Lore-Roman 141 - Ina von Hochried - E-Book

Lore-Roman 141 E-Book

Ina von Hochried

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Beschreibung

Falk von Stoltenberg besitzt ein großes Gut mit vielen Ländereien, er ist sehr reich, aber er ist auch beladen mit der ganzen Verantwortung, mit der schweren täglichen Last, die das Gut bedeutet. Mit seinen fünfunddreißig Jahren steht er am Anfang seiner besten Lebensjahre. Er ist voller Energie und Schaffenskraft, aber eine Saite in seinem Herzen klingt bei alledem nicht mit. Es ist die Saite, auf der das Lied der Liebe erklingen müsste.
Gewiss, er liebt, aber ohne dass er geliebt wird. Denn Claudia von Huth kann sich nicht voll zu ihm bekennen. Sie schwankt zwischen ihrer geliebten Malerei und ihm. Falk weiß, dass er Claudia nicht zu ihrer Liebe zwingen kann. Er kann nur versuchen, sie zu überzeugen, ihr Dinge an die Hand zu liefern, die die Waagschale ihres Herzens zu seinen Gunsten beeinflussen können. Aber so sehr er sich bislang darum bemüht hat, er hatte die rechten Dinge noch nicht gefunden. Falk will abwarten und um sie werben, um ihr Herz ganz zu gewinnen. Doch er wartet zu lange und gerät in eine äußert verfängliche Situation, die Claudia weiter von ihm forttreibt ...


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Inhalt

Cover

Darüber schweigt Graf Stoltenberg

Vorschau

Impressum

Darüber schweigt Graf Stoltenberg

Ein dramatischer Liebesroman

Von Ina von Hochried

Falk von Stoltenberg besitzt ein großes Gut mit vielen Ländereien, er ist sehr reich, aber er ist auch beladen mit der ganzen Verantwortung, mit der schweren täglichen Last, die das Gut bedeutet. Mit seinen fünfunddreißig Jahren steht er am Anfang seiner besten Lebensjahre. Er ist voller Energie und Schaffenskraft, aber eine Saite in seinem Herzen klingt bei alledem nicht mit. Es ist die Saite, auf der das Lied der Liebe erklingen müsste.

Gewiss, er liebt, aber ohne, dass er geliebt wird. Denn Claudia von Huth kann sich nicht voll zu ihm bekennen. Sie schwankt zwischen ihrer geliebten Malerei und ihm. Falk weiß, dass er Claudia nicht zu ihrer Liebe zwingen kann. Er kann nur versuchen, sie zu überzeugen, ihr Dinge an die Hand zu liefern, die die Waagschale ihres Herzens zu seinen Gunsten beeinflussen können. Aber so sehr er sich bislang darum bemüht hat, er hat die rechten Dinge noch nicht gefunden. Falk will abwarten und um sie werben, um ihr Herz ganz zu gewinnen. Doch er wartet zu lange und gerät in eine äußert verfängliche Situation, die Claudia weiter von ihm forttreibt ...

Falk von Stoltenberg öffnete das mächtige Tor. Es schwang leicht und lautlos in seinen Angeln.

»Unsere Heinzelmännchen, Deborah. Gefallen sie dir?«, fragte er und lächelte.

Das zartgliedrige schwarzhaarige Mädchen sah in die Tiefe der großen, von Halbdunkel erfüllten Halle. Dann wandte es sich zu Falk und lachte ihn an.

»Das nennst du Heinzelmännchen? Das sind Heinzelriesen. Du hast mich schön hinter das Licht geführt.«

Er ließ das Tor wieder zu schwingen. Eine stattliche Reihe von Landmaschinen, von Treckern und Schleppern sowie von Geräten, deren Sinn Deborah von Farke nicht kannte, füllte die Halle.

Falk von Stoltenberg erklärte: »Mein Vater hätte wahrscheinlich an den Untergang des Gutes geglaubt, wenn ihm jemand zugemutet hätte, mit solchen Ungetümen das Land zu bestellen. Aber heute kommt man ohne diese Dinger nicht aus. Sie kosten ein Vermögen, aber sie sind unentbehrlich. Vor allem, weil wir nicht mehr genug Leute bekommen.«

»Es laufen doch aber noch genug auf dem Hofe herum«, gab das hübsche Mädchen zu bedenken.

