Romantische Bibliothek - Folge 23 - Ina von Hochried - E-Book

Romantische Bibliothek - Folge 23 E-Book

Ina von Hochried

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Beschreibung

Mit klopfendem Herzen macht sich Ina Gambach mitten in der Nacht auf den beschwerlichen Weg zu ihrem Liebsten. In völlige Einsamkeit hat sich Dr. Thomas von Luchtenberg in eine Berghütte zurückgezogen und will nichts mehr von der Welt wissen. Er glaubt nämlich, für den Tod von Inas Vater verantwortlich zu sein, denn er hat die schwierige Operation bei Geheimrat Gambach durchgeführt, als plötzlich das Licht im Operationssaal ausgegangen ist. Starr vor Schreck war es dem jungen Chirurgen nicht mehr möglich gewesen, die Operation fortzusetzten, und jetzt ist Inas Vater tot!

Doch die junge Frau glaubt fest an die Unschuld ihres Liebsten. Deshalb kehrt sie auch nicht um, als es auf ihrem Weg plötzlich heftig zu schneien beginnt und der Anstieg für sie dadurch noch beschwerlicher wird. Da knackt es auf einmal seltsam hinter ihr im Wald, als ob jemand auf einen kleinen Zweig getreten ist. Vor Angst gefriert dem Mädchen beinahe das Blut in den Adern ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Stunde der Entscheidung

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/Svyatoslava Vladzimirska

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2681-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Stunde der Entscheidung

Eine junge Frau kämpft um Ehre und Recht

Ina von Hochried

Mit klopfendem Herzen macht sich Ina Gambach mitten in der Nacht auf den beschwerlichen Weg zu ihrem Liebsten. In völlige Einsamkeit hat sich Dr. Thomas von Luchtenberg in eine Berghütte zurückgezogen und will nichts mehr von der Welt wissen. Er glaubt nämlich, für den Tod von Inas Vater verantwortlich zu sein, denn er hat die schwierige Operation bei Geheimrat Gambach durchgeführt, als plötzlich das Licht im Operationssaal ausgegangen ist. Starr vor Schreck war es dem jungen Chirurgen nicht mehr möglich gewesen, die Operation fortzusetzten, und jetzt ist Inas Vater tot!

Doch die junge Frau glaubt fest an die Unschuld ihres Liebsten. Deshalb kehrt sie auch nicht um, als es auf ihrem Weg plötzlich heftig zu schneien beginnt und der Anstieg für sie dadurch noch beschwerlicher wird. Da knackt es auf einmal seltsam hinter ihr im Wald, als ob jemand auf einen kleinen Zweig getreten ist. Vor Angst gefriert dem Mädchen beinahe das Blut in den Adern …

Dr. Thomas von Luchtenberg trat einen halben Schritt vom Operationstisch zurück.

Eine Schwester kam und wischte ihm den Schweiß von der Stirn.

„Wie lange schon?“, fragte er unter der grauen Gesichtsmaske hervor.

„Fast fünf Stunden, Herr Oberarzt.“

Dr. von Luchtenberg nickte. Schneller hätte auch kein anderer Chirurg diese Operation durchführen können.

Ein siebzehn Jahre altes Mädchen lag auf dem Operationstisch. Es war sehr hübsch. An der linken Kopfseite, etwa in der Nähe des Ohrs, hatte dieses Mädchen ein Krebsgeschwür. Zum Glück war es eines von der langsam wachsenden Art, die lokal begrenzt blieb und deswegen keine unmittelbare Lebensgefahr darstellte. Von Zeit zu Zeit war es allerdings notwendig, die Wucherungen zu entfernen.

Dr. von Luchtenberg hatte sehr viel Arbeit. Vor ihm war ein Chirurg am Werk gewesen, der zwar gründlich, aber ohne Rücksicht auf die später folgenden Eingriffe gearbeitet hatte.

Zahlreiche Narbenverdickungen waren zurückgeblieben, die den Arzt vor erhebliche Aufgaben stellten. Durch die betroffenen Gewebspartien führten einige sehr wichtige Nervenstränge. Wurden sie verletzt, so konnte es beispielsweise zu teilweisen Gesichtsmuskellähmungen kommen. Das aber wollte der Chirurg auf jeden Fall vermeiden.

