Henri schmiss ihr einen der Handschuhe an den Kopf. »Sag nicht Gäule zu meinen Criollos. Morgen kommen Kanadier aus der Weitreitergilde, die wollen drei oder vier kaufen.«

»Also, ich glaube er ist ein Sylvan, ein Waldmann. Das würde zu seinem Job passen.«

»Wer?«

»Na Finley, unser neuer Ranger.«

Die Gelb-Kiefern vor der Glasfront waren geschlägert worden und so bot sich vom Wohnzimmer aus ein großzügiger Ausblick. Und auch Einblick, dachte Fin. Daher waren dichte Vorhänge montiert, die Louise bei der Besichtigung aufgezogen hatte.

Er holte seine Koffer von der Ladefläche seines Ford Bronco und stellte sie neben dem Küchenblock ab. Noch einmal schaute er hinaus: Vor dem Haus war ein kleiner Garten angelegt, in dem rote und gelbe Astern blühten, daran angrenzend die Weiden der Ranch, eingezäunt mit Elektroband, rund zwanzig Pferde in verschiedensten Fellfarben grasten weit verstreut; dahinter die Dächer von Markleeville. Der Ort lag ein paar Meter tiefer als das Farmgelände, der Thornburg Canyon, gegraben vom Millberry Creek, gab ihm seine Form. Auf der gegenüberliegenden Seite schwang sich das Land in mehreren Stufen hinauf zum Hawkins Peak, einem der vielen Dreitausender der Sierra Nevada.

Während Fin seine Klamotten in den Kleiderschrank räumte, erinnerte er sich an das seltsame Vorstellungsgespräch, das der Gemeinderat mit ihm geführt hatte.

Vom U.S. Forest Service waren mehrere Ranger für den neu eingerichteten Posten in Alpine County vorgeschlagen worden, der Bürgermeister hatte drei Bewerber anhand der Unterlagen vorab ausgewählt und zu einem persönlichen Treffen eingeladen.

Fin kam an einem sonnigen Septembertag zum ersten Mal nach Markleeville, bog nach dem Gerichtsgebäude rechts in die Water Street ein und parkte vor einem ebenerdigen Backsteinhaus mit einem umlaufenden Vordach auf dunklen Holzpfeilern. In dem schmucklosen Bau war der Verwaltungssitz von Alpine County untergebracht. Vor der grauen Doppelglastür, die in das Gebäude führte, lag quer ein riesiger Rottweiler. Als sich Fin dem hechelnden Monster näherte, erhob sich der Hund, machte aber keine Anstalten den Eingang freizugeben.

Hinter den bodentiefen Fenstern rechts daneben konnte Fin schemenhaft Personen erkennen, war sich aber nicht sicher, ob jemand herausschaute. Auf dem Parkplatz und der Straße war niemand. Fin ging auf den Hund zu, blickte ihm kurz in die Augen, dann fixierte er einen Punkt an der Wand und hielt ihm die offene Hand hin. Zuerst reagierte der Rottweiler nicht, dann reckte er den Hals und schnupperte an Fins Fingern. Der Hund leckte sich über die Schnauze, stand langsam auf und trottete davon. Kurz darauf war er im Gebüsch hinter dem Gebäude verschwunden.

Fin betrat das Verwaltungszentrum und ein vierschrötiger Mann winkte ihn gleich rechts in den Raum herein. Er stellte sich als Bürgermeister Russell Baker vor und sagte Fin sofort den Job zu. Die anderen fünf Personen im Raum, zwei Frauen und drei Männer, nickten nur. Damit war die Besprechung auch schon wieder beendet und Fin hatte sich des Eindrucks nicht erwehren können, dass das eigentliche Vorstellungsgespräch gerade bei dem Hund gelaufen war.