Er hatte das Tor geschlossen, sie setzten ihren Rundgang durch die großen, ausgedehnten Anlagen des Gutes fort.

»Dafür gibt es aber auch genug Arbeit. Ich habe vor zwei Jahren das Nachbargut hinzugekauft und im vergangenen Jahr meinen Bestand an Zuchtvieh erheblich erweitert, in diesem Jahre habe ich meinen Wald um fast die Hälfte verdoppelt. Mir bot sich eine günstige Gelegenheit. Das alles will bestellt und bearbeitet werden. Dazu braucht man ganze Heerscharen von Leuten, und die gibt es eben nicht. Daher diese stählernen Roboter in der Halle.«

Das Mädchen blieb stehen und sah den jungen Grafen aufmerksam und forschend an. Er trug einen dunkelgrünen Jagdanzug, der wie angegossen auf seinem männlich-starken, zugleich aber elastischen Körper saß. Falk sah man auf den ersten Blick den Aristokraten aus uralter Familie an, aber man sah auch, dass gesundes und kraftvolles Blut in seinen Adern floss. Seine Haltung war stolz, hoch aufgerichtet, seine Bewegungen waren gelassen und zupackend zugleich, und wenn man seinen Blick sah, dann meinte man, er trüge seinen Vornamen nicht zu Unrecht. Scharf wie das Auge eines Falken, herrisch, klug. Doch in diesem Blick nisteten auch andere Dinge: Frohsinn zum Beispiel, Weltaufgeschlossenheit, ein lebendiger Sinn für alles Schöne und Gute.

»Warum«, fragte Deborah von Farke nach einigen Sekunden, »warum ladest du dir eigentlich all das auf den Hals, Falk? Weißt du, was Tante Georgina neulich gesagt hat? Der Stoltenberg, hat sie gesagt, arbeitet um der Arbeit willen. Typisch deutsch, hat sie gesagt.«

»Die gute Tante Georgina«, lachte Falk und legte liebevoll seinen Arm um die Schulter seiner Cousine. Sie war mehr als einen Kopf kleiner. »Wenn es nach ihr ginge, hätte ich das ganze Gut längst verkaufen und mir am Mittelmeer eine große Villa kaufen sollen.«

»Warum tust du es nicht, Falk?«

»Warum? Weil ich dazu nicht tauge. Den blauen Himmel anstarren? Nein, das ist kein Leben. Ich brauche eine Beschäftigung.«

»Beschäftigung — ja. Aber keine Plage. Und das, was du hier tust, ist Plagerei.«

»Wenn du so willst: Ich plage mich für das Land meiner Väter. Sie haben es mir als Vermächtnis hinterlassen. Sie fordern von mir, dass ich es erhalte, bewahre und bestelle.«

»Ist das nicht ein bisschen altmodisch, Falk? Warum legst du deinen Besitz nicht in Aktien an? Dann bewahrst du ihn doch auch. Und mehrst ihn zudem ganz schön.«

»Keine Sorge, liebe Cousine aus dem Lande der Zitronen, ich lebe nicht hinter dem Mond. Selbstverständlich habe ich auch genug Aktien. Heute geht das nicht anders. Aber lediglich Coupons schneiden — oh, nein, das wäre mir denn doch zu langweilig. Sieh, da ist der Schweinestall. Möchtest du ihn sehen?«

»Danke, mein Lieber, kein Bedarf. Also gut, du hast Aktien, du rackerst dich ab für das Land deines Erbes. Trotzdem: wofür? Nur damit du am Ende des Jahres noch ein bisschen reicher bist?«

»Als ob es mir darauf ankäme.«

»Eben, das meine ich auch. Wofür also dann? Ich will dir die nächstliegende und logischste Antwort geben: für deine Kinder. Aber die hast du nicht, denn du bist ja nicht einmal verheiratet, und man hat auch noch nicht gehört, dass du dich unter den Töchtern des Landes bereits umgesehen hättest.«

Falk von Stoltenberg lachte schallend.

