Alpengold 385 - Ina von Hochried - E-Book

Alpengold 385 E-Book

Ina von Hochried

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Beschreibung

Manchmal kommt sich Toni Asberg, Juniorchef des Hotels "Zum Hirschen" in Wilderbach, vor wie der böse Darsteller in einem schlechten Krimi. Manchmal fragt er sich, ob er überhaupt noch recht bei Verstand ist. Aber er kann sein Vorhaben nicht aufgeben. Die Idee, diese verrückte, verzweifelte Idee, hat sich so tief in sein Hirn gefressen, dass er sie nicht mehr aufgeben konnte.
Die Idee ist ihm gekommen, weil Toni sich so hilflos fühlt. Einerseits blutet alles in ihm, vor Liebe und vor Schmerz. Andererseits kocht alles in ihm, vor Zorn und Empörung. Und das zusammen ergibt halt eine Mischung, die jedes klare Denken ausschaltet.
Worum es geht? Um Ina von Weng, die seit ein paar Tagen Urlaub in seinem Hotel macht. Auf den ersten Blick hat sich Toni in die bildhübsche Frau verliebt. Doch um ihr Herz zu erobern, muss er sie zuerst "entführen" ...


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Inhalt

Cover

Die Gefangene der Berghütte

Vorschau

Impressum

Die Gefangene der Berghütte

Wenn Eifersucht ein Herz vergiftet

Von Ina von Hochried

Manchmal kommt sich Toni Asberg, Juniorchef des Hotels »Zum Hirschen« in Wilderbach, vor wie der böse Darsteller in einem schlechten Krimi. Manchmal fragt er sich, ob er überhaupt noch recht bei Verstand ist. Aber er kann sein Vorhaben nicht aufgeben.

Die Idee ist ihm gekommen, weil Toni sich so hilflos fühlt. Einerseits blutet alles in ihm, vor Liebe und vor Schmerz. Andererseits kocht alles in ihm, vor Zorn und Empörung. Und das zusammen ergibt halt eine Mischung, die jedes klare Denken ausschaltet.

Worum es geht? Um Ina von Weng, die seit ein paar Tagen Urlaub in seinem Hotel macht. Auf den ersten Blick hat sich Toni in die bildhübsche Frau verliebt. Doch um ihr Herz zu erobern, muss er sie zuerst »entführen« ...

Den Menger-Franzl hätte der Toni selbst mit verbundenen Augen und hundert Meter gegen den Föhn erkannt. Erstens, weil Toni den Franzl noch nie ausstehen konnte, und zweitens, weil der Franzl sich neuerdings sehr auffällig um Nanni Oberwies bemühte.

Sobald es aber um die Nanni ging, verstand Toni Asberg keinen Spaß mehr. Er liebte das fesche Madel nämlich von ganzem Herzen. Das ganze Wilderbachtal glaubte schon zu wissen, dass aus den beiden Mal ein Paar werden würde.

Kein Wunder übrigens, denn reich findet bekanntlich immer zu reich.

Der Oberwieshof, von dem das fesche blonde Madel stammte, war der größte im ganzen Tal. Er wurde nur noch übertroffen von den Besitzungen der Asbergs: den beiden Sägewerken, den großen Waldungen, dem Holzhandel, dem einzigen Hotel im Dorf und natürlich vom Stammhof des Asbergs.

Manche Leute aus dem Dorf wollten wissen, dass die Asbergs auch außerhalb des Tales noch große Besitzungen hatten, aber das wusste keiner so genau zu sagen. Sicher aber war, dass die Asbergs früher von Adel gewesen waren. Stolzer, alter Bergadel. Und Tonis Urgroßvater war sogar so stolz gewesen, dass er den Adelstitel im Kirchenregister hatte streichen lassen.

