Lore-Roman 144 - Ina von Hochried - E-Book

Lore-Roman 144 E-Book

Ina von Hochried

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Beschreibung

Dr. Horst Beumer ist ein erfolgreicher Schönheitschirurg. Mit der Schauspielerin Carlotta Riva genießt er die Freuden des Lebens. In ihrer Villa geht er fast täglich ein und aus. Eines Nachmittags kommt er mit Carlottas Sekretärin Inge Görgen ins Gespräch. Die schöne zurückhaltende Frau bittet Dr. Beumer um einen Gefallen: Er möge sich bitte ihren vom Kriege schwer entstellten Bekannten ansehen. Wer wenn nicht er könne aus einem von der Gesellschaft ausgestoßenen wieder einen lebensmutigeren Menschen machen. Der Schönheitschirurg zögert. Normalerweise beschäftigt er sich mit schiefen Nasen, schmalen Lippen oder Falten. Diese schwierigen Eingriffe erfordern viel Zeit, die er nicht hat, und zu allem Überfluss werden sie auch noch sehr schlecht honoriert. Doch ein Blick in Inges Augen verrät dem Arzt, dass es ihr besonders ernst ist. Soll er für die so reizende junge Frau über seinen Schatten springen?


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Inhalt

Cover

Der unbekannte Patient

Vorschau

Impressum

Der unbekannte Patient

Ein dramatischer Arzt- und Schicksalsroman

Von Ina von Hochried

Dr. Horst Beumer ist ein erfolgreicher Schönheitschirurg. Mit der Schauspielerin Carlotta Riva genießt er die Freuden des Lebens. In ihrer Villa geht er fast täglich ein und aus. Eines Nachmittags kommt er mit Carlottas Sekretärin Inge Görgen ins Gespräch. Die schöne zurückhaltende Frau bittet Dr. Beumer um einen Gefallen: Er möge sich bitte ihren vom Kriege schwer entstellten Bekannten ansehen. Wer wenn nicht er könne aus einem von der Gesellschaft ausgestoßenen wieder einen lebensmutigeren Menschen machen. Der Schönheitschirurg zögert. Normalerweise beschäftigt er sich mit schiefen Nasen, schmalen Lippen oder Falten. Diese schwierigen Eingriffe erfordern viel Zeit, die er nicht hat, und zu allem Überfluss werden sie auch noch sehr schlecht honoriert. Doch ein Blick in Inges Augen verrät dem Arzt, dass es ihr besonders ernst ist. Soll er für die so reizende junge Frau über seinen Schatten springen?

Dr. Horst Beumer trat ans Fenster und schaute auf die breite gepflegte Allee hinaus, an der sein Haus mit der Praxis stand.

Dr. Beumer hatte hier erst vor einem halben Jahr Einzug gehalten. Er hatte eine Menge Geld bezahlen müssen, um dieses Haus an diesem Platz bauen zu können, aber dieses Geld hatte sich bereits gut verzinst.

Seit er hier, im besten Viertel der Großstadt, seine Patienten empfing, hatte sich gerade der Kreis der vermögenden Besucher wesentlich erhöht. Genau das war letztlich Sinn seiner Pläne gewesen.

»Herr Doktor?«

Der Arzt ging zu seinem Schreibtisch und drückte einen Knopf an der Sprechanlage.

»Was gibt's, Fräulein Frey?«

»Frau von Altenhein möchte mit Ihnen sprechen.«

»Du meine Güte! Muss das sein?«

Die Sekretärin blieb die Antwort schuldig.

»Lassen Sie sie hereinkommen«, entschied Dr. Beumer seufzend. »In zehn Minuten erinnern Sie mich an die Konferenz mit der Bank.«

»Davon weiß ich nichts.«

»Ich auch nicht. Trotzdem erinnern Sie mich.«

»Ich verstehe.«

Es war klar, dass Dr. Beumer mit diesem fingierten Termin einen Vorwand suchte, um seine angekündigte Besucherin rasch wieder loszuwerden.

Es gab Menschen, die zuweilen dem Arzt die Frage aufdrängten, ob es nicht besser sei, sein Spezialgebiet, die kosmetische Chirurgie, aufzugeben und sich einem anderen Gebiet zuzuwenden. Diese Frau von Altenhein gehörte zu ihnen.

