Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 550 - Ina von Hochried - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 550 E-Book

Ina von Hochried

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Beschreibung

Für den zehnjährigen Klaus Mader ist das Geigenspiel die einzige Freude in seinem trostlosen Leben. Und gerade das ist ihm von seinen Adoptiveltern streng verboten. Dabei ist der Junge ein wahres Genie. Und so stiehlt Klaus sich immer wieder heimlich davon, um im Schutz des Waldes Geige zu spielen. Doch der Adoptivvater ist ihm auf die Schliche gekommen und steht plötzlich tobend vor Wut vor ihm. Er zerrt den armen Jungen nach Hause und bestraft ihn auf grausame Weise. In dieser Nacht begreift Klaus, dass er dieser Hölle entfliehen muss, sonst schlägt der Vater ihn eines Tages noch tot. Während alle schlafen, verlässt der Junge den Hof seiner Adoptiveltern, um niemals mehr dorthin zurückzukehren ...


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Inhalt

Cover

Die Schicksalsmelodie

Vorschau

Impressum

Die Schicksalsmelodie

Ein wundervoller Roman um die Macht der Gefühle

Für den zehnjährigen Klaus Mader ist das Geigenspiel die einzige Freude in seinem trostlosen Leben. Und gerade das ist ihm von seinen Adoptiveltern streng verboten. Dabei ist der Junge ein wahres Genie. Und so stiehlt Klaus sich immer wieder heimlich davon, um im Schutz des Waldes Geige zu spielen. Doch der Adoptivvater ist ihm auf die Schliche gekommen und steht plötzlich tobend vor Wut vor ihm. Er zerrt den armen Jungen nach Hause und bestraft ihn auf grausame Weise. In dieser Nacht begreift Klaus, dass er dieser Hölle entfliehen muss, sonst schlägt der Vater ihn eines Tages noch tot. Während alle schlafen, verlässt der Junge den Hof seiner Adoptiveltern, um niemals mehr dorthin zurückzukehren ...

Der alte Mann kam Freitagabend um halb acht.

Dr. Peter Steinberg musste den Rasierapparat aus der Hand legen, als es an seiner Wohnungstür klingelte. Hoffentlich ist es nicht die geschwätzige Nachbarin, dachte er, als er zur Tür ging. Er hatte nicht mehr viel Zeit. Irina erwartete ihn um acht Uhr.

Der alte Mann stand draußen.

»Herr Doktor Steinberg?«, fragte er. Seine Stimme klang müde.

»Ja, der bin ich.« Abwartend sah Dr. Steinberg den ihm unbekannten Besucher an.

»Mein Name ist Eckner«, stellte sich der alte Mann vor. Es zuckte an seinem linken Auge fast ohne Unterlass. »Darf ich Sie einen Moment sprechen, Herr Doktor Steinberg?«

»In welcher Angelegenheit?«, fragte Peter. »Missverstehen Sie mich nicht, ich bin ein bisschen in Eile.«

Der Alte hob die gebeugten Schultern und ließ sie wieder fallen.

»Wenn es so ist, dann komme ich eben morgen wieder«, sagte er.

Es klang ergeben, sehr enttäuscht. Die wässrigen Augen des alten Mannes blickten Peter so traurig an, dass der plötzlich Mitleid fühlte.

»Kommen Sie herein, Herr Eckner. Wenn es nicht gar zu lange dauert, dann lässt es sich noch einrichten.«

»Danke, Herr Doktor Steinberg, sehr freundlich.«

Er kam herein und legte seinen Hut auf die Ablage. Peter sah, dass das Haar grau war. Er führte den Mann ins Wohnzimmer und bot ihm einen Sessel an. Peter setzte sich ihm gegenüber auf die Couch.

»Ich hoffte«, begann der alte Mann und streckte seufzend die Beine aus, »mein Name würde Ihnen etwas sagen. – Eckner.«

»Es tut mir leid, nein.« Peter hob bedauernd die Schultern.

»Vielleicht erinnern Sie sich aber an meine Tochter Anja Eckner.«

Es dauerte drei Sekunden, bis Peter wieder wusste, wer gemeint war. Anja Eckner, die hübsche Medizinstudentin. Sie war im fünften Semester gewesen, als Peter sie kennengelernt hatte. Er hatte an der Technischen Hochschule studiert. Auf einem Faschingsball waren sie sich begegnet.

