Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 543 - Ina von Hochried - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 543 E-Book

Ina von Hochried

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Beschreibung

Der Chirurg Dr. Thomas von Luchtenberg fährt auf der Erfolgsspur durchs Leben. Er sieht fantastisch aus und leistet in seinem Beruf Großartiges. Sein Herz gehört der bildhübschen Ursula Bieling mit dem blonden Haar und den strahlenden blauen Augen. Die beiden schmieden schon eifrig Zukunftspläne. Bald wollen sie sich verloben.
An diesem herrlichen Sommertag ist Thomas gerade mit der schönen Ursula unterwegs in die Stadt, als ein Wagen in das Heck seines Autos prallt. Zum Glück kommen sie mit dem Schrecken davon. Dennoch markiert dieser Unfall im unbeschwerten Leben von Thomas und Ursula eine dramatische Wende, doch davon ahnen sie in diesem Augenblick nicht das Geringste ...


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Inhalt

Cover

Entscheidung um Mitternacht

Vorschau

Impressum

Entscheidung um Mitternacht

Weil sie sich betrogen glaubte

Der Chirurg Dr. Thomas von Luchtenberg fährt auf der Erfolgsspur durchs Leben. Er sieht fantastisch aus und leistet in seinem Beruf Großartiges. Sein Herz gehört der bildhübschen Ursula Bieling mit dem blonden Haar und den strahlenden blauen Augen. Die beiden schmieden schon eifrig Zukunftspläne. Bald wollen sie sich verloben.

An diesem herrlichen Sommertag ist das Paar gerade unterwegs in die Stadt, als ein Wagen in das Heck seines Autos prallt. Zum Glück kommen sie mit dem Schrecken davon. Dennoch markiert dieser Unfall im unbeschwerten Leben von Thomas und Ursula eine dramatische Wende, doch davon ahnen sie in diesem Augenblick nicht das Geringste ...

Dr. Thomas von Luchtenberg trat vom Operationstisch einen halben Schritt zurück. Eine Schwester kam und wischte ihm den Schweiß von der Stirn.

»Wie lange schon?«, fragte er unter der grauen Gesichtsmaske hervor.

»Fast fünf Stunden, Herr Oberarzt.«

Luchtenberg nickte. Eher hätte auch kein anderer Chirurg mit dieser Operation fertig werden können.

Ein siebzehn Jahre altes Mädchen lag auf dem Operationstisch. Es war sehr hübsch. An der linken Kopfseite, etwa in Nähe der Ohrpartie, hatte dieses Mädchen ein Krebsgeschwür. Freilich war es eines von der langsam wachsenden Art, die lokal begrenzt blieb und deswegen keine unmittelbare Lebensgefahr darstellte. Von Zeit zu Zeit war es notwendig, die Wucherungen zu entfernen.

Dr. von Luchtenberg hatte sehr viel Arbeit. Vor ihm war ein Chirurg am Werke gewesen, der zwar gründlich, aber ohne Rücksicht auf die später folgenden Eingriffe gearbeitet hatte. Zahlreiche Narbenverdickungen waren zurückgeblieben, die den feinen Messern des Dr. von Luchtenberg erhebliche Aufgaben stellten.

Durch die betroffenen Gewebspartien führten einige sehr wichtige Nervenstränge. Wurden sie verletzt, so konnte es beispielsweise zu teilweisen Gesichtsmuskellähmungen kommen. Das aber wollte der Chirurg auf jeden Fall vermeiden.

Nun trat Dr. von Luchtenberg wieder an den Operationstisch. Er hob den Kopf in Richtung des Narkosearztes. Dieser nickte. Die Narkose war in Ordnung, das Mädchen zeigte keine besorgniserregenden Reaktionen.

Weiter also. Dr. von Luchtenberg hatte bisher die an der Oberfläche des Operationsfeldes liegenden Wucherungen abgetragen. Danach hatte er die Nervenstränge freigelegt und war in tiefere Schichten eingedrungen. Er hatte sehr vorsichtig, aber sehr sicher gearbeitet.