»Daher also pfeift der Wind. Tante Georgina hat dich beauftragt, mich auszuhorchen.«

»Pfui. Wie kannst du nur so von mir denken.«

»Ich melde pflichtschuldigst, dass ich aller Bindungen nach wie vor ledig bin. Das ist die Wahrheit. Tante Georgina kann mich also mit allen ihr geeignet erscheinenden jungen Damen ihrer Wahl beglücken. Ihrer Heiratsvermittlung steht nichts im Wege.«

»Falk, entschuldige, wenn man dich so reden hört, möchte man meinen, du seist aus der Art geschlagen. Die Grafen Stoltenberg waren stets dem anderen Geschlecht innig zugetan. Und sie hatten einen erstklassigen Geschmack. Siehe deine Mutter.«

»Ja, sie war eine schöne Frau. Großmutter nicht minder. Aber das heißt ja doch wohl nicht, dass ich ... Was ist das für ein Lärm?«

»Da prügeln sich ein paar von deinen Hofknechten, wie?«

Sie waren zwischen einer Reihe von Remisen, Schuppen und Ställen einhergeschritten, die etwas abseits des großen, fast quadratischen Gutshofes lagen. Der Hof selbst war mittlerweile viel zu klein geworden, und so hatte Falk beträchtliche Teile des großen Gutsparkes für neue Gebäude opfern müssen. Jetzt, während sie sich unterhalten hatten, drangen vom nahen Gutshof erregte Stimmen zu ihnen herüber. Falk winkte seiner hübschen Begleiterin und trat rasch zwischen zwei niedrigen Schuppen auf den Gutshof. Er hatte den Platz noch nicht erreicht, als ihm ein Knecht entgegenrannte und beinahe mit dem Grafen zusammengeprallt wäre.

»Hallo, Max, nicht so hastig. Was ist los?«

»Der Bulle, Herr Graf.«

»Der Bulle? Wie ist das passiert?«

»Gustav hat ihn zurückgebracht. Bei dem Abladen haben sie ihn einen Moment aus den Augen gelassen. Da ist er mit dem Kopf gegen den Wagen gestoßen und hat sich die Augenblende heruntergescheuert. Schnell, Herr Graf, das Kind von der Marie ist mitten auf dem Platz.«

Falk hastete vorwärts. Nach wenigen Schritten sah er es. Drüben stand der Wagen, der Viehtransporten diente. Auf ihm hockten ein paar Männer und schrien in der Gegend herum. In der Nähe des Wagens stand ein weinendes, etwa fünf Jahre altes Kind, ein Mädchen. Nicht weit davon entfernt, vierzig Meter etwa, stampfte der Bulle den zitternden Boden. Er warf den schweren Kopf auf und ab, seine Flanken zitterten vor Erregung.

»Mein Kind, mein Kind«, schrie die Mutter, die sich irgendwo hinter einem Mauervorsprung verborgen haben mochte. »Rettet mein Kind.«

Doch keiner der Knechte rührte sich. Sie schrien wildes Zeug, gestikulierten mit den Armen und zogen sich noch mehr hinter die schützenden Mauerecken zurück.

»Mein Gott«, entfuhr es Deborah von Farke. »Der Bulle wird gleich das Kind angreifen.«

Doch Falk hörte schon nichts mehr. Er legte die Hände an den Mund und rief so laut, dass es über den ganzen Platz gehört wurde.

»Fritz, setz dich zum Teufel ans Steuer und fahre den Wagen dazwischen.«

Die Schreie der verängstigten, ratlosen Leute verstummten mit einem Schlage. Der Angerufene, Fahrer des Viehtransporters, kroch zögernd vom Dach des Fahrerhauses herunter, riss die Tür auf und verschwand blitzschnell im Wagen. Gleich darauf rumpelte der Motor los. Der Bulle erschrak und warf sich herum. Er senkte den Kopf.

Der Staub wallte auf, als sich der schwere Wagen in Bewegung setzte. Er hatte sich gerade zwischen den Bullen und das verlassene Kind geschoben, als der Bulle losschoss, blindlings herantobte und mit seinen starken Hörnern krachend gegen den vorderen Kotflügel rannte. Wild stieß er den Kopf hin und her, denn er hatte sich im geplatzten Blech verheddert.

Das war der beste Augenblick. Falk von Stoltenberg schnellte vorwärts, mit jagenden Schritten rannte er mitten auf den Platz, schoss auf das Kind zu und riss es an sich.

In diesem Moment kam der wütende Bulle mit seinen Hörnern frei. Seine Augen waren blutunterlaufen, mit gesenktem Kopf blickte er sich um, wild und angriffslüstern, und da sah er den Grafen mit dem Kind unterm Arm. Die Hufe donnerten. Dumpfes Schnauben ...

