Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 634 - Ina von Hochried - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 634 E-Book

Ina von Hochried

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Nach dem plötzlichen Tod ihres verhassten Gatten ist Corinna Gräfin von Sieringen endlich frei für den Mann, dem immer ihr Herz gehört hat. Doch bevor sich ihre Liebe erfüllen soll, bricht Corinna zu einer Reise nach Barbados auf, um nach der jahrelangen Unterdrückung durch ihren despotischen Gatten wieder zu sich selbst zu finden. Die junge Gräfin genießt die Sonne, das Nichtstun, das türkisblaue karibische Meer und träumt von einer glücklichen Zukunft an der Seite von Marc von Bergenlohe. Eines Tages wird ein bekannter Filmregisseur auf die bildhübsche Gräfin aufmerksam. Und ehe Corinna es sich versieht, lenkt das Schicksal ihren Weg in eine ganz neue Richtung - immer weiter fort von dem geliebten Mann ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 142

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Hochzeit als Reklametrick?

Vorschau

Impressum

Hochzeit als Reklametrick?

Eine Frau zwischen Liebe und Filmruhm

Nach dem plötzlichen Tod ihres verhassten Gatten ist Corinna Gräfin von Sieringen endlich frei für den Mann, dem immer ihr Herz gehört hat. Doch bevor sich ihre Liebe erfüllen soll, bricht Corinna zu einer Reise nach Barbados auf, um nach der jahrelangen Unterdrückung durch ihren despotischen Gatten wieder zu sich selbst zu finden. Die junge Gräfin genießt die Sonne, das Nichtstun, das türkisblaue karibische Meer und träumt von einer glücklichen Zukunft an der Seite von Marc von Bergenlohe. Eines Tages wird ein bekannter Filmregisseur auf die bildhübsche Gräfin aufmerksam. Und ehe Corinna es sich versieht, lenkt das Schicksal ihren Weg in eine ganz neue Richtung – immer weiter fort von dem geliebten Mann ...

Sie trat aus der Gruft, blieb einen Moment stehen und schloss geblendet die Augen.

Die Sonne schien, der Himmel war wolkenlos blau, und die Vögel sangen in den Bäumen. Die Luft war warm. Von der Schlosskapelle her klang die Totenglocke.

Schweigend standen die schwarz gekleideten Menschen und rührten sich nicht. Aus der Gruft wehte ein kaum merkbarer kühler Hauch – der Hauch aus einer anderen Welt ...

Jetzt öffnete die Gräfin die Augen wieder. Ihr Blick strich über die Gesichter der Menschen, aber es schien, als nehme sie die Trauergemeinde gar nicht wahr.

»Es ist vorbei«, hauchte sie, aber niemand konnte diese Worte hören.

Die Gräfin ging auf den Dorfgeistlichen zu und reichte ihm ihre kühle Hand.

»Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen«, murmelte der Pfarrer.

Die Gräfin nickte, ihr bleiches Gesicht war ohne jede Regung. Sie drehte sich zu der Trauergemeinde um, und sie sah zu, wie sie alle, einer nach dem anderen, in der Gruft verschwanden, um Abschied zu nehmen und vielleicht sogar ein kurzes, stummes Gebet zu sprechen.

Diejenigen, die schon wieder herauskamen, gingen langsam und still davon. Sie kehrten zum Schlossportal zurück, dorthin, wo die Autos standen. Sie stiegen in die Wagen und fuhren davon, genauso, wie die Gräfin es erbeten hatte.

Keine Beileidsbezeigungen an der Gruft, kein Leichenschmaus, kein Händeschütteln und keine tröstenden Worte. So wollte sie es haben, und man respektierte ihren Wunsch.

Die Totenglocke läutete noch immer. Hoch droben in der Luft, nur an seinem Kondensstreifen erkennbar, zog ein Flugzeug durch den blauen Himmel. Ein leises Dröhnen klang auf, verebbte allmählich wieder.

Die Gräfin hob den Blick hinauf zu dem silbernen Kondensstreifen. Was sie dabei dachte, wusste niemand. Dann senkte die Gräfin die Augen wieder, und da sah sie ihn.

Er stand im Hintergrund, dicht neben dem großen Rhododendronbusch, und sein Blick war ernst.

Der Mann trug den schwarzen Anzug, wie es zu diesem Anlass geboten war. Er war groß, hatte breite Schultern, und sein Haar war dicht und voll. Sein Mund war nur ein schmaler Strich, und sein Gesicht sah merkwürdig kantig aus, fast wie aus Stein gemeißelt.