Die drei Assistenten hatten mehrmals leisen Beifall gespendet, weil Dr. von Luchtenberg jede Schwierigkeit mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit gemeistert hatte.

Jetzt gab es eigentlich nur noch eine Kleinigkeit zu erledigen. Der Arzt hatte eine Wucherung gefunden, die sich aus dem bisherigen Operationsbereich kopfabwärts in eine neue Richtung vorgeschoben hatte. Er schnitt das bösartige Gewebe besonders vorsichtig heraus, um ein Weitergreifen des Krebses ein für alle Mal zu verhindern. Vielleicht war bei dem letzten Eingriff dieser Ansatz übersehen worden.

Fertig. Das Schließen der Operationswunde überließ Dr. von Luchtenberg seinem ersten Assistenten, einem ehrgeizigen jungen Mann, der sich redlich mühte, die Verfahrensweisen seines Chefs buchstabengetreu zu übernehmen.

Nun waren schon die Hautnähte an der Reihe. Dr. von Luchtenberg wartete noch, bis der Wundverband angelegt war. Dann trat ein Lächeln in seine müde gewordenen Augen.

»Na, das hätten wir mal wieder geschafft. Steffensen, Sie können den Eltern sagen, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchen. Schluss für heute, wertes Publikum.«

Er nickte den Ärzten und Schwestern freundlich zu, bevor er den Operationssaal verließ und in den Waschraum trat. Dr. Steffensen, der erste Assistent, beeilte sich, um seinen Auftrag erfüllen zu können.

Dr. von Luchtenberg wusch sich gründlich die Hände. Hinterher ging er gleich unter die Dusche, die er kürzlich hatte installieren lassen. Das kühle Wasser zischte über seinen kräftigen gebräunten Körper. Als er fertig war, hatten sich seine Lebensgeister wiederbelebt.

Er kleidete sich an. Das seidene Oberhemd spannte sich über seiner Brust. Vor dem Spiegel kämmte er sein dichtes dunkles Haar. Er schaute sich an und lächelte sich zu. Er hatte einen offenen Blick. Die Nase zeigte die leichte Wölbung, die die Luchtenbergs seit jeher auszeichnete. Der Mund war kraftvoll, stets zum Lachen bereit, aber auch viel Energie verratend.

Dr. von Luchtenberg war eine prachtvolle Erscheinung, ein Mann von Welt, ein Mann, der von seinem Wert wusste und es deshalb nicht nötig hatte, ihn nach außen hin zu betonen. Seine Haltung zeigte lässige Eleganz. Die erstklassigen Schneideranzüge passten makellos.

Der Chirurg trat in den Korridor hinaus. Er hatte sich nicht getäuscht: Ursula Bieling wartete draußen.

Die Schwesterntracht hatte sie bereits abgelegt. In einem hellgrünen Sommerkostüm stand sie vor ihm, blond und gepflegt, die blauen Augen strahlten. Ein zarter Hauch wertvollen Parfüms umwehte sie.

»Da hat jemand mal wieder unsterblichen Ruhm erworben, wie ich höre«, sagte sie lächelnd, trat zu ihm heran und küsste ihn auf die Wange.

Dr. von Luchtenberg legte den Arm um ihre schlanken Schultern und zog sie mit sich fort.