Nun trat Dr. von Luchtenberg wieder an den Operationstisch. Er hob den Kopf in Richtung des Narkosearztes. Dieser nickte zustimmend. Die Narkose war in Ordnung, das Mädchen zeigte keine besorgniserregenden Reaktionen.

Weiter also. Dr. von Luchtenberg hatte bisher die an der Oberfläche des Operationsfeldes liegenden Wucherungen abgetragen. Danach hatte er die Nervenstränge behutsam freigelegt und war in tiefere Schichten eingedrungen. Das war der Höhepunkt der Operation gewesen. Er hatte sehr vorsichtig, aber sehr sicher und zielstrebig gearbeitet.

Die drei Assistenten hatten mehrmals leisen Beifall gespendet, weil Dr. von Luchtenberg jede Schwierigkeit mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit gemeistert hatte.

Jetzt gab es eigentlich nur noch eine Kleinigkeit zu erledigen.

Der Arzt hatte eine Wucherung gefunden, die sich aus dem bisherigen Operationsbereich kopfabwärts in eine neue Richtung vorgeschoben hatte. Diesen Auswuchs wollte er gern verhindern. Er schnitt das bösartige Gewebe besonders vorsichtig heraus, um ein Weiterwachsen des Krebses ein für alle Mal zu unterbinden. Vielleicht war bei dem letzten Eingriff dieser Ansatz übersehen worden.

Fertig. Das Schließen der Operationswunde überließ Dr. von Luchtenberg seinem ersten Assistenten, einem ehrgeizigen jungen Mann, der sich redlich mühte, die Verfahrensweisen seines Chefs haargenau zu übernehmen.

Nun waren schon die Hautnähte an der Reihe. Dr. von Luchtenberg wartete noch, bis der Wundverband angelegt war. Dann trat ein Lächeln in seine müde gewordenen Augen.

„Na, das hätten wir mal wieder geschafft“, sagte er stolz und erleichtert. „Steffensen, Sie können den Eltern sagen, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchen. Im Übrigen: Schluss für heute, wertes Publikum.“

Er nickte den Ärzten und Schwestern freundlich zu, bevor er den Operationssaal verließ und in den Waschraum trat.

Dr. Steffensen, der erste Assistent, beeilte sich, um seinen Auftrag erfüllen zu können. Auch er war erleichtert, dass die Operation so gut gelungen war.

Dr. von Luchtenberg wusch sich gründlich. Hinterher ging er gleich unter die Dusche, die er kürzlich hatte installieren lassen. Das kühle Wasser floss über seinen kräftigen, gebräunten Körper. Eine Viertelstunde lang stand er prustend unter dem erfrischenden Nass. Als er wieder aus der Dusche trat, hatten sich seine Lebensgeister sichtlich gehoben.

Er trocknete sich ab und kleidete sich an. Das seidene Oberhemd spannte sich über seiner kraftvollen Brust. Vor dem Spiegel kämmte er sein dichtes, dunkles Haar. Er schaute sich an und lächelte sich zu.

Seine Augen waren gut und warm, ihr Blick war offen, ein wenig jungenhafter Schalk lag in ihnen. Die Nase zeigte die leichte Wölbung, die die Luchtenbergs seit jeher auszeichnete. Sein Mund war kraftvoll, stets zum Lachen bereit, aber er verriet auch viel Energie.

Dr. von Luchtenberg war eine prachtvolle Erscheinung, ein Mann von Welt, ein Mann, der von seinem Wert wusste und es deshalb nicht nötig hatte, ihn nach außen hin zu betonen. Seine Haltung zeigte lässige Eleganz, die erstklassigen, maßangefertigten Anzüge sahen aus, als sei er in ihnen geboren worden. Sie passten ihm wie angegossen.

Der Chirurg trat auf den Korridor hinaus. Er hatte sich nicht getäuscht: Ursula Bieling wartete draußen auf ihn.

Die Schwesterntracht hatte sie bereits abgelegt. In einem hellgrünen Sommerkostüm stand sie vor ihm, blond und gepflegt, die blauen Augen strahlten ihm entgegen. Ein zarter Hauch wertvollen Parfüms umwehte sie.

„Da hat jemand mal wieder unsterblichen Ruhm erworben, wie ich höre“, sagte sie lächelnd, trat zu ihm heran und küsste ihn auf die Wange.

Dr. von Luchtenberg legte den Arm um ihre schlanken Schultern und zog sie mit sich fort.