»Schnell, Herr Graf, schnell«, rief jemand. Seine Stimme überschlug sich dabei.

Aber Falk rannte schon so schnell er konnte. Dennoch kam das rasende Tier näher. Seine Lungen keuchten und schmerzten. Vor Anstrengung trübte sich sein Blick.

Doch dann erwachte endlich der Fahrer zum Leben. Er setzte den Wagen wieder in Gang, fuhr einen Bogen, und dann raste er schräg zwischen dem Bullen und dem Grafen hindurch. Keine Sekunde zu früh, denn im gleichen Moment stolperte Falk und stürzte mit dem Kind zu Boden. Er raffte sich empor, verbiss den stechenden Schmerz an seinem linken Bein, zerrte das weinende Kind hoch und hetzte die letzten paar Schritte bis hinter den schützenden Mauervorsprung.

Aber die Gefahr war vorüber. Der Bulle war diesmal mit seinen Hörnern an das hintere Wagenrad geraten und hatte sich dort zwischen Reifen und Kotflügel endgültig verfangen. Knechte rannten herbei. Säcke brachten sie mit und Stangen, und dann hatten sie das Tier endlich wieder in ihrer Gewalt.

Mit tränenüberströmtem Gesicht kam die Mutter herangelaufen, nahm ihr Kind in die Arme, drückte und küsste es, stammelte Wortfetzen. Und dann warf sie sich vor dem Grafen auf die Knie, ergriff seine Hände und küsste sie.

»Gott wird es Ihnen vergelten, Graf Falk. Sie haben mein Kind gerettet, Gott wird es Ihnen danken.«

»Schon gut, schon gut«, beruhigte er die Frau und zog sie empor. »Sie müssen nachsehen, ob der Kleinen etwas passiert ist. Sagen Sie mir Bescheid, vielleicht müssen wir den Doktor kommen lassen.«

Er winkte Deborah und ging mit schnellen Schritten davon. Die Knechte starrten ihm nach. Grenzenlose Bewunderung lag in ihren Blicken.

»Falk?«

Der Graf blieb stehen und lächelte verlegen. Seine Hand strich durch das verwirrte Haar.

»Entschuldige, Deborah, beinahe hätte ich dich vergessen.«

»Falk, ich bewundere dich«, bekannte sie, und er sah an ihren schwarzen Augen, dass sie es so meinte, wie sie es sagte.

»Keine falschen Lorbeeren, Deborah. Ich bin der Herr, ich bin verantwortlich für das, was hier geschieht. Wenn meine Leute einen Fehler machen, so habe ich ihn auszubügeln. Und ich habe mehr zu leisten als sie. Das ist nun mal das Gesetz.«

»Trotzdem, du hast dein Leben gewagt.«

»Meinetwegen für ein Kind. Glaubst du, dass das diesen Einsatz nicht wert gewesen ist? Doch sprechen wir nicht mehr davon. Himmel, mein Hosenbein ist total entzwei. Und meine Jacke ruiniert. Deborah, entschuldige meinen Aufzug. Die Umstände brachten es mit sich, dass ich ...«

»Du bist verrückt, Falk«, lachte sie. »Rettest einem Kind das Leben und entschuldigst dich, dass du deinen Anzug dabei zerrissen hast.«

Sie gingen zum Schloss zurück. Im Grunde genommen fand Deborah den mutigen Cousin gar nicht so verrückt. Er war vielmehr ein Gentleman sondergleichen, und dass er selbst in solchen dramatischen Augenblicken einer blieb, zeugte von seinem wahrhaft edlen Charakter.

***

Vor dem Schlossportal hielt ein kleiner, schneller Wagen. In einer Stunde etwa wollte sie sich hineinsetzen und abfahren, südwärts über die Alpen. Vor drei Wochen war sie aus Italien gekommen, hatte ein paar Verwandte besucht und die letzte Station bei Falk von Stoltenberg gemacht.

Deborah von Farke lebte seit etwa zehn Jahren mit ihrer Mutter, ihr Vater war zusammen mit Falks Eltern bei einem schweren Jagdunglück ums Leben gekommen, in einem weißen Schlösschen an der Riviera Levante bei Rapallo. Ihre Mutter war Italienerin, das Schlösschen gehörte ihrer begüterten Familie. Sie hatte sich eigentlich nur dorthin zurückziehen wollen, um den Tod ihres Mannes besser verschmerzen zu können. Aber im Laufe der Zeit hatte sie sich immer weniger zu einer Rückkehr nach Deutschland entschließen können. So hatte sie ihr Gut verpachtet und war in Italien geblieben.