Es war vom ersten Augenblick an eine heiße, rauschhafte Liebe gewesen. Die ganze Ballnacht hatten sie miteinander verbracht, hatten getanzt, getrunken und sich geküsst. Danach hatten sie sich Tag für Tag gesehen. Peter hatte schon wegen Anja sein Studium vernachlässigt.

Dann hatte sie plötzlich ab und an keine Zeit mehr für ihn gehabt. Die Treffen waren seltener geworden. Sie hatte Arbeit und andere Gründe vorgeschützt. Und wenn sie doch zusammen gewesen waren, hatte Peter Steinberg das Gefühl gehabt, als sei sie nicht mehr mit dem Herzen bei ihm gewesen.

Schließlich hatte er sie zur Rede gestellt. Da war sie in Tränen ausgebrochen und hatte ihm gesagt, dass sie einen anderen gefunden habe. Sie habe sich mit ihm noch nie getroffen, aber sie müsse fortwährend an ihn denken. Sie habe versucht, diesen anderen zu vergessen, aber es sei ihr nicht gelungen.

Peter hatte daraufhin die Trennung vorgeschlagen. Sie hatte furchtbar geweint.

Von da an hatten sie sich nicht mehr gesehen. Mit dem nächsten Semester hatte Peter Steinberg die Hochschule gewechselt, um Anja in der neuen Umgebung schneller zu vergessen.

Und nun waren zehn Jahre vergangen. Nein, mehr noch, elf.

»Ja«, sagte er, aus seinen Erinnerungen erwachend, »jetzt verstehe ich. Anja Eckner.«

Der alte Mann flocht die Finger ineinander.

»Sie werden sich gewiss fragen, weshalb ich zu Ihnen komme, Herr Doktor Steinberg. Und Sie werden sich auch fragen, warum das nach so langer Zeit geschieht.«

»Allerdings.«

»Der Anlass ist traurig, Herr Doktor Steinberg. Meine Tochter ist vor einem halben Jahr gestorben.«

»Ach!«

»Ja, sie lebt nicht mehr. Sie stürzte eine Steintreppe hinunter.«

»Das tut mir sehr leid, Herr Eckner.«

»Danke. Es war ein schlimmer Schlag für meine Frau und für mich. Anja war unser einziges Kind.«

Peter nickte mitfühlend.

Eckner gab sich einen Ruck.

»Lassen wir die Gefühle, Herr Doktor Steinberg, es ist nun mal nicht zu ändern. Übrigens warte ich seit einem Vierteljahr auf Sie.«

»Ich war ein halbes Jahr im Ausland.«

»Ich weiß. Ich konnte in Erfahrung bringen, bei welcher Firma Sie arbeiten. Da sagte man es mir.«

»Vor einer Woche kam ich zurück.«

»Nun möchte ich zur Sache kommen.« Er griff in die Tasche und holte einen Brief hervor. »Das hier möchte ich Ihnen bringen.«

»Was ist das?«

»Ein Brief meiner Tochter. Sie sind der Adressat. Der Brief ist vier Jahre alt. Aber meine Tochter hat ihn nie zur Post gegeben. Ich fand ihn nach Anjas Tod unter ihren Sachen, Ihr Name steht darauf. Keine Adresse. Ich habe einen Monat gebraucht, um herauszufinden, dass Sie derjenige sind, an den Anja diese Zeilen richten wollte.«

Peter fühlte sich merkwürdig. Wie kam dieser alte Mann dazu, ihm einen Brief zu bringen, der vier Jahre alt war und der nie auf den Weg geschickt worden war?

»Meine Tochter hatte ein Kind, einen Jungen«, sagte Herr Eckner. »Sie hat ihn weggegeben, adoptieren lassen. Meine Frau und ich waren dagegen, wir wollten den Jungen zu uns nehmen. Ich bin pensionierter Beamter, ich habe viel Zeit. Ich hätte mich wie ein Vater um den Jungen kümmern können, aber Anja wollte es nicht. Das Kind kam weg. Wir haben nie wieder etwas von dem Jungen gehört.«

»Ich verstehe.«

»Anja hat uns nie gesagt, wer der Vater ist. Sie müssen wissen, dass meine Tochter nicht geheiratet hat. Sie ist ledig gestorben. Sie hat es nicht sagen wollen. Wir konnten nichts dagegen tun.«

»Und?«

»Aus diesem Brief geht hervor, Herr Doktor Steinberg, dass Sie der Vater des Jungen sind.«

Peter erstarrte. Für einen Moment hielt er den Atem an. Das war so ungeheuerlich, was er da erfuhr, dass er zu keinem klaren Gedanken mehr fähig war.

