Alpengold 363 - Monika Leitner - E-Book

Alpengold 363 E-Book

Monika Leitner

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Beschreibung

Dunkel ist es droben am Berg, scharf bläst der Wind und treibt den ersten Schnee vor sich her. Da rührt sich etwas im Felsgewirr. Ein Mensch!
Mühsam schleppt er sich den Hang hinauf. Er ist verletzt, er hat Schmerzen. Aber die wilde Angst treibt ihn weiter. Nur fort von dem Ort der schrecklichen Tat, die er begangen hat - in gewalttätigem Zorn und blind vor Hass!
Er merkt nicht mehr, wohin es ihn treibt, der Hannes Lohfelder, der fesche Bursch vom reichen Kreuzhof drunten im Tal. Immer sieht er ein Gesicht vor sich, blutüberströmt und totenbleich ... Er fühlt nicht, wie ihm das Fieber in den Kopf steigt, wie die Glieder steif werden vor Kälte. Wird diese Nacht für ihn die letzte sein?


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Inhalt

Cover

Sein tragischer Irrtum

Vorschau

Impressum

Sein tragischer Irrtum

Woran ein Mann beinahe zerbricht

Von Monika Leitner

Dunkel ist es droben am Berg, scharf bläst der Wind und treibt den ersten Schnee vor sich her. Da rührt sich etwas im Felsgewirr. Ein Mensch!

Mühsam schleppt er sich den Hang hinauf. Er ist verletzt, er hat Schmerzen. Aber die wilde Angst treibt ihn weiter. Nur fort von dem Ort der schrecklichen Tat, die er begangen hat – in gewalttätigem Zorn und blind vor Hass!

Er merkt nicht mehr, wohin es ihn treibt, der Hannes Lohfelder, der fesche Bursch vom reichen Kreuzhof drunten im Tal. Immer sieht er ein Gesicht vor sich, blutüberströmt und totenbleich ... Er fühlt nicht, wie ihm das Fieber in den Kopf steigt, wie die Glieder steif werden vor Kälte. Wird diese Nacht für ihn die letzte sein?

Der Huberwirt riss die Küchentür auf.

»Wo bleibt das Frühstück für unseren Hausgast?«

Erschrocken schlug die Wirtin die Hand vor den Mund.

»Jessas, den Maler hätt' ich ums Haar vergessen! Ein Glück dass er heut' abreist. Bei dem Trubel, der hier zu erwarten ist, tät' einer wie der sich net wohlfühlen.«

»Red net lang, Frau, mach lieber das Frühstück fertig!«

»Ja, doch, ja ... Bin ja schon fertig. Soll ich die Annamirl mit dem Tablett rausschicken? Er sieht das Dirndl halt gar zu gern.«

»Nix da! Gib mir das Tablett, ich trag's selber hinüber. Unsere Annamirl ist doch kein Schauobjekt, das man Fremden vorzeigt.«

Lächelnd schaute die Wirtin ihrem Mann nach, wie er eilig die kurzen Beine schwang.

»Schauobjekt«, murmelte sie amüsiert. »Hast du das gehört, Annamirl, wie geschwollen der Papa daherredet?«

Die Wirtstochter schrubbte den Küchentisch. Sie war tatsächlich eine Augenweide.

»Die Ausdrücke hat er vom Fernsehen, der Papa. Lass ihn doch!«

»Ich lass ihn ja auch«, murmelte die Mutter beleidigt.

Der Gast, ein Künstler aus München, stand am Fenster des kleinen Frühstückszimmers.

»Gigantisch!«, schwärmte er, ohne sich umzuwenden. »Einfach gigantisch! Dieses Schönstett ist wirklich ein Ort, den unser Herrgott in einer besonders glücklichen Minute erschaffen hat. Ein Jammer, dass ich schon fort muss. Kommen Sie, Huberwirt, erzählen Sie mir wenigstens ein bisserl was über Land und Leute. Der Riese da oben, der mit den schartigen Gipfeln, das ist doch der Kesselberg, gelt?«

»Ja. Der beherrscht uns alle. Wenn der Berg wohlgelaunt ist, dann geht es den Menschen in Schönstett gut, aber wehe, wenn er uns Stürme, Lawinen und eisiges Schneewasser ins Tal schickt! Wenn Sie wüssten, wie viele Opfer sich der Gigant da oben schon geholt hat. An Tagen wie heut' legt unser Land sein schönstes Kleid an, weil Erntedankfest ist. Da feiert das ganze Dorf – und der mächtige Kesselberg lächelt dazu.«

Auch der Gast begann zu lächeln.