»Es war eher eine Zeitfrage, Uschi«, sagte er. »Durchhalten musste man, alles andere kam von selbst.«

»Thomas, du untertreibst wie immer. Du bist imstande, den Nobelpreis abzulehnen, wenn man ihn dir mal antragen sollte.«

»Dazu wird es nicht kommen, Uschi. Hübsch siehst du aus. Die anderen Schwestern werden platzen vor Neid.«

»Wenn es dabei nicht zu laut knallt, meinetwegen!«, erwiderte die hübsche Schwester lachend. »Sie zerreißen sich über mich ohnehin schon die Mäulchen. Deinetwegen.«

»So? Was sagen sie denn?«

»Dass ich dich bezirzt hätte. Weil ich unbedingt eine Adlige werden möchte.«

»Dummes Zeug!«

»Das Geschwätz der Neider ist immer töricht, Thomas. Erinnerst du dich noch an den Grafen von Facknang? Den mit dem Oberschenkelhalsbruch?«

»Oh ja. Wir haben ihn genagelt. Ohne Komplikationen.«

»Er wollte mich heiraten.«

»Das sagst du mir erst jetzt?«

»Eifersüchtig?«, fragte sie ihn. »Ich habe ihn nicht ernst genommen. Er war fast fünfzig Jahre alt.«

»Aber sehr reich.«

»Dafür hatte er eine Vollglatze«, amüsierte sie sich. »Ich wollte nur sagen: Wenn ich auf einen Adligen aus wäre, dann hätte ich dem Grafen das Jawort gegeben. Du bist ja bloß ein kleiner Freiherr. Gegen einen Grafen kommst du nicht an.«

»Will ich auch gar nicht«, erwiderte er.

Sie hatten die Klinik verlassen, er öffnete ihr den Schlag seines Wagens. Sie schlüpfte hinein. Er eilte um den Wagen herum, setzte sich hinter das Lenkrad und ließ den Motor an. Schnell und gewandt fädelte er sich in den Verkehr ein.

»Eigentlich habe ich heute gar keine Lust auf den Stenokurs«, sagte Uschi nach einer Weile. »Die Sonne scheint so prachtvoll. Am liebsten würde ich mit dir zum Baden fahren.«

»Wer nichts lernt, der darf auch nicht baden!«, widersprach Thomas lachend. »Übermorgen ist Sonntag. Falls das Wetter bis dahin gut bleibt, kannst du baden, solange du Lust hast.«

»Ist das ein feierliches Versprechen?«

»Ein ganz feierliches, Uschi.«

Sie schmiegte sich an ihn und war selig. Vor einem halben Jahr hatten sie sich kennengelernt, als sie, Ursula Bieling, an dieses Krankenhaus gekommen war. Sie unterschied sich in vielen Dingen von den übrigen Schwestern. Sie war die zweifellos Hübscheste von allen, ihre Kleidung war teuer und elegant, sie war klug und lebhaft, und sie hatte ausgezeichnete Manieren.

Ursula Bieling war die Tochter eines Regierungsdirektors, der vor ein paar Jahren tödlich verunglückt war. Ursula hatte das Abitur hinter sich und gerade ein gutes Internat besucht, als der Tod den Vater dahingerafft hatte. Da die Mutter schon ein paar Jahre zuvor gestorben war, hatte das hübsche Mädchen von einem Tag zum anderen allein auf der Welt gestanden.

Der Vater hatte ihr ein kleines Vermögen hinterlassen. Sie war noch einige Zeit auf dem Internat geblieben, hatte dann ihre Vorliebe für die Krankenpflege entdeckt und sich ausbilden lassen. Nun versah sie hier ihren ersten Posten als Vollschwester.

Ursula war tüchtig und hatte schnell Anerkennung gefunden. In kurzer Zeit, darüber war man sich einig, würde sie zur Stationsschwester avancieren. Und bis zur Oberschwester war es sicherlich auch nicht mehr weit.

Dr. von Luchtenberg hatte sich spontan in die hübsche Schwester verliebt. Bei einem Ball, den der Chefarzt während der Faschingszeit gegeben hatte, hatten sie den ersten Kuss getauscht. Und seitdem waren sie unzertrennlich. Es stand fest, dass sie sich bald verloben würden.

Thomas und Ursula hatten schon mehr als einmal den Plan erwogen, eine eigene Klinik aufzumachen. Sie konnte dann als seine Frau die Schwesternschaft leiten, während er den ärztlichen Teil besorgen wollte.

