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Als Dr. Irina von Farien ihre erste Stelle als Assistentin in einem angesehenen Krankenhaus antritt, ahnt sie nicht, dass diese Tage ihr Leben für immer verändern werden. Der brillante, aber unnahbare Dr. Jens Grote verlangt von seinen Mitarbeitern - und von sich selbst - äußerste Hingabe. Sein kühles Auftreten flößt Irina anfangs Respekt, ja beinahe Furcht ein. Doch sie ist eine Frau, die weiß, was sie kann, und schon bald begegnet sie dem willensstarken Oberarzt auf Augenhöhe. Und doch, an den wahren Menschen hinter der Fassade kommt sie nicht heran. Ganz anders geht es ihr mit dem jungen Dr. Schwier. Er macht das Leben schwer: Er lässt nichts unversucht, ihr näherzukommen - viel näher, als Irina es zulassen möchte. Bisher konnte sie ihn stets in die Schranken weisen. Doch in einer schicksalhaften Nachtwache wird alles anders. Eine Nacht, die für drei Menschen zur Entscheidung wird - und die nicht jedem von ihnen das große Glück bescheren wird ...
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Seitenzahl: 149
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Dr. Grotes Assistentin
Vorschau
Impressum
Dr. Grotes Assistentin
Der große Erfolgsroman um eine starke Frau
Von Ina von Hochried
Als Dr. Irina von Farien ihre erste Stelle als Assistentin in einem angesehenen Krankenhaus antritt, ahnt sie nicht, dass diese Tage ihr Leben für immer verändern werden. Der brillante, aber unnahbare Dr. Jens Grote verlangt von seinen Mitarbeitern – und von sich selbst – äußerste Hingabe. Sein kühles Auftreten flößt Irina anfangs Respekt, ja beinahe Furcht ein. Doch sie ist eine Frau, die weiß, was sie kann, und schon bald begegnet sie dem willensstarken Oberarzt auf Augenhöhe. Und doch, an den wahren Menschen hinter der Fassade kommt sie nicht heran. Ganz anders geht es ihr mit dem jungen Dr. Schwier. Er macht ihr das Leben schwer: Er lässt nichts unversucht, ihr näherzukommen – viel näher, als Irina es zulassen möchte. Bisher konnte sie ihn stets in die Schranken weisen. Doch in einer schicksalhaften Nachtwache wird alles anders. Eine Nacht, die für drei Menschen zur Entscheidung wird – und die nicht jedem von ihnen das große Glück bescheren wird ...
Dr. Jens Grote wog den kleinen silbernen Hammer einen Augenblick lang in der Hand. Er schaute sich um. Seine Augen über dem grauen Mundschutz blickten ernst und gefasst.
»Wir können, Herr Kollege!«, sagte der Narkosearzt, nachdem er rasch seine Instrumente kontrolliert hatte.
Dr. Grote neigte sich über die kleine Stelle, die die weißen Tücher frei ließen. Silberne Klammern hielten die bereits vorgenommenen Schnitte auseinander, alles saubere, sichere, gekonnte Arbeit. Die beiden Knochenteile des gebrochenen Oberschenkelhalses waren haargenau aneinandergefügt. Dr. Grote prüfte noch einmal die Richtung, die exakt zu treffen war.
»Der Nagel!«, befahl er, und ein kurzer silberner Stift wurde gereicht. Er setzte ihn an der markierten Stelle an. »Einverstanden, Dr. Niebarth?«
Der Operationsassistent nickte. Der Ansatzpunkt stimmte, die Richtung des Nagels ebenfalls, und außerdem wusste Dr. Niebarth, dass Oberarzt Dr. Grote bei einer Knochennagelung noch nie versagt hatte. So war es auch jetzt. Mit vorsichtigen, aber energischen Schlägen trieb er den Nagel in den bloßgelegten Knochen. Als der Silberstift im Innern die Bruchstelle erreicht haben musste, vergewisserte Dr. Grote sich, dass keine Korrekturen mehr erforderlich waren, und vollendete dann sein schwieriges Werk.