Das Schicksal wollte es jedoch, dass gerade diese Menschen zumeist die höchsten Rechnungen bezahlten, mit Freude sogar, denn es gehörte zu ihrer Mentalität, dass sie nur mit hohen Rechnungen zufrieden waren.

Dr. Beumer hatte anfangs um diese zwar schwer verständliche, aber nicht von der Hand zu weisende Tatsache nicht gewusst, und er hatte sich gewundert, warum einige Patientinnen sehr auf ihn schimpften, obwohl die Eingriffe durchweg gut gelungen waren.

Später hatte es ihm jemand gesagt: diese Leute, die das Geld viel zu leicht verdienen, wollen zahlen müssen, sonst fühlen sie sich nicht für voll genommen. Sie wollen, dass die Umwelt ihr Geld sieht, sonst werden sie böse.

Dr. Beumer hatte sich seither nach dieser Erfahrung gerichtet. Sie hatte ihm Patienten erhalten, neue zugeführt und sein Bankkonto mehr und mehr anschwellen lassen.

Die Tür öffnete sich, und Frau von Altenhein rauschte herein.

Die Frau war eine »imposante« Erscheinung. Sie trug Pariser Modelle, die für sie zu jugendlich waren. Sie duftete nach Parfümen, die man am Abend allenfalls verwendet, dann aber auch nur in geringsten Dosen. Sie hatte sich mit Schmuck behängt, mit dem man gut und gerne die gesamte Auslage eines Juweliergeschäftes hätte bestreiten können.

Dabei zeigte ihr rundes, fleischiges Gesicht den Ausdruck affektierter Koketterie und jener Dümmlichkeit, die bei den Menschen, die rasch und unverhofft zu Geld gekommen sind, leider nicht eben selten ist.

»Herr Doktor!«, zwitscherte die Frau, ließ ihr Gesicht zu einem breiten Lächeln zerfließen und segelte auf den Arzt zu. »Wie nett, Sie wiederzusehen!«

»Die Freude ist ganz auf meiner Seite!«, versicherte Dr. Beumer und neigte sich über die schmuckglitzernde Hand.

»So galant wie immer, Herr Doktor!«, säuselte die Frau.

»Wie ich sehe, haben Sie eine neue, entzückende Frisur komponieren lassen?«, heuchelte Dr. Beumer.

»Gefällt sie Ihnen?«

»Passt genau zu Ihrem Typ, gnädige Frau«, erwiderte der Arzt.

Es war an der Zeit, das Gesicht dieser Frau zu bewundern. Dr. Beumer hatte es selbst »konstruiert«, wie er zuweilen scherzhaft zu sagen pflegte.

Schon zweimal hatte er Hautraffungen vorgenommen, hatte einen Sattel im Nasenrücken ausgefüllt und hatte schließlich Wangenpolster unterlegt, weil die Frau sich für den slawischen Gesichtstyp begeisterte.

Nach so vielen Korrekturen hatte das Gesicht nicht mehr viel Ähnlichkeit mit dessen ursprünglicher Gestalt, es wirkte seltsam angespannt, fast starr, aber das war eine Folge der letzten Behandlung, die vor etwa einem Vierteljahr erfolgt war.

Dr. Beumer sagte ein paar schmeichelhafte Worte. Frau von Altenheim wehrte geziert ab, aber es war ihr deutlich anzumerken, dass sie auf diese Worte gewartet hatte.

»Sie werden sicherlich wissen wollen, weshalb ich zu Ihnen gekommen bin, Herr Doktor?«, sagte sie mit einem neckisch sein sollenden Augenaufschlag.

»Ich bin sehr neugierig, gnädige Frau.«

»Wussten Sie eigentlich, dass ich ein fünfjähriges Töchterchen habe?«

»Was Sie nicht sagen! Bei Ihrem Aussehen? Unmöglich!«

»Sie sind ein ganz Schlimmer, Herr Doktor! Doch, doch, ich habe eine Tochter, und ich habe sie sogar mitgebracht.«

»Wie reizend!«

»Möchten Sie sie sehen?«

»Brennend gern.«

»Katy!«

Die Tür öffnete sich, ein kleines hübsches Kindergesicht trug eine seltsam ernste Miene zur Schau und war sehr adrett gekleidet — für ein Kind dieses Alters ein bisschen zu ordentlich.

»Nun gib dem Onkel Doktor die Hand, Katy!«

Das Mädchen machte einen Knicks.

»Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Herr Doktor!« Die kleine Stimme klang geziert, unnatürlich.