Aus diesem Grunde vervollständigte Ursula zurzeit ihre Kenntnisse. Schreibmaschine und Stenografie, Buchführung und vieles andere stopfte sie in ihr hübsches Köpfchen. Sie lernte leicht und schnell. In einem halben Jahr etwa würde sie die Kurse beenden, und dann durfte sie von sich behaupten, genug zu wissen, um die Vorgänge in einer Klinik überschauen und beherrschen zu können.

Sie näherten sich dem Stadtzentrum. Dr. von Luchtenberg schilderte ihr in knappen Worten den Ablauf der Operation, die gerade hinter ihm lag.

»Ich wäre viel schneller zum Ziel gekommen, wenn dieser Pfuscher vor mir etwas sorgfältiger gearbeitet hätte. Aber er ist ohne jede Rücksicht ...«

Weiter kam er nicht. Die Ampel war auf Grün gesprungen, er stand mit seinem Wagen in der vordersten Reihe und fuhr an, da schoss von rechts ein weißer Wagen heran.

Ursula Bieling schrie auf und duckte sich unwillkürlich. Dr. von Luchtenberg gab geistesgegenwärtig Gas, aber es war zu spät. Krachend prallte der andere Wagen gegen das Heck seines Autos.

Splitter, Scherben. Ihr Wagen wurde halb herumgerissen.

»Thomas!«, schrie Ursula Bieling. »Thomas!«

Dann stand der Wagen still. Der Motor brüllte in höchsten Drehzahlen. Thomas stellte ihn ab.

»Ist dir etwas passiert?«, fragte er mit rauer, vom Schreck gezeichneter Stimme.

»Nein, ich glaube nicht. Dir?«

»Der Arm schmerzt. Geprellt, meine ich. Schauen wir mal nach.«

Er stieg aus. Links im Hintergrund stand der andere Wagen, der den Unfall verursacht hatte. Er sah böse aus. Das ganze rechte Vorderteil war aufgerissen. Benzin und Öl tropften über die Splitter, die auf dem Pflaster herumlagen.

»Sie blutet stark!«, rief irgendjemand, der in den anderen Wagen hineingeschaut hatte. »Ein Arzt, ein Arzt!«

Dr. von Luchtenberg eilte hinüber. Im Nu drängten sich viele Neugierige um die beiden Fahrzeuge.

»Ich bin Arzt! Lassen Sie mich durch!«

Über dem Lenkrad hing eine reglose Mädchengestalt. Dunkles Haar in wirren Strähnen über Kopf und Schultern. Blut tropfte zu Boden. Sanft hob der Chirurg den Mädchenkopf an. Das Blut drang aus einer Wunde an der Stirn.

♥♥♥

Irgendwann kam die Polizei. Die Beamten drängten die Gaffer zurück. Während Dr. von Luchtenberg sich um das ohnmächtige Mädchen kümmerte, riefen die Beamten nach dem Fahrer des zweiten Wagens. Ursula Bieling machte ihnen klar, dass der Arzt, der sich um das Mädchen kümmerte, der gesuchte Fahrer sei.

Die Beamten sicherten die Unfallspuren.

»Wie geht es ihr, Doktor?«, fragte einer der Polizisten.

»Die Wunde ist nicht schlimm, Herr Wachtmeister. Im Übrigen hat sie eine Gehirnerschütterung. Bewusstlos. Sie muss ins Krankenhaus.«

»Transportwagen haben wir schon angefordert, Doktor. Sie ist Ihnen seitlich in den Wagen gefahren?«

»Ja, als die Ampel auf Grün gesprungen war und ich losfuhr, geschah es.«

»Klare Sache. Wenn Sie sich um die Verletzte kümmern wollen, steht dem nichts entgegen. Sie waren nicht allein im Wagen?«

»Nein, eine junge Dame war bei mir. Sie kann Ihnen alle Angaben machen, die notwendig sind.«

»Gut, das reicht fürs Erste. Sie können mit der Dame da fahren. Später kommen wir ins Krankenhaus zur Vernehmung.«

Der Krankenwagen kam. Thomas beaufsichtigte das Bergen des bewusstlosen Mädchens aus dem Wagen. Er sprach ein paar Worte mit Ursula Bieling. Nachdem geklärt worden war, in welches Krankenhaus die Verletzte gebracht werden sollte, stieg Thomas zu ihr in den Transportraum. Mit heulenden Sirenen ging es durch die Stadt.