Deborah, die als Zehnjährige die Heimat verlassen hatte, kannte es kaum anders. Sie fühlte sich in Italien sehr wohl.

Inzwischen hatte Falk seine Kleidung gewechselt. Er trug jetzt einen hellgrauen Sommeranzug, dazu feine Wildlederschuhe, eine dezente Krawatte mit einer kostbaren Perle.

»Fabelhaft siehst du aus, Falk«, rief Deborah, als er zu ihr in den Teesalon trat. »Beinahe wie Fürst Cavvalone, nur jünger und viel besser.«

»Dafür hat er einen wohlklingenderen Namen«, erwiderte Falk lachend. »Willst du wirklich schon fort?«

»Ich habe Mutter versprochen, spätestens übermorgen daheim zu sein. Es ist eine lange Fahrt. Ich werde heute bis München fahren und morgen bis Meran.«

»Meran, wie herrlich das klingt. Du bist zu beneiden.«

»Zu beneiden? Komm mit. Nichts ist doch einfacher als das, lieber Vetter.«

Ein Mädchen brachte Tee.

»Das sagt sich so leicht. Aber du hast ja gesehen, was es hier zu tun gibt.«

»Nicht jeden Tag laufen wildgewordene Bullen hier herum.«

»Das sind kleine Abwechslungen«, scherzte Falk. Das Mädchen war neben ihm stehen geblieben. »Was gibt es, Else?«

»Fräulein von Huth hat telefoniert. Die gnädige Baroness wird gegen sechzehn Uhr hier sein.«

»Danke, Else.«

Kaum war das Mädchen hinaus, als Deborah neugierig fragte: »Fräulein von Huth kommt dich besuchen? Einen Junggesellen? Falk, ich glaube, du hast mir nicht die ganze Wahrheit gesagt.«

Er breitete die Hände aus.

»Es gibt Dinge, über die man manchmal nicht reden kann.«

»Also hast du doch ein kleines Herzensgeheimnis?«

»Das ist zu viel gesagt. Schmeckt dir der Tee? Ich gebe gern zu, dass sie mir nicht gleichgültig ist. Ich mag sie sogar sehr gern. Aber damit ist ja noch nichts beschlossen und verkündet. In Wahrheit, ich fürchte, sie findet mich nicht ganz so reizvoll.«

»Das kann ich mir nicht vorstellen, Falk. Wenn wir nicht verwandt wären, ich weiß nicht, was ich alles täte, um dich unter die Haube zu bekommen.«

Sie lachten, dann meinte Falk: »Verschiedene Leute denken verschieden. Wir sind gut Freund, mehr nicht. Vor allem von ihrer Seite aus. Ich habe nämlich einen Nebenbuhler.«

»Nanu? Und du hast ihn noch nicht mit sämtlichen Lanzen deiner Vorfahren totgestochen?«

»Das wird schlecht gehen. Mein Nebenbuhler ist die Kunst. Sie ist Malerin.«

»Malerin? O Gott, Falk, lass die Finger von ihr. Ein Blaustrumpf? Wie schrecklich.«

Er schüttelte den Kopf, und nun lachte er nicht mehr.

Mit langsamer, nachdenklicher Stimme erklärte er: »Sie hat ein vorzügliches Talent. Ein wirkliches Talent. Ihre ganze Freude ist Malen, und sie malt entzückend. Nicht nur für ungebildete Ansprüche. Nun muss sie also wählen, zwischen mir und der Kunst. Wenn sie sich für mich entscheidet, bedeutet das, dass sie auf die Nähe der Kunststätten verzichtet. Sie müsste auf Schloss Stoltenberg leben. Gewiss, sie hätte genug Gelegenheit, sich ihrer Kunst zu widmen, aber eben nur Gelegenheit.«

»Machte das einen großen Unterschied?«

»Für sie ja.«

»Dann liebt sie dich nicht, Falk. Ein Mädchen, das wirklich liebt, kennt keine Wahl. Es entscheidet sich für den Geliebten, ohne Vorbehalt. Es nimmt ihn so, wie er ist.«

»Genau das ist mein Problem. Ich liebe sie, ich will es dir gern gestehen. Aber sie ...?«