„Es war eher eine Zeitfrage, Uschi“, entgegnete er gelassen. „Durchhalten musste man, alles andere kam von selbst.“

„Thomas, du untertreibst wie immer. Du bist imstande, den Nobelpreis abzulehnen, wenn man ihn dir einmal antragen sollte.“

„Dazu wird es nicht kommen, Uschi.“ Er lachte amüsiert. „Hübsch siehst du aus. Die anderen Schwestern werden platzen vor Neid.“

„Wenn es dabei nicht zu laut knallt, meinetwegen!“ Die hübsche Schwester zwinkerte ihm zu. „Sie zerreißen sich über mich ohnehin schon die Mäulchen … Deinetwegen, übrigens.“

„So?“, wunderte sich der junge Arzt. „Was sagen sie denn?“

„Dass ich dich bezirzt hätte. Weil ich unbedingt eine Adlige werden möchte.“

„Das ist doch dummes Zeug!“

„Das Geschwätz der Neider ist immer töricht, Thomas. Erinnerst du dich noch an den Grafen von Facknang? Den mit dem Oberschenkelhalsbruch?“

„Oh ja. Wir haben ihn genagelt. Ohne Komplikationen.“

„Er wollte mich heiraten.“

„Das sagst du mir erst jetzt?“, platzte der Arzt in gespielter Empörung heraus.

„Bist du etwa eifersüchtig?“ Ursula Bieling lachte. „Ich habe ihn nicht ernst genommen. Er war fast fünfzig Jahre alt.“

„Aber sehr reich.“

„Dafür hatte er eine Vollglatze“, amüsierte sie sich. „Wenn ich Vollglatzen sehe, kann ich nicht romantisch sein. Ich wollte nur sagen: Wenn ich auf einen Adligen aus wäre, dann hätte ich dem Grafen mein Jawort gegeben. Du bist ja bloß ein kleiner Freiherr. Gegen einen Grafen kommst du nicht an.“

„Das will ich auch gar nicht“, erwiderte er lachend.

Sie hatten die Klinik inzwischen verlassen. Thomas von Luchtenberg öffnete ihr den Schlag seines schnellen Sportwagens, und Ursula Bieling schlüpfte hinein. Er eilte um den Wagen herum, setzte sich hinter das Lenkrad und ließ den Motor an. Schnell und gewandt fädelte er sich kurz darauf zwischen die vielen Wagen ein, die auf der belebten Straße entlangfuhren.

„Eigentlich habe ich heute gar keine Lust auf den Stenokurs“, meinte die Schwester nach einer Weile. „Die Sonne scheint so herrlich vom Himmel. Am liebsten würde ich mit dir zum Baden fahren.“

„Wer nichts lernt, der darf auch nicht baden“, widersprach Dr. Thomas von Luchtenberg lachend. „Übermorgen ist Sonntag. Falls das Wetter bis dahin gut bleibt, kannst du dann baden, so lange du Lust hast.“

„Ist das ein feierliches Versprechen?“

„Ein ganz feierliches, Uschi.“

Sie schmiegte sich an den Chirurgen und war selig. Sie war immer selig, wenn Thomas von Luchtenberg bei ihr war.

Vor einem halben Jahr etwa hatten sie sich kennengelernt, als Ursula Bieling an das Krankenhaus gekommen war. Sie unterschied sich in vielen Dingen von den übrigen Schwestern. Sie war die zweifellos hübscheste von allen, ihre Kleidung war teuer und elegant, sie war klug und lebhaft, und sie hatte ausgezeichnete Manieren.

Ursula Bieling war die Tochter eines Regierungsdirektors, der vor ein paar Jahren tödlich verunglückt war. Ursula hatte das Abitur hinter sich und hatte gerade ein gutes Internat besucht, als der Tod den Vater dahingerafft hatte. Da die Mutter schon ein paar Jahre zuvor gestorben war, war das hübsche Mädchen von einem Tag auf den anderen allein auf der Welt gewesen.

Der Vater hatte ihr ein kleines Vermögen hinterlassen. Sie war noch einige Zeit auf dem Internat geblieben, dann hatte sie ihre Vorliebe für die Krankenpflege entdeckt, hatte sich ausbilden lassen und versah nun hier ihren ersten Posten als Schwester. Sie war tüchtig, weshalb sie schnell Anerkennung gefunden hatte. In kurzer Zeit, darüber war man sich im Krankenhaus einig, würde sie zur Stationsschwester avancieren. Und bis zur Oberschwester war es sicherlich auch nicht mehr weit.