Thomas nahm die aus Krokodilleder gefertigte Handtasche des Mädchens und untersuchte sie.

Da war ein Pass. Ina Gambach. Wohnte in einem Vorort, der der Prominenz der Stadt vorbehalten war. Gambach? Den Namen hatte er schon mal gehört. Er kam im Moment nicht darauf, wie und wo.

Der Arzt betrachtete das Mädchen. Das Gesicht war bleich, die Verletzte war immer noch bewusstlos. Klare, ebenmäßige Züge. Die Augen wahrscheinlich groß, ein wenig schräg gestellt. Er betrachtete die Hände: schmal, zierlich, feingliedrig. Ein Ring erregte seine Aufmerksamkeit. Um einen prachtvollen Smaragd gruppierten sich viele große Brillanten. Das Schmuckstück war ein kleines Vermögen wert.

Die Kleidung war dementsprechend. Seide, vorzüglich geschnitten. In der Jacke, die man dem Mädchen ausgezogen hatte, entdeckte der Arzt das Namensschild eines weltbekannten Pariser Modeschöpfers.

»Da ist mir also ein richtiger kleiner Luxusvogel in den Wagen gefahren«, murmelte Dr. von Luchtenberg vor sich hin.

Zorn stieg in ihm empor. Das sah jungen Damen dieser Gesellschaftsschicht ähnlich: Sie kümmerten sich um keine Vorschriften und keine Spielregeln. Sie lebten allein ihren Launen und Neigungen, und wenn eine Ampel Rot zeigte, dann galt das für alle, nur nicht für sie.

Dr. von Luchtenberg überprüfte den Puls des Mädchens.

Unverändert. Schwach, aber für eine Ohnmacht ganz normal. Sein Blick glitt über die schlanke, von voll erblühtem Frauentum geprägte Gestalt. Sehr hübsch. Zarte Bräune bedeckte Gesicht, Arme und Beine. Ein wahrscheinlich höchst attraktives Geschöpf, dachte Dr. von Luchtenberg, der versuchte, sich die junge Dame quicklebendig vorzustellen.

Das Krankenhaus war erreicht. Die Trage wurde hinausgezerrt. Der diensthabende Unfallarzt wartete. Dr. von Luchtenberg stellte sich vor und erklärte, inwieweit er in den Unfall verwickelt war.

»Habe viel von Ihnen gehört, Herr Kollege«, sagte der Unfallarzt spontan. »Wenn Sie die Behandlung fortführen wollen, bin ich voll und ganz einverstanden.«

»Nett von Ihnen!«

Sie untersuchten das Mädchen. Keine sonstigen Verletzungen. Wie schwer die Gehirnerschütterung war, musste abgewartet werden.

»Zimmer einundneunzig wäre frei. Schaffen wir sie hinauf?«, meinte der Unfallarzt.

Dr. von Luchtenberg nickte. Mehr war im Augenblick nicht zu tun. Über das Pflaster auf der Stirn würde die junge Dame nicht erbaut sein, aber das war nur eine Kleinigkeit gegen die Folgen, die eigentlich hätten eintreten können. Ina Gambach hatte sehr viel Glück gehabt.

Gerade als zwei Träger das Mädchen fortbringen wollten, begannen ihre Augenlider zu flattern. Sie kam zu sich. Die Augen öffneten sich, der Blick war verschleiert. Sie stieß einen spitzen Schrei aus.