»Wollen Sie schließen, Dr. Niebarth?«
»Mit Vergnügen, Herr Kollege.«
Dr. Grote trat zurück und schaute zu, wie sein Operationsassistent die Klammern löste und die freigelegten Teile verschloss. Nach einer Viertelstunde war alles vorüber. Der Patient – ein sechzig Jahre alter Mann, der unglücklich gestürzt war und sich einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen hatte – wurde aus dem Operationssaal gerollt.
Während Dr. Grote sich wusch und mit Dr. Niebarth ein paar belanglose Redensarten wechselte, brachte eine Schwester die Nachricht, dass Dr. Grote im Dienstzimmer seiner Station erwartet würde. Er möge doch dort vorbeikommen.
Missmutig verzog er das Gesicht und murrte: »Immer diese Beschäftigungen nach Arbeitsschluss. Wäre ich doch nur fünf Minuten früher aus dem Hause gegangen!«
Die Operation war seine letzte Arbeit für heute gewesen. In einer halben Stunde hatte er sich mit Brigitte Steffens im Parkcafé treffen wollen. Der Tag war schön, der Abend warm, Brigitte war hübsch und verlockend. Dass die Verspätung ihn ärgerte, war leicht verständlich.
Dr. Grote vollendete seine Reinigung und dachte währenddessen an Brigitte. Eine lebhafte, dunkelhaarige, attraktive junge Frau, etwas verwöhnt, aber sprühend vor Einfällen, stets vorzüglich gekleidet ...
»Eine Frau wie ein Traum«, hatte Dr. Niebarth einmal gesagt.
Die Ärzte des Krankenhauses kannten Brigitte. Sie war einige Monate lang tagtäglich hergekommen. Ein Jahr lag das nun schon zurück. Damals war Brigittes Vater, ein reicher Exportkaufmann, wegen eines hartnäckigen Leberleidens behandelt worden. Die schöne Tochter hatte unter den Ärzten fast so etwas wie einen Wettstreit ausgelöst. Viele hatten sich sehr intensiv um Brigitte Steffens bemüht – außer Dr. Jens Grote.
Dennoch hatte er den Kampf gewonnen, vielleicht gerade deshalb. Seither hatten sie sich oft getroffen, und obwohl sie nicht offiziell verlobt waren, galten sie doch als sichere Heiratskandidaten. Dr. Grote tat nichts, die Ansicht zu zerstören, denn sie war ihm nicht unangenehm. Reichtum und Schönheit – das waren die beiden Dinge, die Brigitte auszeichneten, und Dr. Jens Grote wäre ein großer Narr gewesen, wenn er sich diesen Vorzügen verschlossen hätte.
Er war jetzt fertig und überprüfte sein Aussehen im Spiegel. Seine Augen waren ausdrucksstark und nüchtern zugleich, der kraftvolle Mund und die ebenmäßige Nase passte zu seiner hohen Stirn. Dr. Grote war einer von jenen Männern, die stets ausgezeichnet aussehen, ob im leichten Sportanzug oder im feierlichen Frack. Vielleicht lag das weniger an Einzelheiten der Erscheinung, sondern eher am harmonischen, selbstsicheren, gelassenen Ganzen.
Dr. Grote streifte die Jacke über. Sie saß auf seinem sportgestählten Oberkörper wie angegossen. Dann rief er der Schwester, die aufräumte, einen freundlichen Gruß zu und trat auf den Gang hinaus.
Die Oberschwester, eine ungemein tüchtige Frau von etwa fünfzig Jahren, kam ihm zufällig entgegen. Sie trug wie immer die Arme vor der Brust verschränkt. Als sie Dr. Grote sah, blieb sie stehen.
»Hoffentlich ist es für Sie ein Gewinn, Herr Doktor!«, meinte sie mit ihrer knappen, immer ein wenig in Eile befindlichen Art. Dr. Grote machte ein ratloses Gesicht, daher fuhr sie fort: »Ihr neuer Stationsassistent ist eine Assistentin. Dazu noch von Adel. Sie müssen sich beeilen, sonst wird die promovierte Komtess ungnädig.«
Ihm ging ein Licht auf.
