Lore-Roman 95 - Ina von Hochried - E-Book

Lore-Roman 95 E-Book

Ina von Hochried

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Beschreibung

Gräfin Irina ist nicht glücklich in ihrer Ehe mit Bodo Graf Palenberg. Viel lieber hätte sie seinen Bruder Martin geheiratet, aber der war eines Tages plötzlich verschwunden, und bis heute weiß niemand, wo er sich aufhält.
Gräfin Irinas Schwester, Komtess Susanne, hat das elterliche Schloss längst verlassen. Sie hat sich eine eigene Existenz als Fotoreporterin aufgebaut. Ihr nächster Auftrag führt sie nach Südamerika. Während einer Bootsfahrt auf dem Dschungelfluss entdeckt sie am Ufer einen Mann in hilflosem Zustand.
Komtess Susanne kennt Graf Martin nur flüchtig, doch das Gesicht des bärtigen Fremden weißt eine gewisse Ähnlichkeit mit ihm auf. Susanne beschleicht ein eigenartiges Gefühl, als ihr der Mann erklärt, er habe sein Gedächtnis verloren ...


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Inhalt

Cover

Impressum

Das Rätsel des verschollenen Grafen

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: TheStoryteller / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0692-6

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Das Rätsel des verschollenen Grafen

Ein spannender Schicksalsroman

Von Ina von Hochried

Gräfin Irina ist nicht glücklich in ihrer Ehe mit Bodo Graf Palenberg. Viel lieber hätte sie seinen Bruder Martin geheiratet, aber der war eines Tages plötzlich verschwunden, und bis heute weiß niemand, wo er sich aufhält.

Gräfin Irinas Schwester, Komtess Susanne, hat das elterliche Schloss längst verlassen. Sie hat sich eine eigene Existenz als Fotoreporterin aufgebaut. Ihr nächster Auftrag führt sie nach Südamerika. Während einer Bootsfahrt auf dem Dschungelfluss entdeckt sie am Ufer einen hilflosen Mann.

Komtess Susanne kennt Graf Martin nur flüchtig, doch das Gesicht des bärtigen Fremden weißt eine gewisse Ähnlichkeit mit ihm auf. Susanne beschleicht ein eigenartiges Gefühl, als ihr der Mann erklärt, er habe sein Gedächtnis verloren ...

Das Licht in der Dunkelkammer war mattrot. Es roch nach Chemikalien, und aus einem Lautsprecher, der an der Decke des kleinen Raumes hing, drang leise Musik.

Gerade eben legte die junge Frau, die in der Dunkelkammer arbeitete, ein Blatt weißes Papier in die Entwicklerflüssigkeit. Sie hielt es mit einer Holzzange fest und schwenkte es in der Flüssigkeit hin und her.

Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis sich an einigen Stellen der Oberfläche dunkle Verfärbungen abzeichneten. Die Verfärbungen intensivierten sich, andere kamen hinzu, und ganz allmählich entstand das Bild eines kleinen, weinenden Kindes.

Es hatte eine Puppe an seine Brust gepresst, und mit der anderen Hand wischte es ein paar Tränen fort, die über die kleinen Wangen kullerten.

Die junge Frau in der Dunkelkammer wartete so lange, bis das Bild, wie die Fotografen es nannten, gut durchgezeichnet war. Dann nahm sie das Foto heraus, schwenkte es durch ein Wasserbad und legte es schließlich ins Fixierbad.

»Das sieht gut aus«, meinte die Frau zu sich selbst, nachdem sie die lichtempfindlichen Papiere weggeräumt und das volle Licht in der Dunkelkammer eingeschaltet hatte.

Das Bild war eines von jenen Fotos, das konnte man jetzt schon behaupten, die durch alle Zeitungen gingen und von Millionen von Menschen mit Interesse und Mitgefühl betrachtet wurden.

Jetzt nahm die junge Frau einen fertig entwickelten Film zur Hand und hielt ihn gegen das Licht. Sie schaute sich die übrigen Aufnahmen an, um herauszufinden, welche von ihnen sie sonst noch entwickeln sollte.