»Ist sie nicht süß, meine Katy?«, zwitscherte die Mutter.

»Wirklich reizend. Und so vernünftig!«

»Nicht wahr? Ich gebe mir mit dem Kinde auch sehr viel Mühe. Ich gehöre nicht zu jenen Müttern, die ihre Kinder auf die Straße schicken, wo sie mit den Gören aus der Nachbarschaft spielen sollen. Für meine Katy kommt das nicht infrage. Übrigens werde ich sie auch nicht in die Schule schicken, sondern einen Hauslehrer einstellen.«

Armes Kind, dachte Dr. Beumer.

Laut sagte er: »Die kleine Katy wird ihrer Mutter später gewiss sehr dankbar sein.«

»Und sie lernt so fleißig! Katy, willst du dem Herrn Doktor nicht das neue Gedicht aufsagen?«

Katy trat einen Schritt vor, tat einen Knicks und plapperte wie eine Aufziehpuppe los: »Der Mond — gestern Abend, als ich durch die dunklen Straßen ging, als der Wind durch das dürre Laub der Bäume fuhr.«

»Bravo!«, klatschte Dr. Beumer in die Hände, indem er das Kind einfach unterbrach. »Den Rest höre ich mir ein andermal an, gnädige Frau. Meine Zeit ist leider etwas bemessen.«

»O ja, Sie sind ein vielbeschäftigter Arzt!«, rief die Frau empathisch und zog das Kind an sich. »Nun schauen Sie sich doch bitte einmal Katys Nase an.«

»Wie bitte?« Dr. Beumer glaubte nicht richtig gehört zu haben.

»Diese Nase! Ist sie nicht schrecklich?«

Dr. Beumer sah nichts anderes als ein typisch kindliches Stupsnäschen.

»Ich finde, Katy sieht mit dieser Nase unmöglich aus. Ich hatte an etwas Klassisches gedacht, so griechisch, verstehen sie?«

Dr. Beumer hüstelte. So etwas war ihm noch nicht vorgekommen. Nun sollte gar ein Kind schon ...

»Gnädige Frau, in diesem Alter ist die Form noch nicht fixiert. Das wächst sich sehr rasch aus.«

»Ich kann diesen Anblick aber nicht mehr ertragen!«, rief die Frau weinerlich. »Es macht mich ganz nervös.«

»Gnädige Frau, in spätestens einem halben Jahr ist davon nichts mehr zu sehen.«

»Oh, wie soll ich diese langen sechs Monate nur überstehen?«

»Gnädige Frau ...«

»Herr Doktor — Sie werden mich doch nicht im Stich lassen?«

Dr. Beumer schwankte. Was sollte er tun? Es war natürlich heller Wahnsinn, bei einem solchen Kinde eine Korrektur vornehmen zu wollen. Andererseits ...

»Bei Kindern ist die Sache sehr kompliziert, gnädige Frau.«

»Sie sind doch so unheimlich tüchtig, Herr Doktor! Gestern erst sagte ich zur Gräfin Dobel: der Herr Doktor Beumer, sagte ich, ist ein Genie!«

»Aber, aber!«

»Doch, das sind Sie! Und deswegen werden Sie auch diese Kleinigkeit schaffen!«

»Ich muss mir das noch überlegen.«

»Wollen Sie mich im Stich lassen?«

»Durchaus nicht — nun gut, ich werde Sie morgen früh anrufen und —«

Der Sprechapparat meldete sich. »Es ist höchste Zeit für die Konferenz, Herr Doktor!«, mahnte die Stimme der Sekretärin.

Dr. Beumer entschuldigte sich wortreich. Er versicherte der Frau, dass er sich genau informieren und alle Möglichkeiten prüfen würde. Endlich schwebte sie hinaus, ihm noch einen koketten Blick aus den Augenwinkeln zuwerfend.

Seufzend ließ sich der Arzt hinter seinem Schreibtisch nieder. Er langte in ein Fach, holte eine Flasche alten französischen Kognaks hervor und schenkte sich ein Glas ein.

»Puh ... «, machte er, und so war ihm auch zumute.

***

Was tun? Dr. Beumer wusste, er wäre ein halber Verbrecher gewesen, wenn er die Nase des Kindes unter das Messer genommen hätte. Selbst ihm, der schon so manche Bedenken beiseitegeschoben hatte, erschien dies ungeheuerlich.