»Soll ich deswegen auf die Station kommen?«
»Natürlich. – Wann operieren Sie morgen?«
»Um zehn und um vierzehn Uhr. Routinesachen. – Na, da kann ich mich ja auf etwas gefasst machen. Guten Abend, Oberschwester.«
Dr. Grote setzte seinen Weg fort. So, so, der seit Monaten erwartete Stationsassistent war endlich da, traf nach Feierabend ein, und obendrein war er weiblichen Geschlechts. Adlig. Und wartete auf ihn. Jens Grote kam sich vor, als eile er zu einer Audienz. Als er seinerzeit die erste Assistentenstelle angetreten hatte, war er seinem Oberarzt nachgelaufen wie ein Hündchen. Jetzt ließ man die Oberärzte zu sich kommen.
Mit sehr gemischten Gefühlen, eher verärgert als neugierig, erreichte Dr. Grote seine Station. Bewusst lautstark öffnete er die Tür zu seinem Dienstzimmer.
Zunächst sah er vor seinem Fenster eine Gestalt im sanft beigen Sommermantel, darüber sorgfältig frisiertes Haar. Dann wandte sich die Frau um, und er blickte in ein halb erschrockenes, halb fragendes Gesicht. Die weißen Zähne schimmerten zwischen den roten, lebensfrischen Lippen, die blauen Augen schauten ihn unter sanft geschwungenen Brauen offen an. Die Nase war sanft gewölbt.
Jens Grote fühlte sich beim Anblick dieses zarten Gesichts unwillkürlich an ein altersdunkles Ölgemälde erinnert, das er einmal gesehen hatte – das durchscheinend blasse Antlitz einer Prinzessin. Aus irgendeinem Grund war es in seinem Gedächtnis haften geblieben, und nun stand es von Neuem vor ihm – freilich weder in alt noch in Öl, sondern jung und sehr lebendig.
,,Herr Dr. Grote, wie ich vermute?«
Er nickte kurz und schloss die Tür. Ihre Stimme klang weich, fraulich, beschwingt.
»Entschuldigen Sie, wenn ich Sie jetzt noch überfalle – ich dachte aber, ich dürfte keine Zeit versäumen. Ich bin Dr. Irina von Farien und Ihnen ab sofort als Stationsassistentin zugeteilt.«
»Freut mich, freut mich«, sagte er gegen seine Überzeugung und fühlte dann für einen flüchtigen Augenblick ihre schmale kühle Hand in der seinen. »Wann stehen Sie zur Verfügung?«
»Nach Ihren Befehlen.«
Sie lächelte ein wenig dabei, aber er war entschlossen, sich zu ärgern.
Daher erwiderte er ziemlich barsch: »Damit Sie es gleich wissen, Fräulein von Farien: Hier wird nicht befohlen. Hier wird gearbeitet, und zwar nach bestem Können. Wobei die Betonung auf dem Wort ,Können' liegt.«
»Entschuldigen Sie, es war nur eine Floskel.«
Ihre Stimme klang betreten, sie spürte seinen Tadel, und sie meinte, er sei unverdient. Im innersten Winkel ihres Herzens begann sie, sich vor diesem stattlichen, nüchtern wirkenden Mann ein wenig zu fürchten. Ihr war, als sei sie ihm unterlegen. Er war so kraftvoll, stand so stark und fest vor ihr, dass sie sich an einen Fels erinnert fühlte, den das Meer umtobt und der doch nicht einmal zittert.
»Haben Sie eine Wohnung?«, erkundigte er sich.
»Ich habe im Ärztehaus ein Zimmer bekommen und bin sehr zufrieden damit«, versicherte die neue Assistentin.