Nachdem er alles eingeräumt hatte, beschloss Fin, sich den Helikopter-Standort anzusehen. Er verschloss die Haustür und ging den Waldweg hinunter, der die Zufahrt zum Haus bildete. Fin zog seine Lederjacke aus, trotz Mitte Oktober und einer Höhenlage von 1600 Metern, war es überraschend mild im Freien. Auf der Schotterstraße angekommen, blickte er vor sich zwischen den Kieferstämmen die Böschung hinunter. Ein Specht hämmerte irgendwo in den Wipfeln. Der Wildwechsel am Abhang war der direkte Weg hinunter, aber dann hätte er unten den Millberry Creek durchwaten müssen und das laute Gurgeln verriet ihm, dass das Wasser schnell strömte.

Fin ging den Fahrweg entlang, nach der Einfahrt zur Hawkes-Ranch verlief die Straße in einer Linkskurve bergab und in Höhe des Verwaltungssitzes von Alpine wurde aus dem Schotterboden ein Asphaltband. Er passierte die Seitenfront des Gerichtsgebäudes mit dem Eingang in das Sheriff Office. Zwei sauber geputzte Ford Expedition Streifenwagen parkten davor.

Der Zufahrtsweg endete am Alpine State Highway, der gleichzeitig die Hauptstraße von Markleeville bildete. Fin blieb vor dem Bezirksgericht stehen. Im Vergleich zu den Holzhäusern rundum, wirkte der Steinbau wuchtig, obwohl er nur ebenerdig war, und gleichzeitig durch die breite Außentreppe und den bogenförmigen Eingang beinahe elegant.

Ein paar Schritte weiter befand sich der einzige Laden des Ortes, der Markleeville General Store, ein weißgestrichenes Holzhaus mit Veranda; nach ein paar bunten Wohnhäusern, einer Pizzeria und einer Kunstgalerie mit Geschenkeshop und dem Post Office, erreichte er eine Tankstelle, bestehend aus einer Zapfsäule und einer kleinen Garage, und damit das Ortsende.

Über der Straße befand sich sein neuer Arbeitsplatz: Die Handelskammer von Alpine County und das Besucherzentrum des Humboldt-Toiyabe-National Forest.

Er hätte sich gerne sein Büro angesehen, allerdings waren die Türen bereits geschlossen und er hatte noch keinen Schlüssel für das Gebäude bekommen. Aus einer Karte in einem Schaukasten entnahm Fin, dass der Ortskern von Markleeville neben der Hauptstraße noch aus der Montgomery und der Laramie Street mit Wohnhäusern, der Schule, der Bibliothek bestand und rund zweihundert Einwohner zählte.

Der zukünftige Standort für seinen Helikopter war eine flache Wiese zwischen der Handelskammer und der School Street. Abgeknickte Zaunsteher und eine Scheune mit einem eingebrochenen Dach verrieten ihm, dass es sich um eine aufgelassene kleine Ranch handeln musste. Als er sich dem betonierten Landeplatz näherte, bemerkte er, dass die gesamte Fläche durch in die Erde getriebene Piloten etwas erhöht angelegt war, wahrscheinlich kam im Frühjahr von den Hängen Schmelzwasser und verschlammte den Boden. Er stieg die zwei Betonstufen hinauf, ging zum hinteren Ende und betrat den Hangar mit dem halbrunden Dach. Die Einrichtung bestand aus einem Werkzeugschrank, einem Dieselaggregat und einem Hubstapler. Fin zog einen Block aus der Innentasche und notierte alle zusätzlichen Arbeiten und Gegenstände, die er für einen regulären Betrieb benötigte. Speziell die Bodenmarkierungen mussten aufgebracht werden, bevor ein Helikopter hier landen durfte. Nicht, dass er das gebraucht hätte, aber so waren nun einmal die Vorschriften der Luftfahrtbehörde.

Fin spazierte die Hauptstraße retour, ab und zu fuhr ein Auto an ihm vorbei, an der nächsten Kreuzung öffnete gerade das einzige Lokal, das jeden Abend ausschenkte. Im Post Office gegenüber notierte die Beamtin seinen Auftrag für Nachsendungen wortlos und mit verkniffenem Gesicht. Fin kehrte noch einmal zur Water Street zurück.

