Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 577 - Ina von Hochried - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 577 E-Book

Ina von Hochried

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Beschreibung

Als der Damm der großen Talsperre bricht, vernichtet eine verheerende Flutkatastrophe Schloss Ehrenfels und alle umliegenden Dörfer. Unzählige Menschen kommen ums Leben, darunter auch die Schlossherren. Ein kleines Mädchen, etwa drei Jahre alt, festgebunden in einer Baumkrone, überlebt wie durch ein Wunder. Die Kleine hat allerdings eine schwere Gehirnerschütterung, und alle Erinnerungen an die Katastrophe und auch an die Zeit davor sind ausgelöscht. Auf einem Medaillon, das sie um den Hals trägt, steht ihr Name: Nicola. Fortan wird sie Nicola Baum genannt, weil ihr ein Baum das Leben rettete.
In einem Kloster wächst sie fortan auf, ein liebes, bescheidenes Mädchen, bildhübsch und hochintelligent. Doch von Jahr zu Jahr wächst der Wunsch, die Wahrheit über ihre Herkunft zu erfahren ...


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Inhalt

Cover

Die verschollene Komtess

Vorschau

Impressum

Die verschollene Komtess

Nur der alte Diener erkannte sie

Als der Damm der großen Talsperre bricht, vernichtet eine verheerende Flutkatastrophe Schloss Ehrenfels und alle umliegenden Dörfer. Unzählige Menschen kommen ums Leben, darunter auch die Schlossherren. Ein kleines Mädchen, etwa drei Jahre alt, festgebunden in einer Baumkrone, überlebt wie durch ein Wunder. Die Kleine hat allerdings eine schwere Gehirnerschütterung, und alle Erinnerungen an die Katastrophe und auch an die Zeit davor sind ausgelöscht. Auf einem Medaillon, das sie um den Hals trägt, steht ihr Name: Nicola. Fortan wird sie Nicola Baum genannt, weil ihr ein Baum das Leben rettete.

In einem Kloster wächst sie fortan auf, ein liebes, bescheidenes Mädchen, bildhübsch und hochintelligent. Doch eines Tages wird der Wunsch, die Wahrheit über ihre Herkunft zu erfahren, übermächtig ...

»Der Damm der Rüggertalsperre ist gebrochen. Das Wasser wälzt sich talwärts, bald muss es uns erreicht haben. Rasch, wir müssen die Leute warnen!«

Das kantige Gesicht des Grafen Ehrenfels war schneeweiß.

»Um Himmels willen, Ernst-August!« Hilflos sank die Herrin von Schloss Ehrenfels in einen Sessel.

»Du bleibst im Schloss. Es liegt am höchsten weit und breit. Ich kümmere mich um die Dörfler und die Gutsleute. Sie müssen alle hierher, sonst werden sie von der Flut fortgerissen! Lass die Kellerfenster versperren, und alle ebenerdigen Türen müssen abgedichtet werden. Ich lasse die Männer vom Hof kommen. Schnell, Luise, jetzt geht es um Leben und Tod!«

Der Graf stürzte ans Telefon. Er alarmierte den Verwalter des Gutshofes.

Er hatte nicht übertrieben. Mehr als einmal hatte man in letzter Zeit darauf hingewiesen, welch verheerende Folgen ein Bruch der Staumauer haben könnte. Die Mauer war nicht mehr neu, sie musste verstärkt werden. Die Arbeiten sollten im Frühjahr des nächsten Jahres begonnen werden, die Behörden hatten sich darauf geeinigt.

Das Dorf und das Gut lagen in einem breiten Flusstal, das sich gerade hier verengte. Die Talsperre war sehr groß. Wenn das in ihr gestaute Wasser plötzlich befreit war, mussten sich die Massen wie eine tödliche Walze über das Tal ergießen. Hinzu kam noch, dass durch diesen schrecklichen Regen die Flüsse und Bäche ohnehin schon voll waren, der Boden kaum mehr Wasser aufsaugen konnte.

Der Graf wählte eine Nummer im Dorf, aber plötzlich war das Telefon tot. Und fast im gleichen Augenblick erlosch das Licht im ganzen Hause. Frauen begannen zu schreien.

Im nächsten Moment stürmte der Graf aus dem Salon hinaus in die große Halle. Er riss seinen Wettermantel vom Haken, den schweren Jagdhut und fuhr in die Gummistiefel. Dann öffnete er das Portal.