Ich habe ihm keine Todesanzeige geschickt, und ich habe ihn auch nicht eingeladen, dachte die Gräfin. Trotzdem ist er hier ...

Die letzten Trauernden waren in der Gruft verschwunden, auch sie würden in wenigen Augenblicken wieder herauskommen, und auch sie würden zu ihren Fahrzeugen gehen und davonfahren.

Die Gräfin wandte sich dem Geistlichen zu.

»Jetzt ist es vorbei, Hochwürden, nicht wahr?«, fragte sie mit schwankender Stimme.

»Ja, Gräfin, es ist vorbei. Gleich werden die letzten Gäste verschwunden sein.« Der Pfarrer war schon alt. Er hatte graues Haar und trug eine dicke Brille.

»Ich werde Sie in den nächsten Tagen im Pfarrhaus besuchen«, sagte die Gräfin. »Sie wissen ja, dass ich keine Trauerfeier haben will.«

»Ich weiß es, Frau Gräfin, und es ist gut«, antwortete der geistliche Herr.

Wieder kamen ein paar Trauergäste aus der Gruft, die letzten in der langen Reihenfolge. Ein paar Blicke trafen die Gräfin, scheue, tastende, neugierige, wissende Blicke. Dann gingen die Menschen davon und ließen die Gruft und den Pfarrer und die Gräfin allein zurück.

Die Gräfin reichte dem Pfarrer die Hand.

»Ich danke Ihnen für alles, Hochwürden«, gestand sie leise. »Für Ihre Gebete und für Ihre Worte. Vor allem für Ihr Verständnis.«

»Sie brauchen mir nicht zu danken, Gräfin.«

Er nickte ihr noch einmal zu, dann ging auch er. Still, ein wenig gebeugt. Er ging quer über den Rasen, dort vorn warteten die beiden Ministranten auf ihn.

Ein paar Sekunden lang stand die junge Frau unbewegt, dann setzte sie sich in Bewegung, und sie betrat die Gruft zum zweiten Male.

Drinnen brannten ein paar Öllampen. Sie flackerten, ihr Licht huschte über die vielen Kränze hinweg, die den Sarkophag bedeckten.

Er stand ein paar Meter links neben dem Eingang, und er war umgeben von den übrigen Sarkophagen, in denen die Grafen und Gräfinnen von Sieringen ruhten, ganze Generationen.

Vor dem Berg aus Kränzen blieb die Gräfin stehen. Sie senkte den Kopf und verharrte so eine kleine Weile.

Dann wandte sie sich mit einem Ruck um und trat wieder in das gleißende Sonnenlicht hinaus.

Abermals schloss sie die Augen, weil das Tageslicht sie blendete. Sie sog tief die Luft in ihre Lungen, und es schien, als erwecke die Wärme des Sommertages neues Leben in ihr.

Das Gesicht verlor seine Erstarrung, und als sie die Augen wieder öffnete, war der Blick klar und frei geworden. Ihre Bewegungen waren nicht mehr so steif und mechanisch wie vor wenigen Augenblicken noch, sie wirkte auf einmal weich und gelöst.

Sie ging auf den Rhododendronbusch zu, und jetzt trat ihr der Mann entgegen.

Als sie nur noch einen guten Meter voneinander entfernt waren, blieben sie stehen. Ihre Blicke kreuzten sich, tauchten tief ineinander und konnten sich nicht mehr lösen.

»Du bist gekommen«, sagte die Gräfin leise.

»Ja«, antwortete er. »Ich hoffte, dass du mich nicht sehen würdest.«

»Trotzdem freue ich mich, dass ich dich bemerkt habe. Obwohl ich ...«

Sein Blick irrte für einen Moment ab, glitt hinüber zu dem großen Schloss. Ein paar Bedienstete standen dort herum, die Friedhofsleute, und sie warteten darauf, dass sie sich um die Gruft kümmern und sie am Ende verschließen konnten.

»Deine Gäste sind alle schon davongefahren«, sagte er.

»Ja, sie sind fort. Ich hatte darum gebeten. Ich wollte nicht, dass es zu einer lärmenden Feier kommt.«

»Du hast dir auch kein Beileid aussprechen lassen, Corinna«, sagte der große Mann.