»Ein Asberg ist selbst wer«, hatte er gewettert, »der braucht kein blaues Blut und keine Grafenkrone.«

Ja, und seither hieß diese große Familie eben schlicht Asberg. Und gerade jetzt geschah etwas, das sich in dieser Familie bisher noch nicht ereignet hatte: Ein echter Asberg schlich wie ein Wilderer heimlich seiner Beute nach. Freilich keinem Hirsch und keinem Reh, sondern niemand anderem als dem Menger-Franzl.

Es dämmerte schon. Toni Asberg brauchte sich nicht viel zu verstecken. Außerdem dachte Franzl nicht daran, sich umzusehen. So schnell ihn seine Beine trugen, ging er am Wallerhof vorbei und bog dann nach links in den schmalen Weg ein, der zwischen den Weiden hinauf in das Kreuzwäldchen führte.

Das Kreuzwäldchen! Toni Asberg gab es einen Stich ins Herz. Er presste die Lippen zusammen und beschleunigte seinen Schritt. War das noch ein Zufall oder nicht? Der Menger trieb sich in letzter Zeit häufig im Kreuzwäldchen herum, und Nanni Oberwies behauptete seit ein paar Wochen, dort könne man die besten Pilze finden.

Seltsam, dass die Oberwiestochter Pilze sammeln ging. Als ob sie keine Mägde in den Wald schicken könnte. Die jungen Dinger lungerten sowieso den ganzen Tag nur auf dem Hof herum und machten den Burschen schöne Augen. Zustände waren das!

Es geschah alles sehr schnell. Kaum hatte Toni das Kreuzwäldchen erreicht, da sah er auch schon das Pärchen. Toni blieb ruckartig stehen. Franzl Menger und Nanni Oberwies.

Und jetzt nahm der Franzl die Nanni sogar in die Arme und küsste sie.

Die beiden waren so sehr miteinander beschäftigt, dass sie Toni Asberg nicht kommen hörten. Sie sprachen miteinander, der Kuss war eher flüchtig gewesen, aber das sah der Toni in seinem Groll natürlich nicht.

Jetzt war er bei ihnen.

Ohne zu zögern, packte Toni den Franzl beim Kragen, riss ihn herum und hieb ihm die starke, eisenharte Faust ins Gesicht. Franzl riss den Mund auf, aus seinem Hals kam ein heiseres Gurgeln, dann sank er in sich zusammen und fiel zu Boden.

Nanni war starr vor Schreck. Das Herz war ihr für einen Moment stehen geblieben. Fassungslos irrten ihre blauen Augen zwischen dem ohnmächtigen Franzl und dem zornroten Toni hin und her.

»So«, grollte Toni und rieb sich die Hände an seiner Lederhose ab, »das musste sein!«

»Toni, Jessas – was soll das denn?«, presste das Mädchen hervor.

»Das fragst noch? Hab ich nicht genug gesehen?«

»Toni, ich ... wenn du denkst ...«

»Ich denk' gar nichts. Ich richt' mich nur nach den Tatsachen. Oder willst du abstreiten, dass der Kerl da dich gerade geküsst hat?«

Tonis Augen blitzten vor Zorn. Fast sah es so aus, als wolle er auch noch auf das zitternde Mädchen losgehen.

»Aber das ist doch alles ganz anders«, begehrte Nanni auf. »Warum fragst du mich nicht, wenn du was wissen willst?«

»Was ich wissen will, das weiß ich jetzt. Ich hab es mir seit einiger Zeit schon gedacht. Und jetzt hab ich euch erwischt. Nanni, das hätt' ich nie von dir gedacht, nie.«

»Aber du denkst ganz falsch!«, rief das Mädchen erregt. »Du kannst doch gar nicht wissen ...«

»Geh, hör auf! Das sind faule Sprüch'. Aus ist es mit uns zwei. Aus – ein für alle Mal.«

»Toni!« Es klang wie ein Schrei.

