Alpengold 397 - Monika Leitner - E-Book

Alpengold 397 E-Book

Monika Leitner

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Beschreibung

Unendlich geliebt und behütet wächst die Förster-Christl am Silbersee auf, und mit der Zeit wird sie zum hübschesten Madl weit und breit. Kaum einer denkt noch daran, dass sie ein Findelkind ist - bis eines Tages auf schreckliche Weise die Vergangenheit erwacht und Christl in große Not stürzt ...


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Inhalt

Cover

Die Tränen der Förster-Christl

Vorschau

Impressum

Die Tränen der Förster-Christl

Ergreifender Heimatroman um ein einsames Madl

Von Monika Leitner

Die Förster-Christl hat schon harte Schicksalsschläge verkraften müssen, sich aber niemals unterkriegen lassen. Nun ist sie zu einem hübschen jungen Madl herangereift und freut sich auf ihr Leben an der Seite von Anderl Hofer. Ihm gehört ihre ganze Liebe, und schon bald werden die beiden vor den Traualtar treten und sich für immer Treue schwören.

Aber Anderl hat ein dunkles Geheimnis, von dem niemand etwas ahnt, so glaubt er, doch er irrt sich gewaltig. Seine ärgsten Widersacher wissen genau, was ihm auf der Seele liegt. Und sie schmieden einen fatalen Plan, um Anderl zu Fall zu bringen. Doch die Sache geht schief, und Christl verliert an einem einzigen Tag alles, was ihr lieb und teuer ist ...

Es ging auf Mitternacht zu. In der Stube des alten Försterhauses am Silbersee brannte nur noch das Krippenlicht. Es beleuchtete das liebliche Gesicht des Christkinds im Heu und die Madonna im blau-weißen Gewand, den bärtigen Josef mit seinem braunen Wollumhang und die anbetend knienden Hirten mit ihren Schafen. Ein matter Schein fiel bis auf den Stubentisch.

Die Antholzerin saß im Lehnstuhl und strickte an einer Wintersocke, dazu brauchte sie kein helleres Licht. Trotzdem war sie froh, als ihr Mann nach der Zündholzschachtel griff und von der Ofenbank aufstand.

»Ich zünde die Baumlichter noch einmal an, Franziska.«

»Geh, sei so gut, Felix, leg auch noch ein paar Scheite nach. Mich friert ein bisserl.«

An den harzigen Fichtenscheiten, die der Förster auf die Glut legte, züngelten schnell die Flammen hoch. Im Kamin begann es zu knistern und zu knacken, und bald strahlten die Kacheln wieder größere Wärme aus.

Doch mit einem Mal fiepte der Rauhaardackel im Weidenkörbchen unter der Ofenbank auf. Unmittelbar darauf schlug er hell an, sprang hoch und war mit ein paar Sätzen bei der Tür.

»Ja, was hast du denn, Waldl?« Der Antholzer erhob sich und legte die Pfeife zur Seite.

»Die Hirsche bei der Futterkrippe wird er hören, Felix.«

»Wegen denen benimmt sich der Hund doch net so! Da muss was anderes sein. Ich schau draußen einmal nach.«

Der Antholzer hatte zur Tür gehen wollen, doch schon nach dem ersten Schritt blieb er lauschend stehen.

Auch die Antholzerin hörte nun das ferne Rauschen. Es ging rasend schnell in ein lautes Gedonner und Gepolter über.

»Maria und Josef«, flüsterte die Frau. »Schon die zweite Lawine! Und wieder über dem Seesteig drüben.«

»Bin ich froh, Franziska, dass wir den Weg zur Christmesse net riskiert haben. Diesmal ist noch mehr heruntergekommen als beim ersten Mal.«

Der Antholzer schaute auf den Hund, der sich nicht beruhigen wollte, obwohl das Getöse der Lawine, die von der Rösselspitze am vorderen See niedergegangen war, in der Winternacht draußen verhallte.