Sie hatte gerade eine gefunden, ein besonders drolliges Bild von einem winzig kleinen Hund – da klingelte plötzlich das Telefon.

»Ausgerechnet jetzt«, murmelte die junge Frau, legte den Film zur Seite und stieß die Tür der Dunkelkammer auf.

Sie gelangte auf einen Flur, der zwischen ein paar Zimmer hindurchführte, passierte zwei große, sehr gut und sehr kostbar eingerichtete Wohnräume, und gelangte schließlich in die Diele, wo das Telefon noch immer läutete.

Die junge Frau nahm den Hörer ab.

»Hain«, meldete sie sich.

»Ah, die Komtess persönlich«, dröhnte eine Männerstimme an ihr Ohr. »Da hat man ja Glück gehabt, hat man ja.«

»Sie sind doch gewiss Herr Tober, nicht wahr?«, fragte Susanne Komtess Hain.

»Erraten, Komtess, erraten«, erwiderte der Mann. »Und soll ich Ihnen mal etwas sagen?«

»Was denn?«

»Ich habe wahnsinnige Sehnsucht nach Ihnen, habe ich.« Es war Tobers Angewohnheit, etliche seiner Worte ständig zu wiederholen.

»Das glaube ich Ihnen nicht ganz«, erwiderte die Komtess lächelnd, obwohl Tober das gar nicht sehen konnte.

»Sie können es mir ruhig glauben, Komtess, können Sie. Die Sehnsucht ist natürlich nur beruflicher Natur, ist sie.«

»Das begreife ich schon eher. Soll ich Sie besuchen, Herr Tober?«, fragte die Komtess.

»Weshalb rufe ich sonst an?«, dröhnte Tober.

»Wann soll ich kommen?«

»Möglichst gestern.«

»Das geht leider nicht, Herr Tober«, lachte die Komtess.

»Weiß ich selbst«, lachte nun auch Tober. »Also kommen Sie, so schnell Sie können. In einer halben Stunde, in einer halben, Komtess?«

»Das ist vielleicht ein bisschen früh, Herr Tober. Ich habe nämlich eben gerade ein Foto entwickelt, das ich Ihnen gern zeigen möchte. In einer Stunde könnte ich bei Ihnen sein.«

»Aber auf gar keinen Fall später, auf keinen Fall«, mahnte Tober. »Ich habe nämlich wahnsinnig zu tun, habe ich.«

»Das war bei Ihnen noch nie anders der Fall«, entgegnete die Komtess. »Bis bald also.«

»Bis bald, bis bald«, erwiderte Tober nervös. »Und machen Sie sich nicht zu schön, sonst bekommen Sie von mir glatt einen Heiratsantrag.«

Susanne Komtess Hain lachte und legte auf.

Sie kannte Tober nun schon seit ein paar Jahren. Er leitete eine große Presseagentur und war ein Mann, der die Fähigkeit zu haben schien, an mehreren Stellen zugleich sein zu können. Er war klein und untersetzt, hatte wieselflinke Augen und besaß eine Glatze, in der man sich fast hätte spiegeln können.

Natürlich war er unverheiratet, denn ein Mann wie er hätte eine Frau gar nicht gebrauchen können, und außerdem war er nicht der Typ, der bei Frauen auf Anhieb Erfolg hatte. Dieser Umstand schien ihm nie viel ausgemacht zu haben.

Komtess Susanne ging in die Dunkelkammer zurück, nahm das inzwischen fertig fixierte Foto aus der Lösung, wusch es und legte es in die Trockenpresse.

Sie verließ das Atelier wieder und zog den weißen Kittel aus, den sie bisher getragen hatte. Ein buntes, sehr hübsches Sommerkleid kam darunter zum Vorschein. Die Komtess trug dieses Sommerkleid zu Recht, denn draußen war es herrlich warm, die Sonne schien, kleine Schönwetterwolken segelten am Himmel vorüber, im Garten blühten die Rosen, und die Amseln liefen umher und zogen Regenwürmer aus dem Rasen.

Susannes Figur war vollkommen, daran bestand nicht der geringste Zweifel. Jetzt trat die junge Frau vor einen alten Barockspiegel und überprüfte ihr Aussehen.