»Auch das wollte ich nicht. Es ... es wären zu viele Lügen gewesen. Lügen im Angesicht des Todes.«

»Ich verstehe dich, Corinna. Also gehe ich jetzt auch. Ich ...«

»Nein!« Das klang fast wie ein Schrei in höchster Not.

»Du sagst Nein, Corinna?«, fragte er. »Ich dachte ...«

»Du musst bleiben, Marc! Du darfst mich nicht allein lassen! Ich ... ich hatte ja im Stillen gehofft, dass du ... dass du trotzdem kommen würdest!«, stammelte die Gräfin.

»Also gut, ich bleibe«, entschied er. Er wies zur Gruft hinüber. »Möchtest du noch einmal ...«

»Nein, nicht mehr«, erwiderte sie mit leiser, schwankender Stimme. »Ich ... ich bin eben noch einmal bei ihm gewesen, und ich habe Abschied von ihm genommen. Abschied für immer und alle Zeiten.«

»Es ist also vorbei?«

»Ja, es ist vorbei. Komm, Marc, bring mich zum Schloss.«

Gräfin Corinna setzte sich in Bewegung, und er legte seine Hand unter ihren Arm, sie symbolisch stützend und gleitend. Sie sprachen kein Wort miteinander, und die Leute, die vor dem Portal standen und sie kommen sahen, wichen stumm zurück.

Obwohl es seit Tagen so warm draußen war, obwohl die Flügel des Portals weit offen standen, war es in der Halle angenehm kühl. Im Hintergrund stand Leo, der alte Diener, grauhaarig, bleich und vollkommen bewegungslos.

Gräfin Corinna blieb stehen und blickte zu ihm hinüber.

»Sie können jetzt zu ihm gehen, Leo. Sie werden allein mit ihm sein, bevor die Leute mit ihrer Arbeit beginnen«, sagte sie. »Sie brauchen sich hinterher von mir nicht zu verabschieden. Es ist ja alles getan, was getan werden musste.«

Der Mann deutete eine Verbeugung an.

»Sehr wohl, Frau Gräfin. Wie Sie wünschen. Ich verlasse noch in dieser Stunde das Schloss, und ich werde es nicht mehr betreten.«

»Das ist mein Wille, und der Graf hätte es auch nicht anders gewollt«, antwortete die Gräfin. »Ich danke Ihnen. Trotz allem. Sie wissen, was ich meine.«

»Ich habe nur meine Pflicht getan, Frau Gräfin.«

Gräfin Corinna wandte sich halb zu ihrem Begleiter um, und sie bedeutete ihm mit einem Blick, sich mit ihr nach rechts zu wenden. Die hohe Tür zu dem Salon, der dahinterlag, stand offen.

♥♥♥

Die beiden traten ein.

Kostbare Möbel standen da, ein chinesischer Teppich in sanften Farben lag auf dem Boden, an der Decke hing ein Leuchter mit vielen Lampen. In der Ecke stand eine Glasvitrine.

Die Gräfin ging hin und öffnete sie.

»Magst du einen Drink, Marc?«, fragte sie und wies auf die vielen Flaschen, die dort standen.

Der Mann stellte sich zu ihr.

»Das wäre nicht schlecht. Möchtest du auch etwas, Corinna?«

»Einen Sherry.«

Sie sah ihm zu, wie er sich an den Flaschen und an den Gläsern zu schaffen machte. Für sich selbst goss er einen Cognac ein, und dann reichte er Corinna ihr Glas an.

»Auf dein Wohl, Corinna«, sagte er dabei, »und ich glaube, du weißt, was ich meine.«

»Ja, ich weiß es. Niemand weiß es so gut wie ich.«

Sie tranken beide, und ihre Blicke blieben wieder ineinander hängen.

Nichts war im Schloss hörbar.

Gräfin Corinna trat ans Fenster und blickte hinaus. Sie sah den alten Leo, der soeben die Gruft erreichte, und sie sah die Bediensteten, die ihm mit ihren Geräten langsam nachgingen. Die Gräfin spürte, dass Marc neben sie trat und dass sein Blick dem ihren folgte.

»Leo war der beste Vertraute meines Mannes«, sagte sie ohne jede Gemütsbewegung. »Er war sein Verbündeter und damit mein Feind. Hubert hat ihm am Dorfrand ein Häuschen bauen lassen. Dort wird Leo jetzt einziehen und seine Rente verzehren.«

»Dein Feind – du wirst ihn nicht vermissen, nehme ich an«, erwiderte Marc und nahm einen zweiten Schluck aus seinem Glas.