»Sie brauchen keine Angst zu haben, Herr Doktor Steinberg, dass ich jetzt mit irgendwelchen Forderungen oder Anschuldigungen an Sie herantrete«, sagte Herr Eckner. »Dazu habe ich kein Recht, und außerdem möchte ich das auch nicht. Ich wollte es Ihnen nur sagen. Meine Tochter war sehr unglücklich. Aus dem Brief an Sie geht hervor, warum. Ich habe es auch erst aus dem Brief erfahren. Dass ich den Brief öffnete, werden Sie gewiss verstehen.«

»Ja, selbstverständlich.«

Der alte Mann erhob sich schwerfällig.

»Damit ist meine Mission bereits beendet, Herr Doktor Steinberg.« Herr Eckner schaute sich im Raum um. »Hübsch haben Sie es hier. Vielleicht hätte Anja einen Mann wie Sie finden müssen, dann wäre sie glücklicher geworden.«

Er wandte sich der Tür zu. Peter folgte ihm.

»Herr Eckner, Ihre Adresse, falls noch etwas ist.«

»Ich habe sie auf den Umschlag geschrieben, Herr Doktor Steinberg.«

♥♥♥

Peter sank schwer in den Sessel. Er nahm den Umschlag und zog den Brief heraus. Seine Hände zitterten, als er die Bogen entfaltete und zu lesen begann.

Lieber, lieber Peter!

Ich weiß nicht, ob ich Dich so nennen darf. Ich weiß nicht, ob ich Dir überhaupt schreiben darf. Aber ich muss mich mit Dir unterhalten, muss mit Dir sprechen, sonst werde ich noch verrückt.

Du brauchst keine Angst zu haben, ich will nichts von Dir.

Vielleicht schreibe ich Dir alles, was mir das Herz schwer macht, nur, damit ich einen Mitwisser habe, damit ich meine Last nicht allein zu tragen brauche.

Es ist ja noch nicht einmal sicher, ob ich Dich überhaupt finden kann, ob ich Deine Adresse erfahre.

Peter, ich habe ein Kind von Dir, aber ich habe es verraten. Gleich nach der Geburt habe ich es weggegeben. Meine Eltern waren dagegen, aber ich wollte es nicht. Eine wie ich, die kann keine gute Mutter sein.

Ich habe den Vater meines Kindes verlassen und ihn genauso verraten wie das Kind. Ich glaubte, in jenem anderen Mann, von dem ich Dir bei unserem Auseinandergehen erzählt habe, die ganz große Liebe gefunden zu haben. Aber es war ein Irrtum.

Er hat mich mit seinem fabelhaften Aussehen, mit seiner Gewandtheit, mit seinem Reichtum geblendet. Ich war nichts als ein Spielzeug für ihn. Er hat sich mit mir amüsiert, während ich an echte Gefühle glaubte.

Dass ich in anderen Umständen war, habe ich erst gemerkt, nachdem wir auseinandergegangen waren. Und als er es merkte, da ließ er seine Maske fallen. Ich solle nur nicht auf die Idee kommen, fuhr er mich an, ihm das Kind unterschieben zu wollen. Er habe mit der Sache nichts zu tun.

Es war schrecklich, so gemein und erniedrigend. Ich habe mich fast zu Tode geschämt.

Noch in der gleichen Minute habe ich ihn verlassen. Noch in der gleichen Minute wusste ich, dass ich mich verrannt hatte, dass ich einem bösen Irrtum erlegen war. Und noch im gleichen Augenblick erkannte ich, dass ich meine wahre Liebe mit Dir verloren hatte.

Es kamen schreckliche Wochen. Als ich im siebenten Monat war, unterbrach ich das Studium und ging zu meinen Eltern. Sie haben mir keine Vorwürfe gemacht und mich umsorgt, als sei alles in bester Ordnung. Dabei war nichts in Ordnung.

Wie oft war ich drauf und dran, Dich zu suchen, Peter. Wie oft habe ich um Dich geweint. Aber ich schämte mich zu sehr. Ich stellte mir vor, was du sagen würdest, wenn ich wieder bei Dir auftauchte, mit einem Kinde unter dem Herzen.