»Ich erwarte Sie morgen früh um acht zur Visite«, erklärte Dr. Grote. »Ich werde Sie mit Ihren beiden Kollegen bekannt machen. Um zehn Uhr operieren wir. Mittelhandknochen. Ich möchte Sie dabei sehen.«
»Wie Sie wünschen, Herr Oberarzt.«
»Danke – guten Abend.«
Jens Grote nickte ihr flüchtig zu und ging hinaus, ließ sie einfach stehen. Ihm kam zwar der Gedanke, dass das vielleicht nicht sehr höflich war und dass die junge Ärztin eine so kühle Behandlung gar nicht verdient hatte, aber er vermochte es nicht zu korrigieren. Er zwang seine Gedanken zu Brigitte Steffens. Tatsächlich, er zwang sie zu ihr, denn noch als er das Krankenhaus verlassen hatte, musste er unwillkürlich an seine neue Mitarbeiterin denken. Sie drängte sich ihm fortwährend in den Kopf.
Hübsch war sie – nein, schön, von einer seltsam entrückten, aber doch auch wieder sehr daseinsnahen Schönheit. Was mochte sie wohl von ihm denken?
Nun, es sollte, es musste ihm gleichgültig sein. Er war ihr Vorgesetzter, sie sollte bei ihm weiterlernen, sollte ihm helfen. Duckmäuser mochte er nicht, weil er selber keiner war. Er wollte tüchtige Mitarbeiter, die für sich einstehen konnten, zugleich aber auch wussten, wo ihr Platz war.
Dann hatte er endlich das Café erreicht. Brigitte Steffens schaute ihm entgegen. Sie hatte ihr dunkles Haar hochgesteckt, um ihren Hals hing eine vierfache Kette edler Perlen. Ihr eng um den Leib geschmiegtes Kleid war schneeweiß, sie sah fabelhaft darin aus.
Jens Grote lächelte und küsste ihre Hand. Sie hatte nur einen einzigen Ring übergestreift, aber der ließ einen großen Rubin in einem dichten Kranz von Brillanten erstrahlen. Er war ein Vermögen wert.
»Man verspätet sich«, tadelte sie lächelnd. »Da du nicht angetrunken bist, nehme ich an, dass es immer noch nicht deine Beförderung zum Chefarzt war. Was also sonst?«
Er ließ sich neben ihr nieder und winkte dem Kellner.
»Es war ein ganz simpler Oberschenkelhalsbruch. Ich musste ihn nageln, und ...«, begann er eine Erklärung, wurde aber unterbrochen.
»Himmel, erzähle mir nicht immer diese abscheulichen Sachen. Knochen nageln! Das hört sich beinahe an, als ob du ein Metzger wärst?«
»Brigitte, ich möchte doch sehr bitten. Ich habe ... – einen Kaffee bitte, Herr Ober! – ich habe es mit Menschen zu tun, die krank sind. Wie kannst du da von ...«
»Schon gut. Du hast also genagelt, ich habe gewartet. Wie steht es aber mit dem Chefarzt?«
»So schnell geht das nicht, meine Liebe. Du fragst mich jeden Tag danach, als ob man über Nacht befördert wird.«
»Du wartest seit drei Monaten darauf, stimmt's?«
»Stimmt natürlich. Aber auch wir Ärzte haben unsere Bürokratie, und wenn die erst einmal etwas in die Finger bekommt, dann heißt es geduldig sein und erst einmal ...«
»... erst einmal noch ein paar Knochen nageln!«, unterbrach sie ihn lachend und legte ihre Hand auf seinen Arm. »Ich habe zu lange hier gesessen. Gehen wir zum Flamingoteich hinüber, Jens?«
,,Da kommt gerade mein Kaffee, Brigitte«, wandte er ein.
»Dann bezahl ihn und lass ihn stehen.«
Sie erhob sich, und Jens blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Brigitte duldete wenig Widerspruch, besser gesagt, sie ließ ihn erst gar nicht aufkommen. Sie tat, was ihr einfiel, und wer sich nicht dreinschickte, blieb zurück.
Während der Kellner also die volle Tasse wieder mitnahm, bot Jens seiner hübschen Begleiterin seinen Arm. Sie schritten über die Wege des Parks dahin – ein viel bewundertes Paar.