»Alles andere als das. In einer halben Stunde schon werde ich ihn vergessen haben. Du hast ja gehört, was er sagte. Er wird nie mehr hierher zurückkommen. So habe ich es mit ihm ausgehandelt.«

»Hat dein Mann ...«

»Er hat ihm neben der Rente eine zusätzliche Versorgung hinterlassen. Leo wird keine Sorgen kennen, aber er wird keine ruhige Minute mehr haben. Er wird sich zerstören mit seinen Gedanken um das, was jetzt hier im Schloss vor sich geht.«

»Was meinst du damit, Corinna?«

»Hubert hat nicht damit gerechnet, dass er so früh und so plötzlich sterben könnte. Er hat damals, als ich seine Frau wurde, ein Testament aufgesetzt und es nie geändert.«

»Was besagt es?«

»Dass ich die Alleinerbin bin. Unsere Kinder waren in dem Testament natürlich ebenfalls bedacht, aber da wir keine Kinder haben, fällt jetzt alles an mich.«

»Das weiß Leo.«

»Ja. Deswegen wird er umkommen, wenn er an das Schloss und daran denkt, was ich jetzt hier tue.«

»Was wirst du tun?«

»Zunächst gar nichts. Dazu ist alles viel zu plötzlich über mich gekommen. Jetzt bin ich auf einmal Herrin auf Sieringen, unumschränkte Herrin, obwohl ich bis vor wenigen Tagen nichts als die Sklavin von Sieringen war.«

»Du sagst das so bestimmt ...«

»Weil es so war. Seit ich das Kind verlor, ist Hubert zum Tyrannen geworden.«

»Das war vor sechs Jahren.«

»Ja.« Gräfin Corinna nippte an ihrem Glas. »Hubert trieb mich aufs Pferd, weil er glaubte, eine werdende Mutter müsse in Bewegung bleiben. Sie müsse hart gegen sich selbst sein, so hart wie er gegen mich. Das Pferd stürzte, ich erlitt die Fehlgeburt, und alles war aus.«

»Es war nicht deine Schuld.«

»Es war Huberts Schuld, und vielleicht hat er gerade das mir nie verziehen. Auch die Tatsache nicht, dass ich hinterher kein Kind mehr bekommen konnte. Ganz abgesehen davon, dass ... dass ich von da an mit ihm nicht mehr zusammen gewesen bin.«

»Du hast ...«

»Ich habe ihn von da an gehasst, Marc«, erklärte sie klar und deutlich.

»Ich habe es geahnt, Corinna«, sagte er leise. »Aber ich hatte keine Möglichkeit, dir ...«

»Du hattest dein Schicksal, ich das meine«, fiel sie ihm ins Wort. »Wir brauchen über das, was gewesen ist, nicht mehr zu reden.«

»Obwohl wir uns seit deiner Hochzeit so gut wie gar nicht mehr gesehen haben, sind wir beide gemeinsam unglücklich geworden.«

»Wenn ich geweint habe, habe ich mit dir geweint, Marc.«

»Als du den Sieringen zum Mann nahmst, Corinna, war mein Leben zu Ende. Ich habe Angela zur Frau genommen, damit ich nicht allein auf den Trümmern meiner Träume und Sehnsüchte zurückblieb, und es ist genau das geschehen, was geschehen musste.«

»Weißt du, was Angela jetzt tut?«, fragte die Gräfin.

»Sie lebt in Italien in einem der Schlösser ihrer Familie. Zusammen mit einem jungen Burschen, den sie irgendwo aufgegabelt hat. Er soll knapp über zwanzig sein.«

»Und Angela ist fast vierzig.«

»Ja. Wenn ich daran denke, dreht sich mir das Herz im Leibe um. Nicht, weil ich von Angela geschieden bin, sondern weil ich mit ansehen muss, wie sie untergeht.«

»Sie will es nicht anders haben. Du warst ihr zu langweilig, zu bieder, zu treu.«

Marc Graf von Bergenlohe nickte.

