Alpengold 331 - Monika Leitner - E-Book

Alpengold 331 E-Book

Monika Leitner

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Fassungslos steht Sanna im Morgengrauen vor den rauchenden Trümmern ihres Elternhauses. Unaufhaltsam rinnen ihr Tränen über das Gesicht. Wird sie denn niemals Ruhe und Frieden finden? Zu oft und zu schwer hat das Schicksal sie in letzter Zeit gebeutelt.
Zuerst verließ der Mann sie, an dessen Liebe sie so fest glaubte, dann verunglückte der Vater plötzlich tödlich, und Sanna musste die ganze Verantwortung für ihre kleine Schwester und das Anwesen übernehmen.
Und nun ist das Thalerhäusl, die einzige Existenzgrundlage der beiden Schwestern, ein Raub der Flammen geworden.
Plötzlich berührt eine Hand Sannas Schulter. Der Aßbichlerbauer steht vor ihr und sagt schmeichelnd: »Hier kannst du nicht bleiben. Komm mit zu mir. Ich suche schon lange eine Magd und biete dir und deiner Schwester eine neue Heimat.«
Sanna ahnt, dass dieses Angebot nicht selbstlos ist ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 108

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Als Magd war sie zu schön

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9876-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Als Magd war sie zu schön

Als Sanna über Nacht Hof und Heimat verlor

Von Monika Leitner

Fassungslos steht Sanna im Morgengrauen vor den rauchenden Trümmern ihres Elternhauses. Unaufhaltsam rinnen ihr Tränen über das Gesicht. Wird sie denn niemals Ruhe und Frieden finden? Zu oft und zu schwer hat das Schicksal sie in letzter Zeit gebeutelt.

Zuerst verließ der Mann sie, an dessen Liebe sie so fest glaubte, dann verunglückte der Vater plötzlich tödlich, und Sanna musste die ganze Verantwortung für ihre kleine Schwester und das Anwesen übernehmen.

Und nun ist das Thalerhäusl, die einzige Existenzgrundlage der beiden Schwestern, ein Raub der Flammen geworden.

Plötzlich berührt eine Hand Sannas Schulter. Der Aßbichlerbauer steht vor ihr und sagt schmeichelnd: »Hier kannst du nicht bleiben. Komm mit zu mir. Ich suche schon lange eine Magd und biete dir und deiner Schwester eine neue Heimat.«

Sanna ahnt, dass dieses Angebot nicht selbstlos ist …

Der Wind strich durch die kleinen leeren Fensterhöhlen, deren Scheiben längst zerborsten waren. Er fing sich eine Weile in den Stuben und Kammern, rauschte wieder hinaus, um leise pfeifend um die Mauern der verlassenen Häuser zu fahren.

Aus Felsbrocken waren sie gebaut, schief, geduckt und mit hölzernen Galerien versehen, die, zum Teil aus allen Fugen gelöst, herunterhingen. Ein trostloser Anblick.

Kilian Astlinger saß mit seinen beiden Kindern auf den Steinen eines verfallenen Backofens.

»Ich geh’ immer gern wieder hier hinauf«, sagte er.

Sanna, die Zwanzigjährige, wusste, dass er am liebsten hier oben gelebt hätte, wenn dies möglich gewesen wäre. Der Vater war ein Sonderling, nicht sehr ausgeprägt, was man sonst darunter verstand, aber immerhin doch anders als die anderen Männer in Völlan.

Sanna sah in ihm etwas Besonderes, und sie liebte ihn sehr. Er verbrachte seine Freizeit nicht beim Rotadler-Wirt wie die anderen Bauern. Er war ganz und gar mit der Natur verwachsen und Bergsteiger aus Passion. Die Mutter hatte ihr erzählt, dass er als junger Bursch viel in den Bergen gewesen war, aber seitdem es die Familie gab, war das nicht mehr in dem Maß möglich gewesen.

»Aber hier in dem verlassenen Bergdorf ist’s so traurig, Vater, ja, fast düster, obwohl heute ein so herrlicher Tag ist«, erwiderte Sanna. Sie drückte das vierjährige Annerl an sich, das auf ihrem Schoß saß.

»Du empfindest das halt so – ich nicht. Da, schau hin, die kühne Eispyramide des Simoler steht wie hinter Glas gemalt. Ist das nicht wunderschön? Das Herz wird einem ganz weit.«

Ja, es war ein Tag wie aus dem Bilderbuch.