»Jens«, begann Brigitte sehr unvermittelt. »Wie gefällt dir Rio de Janeiro?«
»Ich kann es leider nicht sagen, denn ich war noch nicht dort. Da kannst du weit besser urteilen.«
»Rio ist zauberhaft. Vater sagt, wir müssten nun endlich heiraten. Der Konsul hat ihm erzählt, dass ein großes Krankenhaus in Rio einen Chef sucht. Deutsche sind dort sehr angesehen. Ich hatte Vater mitgeteilt, dass du dich für diesen Posten sehr interessierst. Er hat gesagt: ,Nun gut, dann soll dein Jens ihn bekommen, aber erst möchte ich ihn hier als Chef sehen.' – Freust du dich?«
Jens konnte sich nicht freuen. Dazu war seine Verblüffung viel zu groß. Von Heiraten hatten sie bisher zwar gesprochen, aber eher nebensächlich. Nun war plötzlich Rio de Janeiro im Spiel, die Steffens hatten ihm dort einen Posten ausgesucht, und nun musste er zusehen, so rasch wie möglich Chefarzt zu werden.
Brigitte sagte in sein Schweigen hinein: »Du musst Vater verstehen. Wenn er dich dem Konsul vorführt, dann musst du als Chefarzt auftreten können. Oberarzt – was ist das schon? Also setze bitte endlich ein bisschen mehr Druck dahinter. Ich habe meinen Freundinnen erzählt, dass du demnächst Chefarzt wirst, aber da das so lange dauert, beginnen sie bereits, mich zu hänseln. Eine unangenehme Situation, das musst du doch verstehen.«
»Liebe Brigitte, wenn ich das verstehen soll, dann musst du aber auch verstehen, dass mich deine Sturmflut ein bisschen über den Haufen wirft. Was soll ich in Rio?«, wagte Jens einen Einwand.
»Ich möchte gerne ein paar Jahre dort leben. Es ist wirklich zauberhaft.«
Sie wollte dort leben – von ihm redete sie kein Wort. Ein leichtes Gefühl des Unbehagens stieg in ihm auf.
»Dein Vater hat mit dem Konsul gesprochen. Warum nicht erst einmal mit mir?«, wollte er wissen.
»Eine solche Gelegenheit darf man nicht zerreden, Jens. Ich verstehe nicht, warum du so schwerfällig bist. Ich bin es leid, dass wir beide wie gute Freunde daherleben. Es kommt mir plötzlich langweilig vor. Ich möchte verheiratet sein. Mit dir, dem Chefarzt in Rio.«
»Wirklich mit mir? Oder ausschließlich mit dem Chefarzt in Rio?«, entfuhr es ihm.
»Jens! Wie sprichst du eigentlich mit mir? Habe ich das vielleicht verdient, wo ich dir alle Wege ebne? Ich hatte etwas anderes erwartet!«
»Entschuldige, Brigitte, das ist mir nur so herausgerutscht. Ich habe es nicht so gemeint. Du wirst es wahrscheinlich auch nicht so gemeint haben, wie deine Worte in meinen Ohren klangen.«
Sie blieb abrupt stehen und löste ihre Hand aus seinem Arm.
Ihre Züge waren erregt, als sie entgegnete: »Doch, Jens, genauso habe ich es gemeint! Man muss dir ein bisschen nachhelfen, sonst nagelst du in ein paar Jahren noch Knochen zusammen.«
»Entschuldige – das ist mein Beruf!«
»Unter einem Chirurgen habe ich mir etwas anderes vorgestellt. Und unter deiner Karriere auch!«
Er hatte eine ziemlich scharfe Antwort auf den Lippen, doch er schluckte sie hinunter. Es gelang ihm nur schwer. Erstens waren sie hier in aller Öffentlichkeit, zweitens wusste er aus Erfahrung, dass es wenig Sinn hatte, Brigitte in solchen Augenblicken zu widersprechen. War sie in Wallung geraten, dann ließ sie sich nichts sagen.
»Ich muss mir die Sache überlegen«, stieß er hervor, und dann wechselte er das Thema. »Ich schlage vor, dass wir ins Europa-Hotel essen gehen. Mir ist nach einem Chateaubriand zumute. Einverstanden?«
Sie presste zwar wütend die Lippen zusammen, aber sie machte kehrt. Eine Weile gingen sie schweigend dahin, jeder mit seinen Gefühlen beschäftigt. Dann hatten sie den Park verlassen. Ihr Weg führte sie an einer eleganten Geschäftsfront entlang. Vor einem Juwelierfenster blieb Brigitte stehen.