Andererseits wusste er nur zu genau, was auf dem Spiele stand: diese schreckliche Frau würde sich über ihn den Mund zerreißen, wo immer sie mit Menschen zusammenkam.

Ihm drängte sich das Wort Rufmord auf — wie schnell ist das Ansehen eines Menschen vernichtet, wenn jemand nur genügend seinen Namen schmäht.

Gerade in der Schicht, aus der Beumers Patienten kamen, wurde auf derlei Geschwätz viel gegeben. Die Gründe? Mangel an wirklichen Sorgen, die Furcht, sich etwas zu vergeben, anderer Unsinn mehr.

Der Sprechapparat drang in seine sorgenvollen Gedanken.

»Fräulein Riva, Herr Doktor!«

Dr. Beumer sprang auf.

»Blümchen? Sofort herein mit ihr!«

Sein Gesicht belebte sich, rasch schob er Flasche und Glas beiseite.

Die Tür sprang auf. Es war, als stürme ein Tornado ins Zimmer.

Dieses Wesen, gemischt aus Jugend, Temperament, Eigenwilligkeit und Wissen um Wirkung, warf sich dem Arzt an den Hals.

»Horst, ich könnte die Dubrowa ermorden!«, rief die seltsame metallische, etwas rau wirkende Stimme.

»Nimm Gift, Blümchen, das ist am elegantesten.«

Der weibliche Wirbelwind löste sich von ihm, warf sich in den nächsten Sessel, kam für eine halbe Minute zur Ruhe.

Dieses Mädchen war ausgesprochen hübsch. Ein sehr ebenmäßiges Gesicht mit ein paar tanzenden Augen, einem vollen Mund, und vor allem: mit sehr geschickt angewendeter Kosmetik.

Das Haar war kurz gestutzt, dunkel, es sah aus, als habe es unter einem Sturm gelitten, aber diese Wildheit war wohl arrangiert, sorgfältig hergestellt.

Über die Figur dieses geschmeidigen Geschöpfes konnte es keinen Streit geben: sie war so gut wie vollkommen.

Dazu die Jugend! Dieses Mädchen war allenfalls neunzehn Jahre alt.

Es gab keinen Mann, der dieses Bündel Leben übersehen konnte, der gleichgültig zu bleiben vermochte.

Dr. Beumer betrachtete das Geschöpf lächelnd, in seinen Gesichtsausdruck mischten sich Wohlgefallen, Stolz, Amüsiertheit.

»Beruhigt, Blümchen?«, erkundigte er sich nach einer angemessenen Pause.

»Willst du mich endlich fragen, was mit der Dubrowa ist?«, fuhr sie ihn an. Wie eine Wildkatze sah sie dabei aus.

»Also — was ist mit ihr?«

»Sie will mir meine Rolle stehlen, dieses Biest!«

»Oho! Das geht doch wohl nicht. Du hast doch deinen Vertrag.«

»Trotzdem versucht sie es! Horst, ermorde sie für mich, ich bitte dich.«

»Erst muss ich wissen, weshalb du dich über sie ärgerst.«

»Weshalb? Heute früh ist sie mit so einem Ausschnitt ...« — sie deutete ihn an, und was sie zeigte, war wirklich bestürzend — »... im Atelier erschienen.«

»Man hätte die Polizei rufen sollen!«, kommentierte der Arzt trocken.

»Die Polizei? Die Dubrowa ist vollkommen unverschämt, die hätte selbst die Beamten becirct. Weißt du, warum sie das getan hat?«

»Keine Ahnung!«

»Weil dieser Doktor ... Doktor ... — ist ja auch gleich! Der Mann vom Verleih war da. Du hättest mal sehen sollen, wie sie vor ihm herumgetänzelt ist!«

»So ist das also. Aber ich bin sicher, dass du dich nicht aus dem Felde hast schlagen lassen.«

»Das war ja gerade die Gemeinheit!«, schimpfte das Mädchen, und es hätte nicht viel gefehlt, dass sie explodiert wäre. »Sie wusste, dass dieser Kerl heute kommt — ich nicht!«

»Und?«

»Na, wenn ich es gewusst hätte, dann hätte ich sie noch übertroffen!«

»Blümchen, du bist und bleibst du selbst!«, lachte Dr. Beumer.

Das Mädchen lachte nun auch.