»Ich gehe. Werde du glücklich mit dem Schmachtlappen da. Hoffentlich kriegst du ihn wieder auf die Beine.«

»Toni – so höre doch! Wenn du mich liebst ...«

»Ich hab dich geliebt, ja. Unsere Liebe, das war etwas ganz Großes und ganz Heiliges. Ich sag', wie's war. Aber du hast unsere Liebe zerbrochen. In den Staub getreten hast du sie.«

»Toni – so was darfst du net sagen! Das ist eine Sünd'!«

Toni Asberg lachte hart und böse auf.

»Grad so eine wie du will mir sagen, was eine Sünd' ist und was nicht? Ha! Ich muss gehen, sonst wird mir schlecht bei so viel Heuchelei und Lüge!« Er wandte sich abrupt ab und ging.

»Toni!«, rief das Mädchen mit bebender Stimme hinter ihm her. »Wenn du jetzt gehst, wenn du jetzt nicht anhörst, was ich dir zu sagen hab – dann ist es aus. Wirklich aus.«

»Plag dich nicht«, rief er über seine starken Schultern zurück, »es ist schon aus.«

Sie hatte es gehört, aber sie konnte es nicht glauben. Sie wollte es nicht glauben. Alles in ihrem Herzen bäumte sich dagegen auf, dass derjenige, der sie so sehr liebte, so kleingläubig war. Dass dieser Mann es fertigbrachte, sie zu verurteilen, noch bevor sie ihm ein Sterbenswörtchen hatte erklären können.

Nanni Oberwies presste ihr Gesicht gegen die rissige Rinde einer alten hohen Tanne. Nanni weinte. Sie weinte vor Schreck und vor Schmerz, vor Scham und vor Hilflosigkeit. Wie konnte so etwas nur passieren? Wie konnte Gott im Himmel es zulassen, dass ihre Liebe brach, nur weil die äußeren Umstände ...

Ein Stöhnen neben ihr ließ Nanni aufhorchen. Franzl Menger kam zu sich.

»Au, mein Kinn«, würgte er hervor und presste die Hand vor den Mund. Blut sickerte zwischen seinen Lippen hervor.

Nanni Oberwies schämte sich. Sie schämte sich für Toni.

Hastig wischte sie ihre Tränen fort.

»Komm, Franzl, ich helf' dir«, sagte sie erstickt.

Mühsam raffte Franzl sich auf die Beine. Er schwankte noch ein bisschen. Nanni stützte ihn, während er sich am nächststehenden Baum festhielt.

»Nanni«, fragte der Menger-Franzl undeutlich unter seiner Hand hervor, »warum hat er das bloß gemacht?«

»Er ... er hat gesehen, wie du mir ein Busserl gegeben hast.«

»Aber deswegen kann er doch nicht gleich ...«

»Er denkt, ich betrüg' ihn mit dir.«

»Ich? Ich soll mit dir ... Das ist doch blöd!«

»Er denkt es aber. Und er hat Schluss gemacht mit mir.«

Dem armen Franzl fielen bald die Augen aus dem Kopf.

»Das hat er wirklich getan? So einem Blitzmadel wie dir hat er den Laufpass gegeben? Wenn ich nicht wüsste, wer er ist, ich würd' glatt denken, der gehört in die Irrenanstalt.«

»Lass nur, Franzl, es ist schon gut ... komm, gehen wir.«

»Ich werd' mit ihm reden!«, erklärte Franzl plötzlich. »Ich werd' ihm sagen, was für ein Hornochse er ist.«

»Nein, Franzl, du wirst ihm nichts sagen. Ich hab ihm alles erklären wollen, aber er ließ mich nicht reden. Er hat kein Vertrauen zu mir. Und deswegen kann er mich auch nicht gern haben. Nur wer vertraut, der liebt, verstehst du? Nein, Franzl, ich will nichts mehr von ihm hören.«

»Aber du kannst doch nicht deine große Lieb' verlieren, nur weil du einem anderen Menschen hast helfen wollen!«

»Wär's heut' nicht passiert, dann vielleicht morgen oder im nächsten Jahr. Was weiß ich. – Komm, Franzl, reden wir nicht mehr darüber. Das ist meine Sache, ganz allein meine Sache.«

***

Der Menger-Franzl wollte Nanni aber nicht im Stich lassen. Er mochte nicht hinnehmen, dass Nanni ins Unglück geriet, nur weil Toni Asberg so ein Hitzkopf war. Weil er nicht hören wollte, was ihm das Mädchen zu sagen hatte.