»Ja, Vater, das find’ ich auch, aber das verlassene Dorf hier oben drückt auf meine Seele.«

»Ich weiß schon, Sanna, du bist so, wie deine Mutter gewesen ist. Sie hat auch hinter dem kleinsten Schatten etwas Böses gesehen.«

Das Annerl war nun vom Schoß der Schwester gerutscht und spielte zwischen den Steinen.

Sanna blickte hinaus in die Weite. Eine eigenartige Stimmung herrschte auf den Höhen. Stille und Licht dominierten. Das Grutztal war abseits jeden Ski- und Sommerrummels gelegen. Bis jetzt war noch niemand darauf gekommen, Lifte und Hotels zu bauen.

Vielleicht wirkte das Tal auch sonst etwas düster und abseitig, wenn nicht gerade ein so leuchtender Tag war wie heute. Nur ein paar Kenner und Bergsteiger kamen seit Jahren hierher. Unterkunft fanden sie im einzigen Gasthaus von Völlan, dem »Rotadler«.

Sie waren in der Frühmesse gewesen, danach auf dem Kirchhof am Grab der Mutter, die bei Annerls Geburt an unerwarteten Komplikationen gestorben war, und dann über die Reindleralm hier heraufgestiegen.

»Immer wieder ist’s schön hier oben«, flüsterte Kilian Astlinger ergriffen, »dem Himmel und den Sternen sind wir hier viel näher. Spürt du’s auch?«

Sein Blick tastete die zerklüftete Salwand ab, die sich weiter oben aus dem Mattengrün gar wuchtig erhob. Dann wies er mit der Hand nach oben.

»Dort, Sanna, siehst den Adlerhorst? Ihn wollt’ ich euch zeigen. Wie ich sie beneide, diese stolzen Vögel! Sie sind noch freier als ich. In dem Horst werden zwei Adlerjungen aufgezogen, und eins davon werd’ ich mir holen, wenn es soweit ist.«

Sanna zuckte zusammen.

»Aber Vater! Wie kommst denn auf einen solchen abwegigen Gedanken! Was willst denn mit einem Adlerjungen anfangen?«

»Sei nicht so entsetzt, Sanna. Ich hab halt auch meine Träume. Ich werd’ das Junge zähmen, und dann wird’s immer um mich sein. Ich werd’ es mit hinauf nehmen auf die Höhen, es wird mein Begleiter werden.«

»Vater, ich glaub’, das wird ein Traum bleiben. So wird’s nicht gehen.«

»Es geht alles, wenn man nur will, Sanna.« Seine Stimme hatte einen leidenschaftlichen Klang bekommen. »Der Wille kann sogar die Sterne vom Himmel holen.«

»Vater, versündige dich nicht«, rief Sanna erschrocken.

Kilian Astlinger lachte jetzt.

»Kennst du ihn nicht, den Spruch? ›Ich will! Das Wort ist mächtig. Spricht’s einer ernst und still. Die Sterne reißt’s vom Himmel, das eine Wort: Ich will!‹«

Sanna musste zugeben, dass sie den Vater besonders liebte, wenn er so war wie jetzt. Den Dorfbewohnern hatte er sich wohl entfremdet, weil ihm vieles anders galt, als ihnen: die Bergkameradschaft, das Wagnis, das Erproben der eigenen Kraft und die Gefahr in Fels und Berg.

»Vielleicht fühl’ ich mich immer wieder hierher gezogen, weil meine Ahnen aus diesem hoch gelegenen Bergdorf stammen. Meine Großeltern haben hier ja noch gelebt, wie du weißt. Die Alten sind dann alle weggestorben, und die Jungen sind fortgegangen, sogar in Städte oder ins Welschland.«

»Ich hätt’ hier oben auch nicht leben mögen. Drunten im Tal ist’s schon besser, obwohl wir auch noch arg abseits sind.« In die Augen des Mädchens kam ein leises Leuchten. »In einem der großen Täler wär’s sicher noch schöner. Dort hat man mehr Weite, man sieht mehr Himmel und auch mehr Menschen.«

»Ich weiß, Sanna, du magst die Menschen, aber ich nicht so sehr.«

Jetzt saßen sie eine Weile schweigend. Man hörte laut das Sausen des heftigen Windes.