Erst hast du mich verraten, so hättest Du gesagt, und jetzt, wo du selber verraten wurdest, kommst du zurück, weil ein Kind unterwegs ist. Und bestimmt hättest du das Gleiche gesagt wie der andere: Ich lasse mir das Kind nicht unterschieben.

Ich konnte nicht mehr zu Dir zurück – zum Vater meines Kindes. Ich selbst hatte mir das Glück meines Lebens verscherzt.

Dann kam die Geburt, dann die Adoption. Ich fand reiche Bauern für den Jungen. Landluft, dachte ich, ist immer gut. Viel mehr konnte ich nicht denken, dazu war ich zu zerbrochen. Ich liebte mein Kind, das ich geboren hatte, und ich wollte es doch nicht sehen. Ich war damals wie in einem Fieberwahn.

Ich nahm mein Studium wieder auf, wurde Ärztin, Kinderärztin. Mit Männern wollte ich nichts mehr zu tun haben, bis auf den heutigen Tag nicht. Ich ging in ein Krankenhaus, da arbeite ich heute noch. Ich arbeite, sonst gibt es nichts in meinem Leben.

Der Junge ist jetzt sechs Jahre alt. Klaus heißt er. Ob er wohl nett ist? Ob er Dir ähnlich sieht? Oh, ich darf gar nicht daran denken, sonst werde ich verrückt vor Schmerz.

Peter, ich weine, während ich diese Zeilen schreibe. Ich habe schon ein paarmal aufhören müssen. Und jetzt kommen mir wieder die Tränen. Ich ...

Der Brief endete hier. Anja Eckner hatte ihn nie zu Ende geschrieben und nie abgeschickt. Den Umschlag hatte sie gerade noch beschriftet.

Ein Brief, drei raschelnde Bogen, ein Schicksal, ein unerfülltes trauriges Leben. Der unvollendete Brief einer Toten.

♥♥♥

Irina war böse. Peter sah es auf den ersten Blick. Sie stand vor dem Theater und kam mit schnellen Schritten auf ihn zu, als er vom Parkplatz quer über die Straße lief.

»Ich bin ein Idiot, dass ich so lange hier warte!«, schimpfte sie. Ihre blauen Augen schossen Blitze. Ihr hübsches Gesicht war gerötet.

»Es tut mir schrecklich leid, Irina, ich bekam Besuch ...«

»Und deswegen lässt du mich hier stehen? Ich bin schon zweimal angesprochen worden!«

»Bitte, verzeih, Irina. Es war wirklich keine böse Absicht. Gehen wir rasch hinein?«

»Ich habe keine Lust mehr!«

»Irina, wirklich, ich hatte mich so sehr auf diesen Abend gefreut. Sei mir nicht böse. Möchtest du wirklich nicht mehr hinein?«

»Ich sagte es dir doch schon!«

»Dann lade ich dich zum Essen ein, zu einem fürstlichen Essen. Als Versöhnungsgeschenk.«

Sie hakte sich bei ihm unter.

»Das Schlimmste ist«, sagte sie, »dass ich dir nicht ernstlich böse sein kann. Wenigstens nicht lange. Wir stehen ja noch unter dem Eindruck der ersten Wiedersehensfreude.«

Er beugte sich schnell zu ihr hinüber und küsste ihre Wange.

»Danke, Irina. Du bist wirklich lieb. Bist du mit dem Wagen hier?«

»Nein, ich bin mit einem Taxi gekommen.«

»Dann nehmen wir meinen Wagen. Wir fahren zu ›Althaus‹.«

»Althaus« war das beste Speiserestaurant in der Stadt. Es zeichnete sich nicht nur durch hohe Preise, sondern auch durch erstklassige Speisen aus.

Als sie im Wagen saßen, füllte Irinas feines Parfüm bald den Innenraum. Sie saß neben Peter, sehr schlank, elegant, sehr gepflegt. Irina hatte eine kleine, aber gut gehende Werbeagentur.

Irina und Peter kannten sich seit einem Jahr, besser gesagt seit einem halben Jahr, denn während der letzten sechs Monate hatten sie wegen Peters Auslandsaufenthalt nur brieflich miteinander verkehrt, abgesehen von den vierzehn Tagen, in denen Irina Peter in Indien besucht hatte.

Peter war Brückenbauingenieur, und unter seiner Leitung war eine besonders schwierige Konstruktion fertiggestellt worden.

Sie liebten sich. Sowohl für Peter als auch für Irina stand fest, dass sie bald heiraten wollten.