Der Mann im General Store grüßte ihn beim Eintreten nur mit einem Murmeln und schaute kaum von seiner Zeitung auf. Fin wanderte durch drei Reihen Regale, vollgestopft mit Kartons, deren Inhalt und Preis mit Filzstift außen drauf gekritzelt waren. Manche Worte konnte er kaum entziffern, er mühte sich damit ab, die Schachteln herauszuziehen und im schwachen Licht der einzelnen Neonröhre zu erkennen, was sich darin befand. Der Mann hinter dem Tresen zeigte keine Anstalten ihn zu bedienen. Fin kaufte trotzdem Tee, Zucker und Toastbrot.

Er entschied im Wolf Creek Bar & Restaurant ein Bier zu trinken. Wenn es hier Probleme geben sollte, wollte er das sofort wissen.

Das Lokal befand sich im Erdgeschoß eines zweistöckigen, weiß-grünen Holzhauses, über dessen Fenster und dem Eingang kirschrote Markisen montiert waren. Unter dem rechten Fenster saß auf einer Bank reglos eine dürre Gestalt in der Nachmittagssonne. Beim Näherkommen erkannte Fin, dass es sich um eine lebensgroße Lumpenpuppe handelte, neben den Füssen zwei orange Kürbisse.

Fin schob die gläserne Eingangstür zum Restaurant auf und sah sich um: Links eine Holztheke mit roten Schalensitzen als Barhocker, dahinter eine Sammlung von Spirituosen an einer verspiegelten, beleuchteten Regalwand, in der Ecke darüber ein Fernseher und eine große Holzforelle mit einer Angel daneben, die auf den Hauptsport im Sommer hinwies, rechts mehrere runde Holztische mit roten Kerzen in der Mitte und umstellt von jeweils vier Stühlen. Aus Ecklautsprechern dudelte Countrymusik.

Zwei Männer, die Fin auf Ende dreißig schätzte, saßen an einem etwas größeren Tisch in einer Ecke, deren hintere Wand rot gestrichen war, und verfolgten jeden seiner Schritte. Fin rutschte auf einen der Barhocker und beobachtete die zwei durch die Spiegelfläche vor sich: Beide wirkten in ihren Latzhosen und den abgelaufenen Caterpillar-Stiefeln wie typische Arbeiter, einer hatte eine Baseballmütze mit verblichenem Logo auf dem dichten, braunen Haarschopf, der andere eine Halbglatze, Schnauzbart und ein speckiges Camouflage-Tuch um seinen Hals gebunden, seine Mütze lag am Sessel neben ihm. Sie tuschelten und blickten immer wieder in seine Richtung.

Schon bei seinem ersten Rangerjob hatte Fin feststellen müssen, dass die Menschen am Land die Kunst perfektioniert hatten, alles über einen Neuling zu wissen, ohne sich das anmerken zu lassen, zu starren, ohne ertappt zu werden, und jeden Fremden freundlich auszuschließen, auch mit schlechter Nachrede, wenn es sein musste.

Schließlich stand der mit dem Basecap auf und hinkte los. Fin straffte seinen Rücken, aber der Mann änderte kurz hinter ihm die Richtung, umrundete die Theke und rief in den Durchgang dahinter: »Peter, Kundschaft hat Durscht.«

Dann lächelte er Fin mit überraschend weißen Zähnen an und sagte: »Willst dich nich zu uns hocken? Ich geb nen aus. Is doch fad, allein n Bier zu schlucken.«

Gerne nahm Fin die Einladung an und die beiden Männer stellten sich als J.T., das war der Hinkende mit der Baseballkappe, und Joe vor. Kurz darauf kam auch der Wirt, den J.T. gerufen hatte: ein durchtrainierter Typ, mit markantem Gesicht, graumelierten Dreitagebart und auffällig blauen Augen.

Peter legte Fin die Hand auf die Schulter. »Was darf es denn sein, Ranger?«

Fin bestellte ein Kellerweis und fragte, wieso denn der Kaufmann so abweisend gewesen sei.