Die Wirtschafterin kam zufällig durch die Halle, sie wollte dem Grafen noch etwas zurufen, aber er hörte sie nicht mehr. Er stürzte ins Freie hinaus, er musste die Leute im Dorf warnen.

Die Wirtschafterin war der letzte Mensch, der den Grafen lebend zu Gesicht bekam.

Denn einige Minuten später kam die Mauer aus Wasser und Trümmern und toten Leibern. Ganze Bäume schwammen in den entfesselten Wassermassen, sie waren Rammböcke und durchbohrten die Häuser, zertrümmerten die Brücken und begruben alles unter sich.

Und immer höher stieg die braune, schlammige Flut, ertränkte die Dörfer, überschwemmte die Wälder und brachte Mensch und Tier den Tod.

Einer der Ersten, der der Flut zum Opfer fiel, war Graf von Ehrenfels. Er rannte zum Dorf, hatte vielleicht den halben Weg geschafft, als die Flut ihn einholte.

Der Graf rannte um sein Leben, aber plötzlich war das Wasser bei ihm. Es gab kein Entrinnen, und dann überrollte ein schwerer Baumstamm den Grafen und erschlug ihn.

Die reißende Flut riss den Leichnam mit sich fort.

♥♥♥

Die Menschen drängten sich in den oberen Stockwerken des Schlosses zusammen. Die Frauen schrien und weinten, die Männer wollten etwas gegen diese Flut unternehmen, aber sie wussten nicht, was. Allen saß nackte Todesangst im Nacken.

Und dann ging ein Beben durch das Schloss, auf das ein furchtbares Krachen und Bersten folgte. Die Mauern des Nordflügels waren unterspült von dem reißenden Wasser, sie verloren den Halt und sanken in sich zusammen.

Die Menschen im Schloss waren dem Wahnsinn nahe. Viele wurden von den Mauerresten erschlagen, andere ertranken. Panik brach aus.

Frauen und Männer liefen wie von Sinnen hinaus, stürzten sich in die Flut, verschwanden im Dunkel des Todes. Andere suchten in den Trümmern umher, schrien unverständliche Worte, wurden von Gesteinsbrocken, die immer noch herabstürzten, erschlagen.

Oben stand die Gräfin, erstarrt, mit leerem Blick. Sie hielt sich irgendwo fest. Und plötzlich glitt sie mit dem Boden, auf dem sie stand, abwärts, sie fuhr dem Tode entgegen und merkte nichts mehr. Sie wurde nie wiedergefunden. Die Trümmer und die Wassermassen hatten sie tief unter sich begraben.

Die Menschen, die noch lebten, rannten besinnungslos hin und her. Sie waren gehetzte Kreaturen, die den Tod deutlich vor Augen sahen.

Ein junges Mädchen hetzte durch die Zimmer und Gänge, schreckgeweitet die Augen, den Mund verzerrt, das Gesicht entstellt. Die Angst hatte das Mädchen um den Verstand gebracht.

Sie trug ein Bündel unter dem Arm, eine weiße Decke, in die ein Kind gewickelt war. Das Mädchen hatte in seinem sinnlosen Lauf irgendwo einen Zusammenstoß erlebt mit einem Knecht, der ihm entgegengekommen war. Das Kindermädchen war gestürzt, hatte das Kind mit sich gerissen. Das Kind war mit dem Kopf gegen die Kante einer alten Truhe gestoßen, und da waren ihm die Sinne geschwunden.

Plötzlich geriet das Kindermädchen mit dem Grafenkind unter dem Arm in die Flut. Sie presste das Kind an sich, suchte hilflos nach Halt, fand ihn aber nicht.

Dann blieb sie in einer Baumkrone hängen. Mit letzter Kraft zog sie sich an den Zweigen hoch und klammerte sich fest. Instinktiv riss sie ihre Schürze los, legte das Bündel mit dem ohnmächtigen Kind hinein und band es an einem starken Ast fest.

Im nächsten Moment verlor das Kindermädchen den Halt und wurde von den unbarmherzigen Wassermassen mitgerissen und von der tödlichen Flut verschlungen.

Der Tod hielt furchtbar reiche Ernte in dieser entsetzlichen Nacht.

♥♥♥

Soldaten kamen und Feuerwehren, ein ganzes Land schickte seine Helfer ins grausam geschlagene Tal. Der Regen hatte aufgehört, am nächsten Morgen schon, und das Wasser begann abzulaufen. Es gab sein schreckliches Werk frei.

