Alpengold 386 - Monika Leitner - E-Book

Alpengold 386 E-Book

Monika Leitner

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Tief in Gedanken versunken, schreitet Vinzenz Hartwig über seinen Grund und Boden. Zum Schluss will er noch in den Stall, um auch hier wie jeden Abend nach dem Rechten zu sehen.
Seltsam ...! Wieso liegt das schwere Vorhängeschloss neben der Schwelle?
Leise stößt der Bauer die Tür auf und tritt in das Halbdunkel, als er ein fremdes Geräusch hört, drüben im Eck. Rasch streicht er ein Zündholz an - und schaut in zwei glutvolle schwarze Mädchenaugen. Blicke, die ihm durch und durch gehen und Wünsche in ihm wecken, die er längst verloren glaubte ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 111

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Wie Wachs in deinen Händen

Vorschau

Impressum

Wie Wachs in deinen Händen

Leidenschaftlicher Roman um eine ungestillte Sehnsucht

Von Monika Leitner

Tief in Gedanken versunken, schreitet Vinzenz Hartwig über seinen Grund und Boden. Zum Schluss will er noch in den Stall, um auch hier wie jeden Abend nach dem Rechten zu sehen.

Seltsam ...! Wieso liegt das schwere Vorhängeschloss neben der Schwelle?

Leise stößt der Bauer die Tür auf und tritt in das Halbdunkel, als er ein fremdes Geräusch hört, drüben im Eck. Rasch streicht er ein Zündholz an – und schaut in zwei glutvolle schwarze Mädchenaugen. Blicke, die ihm durch und durch gehen und Wünsche in ihm wecken, die er längst verloren glaubte ...

Golden lag das Licht der Abendsonne über dem Land. Die unzähligen Blumen leuchteten in den üppig gedeihenden Bergwiesen im späten Licht. In sattem Blau tanzten Akelei und Glockenhut im Gletscherwind, weiß gesternt hoben Margeriten ihre Köpfe. Dottergelber Hahnenfuß stand zwischen Polstern von himmelblauem Männertreu, und die ersten dunkelroten Kohlröschen verströmten ihren köstlichen Würzduft.

Vinzenz Hartwig, der Moosfelder, blieb auf seinem Weg vom Kar herunter stehen. Einen Augenblick genoss er das blühende Wunder der Hangwiese, dann zuckte es spöttisch um seinen Mund.

»Ich tu ja gerade so, als wäre ich ein Tourist, der das zum ersten Mal sieht, und fast tun mir die Blümchen leid, die morgen unter der Sense fallen müssen«, murmelte er vor sich hin. »Wird wieder eine elende Schufterei werden da auf der Schräglage, deren Abfluss so gut fürs Wachstum ist. Alles erfinden die Großkopferten, aber eine brauchbare Maschine zum Mähen einer hangseitigen Bergwiese ist ihnen noch net eingefallen!«

Ja, da musste sich der Bauer wieder abbuckeln, nachdem ihm der Knecht mit der Walli auf und davon war. Mit der besten Magd, die man sich nur denken konnte.

Der große, hagere Mann mit dem erst leicht angegrauten blonden Haar und dem schmalen, wettergegerbten Gesicht riss einen Büschel Gras aus der Wiese, bückte sich, stieß seine Fußspitze in das feste Erdreich und lockerte es so an dieser Stelle. Dann kratzte er eine Handvoll Erde zusammen und zerbröselte sie, bevor er daran roch.

»Gute Erde, bester Boden fürs Futter«, sagte er befriedigt und nickte dazu. Es war das Wichtigste für ihn, dass er sein Vieh gut versorgen konnte, seinen Besitz mit zäher Beharrlichkeit vermehrte und trotzdem ein rechtschaffenes Leben führte, in dem er keinem anderen Übel bereitete oder Schaden zufügte.

Vinzenz, der Bauer vom Moosfelder-Hof über Almaring, hatte keine weit ausufernden Wünsche und keine überspannten Vorstellungen vom Dasein. Ihm war es recht, wie es war. Er ruhte in sich, gleichsam eingewebt in den Ablauf des bäuerlichen Jahres, dessen Erfordernisse ihm ein altgewohntes Gesetz waren. Seine Kraft wandte er auf, um diesen Gesetzen zu dienen, nicht, um sie zu brechen.