Joe zuckte mit den Achseln. »Johan? Der ist schon so zur Welt gekommen, den darfst nicht ernst nehmen. Knausrig und fremdenfeindlich bis zum geht nicht mehr.«

J.T. ergänzte: »Zu seiner Tuva is er aber lieb. In die is er total vernarrt, dabei is die ne Farbige. Die hat er von ner Kreuzfahrt. Hat bei nem Preisausschreiben gewonnen.«

»Die Frau?«, fragte Fin.

J.T. wieherte los. »Aber nee, die Kreuzfahrt.« Er bekam sich kaum ein. Joe schmunzelte.

Die Glastür schwang auf und ein Mann in einem altmodischen Anzug mit Stehkragen kam herein. Er ähnelte ein wenig einem Totengräber aus einem Wildwest-Film, nur seine Gesichtsfarbe war rosiger. Fin konnte sich an ihn erinnern, er war einer der Leute im Gemeinderat gewesen.

Joe winkte ihm zu. »Komm her, Doc, hier ist noch ein Platzerl frei.«

Nachdem er Fin mit beiden Händen die Hand geschüttelt hatte, setzte sich Doc zu ihnen. »Mahlzeit, Mahlzeit, Jungs. Alles fit?«

Joe und J.T. nickten. Doc tätschelte Fin den Unterarm. »Kommen Sie mal bei mir vorbei, Ranger? Ich muss da noch so ein Gesundheits-Formular für das Forest Service ausfüllen. Geht morgen?«

Fin verneinte. »Da habe ich einen Termin mit Sheriff Hawkes. Schnupperrunde.«

»Passt schon, passt schon. Ist ja nicht überdringend. Kommen Sie halt einen Tag später, mein Junge.«

Fin stimmte zu und hoffte, dass der Sheriff genauso locker sein würde, wie die Männer im Wolf Creek. Er würde mit den Deputys eng zusammenarbeiten müssen, wusste aber, dass Dorfpolizisten manchmal nicht ganz einfach im Umgang waren, da sie ihre Autorität von neuen Mitspielern in ihrem Revier bedroht meinten.

Doc hatte bei Peter eine Bohnensuppe bestellt, löffelte mit Appetit und langte nach einer Brotscheibe, dabei stieß er den Salzstreuer um, der Deckel sprang ab und der Inhalt rieselte über den Tisch.

Erschrocken bekreuzigte Doc sich und sagte: »Brot und Salz, Gott erhalts.«

Peter putzte die weißen Kristalle vom Tisch und stellte einen anderen Gewürzständer hin. »Das Set ist schon ein wenig altersschwach, stammt noch vom Vorbesitzer.«

Joe fragte: »Bist eigentlich abergläubisch, Ranger?«

Fin antwortete: »Nein, denn das soll ja Unglück bringen.«

Alle lachten, nur Doc guckte sorgenvoll drein.

2

Am nächsten Tag betrat Fin pünktlich um acht das Sheriff Office: Ein großer Raum mit mehreren Schreibtischen und zwei angeschalteten Bildschirmen, aber niemanden davor. Die Tür mit der Aufschrift Sheriff Jey Hawkes war geschlossen. Er blickte sich suchend um. Scharniere quietschten und aus der Tür mit der Aufschrift Garderobe schlenderten ihm zwei Deputys entgegen: Ein mittelgroßer Mann mit schulterlangen, schwarzen Haaren und indianischen Gesichtszügen, sowie ein großgewachsener, blonder Typ.