»Es ist ja vorbei, Waldl. Komm her, ich hab noch ein Häppchen für dich.« Die Antholzerin legte das Strickzeug auf den Tisch und hielt dem Hund das letzte der Wurststücke hin, die sie vor einer Stunde für ihn klein geschnitten hatte.

Der Waldl schnappte zwar danach, hatte den Fang jedoch gleich wieder an der Türritze und knurrte gegen das Holz. Dann fuhr er herum. Den Schweif hochgestellt und das Nackenhaar gesträubt, schaute er zum Antholzer auf und kläffte ihn an.

»Jetzt glaub ich fast, dass draußen wer ums Haus streicht, Felix«, meinte die Frau.

Kaum hatte der Antholzer die Stubentür einen Spaltbreit geöffnet, war der Waldl vorn bei der Haustür. Der Förster ging ihm durch die Diele nach und öffnete auch die Haustür, aber nur um einen Spalt.

Sofort schoss der Hund hindurch. Sekunden später hörten die beiden Menschen ihn draußen aufgeregt kläffen.

»Er muss vor der Stalltür stehen«, rief der Mann. »Ich schau mal nach.«

Schon nach wenigen Schritten war der Förster im dichten Wirbel der nassen, dichten Flocken verschwunden.

Die Antholzerin legte sich ein Tuch über die Schultern und folgte ihm zur Tür.

Draußen knarrte die Stalltür. Wenig später schimmerte von drüben ein Lichtschein durch den Flockentanz. Der Förster hatte im Stall das Licht eingeschaltet.

Der Hund kläffte nicht mehr. Umso deutlicher hörte die Antholzerin ihn im Stall drinnen hecheln und fiepen.

Einen Augenblick stand sie unschlüssig da, dann ging auch sie hinaus und drückte die Tür hinter sich zu.

Am Stalleck kam ihr der Antholzer hastig entgegen.

»Ja, komm nur. Komm schnell!« Er nahm sie bei der Hand und zog sie in den Stall. »Schau dir das an, Franziska!«

Ein paar Herzschläge lang stand die Frau wie erstarrt vor dem Heubüschel zwischen dem Verschlag der Hennen und der angeketteten Geiß.

»Ein Kindl«, flüsterte sie dann. »Ein Kindl.«

»In der Heiligen Nacht setzt eine so ein Würml aus«, murmelte der Antholzer. »Net zu fassen!«

Er beugte sich hinunter und schob den Hund beiseite, der schweifwedelnd neben dem verschnürten Bündel lag.

Die Antholzerin kniete sich nieder und starrte das winzige Gesicht an.

»Es schläft, Felix. Es schläft trotz der Kälte da herinnen.«

»Bleib da oder trag es ins Haus, Franziska. Von der Tür draußen führen Spuren in den Wald. Ich folgte der Spur mit dem Hund.«

Hastig zündete er die Sturmlaterne an, die auf dem Fensterbrett stand.

»Komm, Waldl!«

Kurz darauf hörte die Antholzerin nur noch den hechelnden Hund draußen vor der Tür. Sie starrte unverwandt in das Gesicht des Kindes, von dem die schützende dicke Decke kaum mehr freigab als den Mund, das Näschen und die geschlossenen Lider.

Schließlich hob die Frau das Bündel behutsam aus dem Heu und presste es an ihre Brust. Langsam erhob sie sich, drückte mit dem Ellbogen die Stalltür auf und zwängte sich mit ihrer leichten Last hinaus. Der Sturm schlug die Tür mit lautem Knall wieder ins Schloss.

Das Kind wimmerte auf.

»Sei nur ganz ruhig«, sagte die Antholzerin leise und zärtlich. »Wenn man dich mir lässt, dann werde ich alles Leid von dir fernhalten, solange ich lebe. Und ich werde dich Christl nennen, weil du in der Christnacht in unserem Stall lagst.«

***

Jahre waren seit jener sturmdurchtobten Christnacht vergangen. Die Antholzerin hatte ihr Wort eingelöst und alle Unbill der Welt von ihrem blonden Liebling ferngehalten. Noch war der Förster-Christl vom Silbersee kein größeres Leid geschehen.