Wachsen und Gedeihen, Säen und Frucht, Samen und Ernte, das alles lag für Vinzenz in seinen Ställen, auf den Feldern, auf seinen Äckern und in seinem Wald, den er, sein Jagdrecht als Herrenbauer von alters her nützend, hegte und pflegte.

Er war der Mittelpunkt all dessen, was ihm gehörte, aber er war allein. Seine Sehnsüchte und seine Träume lagen brach. Immer schon eher still gewesen, hatten diese Impulse aufgehört, als er sein blutkrankes Eheweib Irma vor sieben Jahren auf dem Dorffriedhof hatte begraben müssen.

Es war nicht so, dass mit Irma eine große Leidenschaft gestorben war. Die hatte es zwischen den beiden Menschen aus bäuerlichem Geblüt nie gegeben, die sich von klein auf gekannt hatten.

Aber das Glimmen einer beständigen Wärme, das Wissen, einander gut zu sein, die vertraute Kameradschaft zwischen Mann und Frau waren mit ihr vergangen und nie wieder von einer anderen geweckt worden. Dabei gab es viele, die sich um den wohlhabenden Moosfelder rissen. Um seinen stattlichen Besitz, ebenso wie um den gut aussehenden Mann, der heute noch keine fünfzig auf dem Buckel hatte.

Vinzenz hatte es eher abgestoßen als ermuntert, wie sie da angerückt waren, eine nach der anderen, Mitleid heuchelnd und Hilfe versprechend, wenn er sie brauchen sollte.

Dabei aber waren die mausflinken Augen über die kostspielige Einrichtung gewandert, hatten teures Tafelgeschirr entdeckt und geahnt, dass in den bemalten Truhen gar manche Schätze verborgen lagen. Sie hatten ebenso eifrig den kostbaren, alten Hausrat wie die praktisch und modern eingerichtete Küche betrachtet.

Sie hatten die fünfzig Stück Milchvieh im Stall, die Pferde und den kleinen Geflügelhof begutachtet, sachkundige Bemerkungen fallen lassen, in aller Bescheidenheit, mit sanfter Stimme, während in ihren Köpfen der Mechanismus in Gang gekommen war, der rasch den Profit ausgerechnet hatte: so viel Gewinn bei der Milch, so viel bei den Eiern und dem Geflügel, dessen Bestand erheblich vergrößert werden musste.

Die alte Magd Babra müsste gehen. Unnütze Esser hatten keine Daseinsberechtigung, wenn erst der neue Wind wehte, den zu entfachen jede von ihnen eisern entschlossen war, sobald sie im Sattel sitzen würde.

Vinzenz aber hatte in den angespannten Mienen zu lesen verstanden und keiner, die darauf gehofft hatte, einen Antrag gemacht. Nur eine, Mitte dreißig, mit einem engelsgleichen Gesicht und guten Augen, hatte an sein Herz gerührt. Doch die Vernunft hatte ihm geboten, kein neuerliches Wagnis einzugehen, was den Gesundheitszustand der nächsten Bäuerin betraf.

Die schöne, freundliche junge Frau litt an einer Art Fallsucht. Wenn die Anfälle, von denen sie Vinzenz freimütig erzählte, auch nur ein paarmal im Jahr auftraten, wusste man doch nicht, was sich daraus entwickeln konnte und ob sie nicht zu bald ein frühes Siechtum der Heimgesuchten bedeuten würden. Anna hatte verstanden, war aber selbstlos wiedergekommen, als die alte Babra einmal für längere Zeit erkrankt gewesen war.

»Lieber allein bleiben, als abermals ein Kreuz aufnehmen und in ständiger Angst leben«, murmelte Vinzenz Hartwig und strich sich über die gedankenvoll gerunzelte Stirn. »Es wird nichts anderes übrig bleiben, als für die Liesl bald einen Mann zu finden, der der richtige Mann für den Moosfelder-Hof wird, wenn ich einmal nimmer kann.«

Die neunzehnjährige Elisabeth war sein einziges Kind. Spät war ihm und Irma dieser sehnlichste Wunsch erfüllt worden, aber es war bei dem einen Kind geblieben. Nun kam es der jungen Elisabeth zu, dafür zu sorgen, dass der Stammbaum der Hartwigs sich weiter verzweigte.

Wieder runzelte sich die Stirn des Bauern, als ihm bewusst wurde, dass seine Tochter sich nicht so ohne Weiteres einen Mann würde zuführen lassen.