Gleichzeitig trippelte eine zierliche Frau mit einem grauen Dutt aus der Kaffeeküche daneben. Sie kam sofort auf Fin zu und reichte ihm die Hand: »Einen schönen guten Morgen, Ranger. Wir haben Sie schon erwartet. Ich bin Martha Lindstroem, ich mache Telefondienst und kümmere mich um die Administration, auch um ihre Belange.« Sie öffnete eine Schreibtischlade, fischte einen Schlüsselbund heraus und drückte ihn Fin in die Hand. »Für die Handelskammer. Ihr Büro dort ist noch nicht ganz eingerichtet, sehen Sie es sich in den nächsten Tagen an und sagen Sie mir, was Sie alles brauchen.«

Fin dankte ihr herzlich. Sie fuhr fort: »Und das sind Deputy Winnemucca, Winnie genannt, er ist der Under Sheriff, der Stellvertreter von Sheriff Hawkes.« Sie wies auf den Kleineren. »Und Deputy Leonidas Lex, er ist auch im Search and Rescue-Team und wird Ihnen im Laufe der Woche die anderen dort vorstellen.«

Lex schüttelte ihm die Hand. »Sag Leo zu mir.«

Der Under Sheriff klopfte ihm kurz auf die Schulter und sagte: »Sag Deputy zu mir.« Dann lachte er.

Ms. Lindstroem setzte sich an ihren Schreibtisch, strich ihren Faltenrock glatt und warf einen Blick auf die Telefonanlage. »Sheriff Hawkes telefoniert gerade, aber gehen Sie ruhig rein.«

Er öffnete die Bürotür und trat ein. Zuerst fiel ihm der geflochtene, kastanienbraune Zopf auf, dann der Colt Trooper .38 Special, der auf dem Schreibtisch lag, und schließlich die Handschuhe, die sie trug, obwohl es im Büro angenehm warm war.

Sheriff Hawkes winkte ihn näher und wies auf einen Stuhl vor ihrem Schreibtisch. Fin nahm Platz und versuchte die Gedanken zu sortieren, die sich ihm wirr aufdrängten: Eine Frau, eine junge Frau, und eine ganz schön alte Knarre. Wieso haben die hier eine Frau für den Job? Warum der Colt? Hoffentlich nicht so eine Zicke wie Korporal Moser. Warum die Handschuhe? Das kann ja heiter werden! Diese Augen. Hätte mich nicht einer vorwarnen können? Diese Augen sind ganz schön ungewöhnlich – bernsteinfarben. Verflucht auch.

Sie legte auf und musterte ihn einen Moment, bevor sie sagt: »Da wären Sie also. Tragen Sie eine Waffe?«

Er nickte und zippte seine Lederjacke auf, zeigte ihr die SIG Sauer P220 im Schulterholster.

»Okay. Dann werde ich Ihnen eine Lizenz ausstellen, damit ich Sie nicht gleich verwarnen muss.« Sie holte ein Formular aus einer Schublade und füllte den Vordruck aus. Dann hielt sie ihm das Stück Papier hin. »Ansehen und unterschreiben.«

Wieder nickte er, las rasch und platzierte seine Unterschrift darunter.

»Gut. Kommen Sie, ich habe etwas abzuholen, wir machen eine kleine Rundfahrt.« Sie stand auf, steckte den Colt in ihr Gürtelholster, zog eine braune Jacke mit Alpine County Sheriff Logo am Ärmel über und setzte einen Filzhut auf. Beim Hinausgehen winkte sie ihren beiden Deputys zu, die Fin angrinsten und den Daumen hochhielten, und öffnete einen der Ford Expedition, die vor dem Sheriff Office parkten.

Nachdem sie losgefahren und auf den Alpine State Highway eingebogen waren, fragte er: »Sind Sie schon lange Sheriff?«

»Ein Jahr«, antwortete sie, ohne ihn anzusehen.

»Was sagt Ihre Familie dazu?«

Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. »Meine Tanten? Nichts, warum auch? Louise beschäftigt sich vorwiegend mit dem örtlichen Tratsch und Henri interessiert in erster Linie für Pferde.«

»Sie wohnen also auf der Hawkes Ranch?«

»Seit kurzem wieder. Und bevor Sie mich weiter nach persönlichen Dingen ausfragen: Ich verrate Ihnen weder meine Körbchengröße noch meinen Lieblingssong.«

Fin schwieg und betrachtete die vorbeiflitzenden Pracht-Tannen. Der Alpine State Highway endete am Highway 88, sie bog rechts ab. Die Berge verebbten und das Land weitete sich zu einem grünen Tal.