Nun aber sah es so aus, als käme ein ganz großes Leid auf sie zu. Und die Antholzerin selber war am wenigsten in der Lage, es abzuwenden. Denn wer kommt schon an gegen seinen eigenen Tod?

Der grau gewordene Förster saß an diesem hellen Sommermorgen am Bett seiner Frau und streichelte ihre Hand, die kraftlos auf dem weißen Linnen lag.

»Fühlst du dich wieder ein bisserl besser, Franziska?«

»Ein bisserl ...«, erwiderte sie und lächelte verkrampft.

Er wusste, dass es nicht stimmte, er sah es an ihrem verzerrten Gesicht. Und er hatte ja auch nur gefragt, um überhaupt etwas zu sagen. Nein, sie würde sich nie mehr besser fühlen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, wann der Augenblick kam, in dem sie gar nichts mehr fühlen würde. Noch gestern hatte er Hoffnung gehabt, aber nach diesem Anfall vorhin ...

Verstohlen schaute er auf seine Uhr. Noch eine Stunde, bis das Madl aus der Schule kam.

Die Kranke schien seine Gedanken zu erraten.

»Es ... es ist gut, dass sie net dabei ist ...«

»Franziska ...« Dem Antholzer versagte die Stimme. Schließlich brachte er mühsam hervor: »Ein paar Minuten musst du noch durchhalten, dann ist der Doktor da. Er wird gleich abgefahren sein, als ich in seiner Praxis angerufen hab. Seine Spritze hat dir noch allweil geholfen, wirst sehn, du kommst auch diesmal über den Berg.«

Die Antholzerin versuchte zu antworten. Es gelang ihr erst nach einer geraumen Weile.

»Mich brauchst du net anzulügen, Felix. Sag ... sag der Chri...«

Mitten im Wort wurde sie still. Ihr Kopf sank zur Seite. Die starren Augen blickten ins Leere.

Der Antholzer begriff es erst nach Sekunden.

»Franziska!«

Wie versteinert saß er da. Dass es so schnell gegangen war ...

Endlich erhob er sich schwankend. Seine Finger fuhren über ihre Augen. Dann faltete er die Hände.

***

Lärmend sprangen die Dorfkinder die steinerne Schultreppe hinunter, ausgelassen wie immer, wenn der Unterricht zu Ende war.

Nur die Förster-Christl war heute anders als sonst. Mit einem leisen Gruß wollte sie an dem älteren Pfarrer vorbei, der wenige Meter vor der Treppe auf dem Schulhof stand.

»Was hast du denn, Christl? Ist dir net gut?«

»Ich hab es eilig. Hochwürden. Meine Mutter ist krank.«

»Ja, ich weiß, Madl. Aber nimm es net allzu schwer. Sie rappelt sich schon wieder auf.«

»Hast du es gehört, Seppl? Ihre Mutter wär krank. Dabei ist die Antholzerin gar net ihre wirkliche Mutter. Die haben schon lang die Fische gefressen.«

Laut und deutlich hörte der Pfarrer die Bubenworte hinter seinem Rücken und sah, dass Christl jäh erblasste. Er fuhr herum. Neben dem schmächtigen Strasser-Sepp stand der Ungerer-Toni.

»Toni! Schämst du dich net, so was Gemeines zu sagen?«

Der kräftig gebaute Bub schaute ihn trotzig an.

»Ich hab ja nur gesagt, was ich gestern daheim gehört hab! Als der Doktor von uns aus zur Antholzerin gefahren ist, haben die Eltern drüber geredet, dass die Christl ein Findelkind wär. Die Förstersleute hätten sie eingewickelt im Stall im Heu gefunden. Und ihre Mutter würde im See liegen.«

»Toni ... Toni ...«

Der Pfarrer wollte sich der Christl wieder zuwenden, doch er sah nur noch, wie sie mit fliegenden Zöpfen ums Schuleck rannte.