Das Dorf war fort, nur ein paar Trümmer noch kündeten davon, wo es einst gestanden hatte. Auch der Gutshof war ein Ort des Grauens. Alles voller Schlamm und Unrat, die Gebäude niedergerissen, zermahlen von der Gewalt des Wassers. Das Schloss war Stück für Stück in sich zusammengestürzt, nur ein letzter Teil des Südflügels hatte sich halten können. Die Trümmer hatten sich vor ihn gelegt und die Gewalt des Wassers gebrochen.

Überall suchte man fieberhaft nach Überlebenden. Einige wurden tatsächlich gefunden und konnten gerettet werden. Für die Retter war es oftmals wie ein Wunder inmitten dieser Hölle aus Tod und Verderben.

Und zu diesen Wundern gehörte auch ein Kind, das man erst zwei Tage später fand. Es hing hoch oben in einer Baumkrone, von irgendjemandem dort festgebunden mit einer Schürze. Es zeigte kaum mehr Lebenszeichen und war dem Tode nahe.

Die Verletzten wurden in Krankenhäuser gebracht, die bald überfüllt waren. Niemand fragte nach Namen und Herkunft. Das Überleben allein war wichtig, alles andere hatte Zeit für später.

Jenes Kind, das man in der Baumkrone gefunden hatte, landete mit einem Transport von anderen geretteten Kindern in einem Krankenhaus, das gut und gerne zweihundert Kilometer vom Todestal entfernt war! Dort stellte man fest, dass das Kind nicht nur unter Entkräftung und Unterkühlung litt, sondern auch eine schwere Gehirnerschütterung davongetragen hatte.

Nach drei Tagen kam das kleine Mädchen zu sich, das Schlimmste schien überwunden. Etwa drei Jahre alt mochte die Kleine sein, sie konnte sprechen. Eine Fürsorgerin vom Roten Kreuz bemühte sich um das Kind. Sie sollte herausfinden, wohin es gehörte, sollte Namen erfragen und Angehörige finden.

Aber das Kind wusste nichts. Es wusste nicht einmal, was überhaupt geschehen war. Wenn man die Kleine nach ihren Eltern fragte und ihrem Wohnhaus, dann schaute sie die Frau mit großen, verwunderten Augen an, und der Mund blieb stumm. Das Kind hatte keine Erinnerungen mehr. Jener Schlag gegen den Kopf hatte alles ausgelöscht.

Als das Kind außer Lebensgefahr war, wurde es mit anderen Kindern, über deren Herkunft man keinen Aufschluss hatte gewinnen können, zu den Barmherzigen Schwestern gebracht. Liebevoll nahmen sie die armen, kleinen Wesen auf und kümmerten sich aufopfernd um sie.

Zwei Kinder wurden von ihren Eltern identifiziert. Man fuhr viele Leute von Heim zu Heim, um ihnen bei der Suche nach ihren Kindern zu helfen. Erschütternde Szenen spielten sich dabei ab. Bei anderen Kindern konnte man aus den von ihnen gegebenen Ortsbeschreibungen auf deren Wohnort schließen. In manchen Fällen gelang es auf diese Weise, die Eltern ausfindig zu machen oder Verwandte. Etliche Kinder aber waren zu Vollwaisen geworden und mussten bei den Schwestern bleiben.

♥♥♥

Die Wochen zogen ins Land. Bei einigen Kindern hatten alle Bemühungen nichts gefruchtet. Bei jenem Kinde, das ein namenloser Baum behütet hatte mit seinen starken Armen, hatte man ebenfalls nichts erreichen können. Wahrscheinlich waren dessen Eltern und Angehörige sämtlich ums Leben gekommen.

Das Kind brauchte einen Namen, und es wurde Nicola Baum genannt. Nicola hatte auf dem Medaillon gestanden, das das Kind um den Hals getragen hatte, und den Nachnamen erhielt sie, weil ein Baum das Kind gerettet hatte.

Nicola kam ins Schulalter. Sie wuchs heran, war klug und lieb. Alle hatten sie gern, die Zöpfe glänzten, und sie lachte viel. Wie ein Sonnenschein war Nicola im Hause der Barmherzigen Schwestern.

Viele Jahre vergingen, und aus dem kleinen Kind wurde ein großes Mädchen.

Nicola war sechzehn Jahre alt, als die Oberin sie zu sich kommen ließ.

»Nicola, du bist ein braves Mädchen, du bist fleißig und unser aller Freude. Wir lassen dich nur ungern gehen, aber wir dürfen dich nicht länger hierbehalten.«

Dem Mädchen schossen Tränen in die Augen.