»Übrigens habe ich ihr die Tour gleich verdorben. Als sie nämlich besonders affig vor dem Kerl herumstolzierte, habe ich ihr ein Bein gestellt. Sie ist in die Kulissen gesegelt wie ein Hase bei der Treibjagd. Das ganze Atelier hat sich halbtot gelacht.«

Dr. Beumer lachte aus vollem Halse. Das war Blümchen, ein kleines Raubtier, unbeherrscht, impulsiv, ein sprühendes Wesen voll Unberechenbarkeit und sonderlichen Einfällen, modern, sachlich, nüchtern, sehr hübsch, sehr weiblich.

Das Thema wurde fallengelassen. Blümchen hatte ihren Zorn von der Leber geredet, der Fall interessierte sie nicht mehr.

»Weißt du, ich habe mir gedacht, dass wir heute ein bisschen Segelboot fahren«, plapperte sie darauflos. »Ich muss unbedingt ein bisschen mehr Bräune bekommen.«

»Ich habe heute Nachmittag zwei Patienten bestellt.«

»Die fetten Weiber können warten.«

»Blümchen! Damen der Gesellschaft!«

»Na ja, ich meine ja nur so.«

»Außerdem habe ich schwere Sorgen.«

»Du? Dass ich nicht lache!«

»Doch, doch. Man hat mir — wie man so sagt — ein Kuckucksei ins Nest gelegt.«

»Erzähl alles deinem Blümchen, mein Lieber. Es wird dir guttun.«

Sie lehnte sich zurück, gefiel sich plötzlich in der Rolle der gütigen Frau, die anderer Menschen Sorgen auf sich nimmt.

»Blümchen, ich möchte wissen, wann du mal nicht vor der Kamera stehst! Du fällst aus einer Rolle in die andere.«

»Ich bin und bleibe nun mal ein Filmstar, das darfst du nie vergessen. Von mir erwartet man so etwas.«

»Stimmt, Blümchen, du bist Carlotta Riva, du hast zehn Starklubs, deine Autogramme steigen im Kurs, und ein paar Skandalgeschichten hat der Pressechef deiner Firma auch schon erfunden.«

»Erinnere mich nicht daran!«, fauchte sie.

»Verzeih! Dabei bist und bleibst du mein Blümchen, nicht wahr?«

»Wenn du weiter den Oberlehrer spielst, bin ich es nicht mehr lange. Erzähle mir lieber, was du für Sorgen hast.«

»Gern, mein Kind. Also hör zu: da ist doch vor einer halben Stunde eine meiner Stammpatientinnen gekommen und hat von mir verlangt, dass ich nun auch ihre Tochter unter das Messer nehmen soll.«

Blümchen horchte auf. »Tochter? Ist sie hübsch?«

»Es lohnt sich hinzuschauen.«

»Das gefällt mir gar nicht. Ich befehle dir, ihr eine krumme Nase zu machen.«

»Blümchen! Das Mädchen ist eben fünf Jahre alt!«

»Ach so!«

»Ich kann doch nicht ein fünfjähriges Mädchen operieren! Es soll eine neue Nase bekommen, eine griechische noch dazu.«

Blümchen schüttelte den Kopf. »Ideen haben manche Leute ...«

»Ich weiß wirklich nicht, was ich tun soll ...«, sinnierte der Arzt. »Operiere ich, ist's so etwas wie ein Verbrechen. Tue ich es nicht, ist's ein Schlag ins eigene Gesicht.«

»Wieso?«

»Die Frau hetzt draußen dermaßen gegen mich, dass ich schweren Schaden erleide. Du kennst das doch.«

»Natürlich kenne ich das. Neulich wollte jemand von mir behaupten, dass ich schiele. Dem habe ich es aber gegeben!«

»Na, siehst du ...«

Blümchen schlug die aparten Beine übereinander. Ihre Stirn kräuselte sich, sie dachte nach. Das geschah nicht oft, und der Arzt hütete sich, sie zu stören.

»Horst, ich hab's!«, rief sie gleich darauf.

»So? Da bin ich aber gespannt.«

»Du operierst und operierst nicht.«

»Blümchen, du machst Einstein Konkurrenz — aber ich verstehe dich nicht.«

»Da kannst du mal sehen, wie weit es mit euch Studierten reicht. Wenn mal wirklich ein bisschen Grips verlangt wird, steht ihr wie der Ochs vorm Tor.«

»Wie gut, dass ich dich habe, Professor!«

»Willst du mich auf den Arm nehmen?«

»Viel zu gern, Blümchen.«

»Das hat Zeit bis später«, entschied sie mit ihrem Sinn für das Zweckmäßige, »pass auf: du nimmst das Kind in die Klinik, klar?