»Sie sind ja ein Poet, Huberwirt. Wie steht's denn mit den Menschen, die hier leben? Gibt's hier Großbauern? Ich meine, solche, die wirklich reich sind und einen großen Besitz haben?«

»Nur einen«, antwortete der Wirt. »Aber der gehört gleich zu den ganz Großkopferten. Womit ich net sagen will, dass der Kreuzhofbauer eingebildet wäre. Er hat einfach das Glück auf seiner Seite, und das seit mehreren Generationen. Das halbe Land unterm Kesselberg gehört ihm. Er hat die beste Frau, zwei prachtvolle Söhne, gutes Land und erstklassige Leut', die für ihn arbeiten. Ja, der Kreuzhofbauer ist ein wahrer Glückspilz.«

Der Maler aus München war ein feinfühliger Mann. Als der Huberwirt seinen letzten Worten einen stillen Seufzer nachschickte, wusste er, dass auch auf dem Glück des gelobten Kreuzhofbauern ein Schatten lag.

»Na?«, meinte er aufmunternd. »Da ist doch ein Haken bei der Geschichte, oder?«

Der Huberwirt hob die Schultern und ließ sie wieder sinken.

»Weiß net, ob man das einen Haken nennen darf. Vielleicht gibt sich's ja wieder. Im Augenblick ist's jedenfalls eine rechte Plage.«

»Was denn? Ich bitte Sie, Bartel, erzählen Sie. Menschenschicksale interessieren mich brennend.«

»Na schön ... Also, das ist so: Solange die Kreuzhofbuben auf der Welt sind – der Hannes ist sechsundzwanzig und sein Bruder, der Matthes, ein Jahr jünger – waren sie unzertrennlich. Ein Herz und eine Seele sind sie gewesen. Das Herz ging einem auf, wenn man die beiden sah. Zu jedermann höflich, freundlich und hilfsbereit. Die landwirtschaftliche Hochschule haben sie beide besucht, und niemals sind Klagen gekommen. Nur Lob! Besonders Hannes, der Ältere, hat einen ganz speziellen Sinn fürs Hofwesen. Aber dann ...« Er stockte.

»Und dann? Was geschah dann?«, drängte der Maler. »Jetzt fängt's doch erst an, interessant zu werden.«

»Ja mei«, seufzte der Wirt. »So richtig weiß keiner, was mit den Buben geschehen ist. Am End' ist der Teufel in sie gefahren. Jedenfalls streiten die beiden seit neuerem, dass die Fetzen fliegen. Meist geht's um ein Dirndl. Ständig verlieben sie sich in dasselbe Dirndl, und dann geht's rund! Aber wie! Letztes Jahr ist's das Madl vom Doktor gewesen, um das sie gestritten haben. Keine Feier ist ohne Rauferei zu Ende gegangen. Jetzt ist das Doktor-Dirndl fort vom Dorf.«

»Und seitdem ist Ruh?«, fragte der Maler interessiert nach.

Der Huberwirt blies die Backen auf.

»Ruh!«, stieß er mit hochrotem Kopf hervor. »Wo denken Sie hin, Herr? Ruh' geben die Burschen nie. Darüber regt sich das ganze Dorf auf. Heuer hab ich das Theater im eigenen Haus, indem sich die zwei in meine Annamirl verschaut haben. Was glauben Sie, warum ich heut' so nervös bin? Heut' Abend ist Tanz in meiner Wirtschaft, und die Annamirl hilft beim Servieren. Wie stelle ich's bloß an, dass die Kreuzhofbuben friedlich bleiben?«

Schmunzelnd wiegte der Maler den Kopf. Die Geschichte gefiel ihm.

»Welchen von beiden mag denn die Annamirl? Für Ihre Tochter wär's doch ein großes Glück, Kreuzhofbäuerin zu werden.«

»Das ist es ja eben! Um keinen Preis mag meine Annamirl Kreuzhofbäuerin werden. Da tät das Gefrett ja nie aufhören! Sie hätt' keinen frohen Tag mehr im Leben. So denken inzwischen alle Dirndl in der Umgebung. Wahrhaftig, der Kreuzhofer kann einem leidtun. Da hat er nun zwei prachtvolle Buben mit den allerbesten Talenten und muss dennoch mit Sorgen in die Zukunft schauen. Nur, weil die Burschen keinen Frieden halten können. Ich sag' Ihnen, eines Tages geschieht noch ein schlimmes Unglück. Hoffentlich net heut' – und net bei mir!«

Der Huberwirt wischte sich die Hände am Wams ab, weil sie vor Aufregung feucht geworden waren, und eilte zur Tür.