So machte sich Franzl gleich am nächsten Morgen auf den Weg zum Asberghof. Dieser Besitz lag ein bisschen abseits vom Dorf, an den sanft ansteigenden, grasbewachsenen Berghang gelehnt. Aber nicht, um dort Schutz zu suchen, sondern um von oben herab stolz und herrisch über das Tal blicken zu können.

Und der Hof war auch, dem äußeren Aussehen nach, gar kein richtiger Hof, sondern eine Art Burg mit trutzigen Mauern und einem schweren Turm. Die meisten von den alten Anlagen waren längst abgebrochen und durch landwirtschaftliche Gebäude ersetzt worden, aber man sah nach wie vor auf den ersten Blick, dass dieser Hof anders war als die üblichen im Alpental.

Franz Menger hatte Glück im Unglück. Gerade wollte er durch die Toreinfahrt treten, als von innen ein Auto herausschoss. Toni Asberg saß am Steuer.

»Was willst du hier?«, herrschte er Franzl an.

»Toni, reden muss ich halt mit dir. Wegen gestern.«

»Hast du noch nicht genug bekommen?«, höhnte Toni. »Geh mir aus den Augen, sonst vergess ich mich!«

»Toni, so lass doch wenigstens einen Moment mit dir reden. Sei doch nicht so halsstarrig. Was du von mir denkst, das ist mir gleich. Aber ich kann nicht zuschauen, wie die Nanni weint, nur weil ...«

»Jetzt braucht sie ja nimmer zu weinen«, unterbrach Toni Asberg hart. »Jetzt hat sie ja dich, und das Versteckspielen vor mir, das hat jetzt auch sein End'.«

»Herrgott, Toni, lass mich doch endlich mal ausreden! Das stimmt doch alles gar nicht. Die Nanni und ich – wir haben nichts miteinand', gar nichts! Ich schwör's dir!«

Tonis Augen wurden zu schmalen Schlitzen.

»Jetzt will ich aber nix mehr hören«, knirschte er drohend. »Für mich ist die Sache erledigt. Und wenn ihr mich nicht endlich in Ruhe lasst, du und die Nanni, dann werd' ich ungemütlich!«

»Wie kann man nur so stur sein!«, rief Franz Menger aufgebracht.

»Hörst – willst du mich jetzt gar noch beleidigen?«, brauste Toni Asberg auf.

»Wenn einer sich so anstellt wie du«, erwiderte Franzl gereizt, »dann muss man ja aus der Haut fahren!«

Toni Asberg gab Gas. Der Wagen schoss davon.

»Toni!«, schrie Franz Menger hinter ihm her. »Toni!«

Aber Toni hörte nicht mehr. Er wollte nichts mehr hören. Nie mehr. Er nahm sich vor, Nanni nie mehr anzuschauen. Zum ersten Mal hatte er ein Madl so recht von Herzen lieb gehabt, und jetzt passierte ihm das.

***

Ina von Weng las den Text, den sie in den Computer getippt hatte, noch einmal durch.

»... und daran wird sich nichts mehr ändern, liebe Sassy. Du als meine beste Freundin sollst es als Erste erfahren: Ich habe mich gestern mit Dr. Clemens Mohr verlobt. Du weißt, ich liebe ihn nicht. Ich mag ihn gern. Aber das ist auch alles. Nun, vielleicht wird doch noch eine gute Ehe daraus. Es sind schon Ehen gescheitert, die im siebenten Himmel geschlossen wurden. Vielleicht gerade deswegen.

Du kennst auch meine Gründe zu diesem Schritt: Seit Vater tot ist, geht es mit unserer Fabrik ständig bergab. Der kaufmännische Direktor hat schiefe Geschäfte gemacht und uns um Millionen geschädigt. Freilich so raffiniert, dass man ihm direkt nichts nachweisen und ihn deswegen auch nicht zur Rechenschaft ziehen kann.