»Ihr wollt mich fortschicken, liebe Mutter?«

Die Oberin erklärte Nicola, dass es höchste Zeit für sie werde, einen Beruf zu erlernen.

»Lass mich hierbleiben, liebe Mutter! Hier bin ich aufgewachsen, hier ist meine Heimat. Ich kann im Hause helfen, ich habe es doch immer getan!«, jammerte das Mädchen unter Tränen.

»Ich weiß, mein Kind. Aber gerade weil du so fleißig und tüchtig bist, darf ich dich nicht halten. Du bist sehr klug und gelehrig. Gott hat dich einst auf wunderbare Weise vor dem Tode gerettet, wie du weißt, und Gott hat das sicherlich nicht getan, damit du dein Leben lang Geschirr spülst und Flure reinigst.«

»Aber es ist doch ein gutes Werk, das zu tun!«

»Ja, das ist es, Nicola, aber du kannst mehr. Schwester Magdalena hat dich in Englisch und Französisch unterrichtet. Du hast gut gelernt. Nun aber kann Schwester Magdalena dir nicht mehr weiterhelfen, denn sie ist keine ausgebildete Sprachlehrerin.«

Die Oberin machte eine bedeutsame Pause und fuhr dann fort.

»Nun höre mir gut zu, mein Kind. Ich habe dir einen Platz an einer Sprachenschule besorgt. Dort wirst du drei Jahre lang deine Sprachkenntnisse erweitern und vervollkommnen. Nach dem Besuch der Schule bist du neunzehn Jahre alt und kannst dir einen Beruf suchen. Du wirst Geld verdienen und kannst dir manchen Wunsch erfüllen. Wir haben dich alle in unser Herz geschlossen und hoffen, dass du uns nicht vergessen wirst.«

»Gewiss, liebe Mutter, nie werde ich euch vergessen. Und ich danke Euch für Eure Güte und Liebe. Ich sehe ein, dass ich mich Eurem Wunsche fügen muss, denn Ihr habt es stets gut mit mir gemeint. Obwohl meine Tränen in den Augen brennen, will ich mich dreinschicken. Gott wird es Euch lohnen.«

Es gab noch viele Tränen und einen großen Abschiedsschmerz. Aber eines Tages musste sich Nicola Baum doch losreißen. Sie fuhr in die Stadt und fand auch dort einen Platz bei den Barmherzigen Schwestern.

Mit Feuereifer begann Nicola zu lernen. Es zeigte sich, dass Schwester Magdalena eine gute Lehrerin gewesen war. Nicola war den Mädchen, die von höheren Schulen kamen, durchaus ebenbürtig.

Nach drei Jahren bestand Nicola Baum ihr Examen. Ihre Augen strahlten vor Glück, als sie das Diplom in Empfang nahm. Sie hatte die Schulzeit als Klassenbeste hinter sich gebracht.

Die Welt stand ihr jetzt offen.

♥♥♥

Es war halb fünf, und die Sonne stieg soeben über den Horizont und vergoldete Felder und Wälder. Volker Graf von Rievenstein saß in seinem luxuriösen Wagen und befand sich auf dem Heimweg zu seinem Gut.

Vor einer Stunde etwa war die Maschine aus Madrid gelandet, und der junge Graf war ihr, unausgeschlafen und fröstelnd, entstiegen. Er hatte sich seinen Koffer geben lassen und seinen seit drei Tagen wartenden Wagen bestiegen.

Nun dauerte es nicht mehr lange, dann war er wieder daheim.

Graf von Rievenstein dachte an gestern Abend. An den dicken, lebhaften Señor Vergas, an den kühlen, schnauzbärtigen englischen Lord, an den ewig mäkelnden Industriellen aus Belgien. Eine sonderbare Runde war das gewesen, in die Graf Volker da hineingeraten war. Gewiss, er hatte eine ganz gute Figur machen können, aber irgendwie hatte er doch das Gefühl gehabt, als nähmen ihn die anderen nicht ganz für voll.

Vor einem Vierteljahr hatte die Landwirtschaftskammer den jungen Grafen in einen Ausschuss gewählt, der in Kontakt mit anderen Ländern die besten landwirtschaftlichen Methoden herausfinden und dann auf eine möglichst breite Basis übertragen sollte.