Dr. von Luchtenberg hatte sich Hals über Kopf in die hübsche Schwester verliebt. Bei einem Ball, den der Chefarzt während der Faschingszeit gegeben hatte, hatten sie den ersten Kuss getauscht. Und seitdem waren sie unzertrennlich gewesen. Es stand fest, dass sie sich bald verloben würden.

Thomas von Luchtenberg und Ursula Bieling hatten schon mehr als einmal den Plan erwogen, eine eigene Klinik aufzumachen. Sie konnte dann als seine Frau die Schwesternschaft leiten, während er den ärztlichen Teil erledigen wollte.

Aus diesem Grunde vervollständigte Ursula zurzeit ihre Kenntnisse. Schreibmaschine und Stenografie, Buchführung und viele, viele andere Kurse besuchte sie deshalb nach ihrer Arbeit. Sie lernte leicht und schnell. In einem halben Jahr etwa würde sie die Kurse beenden, und dann durfte sie von sich behaupten, eine ganze Menge zu wissen, genug, um die Vorgänge in einer Klinik überschauen und beherrschen zu können.

Sie näherten sich nun dem Stadtzentrum. Dr. von Luchtenberg schilderte ihr in dürren Worten den Ablauf der Operation, die gerade hinter ihm lag.

„Ich wäre viel schneller zum Ziel gekommen, wenn dieser Pfuscher vor mir etwas sorgfältiger gearbeitet hätte“, erklärte er beinahe schon etwas aufgebracht. „Aber er ist ohne jede Rücksicht …“ Weiter kam er nicht.

Die Ampel war auf Grün gesprungen. Er stand mit seinem Wagen in der vordersten Reihe und fuhr an, als von rechts ein weißer Wagen herangeschossen kam.

Ursula Bieling schrie auf und duckte sich unwillkürlich.

Dr. von Luchtenberg gab geistesgegenwärtig Gas, aber es war zu spät. Krachend prallte der andere Wagen gegen das Heck seines Autos.

Splitter, Scherben. Ihr Wagen wurde halb herumgerissen.

„Thomas!“, schrie Ursula Bieling panisch. „Thomas!“

Dann stand der Wagen still. Der Motor brüllte in höchsten Drehzahlen.

Thomas von Luchtenberg stellte ihn ab.

„Ist dir etwas passiert?“, fragte er mit rauer, vom Schreck gezeichneter Stimme.

„Nein, ich glaube nicht. Und dir?“

„Der Arm schmerzt. Ich denke, er ist geprellt. Schauen wir mal nach.“ Der Arzt stieg aus.

Links im Hintergrund stand der andere Wagen, der den Unfall verursacht hatte. Er sah böse aus. Das ganze rechte Vorderteil war aufgerissen. Benzin und Öl tropften über die Splitter, die auf dem Pflaster herumlagen.

„Sie blutet stark!“, rief irgendjemand, der in den anderen Wagen hineingeschaut hatte. „Ein Arzt, ein Arzt!“

Dr. von Luchtenberg eilte hinüber. Im Nu drängten sich viele Neugierige um die beiden Fahrzeuge. Unsanft kämpfte sich der Chirurg durch die Menge.

„Ich bin Arzt! Lassen Sie mich durch!“, wiederholte er dabei immer wieder.

Nun hatte er den anderen Wagen erreicht.

Über dem Lenkrad hing eine reglose Mädchengestalt. Ihr dunkles Haar fiel ihr in wirren Strähnen über Kopf und Schultern. Blut rann zu Boden.

Sanft hob der Chirurg den Mädchenkopf an. Das Blut drang aus einer Wunde an der Stirn.

***

Irgendwann kam Polizei. Die Beamten drängten die Gaffer zurück. Während sich Dr. von Luchtenberg um das ohnmächtige Mädchen kümmerte, riefen die Beamten nach dem Fahrer des zweiten Wagens.

Ursula Bieling machte ihnen klar, dass der Arzt, der sich um das Mädchen kümmerte, der gesuchte Fahrer sei.

Die Beamten sicherten die Unfallspuren.

„Wie geht es ihr, Herr Doktor?“, fragte einer der Polizisten.