»Armer Falk.«

»So komme ich mir auch bald vor. Armer Falk.«

»Muss es ausgerechnet sie sein?«

»Danach darfst du mich nicht fragen. Du weißt, wie das ist. Und was die Dichter dazu sagen. Wenn du so willst: ich liebe unglücklich.«

»Ich werde mit ihr reden«, verkündete Deborah kampfentschlossen. »Ich werde ihr die Ohren langziehen und ihr klarmachen, was für ein Prachtstück von Mann du bist. Ich werde ...«

»Du wirst hübsch artig heim nach Italien fahren, liebe Deborah. Liebe kann man nicht erzwingen. Auch du kannst das nicht.«

»Aber, du brauchst doch Hilfe.«

»Ich brauche keine Hilfe, meine Liebe. Entweder ich schaffe es allein, ihr Herz zu gewinnen, oder niemand kann es schaffen. So, und nun will ich dich zwar nicht hinauswerfen, dich aber darauf aufmerksam machen, dass deine Zeit gekommen ist. Sonst schaffst du es nicht mehr bis München.«

***

Fort war Deborah von Farke.

Lächelnd, ein klein wenig traurig, sah er ihr nach, bis der weiße Wagen hinter den mächtigen Parkbäumen verschwand. Er mochte diesen temperamentvollen Wirbelwind gern.

Falk stand auf der Schlosstreppe, schob die Hände in die Taschen und sah über sein Land.

Ja, es war sein Land. Seit seine Eltern nicht mehr waren, herrschte er allein über Stoltenberg. Er hatte keine Geschwister, ein älterer Bruder war im Krieg gefallen. Er besaß das große, kaum überschaubare Gut, er war reich, sehr reich, aber er war auch beladen mit der ganzen Verantwortung, mit der schweren täglichen Last, die das Gut bedeutete.

Gewiss, er hatte seine Rentmeisterei, hatte einen vorzüglichen Verwalter, hatte einen ausgezeichneten Förster, hatte für die vielen Maschinen einen glänzenden Mechaniker und für den umfangreichen Viehbestand sogar einen promovierten Spezialisten. Aber das alles entband ihn nicht von seinen Pflichten, das alles verhinderte nicht, dass in seiner Hand die Fäden zusammenliefen, dass aus seinen Händen die Befehle, die Ideen, die Pläne, die Anweisungen kommen mussten. Er hatte sich um alles zu kümmern, er musste stets um eine Nasenlänge besser informiert, schneller am Platze sein als alle anderen. Nur so, glaubte er, könnte er seiner Rolle als Herr auf Stoltenberg gerecht werden. Und so nur und nicht anders hatten es seine Väter und Vorväter ebenfalls gehalten. Und nur so war Stoltenberg zu diesem wahrhaft stolzen Besitz geworden, den es heute darstellte.

Trotzdem, etwas fehlte. Deborah hatte schon recht. Falk war fünfunddreißig Jahre alt, die unbekümmerte Jugend lag hinter ihm, er stand am Anfang seiner besten Lebensjahre. Er barst vor Energie, vor Schaffensfreude, aber eine Saite in seinem Herzen klang bei alledem nicht mit. Es war die Saite, auf der das Lied der Liebe hätte erklingen müssen.

Gewiss, er liebte, aber er liebte, ohne dass er geliebt wurde. Ja, Claudia von Huth war ihm zugetan, mehr, als er Deborah hatte eingestehen wollen. Doch Claudia konnte sich nicht voll zu ihm bekennen. Sie schwankte zwischen ihrer geliebten Malerei und ihm. Zwei Jahre kannten sie sich nun schon, sie wohnten knapp dreißig Kilometer auseinander, ein Katzensprung das nur, sie sahen sich oft, sie waren lieb und freundlich und zärtlich zueinander, aber es fehlte eben der beglückende Funke, der eine Liebe erst zu dem macht, was sie sein soll: ein Feuer, das die Herzen zusammenschweißt.

Was sollte er tun? Das fragte er sich seit schon geraumer Zeit. Er konnte Claudia nicht zwingen. Er konnte nur versuchen, sie zu überzeugen, ihr Dinge an die Hand zu liefern, die die Waagschale ihres Herzens zu seinen Gunsten beeinflussen konnten. Aber so sehr er sich bislang darum bemüht hatte, er hatte die rechten Dinge noch nicht gefunden.