Aber Clemens Mohr ist ein ausgezeichneter Manager. Er hat Führungsqualitäten und ist als zuverlässig und korrekt bekannt. Für unseren Besitz können wir uns nichts Besseres wünschen. Und demzufolge auch ich nicht für eine Ehe. Besitz, das weißt du, legt Fesseln an. Und für Besitz muss man Opfer bringen.

Ich mache jetzt noch ein bisschen Ferien. Fort von allem, irgendwohin in die Fremde fahren, in die Einsamkeit. Ich habe mir eine Alpenkarte vorgenommen und bei geschlossenen Augen mit dem Finger drauf getippt. Mein Finger landete auf einem Dreitausender, aber dort oben kann ich ja schlecht wohnen. Das nächste Dorf heißt Wilderbach.

Also fahre ich nach Wilderbach. Irgendeinen Gasthof wird es dort schon geben. Und der Name klingt so nett. Ich werde wandern und faulenzen, werde viel schlafen und hoffentlich nicht ständig grübeln. Vielleicht denkst du mal an mich. Deine Ina.«

Ina von Weng drückte auf »Senden« und schaltete anschließend den Computer aus. Dann griff sie nach ihrer Handtasche. Noch etwas vergessen? Nein, nichts.

Sie verließ ihren hübschen Wohnsalon und ging die breite Treppe hinunter. Traudel, die Haushälterin, kam aus der Küche, als sie die Schritte der Baroness hörte.

»Ich sag dir noch einmal, Ina, fahr nicht so schnell. Und nimm keine Fremden mit. Man hört so schreckliche Sachen ...«

Ina von Weng lachte. Traudel hörte immer so schreckliche Sachen, und sie warnte alle Welt ununterbrochen vor allen Gefahren, solchen, die es gab, und solchen, die nur in Traudels Einbildung existierten.

»Schon gut, Traudel, ich werde nichts tun, was mir gefährlich werden könnte.«

»Und steig nicht auf diese schrecklichen Berge, Kind. Neulich habe ich in der Zeitung gelesen, dass sie in irgendeiner Eiswand eine Leiche gefunden haben – seit sechs Jahren soll sie dort oben gewesen sein.«

»Ich will nicht gefrieren«, lachte Ina von Weng, »ich will ein bisschen ausspannen. Wenn Mutti kommt, sag ihr, wo ich bin.«

»Die Baronin wird schön erschrecken, wenn sie hört, dass du allein losgefahren bist.«

»Ich kann ja nicht warten, bis Mutti sich von Nizza trennen kann. Im Übrigen ist sie es gewohnt, dass ich meine eigenen Wege gehe.« Ina gab der Haushälterin, die seit Jahrzehnten bei den Wengs war und deshalb so gut wie zur Familie gehörte, einen herzhaften Kuss auf die Wange. Dann lief sie zum Portal hinaus.

Die Tür stand offen bei diesem schönen Wetter. Die Villa lag in einem parkähnlichen Garten, runde Rosenbeete waren jenseits der Auffahrt angelegt und verströmten ihren Duft. In den Sträuchern und Bäumen sangen die Vögel um die Wette.

Ina schwang sich in ihren weißen Sportwagen und fuhr los. Als sie am schmiedeeisernen Tor mit den Initialen der freiherrlichen Familie vorbeifuhr, wollte gerade ein junger Mann um die Einfahrt kommen. Er sah das schöne Mädchen, blieb stehen und stieß einen anerkennenden Pfiff aus.

Ina kümmerte sich nicht darum, sondern fuhr weiter. Sie war solche und ähnliche Komplimente gewohnt. Ihr dunkles Haar, ihre schönen großen Augen, ihr voller Mund und der feine Schwung ihrer Nase waren ein Gedicht der Natur. Ina war fabelhaft gewachsen. Sie hatte einen natürlichen Stolz, ungezwungene Anmut in ihren Bewegungen. Halb war sie schon Frau, halb war sie noch vergnügtes, immer zu Streichen aufgelegtes junges Mädchen. Eine köstliche Mischung, wie man sie nur selten in dieser Vollkommenheit antrifft.