»Was sagst du zu diesem Collier dort?«, fragte sie.
Es lag auf dunklem Samt, etwas Weißgold als Fassung für eine wahre Flut von Brillanten. Die Einkaräter waren wie Kindermurmeln aneinandergereiht.
»Enorm«, erwiderte Jens knapp.
Brigitte ging weiter und bemerkte wie beiläufig: »Ich bin furchtbar neugierig auf dein Hochzeitsgeschenk für mich. Wahrscheinlich werde ich mich riesig freuen.«
Sie mussten rasch über eine Kreuzung, weil die Ampel gerade auf Rot sprang, so wurde er einer Antwort enthoben. Jens brachte ihre Bemerkung mit dem kostbaren Collier in Verbindung, und ihm war klar, dass er an ein Geschenk dieser Größenordnung nie würde denken können.
Dann waren sie im Europa-Hotel, in dem sich ein erlesenes französisches Restaurant befand. Die Preise waren hoch, aber das Essen war vorzüglich. Drei Kellner bemühten sich um die beiden neuen Gäste.
Es schmeckte ihnen ausgezeichnet. Sie tranken einen leichten Weißwein dazu. Brigitte überlegte gerade, welchen Käse sie als Abschluss wählen sollte, als Jens Grotes Blick an der Eingangstür hängenblieb.
Seine neue Assistentin kam herein. Sie trug ein offensichtlich maßgeschneidertes blassblaues Sommerkostüm und drehte sich gerade nach einem jungen Mann um. Sie lachte ihn an, er lachte zurück. Er war hochgewachsen, seine Miene wirkte ein wenig hochnäsig. In seinem rechten Auge blitzte ein Monokel. Dr. Grote schätzte ihn auf etwa dreißig Jahre.
Ein Zucken ging über das Gesicht der jungen Assistentin, als sie ihren neuen Oberarzt gewahrte. Sie grüßte mit einem formvollendeten Kopfnicken, Jens grüßte zurück – und in genau diesem Augenblick wurde Brigitte auf die kleine Szene aufmerksam.
,,Ich suche Käse aus – und du flirtest!«, rügte sie missbilligend und scheuchte den Kellner mit einer lässigen Handbewegung davon. »Kennst du diese Dame?«
»Ja, natürlich, sonst würde ich sie kaum grüßen.«
»Nun sag schon, wer sie ist!«
»Meine neue Assistentin. Heute eingetroffen.«
»Ich finde, sie ist sehr aufdringlich«, urteilte Brigitte und rümpfte die zierliche Nase. »Ihr Kostüm ist aus Paris, aber sie trägt es so, dass man es sofort sieht. Vermutlich kommt sie aus einer Familie ohne Kultur. Neureiche.«
»Ich glaube nicht, liebe Brigitte. Sie heißt Irina von Farien, und das lässt ja wohl auf alte Tradition schließen.«
»Wie dem auch sei – ich finde diese Person jedenfalls unausstehlich. Und mit der sollst du arbeiten? Du tust mir jetzt schon leid. Wer ist bloß dieser affektierte Kerl bei ihr? Wie kann ein junger Mensch mit einem Monokel herumlaufen!«
»Wahrscheinlich ein Graf«, witzelte Jens, aber das Witzeln rührte mehr vom Ärger über Brigitte her.
Sie war eifersüchtig auf die schöne Assistentin, das war nur zu deutlich zu spüren, sie wollte die andere heruntermachen, und sie tat es recht plump. Zum ersten Mal seit einem Jahr fühlte Jens, dass es zwischen ihm und Brigitte eine gewisse unsichtbare Barriere gab. Oder besser: dass sie heute Abend urplötzlich entstanden war. Brigittes Verfügen über ihn, ihre Ansprüche auf ein Hochzeitsgeschenk, ihre unschönen Bemerkungen über die junge Ärztin, das alles störte ihn, stieß ihn beinahe ab.
»Ich möchte gehen«, sagte Brigitte halblaut.