„Die Wunde ist nicht schlimm, Herr Wachtmeister“, gab Thomas von Luchtenberg mit ruhiger Stimme Auskunft. „Im Übrigen hat sie eine Gehirnerschütterung. Sie ist bewusstlos. Sie muss unbedingt ins Krankenhaus gebracht werden.“

„Einen Transportwagen haben wir schon angefordert, Herr Doktor. Sie ist Ihnen seitlich in den Wagen gefahren, ist das richtig?“

„Ja, als die Ampel auf Grün gesprungen war und ich losfuhr, geschah es.“

„Klare Sache. Wenn Sie sich um die Verletzte weiter kümmern wollen, steht dem nichts entgegen. Waren Sie allein im Wagen?“

„Nein, eine junge Dame war bei mir. Sie kann Ihnen alle Angaben machen, die notwendig sind.“

Der Krankenwagen kam.

„Gut, das reicht fürs Erste“, erklärte der Wachtmeister. „Sie können mit der jungen Frau fahren. Später kommen wir zur Vernehmung ins Krankenhaus.“

Thomas beaufsichtigte das Bergen des bewusstlosen Mädchens aus dem Wagen. Er sprach ein paar Worte mit Ursula Bieling. Nachdem geklärt worden war, in welches Krankenhaus die Verletzte gebracht werden sollte, stieg Thomas zu ihr in den Transportraum. Dann ging es mit heulenden Sirenen durch die Stadt.

Thomas hatte keine Gewissensbisse, als er die aus feinem Leder gefertigte Handtasche des Mädchens hernahm und untersuchte. Er hatte das während seiner Dienstzeit in einem Unfallkrankenhaus mehr als einmal getan.

Da war ein Pass. Ina Gambach. Sie wohnte in einem Vorort, der der Prominenz der Stadt vorbehalten war.

Gambach?, überlegte der Chirurg. Den Namen hatte Thomas schon einmal gehört. Doch er kam im Moment nicht darauf, wie und wo.

Der Arzt betrachtete das Mädchen. Ina Gambachs Gesicht war bleich, die Verletzte war immer noch bewusstlos. Klare, ebenmäßige Züge unterstrichen ihre Schönheit. Thomas von Luchtenberg betrachtete ihre Hände: schmal, zierlich, feingliedrig. Ein Ring erregte seine Aufmerksamkeit. Um einen prachtvollen Smaragd gruppierten sich viele große Brillanten. Das Schmuckstück war ein kleines Vermögen wert.

Auch die Kleidung der jungen Frau war dementsprechend. Seide, vorzüglich geschnitten. In der Jacke, die man dem Mädchen ausgezogen hatte, entdeckte der Arzt das Namensschild eines weltbekannten Pariser Modeschöpfers.

„Da ist mir also ein richtiger kleiner Luxusvogel an den Wagen gefahren“, murmelte Dr. von Luchtenberg vor sich hin, und Zorn stieg in ihm empor.

Das sah jungen Damen dieser Gesellschaftsschicht ähnlich: Sie waren es gewohnt, dass alles nach ihrer Pfeife tanzte. Sie kümmerten sich um keine Vorschriften und keine Spielregeln. Sie ließen sich allein von ihren Launen und Neigungen treiben, und wenn eine Ampel Rot zeigte, dann galt das für alle, nur nicht für sie.

„Den Unfall hat sie also vollkommen zu verantworten!“, knurrte Dr. von Luchtenberg und fühlte den Puls des Mädchens.

Der Schlag war unverändert schwach, aber für eine Ohnmacht ganz normal.

Der Blick des Chirurgen glitt über die schlanke, liebreizende Frauengestalt. Ina Gambach war sehr hübsch. Zarte Bräune bedeckte ihr Gesicht, ihre Arme und ihre Beine.

Wahrscheinlich ist sie ein höchst attraktives Geschöpf, dachte Dr. von Luchtenberg, der versuchte, sich die junge Dame bei Bewusstsein vorzustellen.

Das Krankenhaus war erreicht. Die Trage wurde hinausgezerrt. Der diensthabende Unfallarzt wartete schon. Dr. von Luchtenberg stellte sich vor und erklärte, inwieweit er in den Unfall verwickelt war.