Nach zwanzig Minuten hatte sie die Autobahn erreicht. Zum Glück war die Straße in Richtung Süden nicht sehr voll. In vier Stunden konnte sie, laut Navigation, am Ziel sein.

Ina genoss die Fahrt – bis fünfzehn Kilometer vor dem Dorf Wilderbach der Motor plötzlich streikte ...

***

»Hilde schläft schon wieder«, meldete die brünette Gerti aus dem Fond der total überladenen Limousine.

»Dann redet sie wenigstens keinen Unsinn«, kommentierte der junge Mann am Lenkrad und überholte einen Lastwagen. »Nimm doch endlich die Sonnenblende hoch«, wandte er sich an das neben ihm sitzende Mädchen. »Du versperrst mir damit die Sicht.«

»Man wird sich doch wenigstens mal schminken dürfen!«, empörte sich Sonja.

»Das tust du, seitdem wir unterwegs sind«, konterte der Mann, und damit hatte er nicht unrecht.

Sonja schminkte sich sozusagen ununterbrochen, und wenn sie das gerade mal nicht tat, dann stand sie vor einem Spiegel und übte Posen ein, prüfte ihre Rückenlinie oder kontrollierte mithilfe eines zweiten Spiegels ihr Profil. Sie fand immer neue Gründe, sich mit sich selbst zu beschäftigen. In Sonjas Augen war sie der Mittelpunkt der Welt.

Es war eine seltsame Fuhre, die sich da in ziemlich schneller Fahrt den Bergen näherte. Ein junger Mann und vier Mädchen saßen in dem Fahrzeug. Alle waren bildhübsch: Die schminksüchtige Sonja, die schlafende Hilde, die immer verliebte Gerti und schließlich die ununterbrochen auf alle Männer schimpfende Carola.

Dass da kein Pascha mit seinem Harem unterwegs war, sah man auf den ersten Blick. Denn der Mann hinter dem Lenkrad sah ganz und gar nicht nach einem orientalischen Potentaten aus. Er war ziemlich klein, hatte einen dünnen blonden Bart rund um die Kinnpartie, seine Augen waren flink, sein Mund ein bisschen weich. Um seine Ausrüstung zu vervollständigen, hatte er auf eine giftgrüne Hose bestanden. Die Socken waren weiß, die Schuhe schwarz.

Eigentlich hätte der junge Mann eine solche Farborgie gar nicht veranstalten dürfen, denn er war ein Mensch von Geschmack. Er war gesuchter Fotograf, verstand es, stimmungsvolle Bilder zu schaffen, er hatte einen Blick für optische Wirkungen und erregende Einstellungen.

Aber vielleicht war dieser Mann der Meinung, zu seiner Genialität gehöre farbliche Originalität. Oder Schrulligkeit. Wie man es nennen wollte. Im Übrigen war es ihm egal, was die anderen Leute von ihm dachten. Hauptsache, sie ließen ihn arbeiten. Und sie zwangen ihn nicht, allzu oft seinen Namen zu nennen. Denn dieser Name war eine Bürde für sich: Jakob Paulmichelsmeier. Vier Namen auf einmal – selbst für einen Außergewöhnlichen war das ein bisschen viel.

»Hoffentlich«, meldete sich jetzt Gerti vom Rücksitz, »bleibt das Wetter so schön.«

Jakob Paulmichelsmeier lachte.

»Hast du Angst, Gerti, dass du dich erkältest?«

»Pah – in unserem Job muss man abgehärtet sein. Nee, ich will so bald wie möglich heim. Ich habe euch ja von diesem umwerfenden Dr. Stroher erzählt. Ein Bild von einem Mann. So was Schickes ...«