»Das hier ist Fredericksburg. Alles Land links und rechts gehört zur Gansberg Ranch, die ist der größte Viehzuchtbetrieb im Bezirk«, sagte Sheriff Hawkes.

Eine halbe Meile hinter der Bezirksgrenze nach Douglas County lenkte sie links, deutete auf einen Gebäudekomplex. »Die Great Basin Tierklinik und dahinter die Diamond J Ranch, ein Züchter von Quater Horses. Henris Lieblingsfeind.«

Sie fuhr den Hügel hoch, bog links ein und sie fuhren parallel zum Highway von Nevada zurück nach Kalifornien. Bei einer Ansammlung von Einfamilienhäusern mit großzügigen Grundstücken sagte sie: »Das ist Mesa Vista, Wohngebiet der Ureinwohner von Alpine. Winnie ist von hier und der Verbindungsmann zu den Washoe Indian People.«

Sie kehrten zum Highway 88 zurück, passierten Woodford’s Station und die Alpine Christian Church. »Dahinter ist Woodford’s Car Service, falls ihr Bronco mal etwas braucht. Die Kirche gehört der Gemeinschaft Christi, die Hälfte der Einwohner im Bezirk sind liberale Mormonen, aber nur ein Teil davon kommt auch hierher. Falls sie eine katholische Messe besuchen möchten, müssen Sie nach South Lake Tahoe oder Carson City.«

Fin schüttelte den Kopf. »Nicht nötig. Ich trage meinen Gott immer bei mir.«

Sie runzelte die Stirn und fuhr geradeaus weiter auf dem Carson Pass Highway, vorbei an Sørenson und durch Hope Valley, nach Kirkwood.

Fin erhaschte einen Blick auf den Talkessel, umkränzt von schneebedeckten Gipfeln, deren eisige Decke in ein paar Wochen bis zum Highway wachsen und unzählige Schi-Touristen aus Sacramento und San Francisco anlocken würde. Momentan standen die Lifte allerdings still.

Beim Kirkwood Inn & Saloon parkte sie und hupte. Ein Junge kam aus dem Holzhaus gelaufen. »Morgen, Sheriff. Meine Mam lässt sich bei Ms. Hawkes bedanken«. Er reichte ihr ein Paket durch das Fenster.

Fin stieg sofort der unverkennbar scharfe Geruch von altem Käse in die Nase. »Himmel, was ist denn das?«

»Eine Kultur für unsere Käserei. Die Ranch hat auch Milchvieh. Henri experimentiert gerne mal herum.«

»Käserei?«

»Hat meine Grandma Annette eingerichtet. Sie stammte aus den Alpen, müssen sie wissen.«

»Alpen? In Europa?«

»Genau. Aus Vorarlberg. Einem Landesteil von Österreich. Sagt Ihnen das was?«

»Ja, doch. Ich war ein paar Monate in Deutschland stationiert. Ramstein Air Base.«

»Die Morschers waren Bergbauern im Silbertal. Im Urlaub, beim Wandern über den Pacific Crest Trail, hat Grandma damals am Silver Creek meinen Grandpa kennengelernt und ist gleich hiergeblieben. Passend, nicht wahr?«

Fin bemerkte ein versonnenes Lächeln, als würde sie sich an bessere Zeiten erinnern. Dann war der Moment vorbei. »Lassen Sie sich die Käserei einmal von Henri zeigen. Der Hawkes-Käse ist ziemlich beliebt. Einmal im Jahr kommt eine ganze Delegation aus Napa Valley zur Verkostung. Die suchen immer etwas Spezielles passend zu ihren Wein-Jahrgängen aus. Übertrieben finde ich, aber sie zahlen gut.«

Sie wies die Straße weiter. »Bezirksgrenze. Dort vorne beginnt El Dorado County.« Dann schob sie rückwärts, wendete den Ford und nach knapp vierzig Minuten waren sie zurück in Markleeville.