„Ich habe schon viel von Ihnen gehört, Herr Kollege“, sagte der Unfallarzt spontan. „Wenn Sie die Behandlung fortführen wollen, bin ich voll und ganz einverstanden.“

„Das ist nett von Ihnen!“

Sie untersuchten das Mädchen, fanden aber keine sonstigen Verletzungen. Wie schwer die Gehirnerschütterung war, musste abgewartet werden.

„Zimmer 91 wäre frei. Schaffen wir sie hinauf?“, meinte der Unfallarzt mit fragendem Blick.

Dr. von Luchtenberg nickte. Mehr war im Augenblick nicht zu tun.

Über das Pflaster auf der Stirn würde die junge Dame nicht erbaut sein, aber das war immer noch eine Kleinigkeit gegen die Folgen, die eigentlich hätten eintreten können. Ina Gambach hatte sehr viel Glück gehabt.

Gerade als zwei Träger das Mädchen fortbringen wollten, begannen dessen Augenlider zu flattern. Es kam zu sich. Die Augen öffneten sich, der Blick war verschleiert. Es stieß einen spitzen Schrei aus.

Dr. Thomas von Luchtenberg drückte es mit sanfter Gewalt auf die Trage zurück.

„Nur keine Aufregung, Fräulein. Es ist nichts passiert. Sie müssen Ruhe bewahren, das ist das Wichtigste.“

„Der – der andere Wagen“, stammelte das Mädchen.

„Keine Sorge, der andere Wagen sieht auch nicht besser aus als der Ihre. Jetzt ruhen Sie sich aber besser erst einmal aus.“

Er gab den Trägern einen Wink. Sie trugen die Verletzte fort. Dann verabschiedete sich Thomas von Luchtenberg von dem diensthabenden Unfallarzt.

Im gleichen Augenblick kam ein Polizeibeamter, der den Arzt vernehmen wollte.

„Die Fahrerin des anderen Wagens können Sie morgen verhören, Herr Wachtmeister“, erklärte der Chirurg nach dem kurzen Verhör.

„Können Sie dabei sein, Herr Doktor?“

„Ist das notwendig?“

„Wenn sie gesteht, vereinfacht das die Sache. Vielleicht um elf Uhr, wenn es Ihnen recht ist.“

„Einverstanden“, willigte Thomas ein.

***

Pünktlich zur angegebenen Zeit war Dr. von Luchtenberg am folgenden Morgen zur Stelle. Das Mädchen hatte sich erstaunlich gut erholt. Die Farbe war in die gestern noch blassen Wangen zurückgekehrt. Ihre Augen, die groß und sehr lebhaft waren, schossen Blitze, als Dr. von Luchtenberg in das Krankenzimmer trat. Der Polizeibeamte war schon da.

„Sind Sie der Fahrer des anderen Wagens?“, rief das Mädchen ihm temperamentvoll entgegen.

„Ja, der bin ich.“

„Dann verhaften Sie den Mann, Herr Wachtmeister! Er ist viel zu früh losgefahren, ich sage es Ihnen die ganze Zeit!“

Dr. von Luchtenberg war sprachlos. So hatte er sich diese Vernehmung nicht vorgestellt.

Der Polizeibeamte allerdings auch nicht, das sah der Chirurg deutlich an seinem Blick.

„Was Sie da behaupten, Fräulein Gambach, stimmt von vorne und von hinten nicht!“, fuhr er das Mädchen in hartem Ton an. „Wir haben genug Zeugenaussagen. Sie allein sind an dem Unfall schuld, denn Sie sind bei Rot auf die Kreuzung gefahren.“

„Das ist gelogen!“

„Erzählen Sie das dem Richter, Fräulein Gambach. Er wird Ihnen klarmachen, dass Sie mit Ihren Behauptungen nicht weit kommen werden. Im Übrigen haben Sie keinen Grund, sich über Dr. von Luchtenberg zu ereifern, denn er hat Ihnen noch am Unfallort erste Hilfe geleistet.“

„Wieso? Wie kommt er dazu?“

„Er ist Arzt“, erklärte der Polizeibeamte schlicht.

„Auch das noch! Jetzt verstehe ich, weshalb Sie gegen mich sind, Herr Wachtmeister! Ärzte und die Polizei – die ziehen an einem Strang. Ich warne Sie, mein Vater kennt den Polizeipräsidenten! Sie werden Ihr blaues Wunder erleben!“

Der Beamte verlor seinen Gleichmut nicht.