Der Ausschuss wiederum hatte den Grafen zu dessen Vorsitzenden gewählt, Graf Volker wurde plötzlich »Herr Präsident« genannt und war zu einer bedeutenden Persönlichkeit geworden. So jedenfalls hatte es den Anschein, obwohl er selbst anderer Meinung war.

Na, und dann waren die Verpflichtungen gekommen, eine nach der anderen. Graf Volker war zu Sitzungen geeilt und zu Kongressen, er war zu Besprechungen geflogen und zu Besichtigungen. Verhandlungen hatten sich angeknüpft, und es hatte auch Tage gegeben, die er der höchst überflüssigen Repräsentation opfern musste.

Gestern in Madrid hatte Graf Volker mit seinen drei Kollegen aus Spanien, England und Belgien Fragen der Rinderzucht erörtert. Man wollte den Versuch machen, eine Rinderart zu züchten, die in möglichst vielen europäischen Gebieten gut gedieh und den Höfen zu wirtschaftlichem Aufschwung verhalf.

Man war übereingekommen, eine Versuchsstation in Belgien, nahe der holländischen Grenze, zu errichten. Und selbstverständlich mussten die Kammern der vier Länder diese Station finanzieren. Mit der Unterzeichnung des diese Dinge regelnden Vertrages hatte die Zusammenkunft gestern Abend geendet.

Die drei anderen hatten sich entschlossen, noch ein wenig durch Madrid zu bummeln, und Volker selbstverständlich zum Mitkommen eingeladen, aber der Graf hatte abgelehnt. Er hatte schon viel zu viel Zeit verloren, daheim wartete eine Menge Arbeit auf ihn.

In der nächsten Woche kamen die neuen Erntemaschinen, und überdies wollte Graf von Rievenstein nun endlich den Kauf neuen Bodens mit allem Nachdruck in die Hand nehmen.

Die Landstraße beschrieb eine scharfe Kurve, und dahinter begannen die weiten Felder des Gutes Rievenstein.

Der Graf hielt Ausschau, während er dahinfuhr. Dies war sein Land, seine Väter und Urväter hatten es schon bestellt, und es würde den Namen Rievenstein noch lange behalten. Viel Glück war mit dem Boden verhaftet, aber es hatte auf ihm auch Blut und Tränen gegeben. Kriege waren gekommen und friedliche Zeiten.

Jetzt fuhr er durch den Wald, den Rest des früheren Forstes. Volkers Großvater hatte den Wald bis auf einige kleine Reste roden lassen. Felder waren entstanden, während ein anderer, noch mächtigerer Wald im Norden des riesigen Besitzes, hinzugekauft worden war.

Hinter dem Waldstück gab es eine kleine Senke, und dieser galt jetzt Volkers Aufmerksamkeit, denn dort wurden seit zwei Wochen Erdarbeiten durchgeführt. Eine Pumpstation mit Pumphäuschen wurde errichtet, weil einige in der Nähe liegende Weiden wegen des zu reichlichen Grundwassers zum Sauerwerden neigten. Gräben mussten gezogen und Drainagerohre verlegt werden. Eine teure, aber auch lohnende Angelegenheit.

Ja, da sah Graf Volker auch schon die braunen Erdaufwürfe. Aber plötzlich trat er auf die Bremse und hielt an. Dort, wo eigentlich grünes Gras sich hätte erstrecken müssen, blinkte die Morgensonne in einem großen Tümpel. Vielleicht zwei oder drei Morgen war er groß. Bestes Weideland stand unter Wasser.

»Was soll das bedeuten?«, murmelte der Graf betroffen, setzte den Wagen zurück und lenkte ihn auf einen Feldweg, der hinunter in die Senke führte.

Dort sprang er aus dem Wagen und sah auch schon die Bescherung. Oberhalb des Baches, der die Senke in deren Mitte durchzog, hatte man eine fahrbare Pumpe aufgestellt, die ratternd ihre Pflicht tat. Man wollte durch sie offenbar den Boden entwässern, damit die Rohre besser in die Erde verlegt werden konnten.

Lange Schlauchschlangen ringelten sich über die Flächen, von überall holten sie das überschüssige Wasser. Sie mündeten in die Pumpe, und von dort führte ein dicker Schlauch weiter, durch eine kleine Zwischensenke hindurch zum Bachufer.

Dieser dicke Schlauch war vermutlich genau in der Senke gerissen oder geplatzt oder sonst etwas. Jedenfalls drückte die Pumpe stumpfsinnig das ganze Wasser in die Senke, statt es in den Bach zu befördern. Platt und leer lag der Rest des Schlauches am Bachufer.