»Zwei Jahre hat sie es bei mir ausgehalten, dann ging sie auf Reisen, und damit war es auch schon vorbei. Ich kann noch froh sein, dass sie mir das Geld ließ, das sie in mein Gut hineingesteckt hatte, um es wieder auf die Beine zu bringen.«

»Sie wollte es nicht zurück?«

»Nein. Sie betrachtete es als Abfindung. Ich hätte viel darum gegeben, wenn ich es ihr hätte zurückzahlen können, aber das konnte ich nicht, ohne das Gut zu gefährden. Jetzt bin ich aus aller Not heraus, jetzt wäre es mir möglich, aber ...«

»Du bist ihr nichts schuldig, Marc«, sagte die Gräfin. »Was sie dir angetan hat, kann sie durch keine Summe dieser Welt löschen. Es ist nicht mehr als recht und billig.«

»So versuche ich es auch zu sehen.«

»Ich habe kein schlechtes Gewissen, jetzt Herrin von Sieringen zu sein«, sagte die Gräfin. »Ich habe mir den Besitz redlich verdient. Mit allem, was ich von Hubert erdulden musste.«

»Der Himmel hat es so gelenkt, Corinna. Er hat dein Leben und dein Leiden gesehen, und er hat dafür gesorgt, dass die Dinge ins Lot kommen.«

Sie blickten abermals zur Gruft hinüber. Leo kam soeben heraus und sprach mit den Leuten, die sich jetzt um die Gruft zu kümmern hatten.

»Wir sind beide Gezeichnete, Marc«, sagte die Gräfin. »Hubert hat mich fast zerbrochen mit seinem Despotismus und seiner Intoleranz. Er hat mich als sein Eigentum betrachtet, und ich habe geglaubt, es erdulden zu müssen. Du bist von Angela bezahlt und verlassen worden, als du ihr zu langweilig geworden warst, und du hast davon auch deine Wunden erhalten.«

»Ja, das habe ich. Seither habe ich keine Frau mehr angesehen. Zumal diejenige, die ich liebe, die Frau eines anderen geworden war.«

»Das bin ich.«

»Ja, das bist du, Corinna«, bestätigte er.

»Ich habe dich auch geliebt, Marc, und ich liebe dich immer noch«, beteuerte Gräfin Corinna. »Der Gedanke an dich und meine Sehnsucht nach dir waren mein Trost und meine Hoffnung in den schlimmsten Stunden, und wenn es einen Menschen gibt, den ich jetzt in meiner Nähe haben möchte, so bist du es. Und trotzdem ...«

»Unsere Herzen sind tot, Corinna«, sagte Graf Marc. »Sie haben zu sehr leiden und zu sehr bluten müssen.«

»Ja, das stimmt. Aber vielleicht sind sie gar nicht tot. Vielleicht ist noch ein Rest von Leben in ihnen. Vielleicht können sie gesunden und einen neuen Anfang finden.«

Marc trat einen halben Schritt näher an sie heran. Er sah die Blässe in ihrem Gesicht und die Erschöpfung, die dieses Gesicht kennzeichnete.

»Glaubst du an einen neuen Anfang, Corinna?«, fragte er leise.

Die Gräfin hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. Sie wirkte unglücklich und hilflos.

»Ich weiß es nicht«, lautete ihre Antwort. »Nach allem, was gewesen ist und was ich von Hubert habe erdulden müssen, brauchte ich keine Gewissensbisse zu haben, wenn ich ihn sofort vergessen würde und dorthin ginge, wo ich wahrscheinlich endlich glücklich werden kann. Zu dir, Marc. Niemand, der weiß, was ich hinter mir habe, könnte es mir verargen, und was die übrigen darüber denken, interessiert mich nicht. Aber ich finde den ersten Schritt nicht.«

»Ich verstehe dich. Es ist ja auch zu viel geschehen. Für dich und auch für mich.«

Die Gräfin nickte, und einmal mehr blickte sie zum Fenster hinaus.

Die Hand des Grafen berührte Corinnas Arm.

»Wir haben einige Jahre in einer falschen Welt verbracht, in die wir beide nicht hineingehörten, also wird es jetzt auf ein paar Tage oder auf ein paar Wochen nicht ankommen«, sagte er ruhig. »Wir können warten. Wir können in uns hineinhorchen, und wir werden vielleicht schon bald eine Antwort bekommen. Du genauso wie ich.«

»Warten wir also auf diese Antwort«, erwiderte die Gräfin und lächelte verhalten. »Was wirst du in der nächsten Zeit tun, Marc?«

»Ich werde arbeiten. Mit meinem Gut ist es zwar in den letzten Jahren aufwärtsgegangen, aber ich kann es mir nicht leisten, mich auf die faule Haut zu legen. Ich habe noch ein paar Pläne, die ich verwirklichen möchte. Wenn sie einmal Gestalt angenommen haben werden, werde ich es vielleicht geschafft haben.«