Er eilte ihr nach. Als er das Eck erreichte, verschwand die Christl schon zwischen den Fliederbüschen am Rande der Landstraße.

Vom Dorf her brauste auf der Straße mit hohem Tempo ein Wagen heran. Kurz vor den Büschen kam er mit quietschenden Reifen zum Stehen.

»Um Gottes willen!« Der Pfarrer rannte dorthin, wo die Christl eben zwischen den Büschen verschwunden war.

Als er die Zweige auseinanderbog, sah er sie in ihrem blauen Sommerdirndl unversehrt einen Schritt vor dem Wagen des Doktors stehen. Der Doktor war schon herausgesprungen und redete aufgebracht auf die Zehnjährige ein.

»Kind, Kind, hast du denn keine Augen im Kopf?«, schimpfte er.

Stumm starrte Christl ihn an.

Der Doktor hatte sich schnell wieder in der Gewalt.

»Ja, ja, Madl, ich weiß ja, was draußen los ist. Gerade hat dein Vater in der Praxis angerufen. Einen Patienten hab ich noch versorgen müssen, bevor ich hab losfahren können. Komm, steig ein. Nun bist du fast eine Stunde früher bei deinem kranken Mutter, als wenn du hättest laufen müssen.«

Selbst noch ganz benommen, sah der Pfarrer, dass der Arzt das willenlose Madl in den Wagen zog und davonbrauste.

Dr. Steiner hatte die Christl im Fond seines kleinen Wagens untergebracht.

»Ein paar Minuten noch, Kind, dann bist du bei deiner Mutter«, tröstete der Arzt sie.

Während Dr. Steiner auf den nahen Fels am rechten Seeufer zufuhr, warf er einen Blick über die Wasserfläche, in der sich die silbergrauen Wände der Rösselspitze und des Traunkogls spiegelten.

Der Silbersee ... Einen treffenderen Namen hätte man diesem einsamen Bergsee nicht geben können. Und dem, der ihn zum ersten Mal so genannt hatte, musste das Wort an einem so herrlichen Tag wie dem heutigen eingefallen sein.

Christl war still zum seeseitigen Fenster gerutscht. Während der Fahrt den Berg hinauf hatte sie unablässig an die Worte des Ungerer-Toni gedacht. Nun starrte sie unverwandt die steile Böschung hinunter und in das kristallklare Wasser hinein, das erst weit drunten in der Tiefe dunkler wurde.

Irgendwo in dieser dunklen Tiefe sollte ihre Mutter liegen oder das, was die Fische von ihr übrig gelassen hatten ...

Ihre Mutter ... Sie hatte doch eine Mutter, und der musste sie unbedingt erzählen, was der Toni da gesagt hatte! Dann tat es gewiss nicht mehr so weh!

Christl presste das Gesicht gegen die Scheibe. Tränen perlten ihr aus den Augen. Sie glaubte inzwischen fest an die Worte des Ungerer-Toni, fühlte sich in ihrem kindlichen Gemüt von aller Welt verraten und vermochte sich ihre Mutter doch nur in der Frau vorzustellen, die mit all ihrer Liebe und Sorge um sie gewesen war, solange sie zurückdenken konnte.

»Wir sind da, Christl.« Die Worte des Doktors schreckten sie auf. Er hatte angehalten, stieg aus und wollte die Lehne des Fahrersitzes nach vorn klappen. »Um Gottes willen, Madl! Du bist ja ganz aufgelöst in Tränen! Kind, Kind, nun wart's doch erst einmal ab. Komm, wir gehen hinein.«

Christl nahm ihren Schulranzen auf, und der Doktor griff nach seinem kleinen Koffer auf dem Beifahrersitz. Hand in Hand gingen sie auf das nahe Forsthaus zu.

Der Antholzer kam nicht an die Haustür, kein Hundegebell – seltsam. Den Arzt befiel plötzlich eine böse Ahnung.