Plötzlich fuhr Sanna erschrocken zusammen.

»Die Glocke, Vater! Die Glocke läutet leise im Kirchturm. Das bedeutet Unglück!« Ihr Gesicht hatte einen lauschenden Ausdruck angenommen. »Jemand läutet sie, die Glocke!«

»Kind, was redest du denn da! Ich höre keine Glocke, und niemand gibt es, der sie hier oben läuten würde, auch keinen Teufel.«

Sannas Augen waren starr. »Ich höre sie aber, fein und leise.«

»Wenn du sie hörst, dann könnt’s vielleicht nur so sein, dass der Wind so viel Kraft entwickelt, dass er sie ein bisserl bewegt und der Schwengel leise das Eisen berührt. Eine ganz natürliche Erklärung.«

»Es bedeutet ein Unglück für uns, Vater! Bestimmt.« Sie neigte lauschend den Kopf. »Jetzt läutet sie nicht mehr, es ist vorüber.«

Kilian Astlinger lächelte.

»Ich hab’s schon gesagt. Du bist wie deine Mutter.«

»Aber Vater, du weißt ganz genau, dass nicht nur ich allein das denke. Alle Leute im Dorf sagen: Wenn die Glocke von St. Martin läutet, gibt’s ein Unglück!«

Der Bauer streichelte Annerls Haar und blickte dabei sorgenvoll auf seine große Tochter.

»Sanna, sonst bist du doch nicht abergläubisch, warum grad hier?«

Das Mädchen hob und senkte die Schultern, gab aber keine Antwort auf die Frage des Vaters. Stattdessen erhob sich Sanna und blickte auf die felsigen Schründe der Salwand.

»Gehen wir weiter, Vater?«

Er nickte. »Ja.«

Das Annerl setzte er auf seine Schultern, und so stiegen sie noch eine Weile bergwärts. Als sie unterhalb der Salwand angekommen waren, machten sie Rast. Der kleine Rucksack, den Sanna getragen hatte, wurde ausgepackt.

»Jetzt kommt das Adlerpaar!«, rief der Bauer unvermittelt. Und da sahen sie schon die beiden großen Vögel. Mit weit gebreiteten Schwingen zogen sie ihre Kreise und stießen tiefer, um irgendwo Beute auszumachen.

»Die letzten Steinadler hier«, sagte er.

»Und du willst ihnen ein Junges nehmen, Vater. Ich kann das wirklich nicht verstehen, gerade von dir nicht. Aber vielleicht überlegst dir’s doch noch anders.«

Er lächelte nur und antwortete nicht. Als sie gegessen hatten, erhob er sich.

»So, kommt! Jetzt zeig’ ich euch den Horst ganz genau.«

Sie entfernten sich ein Stück von der Wand, dann nahm Kilian Astlinger den Lederriemen vom Hals, an dem das Fernglas hing, und schaute hindurch.

»Schön ist er zu sehen, der Horst, und dazu die beiden Jungen!« Dann reichte er Sanna das Glas. »Und jetzt schau!«

Groß sah sie den Horst vor sich, der in einer Felsennische zu kleben schien. Und darin bewegten sich zwei zerzauste, ganz junge Adlerköpfe.

»Ich auch! Ich auch!«, rief das Annerl und klammerte sich an Sannas Rock. Sie bückte sich und ließ das Kind hindurchsehen.

»Lauter Himmel.«

»Dann müssen wir es eben ein bisserl tiefer halten.« Sanna versuchte es, aber es gelang nicht, für das Kind den Adlerhorst einzufangen. Aber das Annerl war trotzdem zufrieden. Die Hauptsache war, sie hatte durch das Glas sehen dürfen.

»Und – was sagst du?«, fragte der Astlinger.