Es gab daran nichts zu korrigieren.

Susanne hatte herrliches, kurzgeschnittenes dunkles Haar, ein fein geformtes Gesicht mit großen dunklen Augen und einem sehr ausdrucksvollen Mund. Der zarte Schwung ihrer Nase verriet ihre gute Rasse. Man sah es ihrem Gesicht an, dass sie eine junge Frau mit viel Empfindsamkeit und Seele war – trotzdem war sie ein Mensch, der mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen stand und die Fähigkeit besaß, sich im Leben zurechtzufinden.

Susanne zupfte das Kleid gerade zurecht, als sie hörte, dass an der Haustür ein Schlüssel klingelte. Susanne ging in die Diele und schaute nach, was da los war.

Es konnte nichts anderes los sein, als dass Frau Biedinger wiederkam.

Frau Biedinger, eine rundliche, energisch wirkende Frau mit leicht angegrautem Haar, war die Haushälterin der jungen Komtess. Sie schleppte zwei schwere Einkaufstaschen mit sich.

Susanne ging schnell zu ihr und nahm ihr eine der Taschen ab.

»Lassen Sie nur, Komtess, es geht schon«, sagte Frau Biedinger, ließ sich aber trotzdem helfen.

»Warum schleppen Sie immer so viel auf einmal?«, fragte die Komtess, während sie die Tasche in die Küche trug. Die Küche war hochmodern eingerichtet, wie auch sonst alle übrigen Räume des Hauses erkennen ließen, dass hier an Geld nicht gespart zu werden brauchte.

»Haben Sie denn jetzt alles beisammen?«, fragte die Komtess. »Oder soll ich nachher noch etwas aus der Stadt mitbringen?«

»Wieso?«, fragte Frau Biedinger und setzte seufzend die zweite Tasche auf den Küchentisch. »Müssen Sie denn in die Stadt überhaupt hinein bei dem schönen Wetter?«

»Ja, ich muss unbedingt. Herr Tober hat angerufen. Er will dringend mit mir sprechen.«

»Dieser Mann geht mir schrecklich auf die Nerven«, meinte Frau Biedinger und begann, die Taschen auszuräumen. »Er stört Sie immer gerade dann, wenn Sie ihn absolut nicht gebrauchen können. Ich an Ihrer Stelle hätte mich heute über Mittag in die Sonne gelegt, Komtess.«

»Das hatte ich auch eigentlich vor«, erwiderte die hübsche junge Dame. »Aber Herr Tober ist nun mal einer meiner wesentlichen Brötchengeber, und da kann ich nicht Nein sagen, wenn er mich ruft.«

»Brötchengeber!«, wiederholte Frau Biedinger und tat zwei halbe Pfund Butter in den Kühlschrank. »So etwas haben Sie doch eigentlich gar nicht nötig.«

»Das weiß ich selbst«, erwiderte die Komtess. »Aber soll ich vielleicht zu Hause im Schloss sitzen und die Blumen zählen?«

»Sie könnten ja auch etwas anderes machen, was Ihnen nicht so viel Zeit stiehlt«, hielt die Haushälterin ihr vor.

»Mein Beruf macht mir eben Freude, und das ist ja schließlich die Hauptsache«, meinte die Komtess und warf einen Blick auf die Uhr. »So, ich glaube, das Foto müsste jetzt trocken sein.«

Sie ging in die Dunkelkammer und öffnete die Trockenpresse. Das Foto war wirklich schon trocken. Susanne nahm es mit, tat es in eine Mappe und ging damit zurück in die Küche.

»Hier, schauen Sie sich das mal an, Frau Biedinger.«

»Ach Gott, wie ist das süß!«, rief die Haushälterin. »Woher haben Sie das denn?«

»Ich habe das Kind vorgestern zufällig auf der Straße gesehen.«

»Das ist ja himmlisch!«, schwärmte die Haushälterin. »Warum weint die Kleine denn so?«

»Weil ihr eine Tüte mit Eis aus der Hand gefallen ist«, erzählte die Komtess. »Ich habe ihr natürlich gleich eine neue gekauft, da waren die Tränen auf einmal verschwunden.«

»Mit diesem Bild verdienen Sie bestimmt wieder viel Geld, Komtess«, vermutete die Haushälterin.