Die Großmutter in der Kreisstadt, bei der Elisabeth nach dem Tod ihrer Mutter gelebt hatte, war nach Vinzenz' Meinung daran schuld, dass das junge Ding anderes im hübschen Kopf hatte, als zeit ihres Lebens der harten Arbeit einer Gebirgsbäuerin nachzugehen.

»Na ja, sie wird sich daran gewöhnen. Sie ist ja erst wieder seit einem halben Jahr bei mir heroben und lernt Tag für Tag ein Stückerl dazu«, sagte er wieder laut.

Es fiel Vinzenz gar nicht auf, dass er Selbstgespräche führte. Er war es gewohnt gewesen, mit seinem Hund zu reden, der ihn auf Schritt und Tritt durch sechzehn Jahre hindurch begleitet und jedes Wort verstanden hatte. Rotti aber war seit Kurzem tot. Auch diese Kameradschaft war zerbrochen, einsam war der Bauer zurückgeblieben.

Vinzenz hielt immer noch die Erdkrumen von seinem Boden in der Hand. Jetzt warf er sie in weitem Bogen fort und straffte die breiten Schultern. Sinnieren brachte nichts, zehrte nur an der Kraft, und die brauchte er für seinen Hof.

Es war Zeit heimzugehen, die Sonne neigte sich, bald würde sie hinter der steinernen Wand der westlichen Berge untergehen.

Das Tal lag schon im Schatten, der Fluss und die nördliche Ebene waren unter Nebelschleiern nicht mehr auszunehmen. Vinzenz wollte schon bergab eilen, als ihm einfiel, noch einen Blick auf seinen oberen Heustadl zu werfen, ob da auch alles in Ordnung war.

Wenn sie schon morgen den weiten Weg zum Mähen heraufkamen, konnten sie auch Werkzeug und Material mitbringen, falls am Stadl etwas zu reparieren war. In diesem Fall mussten eben die zwei Mulis zum Lastentragen mit, die er in seinem Stall stehen hatte und manches Mal auch verlieh.

Vinzenz stieg wieder bergauf. Vor ihm leuchteten die Gipfel vom Lernethorn und den Schlafenden Schwestern, überflossen vom letzten feurigen Licht.

Schon recht, dass dieses Massiv die Schlafenden Schwestern heißt, sieht ja wirklich aus, als neigten sich da zwei überirdisch große Köpfe zueinander, dachte Vinzenz Hartwig und dehnte die Arme. Dann stieg er mit weichen, federnden Schritten weiter hinauf. Das kurze, raue Almgras verschluckte jeden Laut, der Gletscherwind sang in der glasklaren, frisch gewordenen Luft.

Er sang wirklich. Vinzenz kam es vor wie ein Lied, bei dem Ton um Ton, Tropfen gleich, in die Stille fällt. Eine lang gedehnte Melodie, zögernd, wie die ersten Schritte eines Zickleins oder Kälbchens, wie er es so oft beobachtet hatte.

Der Bauer steckte seinen Zeigefinger in den Mund und hielt ihn dann gegen den Wind, um dessen Richtung genau zu prüfen. Schon möglich, dass er sich heute ein wenig gedreht hatte und dass deshalb dieses merkwürdige Singen in der Luft war.

***

Erst als sich der stattliche Mann dem Stadl näherte, verstummte jeglicher Laut, und er meinte schon, geträumt zu haben. Schwer ließ er sich auf die noch sonnenwarme, rissige Bank vor dem Stadl fallen und kramte seine Pfeife aus der groben Arbeitsjacke, die er über der dunklen Arbeitshose trug, die in derben Stiefeln steckte.

Den schon speckigen Filzhut nahm er ab und legte ihn neben sich. Es tat gut, den frischen Wind im dichten Haar zu spüren, das blond war wie der Vollbart und den ersten Anflug von kommendem Grau zeigte. Die Wangen waren stopplig.

Rasieren hasste der Moosfelder, und wenn er es am Donnerstag versäumt hatte, schob er es gern bis Sonntagfrüh vor dem Kirchgang auf. Seit Elisabeth wieder daheim war, zwang er sich jedoch zu einem manierlichen Aussehen, wie es auch Irma stets von ihm erwartet hatte.