Dr. von Luchtenberg drückte sie mit sanfter Gewalt zurück.

»Nur keine Aufregung, Fräulein. Es ist nichts passiert. Sie müssen Ruhe bewahren, das ist das Wichtigste.«

»Der ... der andere Wagen«, stammelte das Mädchen.

»Keine Sorge, der andere Wagen sieht auch nicht besser aus als Ihrer. Nun aber ab ins Bett.«

Er gab den Trägern einen Wink. Sie trugen die Verletzte fort. Luchtenberg verabschiedete sich vom Unfallarzt. Im gleichen Augenblick kam ein Polizeibeamter, der den Arzt vernahm.

»Die Fahrerin des anderen Wagens können Sie morgen verhören, Herr Wachtmeister«, erklärte der Chirurg nach dem kurzen Verhör.

»Können Sie dabei sein, Herr Doktor?«

»Ist das notwendig?«

»Wenn sie gesteht, vereinfacht das die Sache. Vielleicht um elf Uhr, wenn es Ihnen recht ist?«

»Einverstanden.«

Pünktlich zur angegebenen Zeit war Dr. von Luchtenberg am folgenden Morgen zur Stelle. Das Mädchen hatte sich erstaunlich gut erholt. Die Farbe war in die gestern noch blassen Wangen zurückgekehrt. Die Augen, wirklich groß und sehr lebhaft, schossen Blitze, als Dr. von Luchtenberg in das Krankenzimmer trat. Der Polizeibeamte war schon da.

»Sie sind der Fahrer des anderen Wagens?«, rief das Mädchen ihm temperamentvoll entgegen.

»Ja, der bin ich.«

»Dann verhaften Sie den Mann, Herr Wachtmeister! Er ist viel zu früh losgefahren, ich sage es Ihnen die ganze Zeit!«

Dr. von Luchtenberg war sprachlos. So hatte er sich diese Vernehmung nicht vorgestellt. Der Polizeibeamte allerdings auch nicht.

»Was Sie da behaupten, Fräulein Gambach, stimmt nicht«, fuhr er das Mädchen barsch an. »Wir haben genug Zeugenaussagen. Sie allein sind an dem Unfall schuld, denn Sie sind bei Rot auf die Kreuzung gefahren.«

»Das ist gelogen!«

»Erzählen Sie das dem Richter, Fräulein Gambach. Er wird Ihnen klarmachen, dass Sie mit Ihren Behauptungen nicht weit kommen. Im Übrigen haben Sie keinen Grund, sich über Doktor von Luchtenberg zu ereifern, denn er hat Ihnen noch am Unfallort Erste Hilfe geleistet.«

»Wieso? Wie kommt er dazu?«

»Er ist Arzt.«

»Auch das noch! Jetzt verstehe ich, weshalb Sie gegen mich sind, Wachtmeister! Ärzte und die Polizei, die ziehen an einem Strang. Ich warne Sie, mein Vater kennt den Polizeipräsidenten! Sie werden Ihr blaues Wunder erleben!«

Der Beamte verlor seinen Gleichmut nicht.

»Dann sagen Sie Ihrem Herrn Vater, er soll den Polizeipräsidenten von mir grüßen und ihm auch gleich erzählen, welch schlechte Manieren seine Tochter hat! Morgen komme ich mit dem Protokoll wieder, das können Sie dann unterschreiben.« Und zum Arzt gewandt: »Tut mir leid, Doktor, sie macht Schwierigkeiten. Nun wird es doch noch eine Verhandlung geben.«

Dr. von Luchtenberg wollte sich dem Beamten anschließen, doch der war so schnell hinaus, dass er ihm nicht zu folgen vermochte. So stand er denn vor dem Bett des streitbaren hübschen Mädchens, drehte seinen Sommerhut in den Händen und war verlegen, zum ersten Mal in seinem Leben, soweit er sich erinnern konnte.

Die dunklen Augen des Mädchens flammten ihn an.