»Und deswegen muss ich mich jetzt beeilen, dass ich zu Herrn Tober komme«, lachte Komtess Susanne.

Sie nahm die Mappe mit und ihre Tasche, und ein paar Augenblicke später hatte sie ihr Haus schon verlassen.

Das Haus stand in einem schönen großen Garten, war flach und im Winkel gebaut. Hinter dem Haus gab es eine große Terrasse, gleich daneben ein Schwimmbecken, und ringsum an den Zäunen standen dichte Büsche, die den Garten gegen die Einsicht von außen abschirmten.

Es war ein richtiges kleines Paradies, in dem Susanne Komtess Hain hier wohnte, und sie fühlte sich in diesem Rahmen viel wohler als in dem großen Schloss, in dem sie geboren worden war und ihre Kindheit verbracht hatte.

Vielleicht würde sie immer noch in diesem Schloss derer von Hain gelebt haben, wenn es nicht zwei Dinge gegeben hätte, die sie bewogen hatten, aus dem Schloss auszuziehen und das Haus in der Stadt zu kaufen, das gerade zu günstigen Bedingungen angeboten worden war.

Der erste Grund war der, dass sie ihren Beruf hatte und auf dem Schloss viel zu weit weg vom Schuss war, wie man das zu nennen pflegte.

Der zweite Grund aber war, dass ihre Schwester Irina, die ältere von ihnen beiden, mit Bodo Graf Palenberg verheiratet war, und mit diesem konnte die schöne Susanne sich nun mal nicht verstehen.

Und überdies: Mit ihrer Schwester verstand sie sich auch nicht so recht.

***

Die Presseagentur hatte ihren Sitz mitten in der Stadt, und deswegen war es nie ganz leicht, in der Nähe einen Parkplatz für das Auto zu finden.

Diesmal hatte die Komtess aber Glück, denn gerade, als sie langsam die Straße entlangfuhr und nach einer günstigen Gelegenheit Ausschau hielt, fuhr ein Wagen aus einer Parklücke heraus, und Susanne konnte ihr Fahrzeug sofort hineinsetzen.

Zehn Minuten später betrat sie die Agentur.

Sie befand sich in einem riesigen, hochmodernen und genauso hässlichen Bürohaus, das nicht weniger als drei Etagen einnahm.

Fernschreiber ratterten, Schreibmaschinen klapperten, Menschen liefen eilig umher – es war das Bild, das sich jedes Mal bot, wenn Susanne die Agentur betrat.

In der obersten Etage, die der Agentur zur Verfügung stand, befand sich das Büro des Chefs dieses Durcheinanders – des Herrn Tober nämlich.

Die Vorzimmerdame, spitznasig und mit straff zurückgekämmtem Haar, begrüßte Susanne mit einem feindseligen Blick. Im Grunde genommen hatte sie nichts gegen die Komtess, nur konnte sie ihr nicht verzeihen, dass die Komtess attraktiv und elegant wirkte, sie selbst aber nicht.

»Guten Tag«, grüßte Susanne trotzdem freundlich. »Herr Tober hat mich sprechen wollen.«

»Ich weiß«, bestätigte die Spitznasige. »Gehen Sie nur gleich durch, Komtess.«

Susanne trat an die Tür zum Allerheiligsten und klopfte an.

»Nur herein, herein!«, rief Tober.

Susanne öffnete die Tür und sah sich im Arbeitszimmer von Tober dem üblichen Chaos gegenüber.

Fotos, Manuskripte, Zeitungen, Bücher – alles lag wild umher. Es gab kaum einen Stuhl, auf den man sich setzen konnte, aber wenn jemand auf die Idee gekommen wäre, hier Ordnung schaffen zu wollen, dann wäre Tober fuchsteufelswild geworden. Er behauptete nämlich, das, was er gerade suchte, nur dann finden zu können, wenn das von ihm selbst verursachte Chaos erhalten blieb.