Der Kellner kam, und sie bestellten Schildkrötensuppe, geräucherten russischen Salm, Chateaubriand, Käse.

Als sie die Suppe löffelten, fiel Irina Peters Schweigsamkeit auf.

»Hör mal«, sagte sie, »bist du in Gedanken immer noch bei deinem rätselhaften Besuch, der dir wichtiger war als ich?«

»Wenn ich ehrlich sein darf, ja.«

»Dann war es eine attraktive Dame«, stellte sie eifersüchtig fest.

»Nein, Irina. Es war ein trauriger alter Herr. Ich kannte ihn nicht.«

»Vielleicht einer vom Geheimdienst?«, witzelte sie.

Peter war mit seiner Suppe fertig und legte den Löffel fort. Er sah Irina an. Seine dunklen Augen waren voller Ernst.

»Irina«, sagte Peter fest und klar, »der alte Mann hat mir mitgeteilt, dass ich einen Sohn habe.«

Irinas Löffel klirrte auf den Tellerrand.

»Was sagst du da?«

»Ich habe einen Sohn. Der Junge heißt Klaus und ist zehn Jahre alt.«

»Du bist verrückt!«

»Nein, ich bin Vater. Allerdings habe ich es bis heute nicht gewusst.«

Irina war blass geworden.

»Peter, was du da sagst ...«

»Du brauchst nicht zu erschrecken, Irina. Für uns beide hat das nichts zu bedeuten.« Er erzählte ihr alles. »Du siehst, der Junge kann auf unsere Beziehung nicht den geringsten Einfluss haben«, sagte er zum Schluss.

»Und seine Mutter?«

»Sie ist tot, Irina. Ich habe damals sehr um sie gelitten. Ich hatte sie wirklich gern. Aber wenn man jung ist, vergisst man irgendwann.«

Irina nickte gedankenverloren und blickte Peter in die Augen.

»Schlimm, wie manche Menschen sich ihr Leben verpfuschen, nicht wahr, Peter?«

»Ja, es ist schlimm, aber mich trifft keine Schuld. Sie hatte die Beziehung ja beendet.«

Der Salm kam. Schweigend aßen sie, denn jeder von ihnen hing seinen Gedanken nach.

»Was hast du mit dem Jungen vor?«, fragte Irina plötzlich.

»Mit dem Jungen? Wieso?«

»Ich weiß nicht. Ich denke bloß laut. Schließlich ist er ja dein Sohn.«

»Ja, aber er kennt mich nicht. Er sagt Vater und Mutter zu ganz anderen Menschen. Er liebt sie, und sie lieben ihn.«

»Stimmt, Peter. Aber du könntest ja nun den großen Herzenshelden spielen und meinen, du müsstest an dem Jungen gutmachen, was dessen Mutter gesündigt hat. Vielleicht glaubst du, das Kind müsste zu seinem leiblichen Vater.«

»Das ist Unsinn. Das Kind soll dort leben, wo es sich daheim fühlt. Es soll bei den Menschen sein, die es liebt.«

»Es wäre schön, wenn alle Leute so vernünftig dächten wie du, Peter. Man hört manchmal Sachen ...«

»Es gibt viel Unverständnis in der Welt, Irina. Letztendlich kann mir die Sache ja auch ziemlich gleichgültig sein. Anja Eckner ist tot, und ich hatte sie längst vergessen. Von dem Jungen wusste ich bisher nichts, also kann er mir auch nichts bedeuten. Ich finde, ich sollte zur Tagesordnung übergehen.«

»Und nicht mehr zu spät zu deinen Verabredungen kommen.« Irina lachte und hob ihr Weinglas.

Peter tat ihr Bescheid, dann aßen sie weiter. Ja, ich will das Gehörte vergessen, dachte Peter. Es hat keinen Sinn, viele Gedanken daran zu verschwenden. Vor allem hat es keinen Sinn, irgendetwas zu unternehmen. Man soll schließlich nicht Schicksal spielen wollen.

♥♥♥

Der Maderhof, im fruchtbaren Vorland des Gebirges gelegen, war der größte Hof des Dorfes. Nur der Besitz des Freiherrn von Schluchdorf war noch stattlicher. Kein Wunder, dass zwischen dem Freiherrn und den Maderbauern seit jeher eine gewisse Rivalität bestand. Einer wollte dem anderen den Rang ablaufen, aber in all den Jahrhunderten hatten sich die Gewichte weder zu der einen noch zu der anderen Seite verschoben.