Sheriff Hawkes hielt vor dem Gerichtsgebäude. »Das war jetzt der nördliche Teil von Alpine, den südlichen mit der Carson-Iceberg-Wilderness, Ebbetts Pass und Bear Valley sehen wir uns morgen an, nein, übermorgen. Okay?«

Fin bejahte und stieg aus. Dann beugte er sich noch einmal hinunter und sagte durch das offene Beifahrerfenster. »Ich habe noch eine Frage.«

»Die wäre?«

»Warum der Colt Trooper? Der Revolver muss doch aus den 50er oder 60er Jahren sein?«

Sheriff Hawkes grinste. »Weil er zur Winchester passt.« Sie gab Gas und fuhr davon.

3

Die Gemeindesitzung fand immer am zweiten Mittwoch des Monats im Verwaltungszentrum statt. Damit möglichst viele Einwohner davon profitieren konnten, gab es seit einer Weile auch die Möglichkeit über Videokonferenz teilzunehmen. Louise stellte fest, dass an dieser Sitzung großes Interesse herrschte. Sie erkannte einige Leute aus Bear Valley und sogar aus Kirkwood, die sonst selten persönlich an den Gemeindegesprächen teilnahmen, da Abstimmungen über Briefwahl abliefen.

Seit ihrer Rückkehr nach Alpine hatte Louise den Job als Protokollführerin inne, weil sie sich mit der Konferenz-Software gut auskannte und die Amtssekretärin diese Aufgabe gerne abgegeben hatte. Louise genoss die Abende, vor allem den Austausch nach dem offiziellen Programm, so viel gab es sonst nie zu erfahren.

Russell führte die Sitzung gewohnt professionell und vermied ausschweifende Reden, schon deshalb war er im Bezirk sehr beliebt. Hauptpunkt war das Silver Mountain Ghost Town Projekt, an dem die Gemeinde seit drei Jahren werkelte. Fast jede Familie hatte einen Arbeitsbeitrag geleistet und die Eröffnung sollte nach der Wintersaison erfolgen. »Wenn es den Schnee übersteht, dann steht es«, war ein häufiger Spruch zu neu gebauten oder renovierten Häusern im Bezirk.

»Mit der Geisterstadt haben wir am Highway 4 eine neue Sommerattraktion, wenn den Leuten das Fischen zu eintönig wird. Mein geschätzter Cousin Erland«, Russell deutete auf einen schmächtigen Mann, »wird die Ferienhäuser und das Café betreiben, das ergänzt sich gut mit seinen Touren am Silver Creek. Für die Lizenz unterstützt er uns beim Kauf der Thompson-Ranch, auch wenn Bear Valley vorrangig keinen Vorteil daraus zieht.«

»Baut dort ein Glashaus und schickt uns Tomaten«, tönte eine Stimme aus der Mitte. Ein paar klatschten. Russell nickte. »Ist eine Idee, können wir nächstes Jahr mal besprechen, zuerst müssen wir abwarten, wie die Gerichtsverhandlung ausgeht. Ihr wisst, der Fall ist nicht ganz unproblematisch.«

Der Bürgermeister schob seine Papiere zusammen. »So, jetzt aber zum letzten Punkt aus der vorigen Sitzung – wir haben mit dem U.S. Forest Service alles ausgehandelt. Ihr erinnert euch noch? Im August hatten wir den verunglückten Bergsteiger aus Washington. Cal-Star hatte die Helikopterbergung bei uns damals zurückgereiht, weil gleichzeitig am Lake Tahoe ein Bootsunglück war und am Highway 50 ein größerer Unfall. Unser Search And Rescue-Team konnte den Mann nicht mehr rechtzeitig bergen. Die Folge waren kritische Berichte in den regionalen Medien und ein Anschiss vom California Govenor’s Office of Emergency, mit dem Auftrag unsere SAR-Richtlinien zu überarbeiten. Auch in Hinsicht auf unser Geisterstadtprojekt soll das nicht noch einmal vorkommen und so hatten wir beim letzten Mal beschlossen, eine Lösung zu finden.«

Er hielt inne und trank ein paar Schluck Wasser. Das gab Louise Zeit ihre Finger über der Tastatur zu lockern und das Headset zu richten.