»Da sind Sie ja schon, sind Sie!«, rief Tober hinter seinem völlig überladenen Schreibtisch hervor.

Er sprang auf, kam Susanne ein paar Schritte entgegen und drückte ihr flüchtig die Hand.

»Sie haben sich ja doch viel zu schön gemacht«, sagte er dabei.

»Ich bin so gekommen, wie ich war«, erklärte Susanne und sah amüsiert zu, wie Tober einen Stuhl leer räumte, damit sie sich setzen konnte.

Er schob den Stuhl vor den Schreibtisch, und gleich darauf saßen sie sich gegenüber.

Tober rieb nervös die Hände gegeneinander.

»Es ist ziemlich wichtig, was ich auf dem Herzen habe, wichtig ist es«, begann er.

Susanne gab keine direkte Antwort. Vielmehr öffnete sie die Mappe, nahm das Foto heraus und legte es dem Chef wortlos auf den Schreibtisch.

»Fabelhaft!«, rief Tober. »Fabelhaft! Schon gekauft! Sehen Sie, das ist genau das, was ich an Ihnen so schätze! Sie haben einen Blick für das Menschliche, haben Sie. Außerdem sind Sie eine glänzende Fotografin, und schreiben können Sie auch.«

»Sie übertreiben ein bisschen«, entgegnete Susanne lächelnd, obwohl sie sich über das Lob natürlich freute.

»Ich übertreibe nie, nie übertreibe ich«, erwiderte Tober, machte eine Notiz auf die Rückseite des Fotos und legte es in einen Ablagekasten. »Deswegen kann ich Ihnen auch jetzt schon sagen, dass wir das Foto da vielfach verkaufen werden. Sie müssen mir nur genug Vergrößerungen davon liefern.«

»Die reiche ich Ihnen morgen herein. Wie stellen Sie sich das Honorar vor?«, fragte Susanne. An sich war es nicht ihre Art, immer gleich nach dem Geld zu fragen, aber sie hatte es lernen müssen, sich in der Berufswelt durchzusetzen.

Tober rieb wieder die Hände gegeneinander.

»Jedem anderen würde ich ein Pauschalhonorar bieten, würde ich«, entgegnete er, »aber weil ich nun mal eine Schwäche für Sie habe, bekommen Sie Einzelhonorar. Für jedes Exemplar, das wir an einen Kunden verkaufen.« Die Kunden, das waren natürlich Zeitungen und Illustrierten.

»Das ist sehr freundlich von Ihnen, Herr Tober«, lächelte Susanne, denn sie konnte sich jetzt schon ausrechnen, dass sie an dem Bild etliche tausend Mark verdienen würde.

»Ich bin immer freundlich, bin ich«, versicherte Tober. Und plötzlich schoss sein Kopf halb über den Schreibtisch vor. »Nur werde ich sauer, wenn einer so viel Mist macht wie der Bringer. Kennen Sie den Bringer?«

Susanne von Hain musste überlegen.

»Ist das nicht Ihr Korrespondent in Südamerika?«, fragte sie nachdenklich.

»Das ist er, genau das ist er!«, erwiderte Tober und zog seinen Kopf wieder zurück. »Was er uns in der letzten Zeit schickt, ist so langweilig, dass man einschläft, wenn man es nur liest, so was schickt er uns. Alles nur politischer Kram, nichts Menschliches dabei. Es ist zum Heulen, ist es.«

»Sie sollten jemand anderes hinschicken, Herr Tober«, meinte die hübsche Komtess.

Tobers Kopf ruckte wieder vor.

»Ich wusste gar nicht, dass Sie so schlau sind, Komtess«, sagte er hastig. »Diese Idee ist mir nämlich auch schon gekommen.«

Susanne nickte. »Und weshalb erzählen Sie mir das?«

»Weil ich Sie nach Südamerika schicken möchte, möchte ich!«, ließ Tober die Katze aus dem Sack.

Susanne schwieg einen Moment.