»Nix für ungut, Herr, aber ich muss jetzt an die Arbeit!«

»Danke!«, rief der Maler nach. »Ihre Erzählungen waren sehr interessant. Vielleicht komm' ich im nächsten Jahr wieder, um zu erfahren, wie es weitergeht auf dem Kreuzhof ...«

***

Der Kreuzhof war ein Anwesen, das sich wahrlich sehen lassen konnte. Allein das große weiße Wohnhaus mit seiner Lüftlmalerei und dem üppigen Blumenschmuck war eine Sehenswürdigkeit.

Eines der Fenster stand weit offen. Die Bäuerin schaute hinaus. Gedankenlos zupften ihre Finger an den Blumen.

»Mach dich net selber narrisch, Theres«, tadelte der Bauer. »Die Buben werden schon kommen. Sie sind schließlich erwachsen und dürfen an einem Tag wie heut' ruhig mal über die Stränge schlagen. Schließlich tun sie das ganze Jahr über redlich ihre Pflicht ... Und hör, um Himmels willen, sofort auf, die unschuldigen Blumen zu zerrupfen!«

Die Bäuerin drehte sich um. Ein zorniger Blick traf ihren Mann, der gemütlich am Tisch saß und seinen geliebten Milchkaffee trank.

»Du weißt genau, worüber ich mir Sorgen mache! Der Hannes ist heute besonders blitzig.«

»Ja, ja, und der Matthes reizt ihn mit spöttischen Reden«, ergänzte der Bauer. »Die beiden stehen einander nix nach. Sollen sie sich doch streiten und prügeln! Ich hab längst aufgehört, mich darüber aufzuregen. Komm, Theres, setz dich zu mir.«

»Da kommen sie!«, stieß die Bäuerin aufgeregt hervor. »O weh, das schaut nicht nach brüderlicher Eintracht aus. Der Hannes rennt mit gesenktem Kopf voraus, und der Matthes schleicht missmutig hinterdrein. Gütige Himmelsmutter, wie bring' ich die beiden nur zur Vernunft! Wahrhaftig, Schorsch, ich weiß mir keinen Rat mehr.«

»Ich wüsst' schon einen«, erklärte der Bauer.

»Ach«, wehrte die Bäuerin ab, »deine Ratschläge kenn' ich. Aber so, wie dein Vater selig kannst du heutzutage nimmer umspringen mit ...«

Sie brach ab, weil sich die Tür öffnete und Hannes, der Hoferbe, ins Zimmer stürmte. Mit dem Fuß schleuderte er die Tür hinter sich zu.

»Kruzitürken!«, hörte man Matthes vor der Tür fluchen. Als er Sekunden später das Wohnzimmer betrat, hielt er sich die Stirn.

»Das hast du mit Absicht getan, du feiger, elender Wicht!«, schrie er und stieß den Bruder so derb vor die Brust, dass der ins Wanken geriet. »Wart nur, ich zahl' es dir heim! Du hast es gesehen, Vater, er hat mir die Tür vor die Stirn geknallt. Das war gemein!«

»Hoffentlich kriegst du eine dicke Beule«, gab Hannes zurück. »So ein rechtes Teufelshorn, damit jeder gleich sieht, was mit dir los ist!«

Matthes befühlte seine Stirn.

»Das tät dir so passen«, zischte er. »Aber du hast dich verrechnet. Erstens krieg ich keine Beule, und zweitens sieht mich die Annamirl immer noch lieber als dich. Ist ja inzwischen bekannt, was für ein Hitzkopf du bist.«

Hannes gewann Temperatur.

»Und du?«, schrie er. »Bist du vielleicht besser? Ich sag' dir in aller Ruhe eines: Wenn du mir heut' Abend bei der Annamirl in die Quere kommst, dann hat dein letztes Stündlein geschlagen. Dann kriegst du von mir eine Tracht, die du im Leben net vergisst. Anschließend schmeiß' ich dich in die Kreuzklamm! Hast mich gehört?«

»Ha!«, machte Matthes höhnisch. »Wie der redet! Als hätt' er ...«

»Schluss jetzt!«, fiel ihm der Bauer donnernd ins Wort. »Wenn ich recht unterrichtet bin, dann kommt ihr beide jetzt geradewegs aus der Kirche. Habt ihr denn gar keine Scham und kein Gewissen in euch, dass ihr so gotteslästerliche Worte sprecht? Wer, zum Donnerwetter, ist überhaupt die Annamirl? Etwa die Wirtstochter?«

»Akkurat die«, bestätigte Matthes stolz. »Und sie meint mich, net den Hallodri, der mein Bruder ist!«