»Wir haben uns mit dem Supervisor des Humboldt-Toiyabe-Nationalparks getroffen und dem U.S. Forest Service vorgeschlagen, dass wir einen Helikopter und die Versorgung stellen, wenn sie einen Protection Ranger bei uns einrichten, der auch als Pilot ausgebildet ist und unser SAR-Team unterstützt. Nach einigem Hin und Her haben wir uns geeinigt. Ein paar von euch haben unseren neuen Ranger schon kennengelernt. Für die anderen: Das ist der große Kerl in Lederjacke mit dem Ford Bronco. Ab dem ersten November trägt er seine Uniform, dann könnt ihr ihn nicht übersehen. Er heißt Finley McLochlainn und ist seit einem Jahr bei der Law Enforcement Truppe der Ranger. Für die Ladys: Er ist 34 Jahre alt und Single.«

Ein paar Pfiffe ertönten im Saal.

»Für Doc: Er hat eine Paramedics-Ausbildung und war als Notfallsanitäter mehrere Jahre im Irak, er kann dich also bei Bedarf unterstützen. Und für die Männer: Sein letzter Army-Einsatz war Heeresflieger bei den 82nd Airborne, er war lange in Afghanistan, also kommt ihm nicht blöd. Ihr wisst, ich war auch bei der Army.«

Ein paar zustimmende Rufe kamen aus den hinteren Reihen.

»An alle: Seid nett zum ihm. Ich möchte, dass er bei uns bleibt. Besonders du, Johan.« Ein paar lachten.

»Und du, Louise«, er drehte sich zu ihr hin, »du bist nicht zu nett zu ihm.«

Viele lachten, ein paar pfiffen. Ein Farmer aus der vorderen Reihe hob die Hand.

Russell beugte sich vor. »Ja, Mitch.«

»Wie finanzieren wird das? Kommt mir wie ein ganz schöner Brocken vor: Thompson und ein Heli.«

»Versteh ich, Mitch«, sagte Russell, »und du hast recht, es ist ein Brocken. Wir haben alles an Reserven plündern und drei Ferienhäuser verkaufen müssen und trotzdem fehlt noch was. Aber mit einer guten Wintersaison wird es sich ausgehen und wenn der Sommer auch hält, dann sind wir Ende nächsten Jahres wieder liquid. Okay?«

Ein Murmeln zog durch den Saal, Louise bemerkte einige zweifelnde Gesichter. Russell wartete ab. Mitch stand auf. »Ist in Ordnung, Bürgermeister. Du hast bisher noch immer deine Versprechen gehalten.«

Alle applaudierten und Louise seufzte erleichtert, sie hatte schon befürchtet, dass die Gemeinde eine Abstimmung verlangen würde.

Beim Rückweg zur Ranch stießen Henri und Louise an der Kreuzung zur Hauptstraße fast mit dem Ranger zusammen, der vor dem Wolf Creek stand. Louise hatte gehört, dass Peter sofort einen guten Draht zu ihm gefunden hatte. Das war für ihre Schwester wohl ein Grund, sich auch einmal um den Neuling im Ort zu kümmern.

Henri sprach den Ranger an und fragte ihn, ob er nicht am Samstag bei einer Trailtour teilnehmen wollte. »Ist das letzte Wochenende dieses Jahr, an dem wir Touren anbieten, Ende Oktober beginnt die Sturmsaison in der Sierra und sie haben doch noch keinen Dienst.« Sie warf einen Blick auf das Restaurant. »Und ist eine Abwechslung zur Kneipe.«

Louise seufzte. Ihre Schwester war wie immer undiplomatisch. Man machte einem Kerl nicht den einzigen Ort madig, an dem er ein Kerl sein konnte.