»Was soll ich sagen, Vater? Ich würd’ die zwei Jungen eben dort lassen, wohin sie gehören, zu ihren Eltern.« Dann fiel ihr plötzlich etwas ein, und erschrocken fragte sie: »Wie willst du überhaupt bis zum Horst gelangen? Das ist doch sehr schwer und gefährlich.«

Kilian Astlinger lachte. »Das ist überhaupt nicht schwer. Jeder Anfänger müsste das können. Ich steig’ halt nach unten ab und nehm’ das Junge aus dem Horst. Ich steck’s in den Schilfleinenbeutel, und dann klettere ich wieder nach oben. Fertig.«

»Vater, du kannst dir denken, dass die beiden Adler ganz bestimmt nicht einfach so zusehen werden, wenn du ihnen ihr Junges wegnimmst. Sie werden dich angreifen.«

»Freilich werden sie das tun, aber gegen einen Menschen kommen sie nicht an. Ich werd’ natürlich Handschuhe tragen und meinen Kopf mit einer dicken Mütze schützen, aber wirklich gefährlich können die einem nicht werden.«

»Ich will’s hoffen, Vater. Aber ich hab jetzt schon Angst um dich.«

Er nahm ihr das Glas ab und strich zärtlich über ihr Haar.

»Brauchst du aber nicht, wirklich nicht.«

Sie traten den Rückweg an. Das kleine Annerl war nicht müde und trippelte an der Hand des Vaters bis zum verlassenen Bergdorf hinunter, dessen Friedhof sie aufsuchten.

Dieser Friedhof schien in Melancholie erstarrt zu sein. Es gab nicht einmal einen Vogel, der in seiner Nähe sang. Der einzige Laut, der hier vernehmbar war, war das Sausen des Bergwinds.

Sie standen vor dem Grab der Astlinger-Ahnen.

»Hier würd’ ich gern begraben sein«, meinte der Astlinger. »Hier wär’ ich meinen Gipfeln näher und den Sternen. Aber leider ist’s nimmer erlaubt. Hier darf niemand mehr bestattet werden.«

Annerl hatte sich selbstständig gemacht, lief zwischen Grabreihen hin und her und begann, Blumen zu pflücken, deren Samen dereinst der Wind hergetragen hatte und die sich immer wieder aussäten.

»Gehen wir wieder, Vater. Der Platz hier ist gar zu traurig.«

»Findest du? Ich nicht. Schau dich doch um! Alles liegt im Sonnenglast, blau und leuchtend schaut der Himmel herein, und ringsum grüßen die Gipfel her. Der Wind ist wie Musik. Er singt den Toten hier seine Lieder.«

»Nein.« Das Blau von Sannas großen Augen war dunkler geworden. »Der Wind singt nicht, er pfeift und heult! Und die Toten sind tot. Sie können ihn nimmer hören.«

Verwunderung kam in Kilian Astlingers Blick.

»Und das sagst du, die die Glocke im halb verfallenen Turm zu hören glaubt und sagt, dass das Unglück bringt? Wie reimt sich das zusammen?«

»Das ist etwas ganz anderes, Vater. Die Toten sind tot, das weiß ich. Und wenn der Wind heult und pfeift, kann ich mir nicht einreden, dass er singt.«

Nachsicht und Güte prägten den Ausdruck auf des Bauern Gesicht, als er jetzt sanft die Wange seiner Tochter berührte.

»Das wirst du alles noch lernen, das Leben lehrt einen viel. Und nun lasst uns nach Hause gehen.«

Rechtzeitig zur Stallarbeit waren sie wieder zurück. Das kleine Anwesen lag idyllisch am Fuße des südlichen Talhangs, und hatte fast den ganzen Tag die Sonne in den winzigen Fenstern.

Das Thalerhäusl, wie es genannt wurde, war Sannas wahre Heimat. Immer hatte sie sich hier gut und glücklich gefühlt.

***

An diesem Abend gingen sie alle früher als gewöhnlich zu Bett. Der weite Ausflug zur Salwand hatte ihnen eine angenehme Müdigkeit gebracht.

Es war irgendwann in der Nacht – Sanna wusste nicht, wie lange sie schon geschlafen hatte – als sie aufschreckte. Sie hatte einen Flügel des kleinen Fensters offen, und an dem anderen schien etwas zu klirren.

Sie setzte sich auf und lauschte. Da war das Klirren wieder. Jemand musste ein Steinchen gegen die Scheibe geworfen haben, und nun fiel eins durch den offenen Flügel auf den Boden.

Sanna sprang aus dem Bett und trat leise an das Fenster, damit Annerl nicht erwachte.

Die Landschaft war vom Mondlicht überflutet, und ganz deutlich sah sie die Umrisse der ihr bekannten Gestalt von Ludwig Rieser, dem Sohn des Reindlerbauern.

»Sanna, komm ein bisserl herunter, es ist noch nicht spät«, flüsterte er.

»Ja, ich komm’.«