Vinzenz stand langsam auf, betrachtete die Tür des Stadls, das gegen ungebetene Gäste aus Wald und Flur vergitterte Einschubloch und trat ein paar Schritte zurück, um das Dach zu prüfen. Da war so weit alles in Ordnung, blieben nur noch die Nordseite und das Innere. Verfaulte Heureste oder nasses Stroh mussten fortgebracht werden, der Stadl vor der Neubelegung gut ausgetrocknet dastehen, damit nichts verdarb.

Der davongelaufene Knecht hatte sich in letzter Zeit kaum mehr um etwas gekümmert, faul und aufsässig, wie er geworden war. Und die Walli hatte er zudem auch noch aufgehetzt, bis auch das brave, nicht mehr junge Madl den guten Posten auf dem Moosfelder-Hof verlassen hatte.

Ärger stieg in Vinzenz Hartwig auf, zornig warf er den Kopf in den Nacken, der kühle Wind sollte seine Erregung dämpfen. Seltsam, es wehte stärker, als er jetzt an die Türe trat, aber das sirrende, singende Geräusch von vorhin, die einzelnen leisen Töne waren nicht mehr zu hören.

Das Vorhängeschloss lag neben dem Eingang auf dem Boden.

Vinzenz stieß die Tür mit dem Fuß auf und zog sie hinter sich wieder zu.

Es war finster da herinnen. Etwas huschte, eine aufgeschreckte Maus oder gar Ratte, und da war plötzlich etwas wie verhaltenes Atmen. Aber Mäuse hörte man nicht atmen, und wäre es eine Katze gewesen, hätte sie sicher längst gefaucht.

Der Bauer zog seine Zündholzschachtel aus der Hosentasche und riss eines an. Die winzige Flamme zuckte über den kleinen Raum, eine Bewegung entstand in dem Heuhaufen in der Ecke. Vinzenz sprang darauf zu und griff entschlossen hinein, um zu fassen, was es da gab.

»Was haben wir denn da!«, rief er, und im letzten Zucken des Zündholzlichtes sah er, wie ihm zwei ängstliche Augen entgegenstarrten.

Menschenaugen, nicht die eines Tieres, und diesen doch im Ausdruck von Not und Furcht gleich.

Verblüfft trat Vinzenz einen Schritt zurück und fluchte laut, als ihm das verlöschende Flämmchen die Finger sengte.

Vinzenz hatte keine Ahnung, wer sich da in seinem Heustadl verbarg, und es galt, auf der Hut zu sein. Ein geflüchteter Wildschütz war zweifellos bewaffnet und zu allem fähig, wenn er keinen Ausweg mehr sah.

»Komm heraus! Du hast nichts zu befürchten«, sagte er zu dem Heuhaufen hin. »Ist gewiss kein angenehmer Aufenthalt da drinnen!«

Langsam kam Bewegung in den Haufen, und wenn Vinzenz bisher nur die Augen gesehen hatte, zeigte sich ihm jetzt im Licht eines neu entfachten Zündholzes ein erschrockenes gebräuntes Gesicht unter einer dunklen Haarflut – das Gesicht eines jungen Weibes.

Mit so etwas hätte Vinzenz zuallerletzt gerechnet!

»Also, wird's bald! Da kannst du nicht bleiben. Komm heraus und sag, was du hier zu suchen hast!« Er bemühte sich um Sachlichkeit.

Heftiges Kopfschütteln war die Antwort und dann, als Vinzenz wieder in den Heuhaufen griff, ein entsetztes Aufschreien.

»Nein, nein, lass mich, ich geh schon von selber fort, bestimmt!«

Vinzenz konnte nicht ahnen, wie furchterregend er mit seinen Bartstoppeln und im dreckigen Arbeitsgewand aussah und dass die Frauensperson, die sich da versteckt hielt, sich vor ihm fürchten musste. Sie hat ja einen fremdländischen Akzent gehabt, fiel Vinzenz plötzlich ein.

»Ich bleib, bis du herauskommst! Da hilft dir alles nix, und übernachten wäre hier ja auch nicht gerade gemütlich. Vertrau mir nur!«

Endlich bewegte sich der schon etwas modrig riechende Haufen Heu, und Vinzenz gingen fast die Augen über, als er eine schöne, stattliche Gestalt auftauchen sah. Dann verlöschte das Zündholzlicht wieder.

»Ich warte draußen auf der Bank. Tummle dich! Ich will den Stadl absperren, scheint mir besser zu sein«, sagte er etwas rau und ging hinaus.