»Eingebildeter Lackl«, murmelte Hannes. »Mich meint sie!«

»Egal, wen die Annamirl meint«, mischte sich der Bauer wieder ein. »Was Ernstes kann sowieso net draus werden. Sie ist ein resches Dirndl, aber unser Hof braucht eine Bäuerin. Also, hört auf zu straiten! Entschuldigt euch bei der Mutter und schaut, dass ihr hochkommt in eure Kammer. Zieht euch um. Das Gesinde ist bereits vom Hof. Es ist sechse vorbei. Um sieben fängt beim Huberwirt der Tanz an.«

Es war merkwürdig anzusehen. Die beiden fabelhaft aussehenden Jungmänner gingen gehorsam zur Bäuerin, neigten sich herunter zu ihr und küssten sie zärtlich auf beide Wangen.

»Nix für ungut, Mama«, sagte Hannes leise.

»Nix für ungut, Mama«, sagte auch Matthes.

Die Bäuerin strich beiden übers Haar. Rechts hatte sie einen dunklen, leicht lockigen Schof, links fülliges Blondhaar.

»Was ist bloß in euch gefahren, Buben?«, fragte sie bekümmert. »Allweil nur streiten. Früher seid ihr so nett miteinander umgegangen.«

»Das wird schon wieder, Mama«, meinte Hannes versöhnlich.

»Viel Spaß beim Erntetanz!«, rief ihnen die Mutter noch hinterher, bevor sie sich aufatmend an ihren Mann wandte. »Im Grunde sind sie net schlecht«, sagte sie, »und einander auch herzlich zugetan. Was meinst du, woran es liegt, dass sie so heftig gegeneinander sind? Ob wir was versehen haben, Schorschi?«

»Schmarrn!«, versetzte der Bauer ärgerlich. »Ich bin ein ordentlicher Vater, und du bist die beste Mutter, die es auf der Welt gibt. Lass dir das gesagt sein, Theres. Nix anderes darfst du dir einreden. Und jetzt will ich nix mehr hören von derlei Geschichten.«

***

Beim Huberwirt war bereits allerhand los, als die Brüder vom Kreuzhof ankamen. Sie waren unbestreitbar die feschesten Burschen. Beiden sah man an, dass sie hochintelligent waren, viel Sport trieben und aus einem erstklassigen Elternhaus stammten. Von den Schönstetter Burschen wurden die Brüder freudig begrüßt. Besonders der Matthes, denn der spielte mehrere Instrumente.

»Da bist du ja endlich, Matthes!«, wurde ihm von der Kapelle zugerufen. »Sei so gut und komm hoch zu uns. Wir brauchen dich.«

Sofort löste Matthes sich von der Seite des Bruders. Leicht und schwungvoll sprang er auf den erhöhten Platz, wo die Kapelle vom Trachtenverein sich niedergelassen hatte.

»Hallo, Spezi!«, grüßte er lachend. »Wozu braucht ihr mich denn?«

»Frag net so damisch. Weißt eh genau, dass ohne dich kein rechter Schwung in unsere Musik kommt. Seit zwei Stunden fiedeln wir hier ohne Pause. Warum kommst du so spät?«

Matthes grinste. »Hab erst noch was mit meinem werten Bruder klären müssen. Aber von mir aus kann's losgehen!«

Die Burschen kamen richtig in Schwung, dafür sorgte der Matthes mit seinem Temperament. Sein braungebranntes Gesicht unter dem blonden Haar glänzte vor Jugend und Frische, die Zähne blitzten, und die blauen Augen funkelten vor Lebenslust. Im Nu füllte sich die Tanzfläche.

Hannes, der ernster und stolzer war als der Bruder, ließ seine Blicke über die Tische gleiten. Der Huberwirt flitzte an seine Seite.

»Du suchst deine Leut', gelt, Hannes?«, fragte er dienstbeflissen. »Die sitzen rechts gleich hinter der Kapelle. Soll ich dich hinführen?«

»Nein, danke, das ist net nötig. Ich seh' den Tobias, unseren Altknecht. Wo der ist, sind auch die anderen.«

Mit Bewegungen, die so geschmeidig waren wie die eines Tänzers, schlängelte Hannes sich durch die Menge.

Der treue und bewährte Altknecht Tobias war damit beschäftigt, einem der Knechte den Hut auf den Kopf zu hauen.

»Der Hut bleibt droben!«, befahl er drohend.

»Aber mir ist heiß«, maulte der Knecht.

»Und wenn dir der Schweiß von der Stirn rinnt – der Hut bleibt droben!«