»Ich weiß nicht, ob Sie bei mir an der richtigen Adresse sind, Herr Tober«, erwiderte sie dann. »Ich bin nämlich keine Korrespondentin, und ich möchte ...«

»Sie sollen ja den Bringer auch gar nicht ablösen, sondern Sie sollen ihn nur ergänzen. Sie sollen das fotografieren und über das schreiben, was er anscheinend nicht sieht, obwohl er ständig darüber stolpert.«

Susanne nickte. »Das wäre eine reizvolle Aufgabe«, räumte sie ein. »Es fragt sich nur, wie lange ich drüben bleiben soll.«

»Mindestens ein paar Wochen. Im Übrigen überlasse ich das Ihnen, überlasse ich es. Je länger, umso lieber wäre es mir natürlich. Wir bezahlen Ihnen Flug und Spesen, und im Übrigen honorieren wir Ihre Arbeiten in der üblichen Weise, honorieren wir.«

Susanne von Hain überlegte.

»Ja«, meinte sie dann, »ich glaube, ich mache es. Wann soll es losgehen?«

»In einer halben Stunde, das wäre mir am liebsten, wäre es mir«, erwiderte der Chef.

Komtess Susanne lachte. »Ganz so schnell schießen die Preußen nun auch wieder nicht. Ich brauche ein paar Tage, um meine Arbeiten abzuwickeln, und im Übrigen muss ich ja auch meine persönlichen Vorbereitungen treffen.«

»Verstehe ich, verstehe ich. In fünf Tagen. Reicht das?«, schlug Tober vor.

»Das dürfte reichen«, erklärte die Komtess. Sie begann, sich auf die Aufgabe zu freuen.

»Also sind wir uns schon einig. Ich lasse Ihnen ein Ticket bestellen. Wenn Sie morgen kommen und die übrigen Fotos bringen, haben wir es vielleicht schon hier, haben wir. Spesenvorschuss kriegen Sie auch, na ja, wie üblich, wie üblich.«

Sie redeten noch ein paar Worte miteinander, dann verabschiedete sich Susanne und ging.

Sie hatte das Gebäude fast verlassen, da kam ihr Helmut Fraumann entgegen.

Helmut Fraumann war ein breitschultriger, sehr sportlicher Typ, dem man den Berichteschreiber gar nicht ansah. Susanne kannte ihn von der Agentur her, bei der er angestellt war, aber sie kannte ihn auch vom Tennisplatz, weil sie zufällig beide im gleichen Club spielten.

Alle wussten, dass Helmut Fraumann für die hübsche Susanne eine Schwäche hatte und keine Gelegenheit ungenutzt ließ, um ihr den Hof zu machen.

Als er sie erblickte, breitete er sofort beide Arme aus.

»Ich wusste gar nicht, dass der Tag heute für mich so schön beginnen würde!«, rief er. »Kaum habe ich die Stätte meiner täglichen Fronarbeit betreten – und schon stehe ich Ihnen gegenüber!«

»Leider nur für einen kurzen Augenblick«, antwortete Susanne lächelnd, »denn wie Sie sehen, gehe ich bereits heim.«

»Endgültig?«

»Ich habe zu tun.«

Er warf einen Blick auf die Uhr.

»Können wir nicht zusammen essen? In einer Stunde bekomme ich nämlich meinen weltberühmten Bärenhunger.«

»Ich habe wirklich keine Zeit«, antwortete Susanne. Sie überlegte einen Augenblick, denn er war ein recht netter Kerl, und sie mochte ihn nicht unbedingt vor den Kopf stoßen. »Wie wäre es, Herr Fraumann, wenn Sie heute Abend zu mir kommen würden?«, schlug sie vor. »Meine Haushälterin hat heute früh eine Unmenge von Köstlichkeiten ins Haus geschleppt, und ich bin bestimmt nicht in der Lage, sie alle zu vertilgen.«

»Die beste Idee des Jahrhunderts!«, rief Fraumann. »Um sieben? Ist es Ihnen recht?«

»Das passt vorzüglich.«

Susanne sah, dass Fraumann sie am liebsten vor Freude in den Arm genommen hätte. Daher warf sie rasch einen Blick auf ihre brillanten besetzte Armbanduhr und reichte ihm dann die Hand.

»Jetzt muss ich aber wirklich weiter«, sagte sie.