»Noch kann ich folgen.«

»Du bringst es in die Nar ... Nar ... — na, wie heißt das?«

»Narkose?«

»Ich sag's ja die ganze Zeit! Du betäubst es also, und dann lässt du die Kleine ins Bett bringen und ihr einen schönen Verband umlegen.«

»Und wo bleibt die Operation?«

»Die ist damit fertig.«

»Blümchen, du bist die Sphinx persönlich.«

»Du meine Güte, was bist du heute wieder schwerfällig!«, seufzte das Sternchen des Filmhimmels. »Du tust ganz einfach so, als hättest du die Kleine operiert, lässt sie in der Klinik liegen und so weiter, was alles erforderlich ist. Und dann nimmst du eines Tages den Verband ab und sagst: Na, gnädige Frau — wie gefällt Ihnen das neue Näschen Ihrer Tochter? Und sie wird sagen: Himmlisch, genauso habe ich es mir gedacht!«

»Blümchen, du bist verrückt!«

»Verrückt? Ich bin zwar erst neunzehn Jahre alt, lieber Doktor, aber ich kenn die Menschen. Sie wollen betrogen sein. Sie wollen ihren Willen durchgedrückt sehen, dann geben sie Ruhe. Oh, ich vergaß noch einen wichtigen Punkt: Du schickst der guten, liebenden Mutter natürlich eine gesalzene Rechnung. Nicht zu vergessen!«

Dr. Beumer lachte irritiert. Dieser Vorschlag konnte einzig und allein dem krausen Hirn einer Carlotta Riva entspringen. Aber — je mehr er ihn überdachte, desto mehr kam er zu der Einsicht, dass der Grundgedanke etwas für sich hatte.

»Na, Horst? Was ist?«

»Wenn man die Unmöglichkeit abstreicht, Blümchen, ist die Idee gar nicht so übel ...«

»Na also!«

»Nur, ich fühle mich nicht wohl dabei. Das ist nämlich glatter Betrug.«

»Horstemännchen, du hast doch nicht etwa Skrupel?«

»Nein, aber mein Gewissen.«

»Na, dir muss es vielleicht gutgehen, dass du dir so etwas leistest«, erklärte das bemerkenswerte Mädchen trocken.

Der Arzt überhörte ihr loses Mundwerk. Ihm war ein Gedanke gekommen: Sollte nicht dieser Herr von Altenhein ein vernünftiger Mensch sein? Wie, wenn man ein Wort unter Männern mit ihm sprach?

Man könnte ja mit ihm aushandeln, dass er die Kosten für die Klinik bezahlte, dass er die Kosten für die Operation einfach ignorierte, weil sie ja in Wirklichkeit gar nicht ausgeführt war?

Dr. Beumer warf seinen weißen Kittel ab. Er breitete die Arme aus.

»Komm, Blümchen, lass dich umschlingen! Du bist ein Goldschatz!«, lachte er.

Blümchen ließ sich nicht zweimal bitten. Sie warf sich an seine Brust, sie war wie ein stürmisches Kind.

»Fahren wir jetzt mit dem Segelboot?«, wollte sie wissen und drückte dem Arzt einen kleinen Kuss auf die Nasenspitze.

»Natürlich fahren wir mit dem Segelboot. Dein Einfall ist eine Belohnung wert.«

»Mehr nicht?«

»Doch — einen Kuss!«

Sie reichte ihm ihren blühenden Mund. Es schmeckte nach Rouge und Parfüm. Ein bisschen Lockung der Jugend war auch dabei.

***

Herr von Altenhein zog nervös an seine Zigarette. Er sah müde aus und verbraucht, man hätte ihm am liebsten geraten, für ein halbes Jahr gründlich auszuspannen.

Sein schmaler Kopf verriet Rasse, seine Augen waren hell und klug, aber die Lider hingen schlaff herab, um den Mund gab es einen erschöpften Zug.

»Ich freue mich, Herr von Altenhein, dass Sie mich besuchen«, sagte Dr. Beumer und lehnte sich in seinem Sessel zurück.

»Die Umstände sind außergewöhnlich, Herr Doktor Beumer.«