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Ina von Hochried

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Beschreibung

Ein Ehemann geht nicht verloren: Liebesroman um eine aufregende Suche


Julia sprang hoch und stürzte ans Fenster, als ein Wagen in die nächtlich stille Straße einbog. Wieder nichts! Die junge Frau presste die heiße Stirn an die kühle Scheibe und schluchzte leise auf.

Noch nie in ihren sechs Jahren Ehe war Matthias so lange fortgeblieben, ohne sie zu benachrichtigen. Dabei hatten sie sich zum Abendessen verabredet, und Julia hatte alles besonders hübsch hergerichtet, weil sie den geliebten Mann mit einer freudigen Nachricht überraschen wollte. Was war geschehen?

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Seitenzahl: 140

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Inhalt

Cover

Impressum

Ein Ehemann geht nicht verloren!

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: PeopleImages / iStockphoto

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-6835-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Ein Ehemann geht nicht verloren!

Liebesroman um eine aufregende Suche

Von Ina von Hochried

Julia sprang hoch und stürzte ans Fenster, als ein Wagen in die nächtlich stille Straße einbog. Wieder nichts! Die junge Frau presste die heiße Stirn an die kühle Scheibe und schluchzte leise auf.

Noch nie in ihren sechs Jahren Ehe war Matthias so lange fortgeblieben, ohne sie zu benachrichtigen. Dabei hatten sie sich zum Abendessen verabredet, und Julia hatte alles besonders hübsch hergerichtet, weil sie den geliebten Mann mit einer freudigen Nachricht überraschen wollte. Was war geschehen?

Julia hatte eine Zeit lang am Fenster gestanden und versonnen hinausgeschaut. Nun wandte sie sich um und blickte ihren Mann an.

»Magst du noch etwas Kaffee?«, fragte sie. Ihre Stimme hatte einen wunderbaren Klang.

Matthias hob den Kopf. Er wirkte befremdet.

»Ist das alles, was du dazu zu sagen hast, Julia?«

»Natürlich nicht. Was willst du hören? Soll ich dir vorhalten, dass du überhaupt keinen Grund hast, unzufrieden mit deinem Schicksal zu sein? Soll ich dir sagen, dass es uns besser geht als Millionen anderen Menschen? Soll ich dir sagen, dass derjenige, der keine Sorgen hat, sich gern welche einredet?«

»Was für ein Unsinn«, brummte Matthias.

Julia nickte und griff nach der Kaffeekanne. Ihre schönen Augen sahen auf einmal unendlich traurig aus.

»Siehst du, genauso habe ich mir deine Reaktion vorgestellt«, erklärte sie, »und deswegen sage ich lieber gar nichts. Ich weiß, dass es sowieso sinnlos ist. Du hast nur schlechte Laune, weil du heute diesen nörgeligen Bauherrn sehen musst.«

»Ihn und andere. Aber ich merke schon, dass es überhaupt keinen Sinn hat, mit dir zu reden. Du verstehst mich nicht oder du willst mich nicht verstehen.«

Julia lächelte so nachsichtig, wie eine Mutter ihr Kind anlächelt, wenn es schlechte Laune hat.

»Ach, Matthias, was redest du da für einen Unsinn? Selbstverständlich will ich dich verstehen. Wenn nicht dich, wen sonst?«

Matthias lächelte und griff über den Tisch hinweg nach ihrer Hand. Er drückte sie herzlich.

»Entschuldige, ich meine es nicht so. Es tut mir leid. Wahrscheinlich bin ich heute mit dem falschen Fuß aufgestanden.«

Sofort wurde ihr Lächeln versöhnlich.

»Das habe ich mir auch schon gedacht«, antwortete sie. »Deswegen sollten wir diesen sinnlosen Disput beenden und uns den wirklich wichtigen Dingen zuwenden. Zum Beispiel der Frage, ob du heute zum Mittagessen nach Hause kommst oder nicht.«

»Wahrscheinlich nicht. So leid es mir tut.«

»Ich habe Rouladen im Kühlschrank.«

Er lachte und ließ ihre Hand los, gab Zucker und Milch in seine Tasse und rührte um.

»Damit wirst du mich auch nicht locken können, denn ich bin ja nicht Herr meiner Zeit«, erwiderte er. »Vor allem heute nicht.«

»Wie leid du mir tust«, versicherte Julia, und in ihrem Blick lag die ganze Liebe, die sie ihrem Mann entgegenbrachte. »Aber ich verspreche dir, dass ich dich heute Abend für alles entschädigen werde. Darauf kannst du dich verlassen.«

»Entschädigen? Wie denn?«

»Das weiß ich noch nicht so genau, aber ich lasse mir schon etwas einfallen.«

Er nahm einen Schluck Kaffee. »Mach dich einfach schön für mich«, schlug er vor. »Das allein wäre schon genug.«

Julia lachte leise, dass ihre weißen Zähne blitzten.

»Mir wäre es aber nicht genug«, setzte sie dagegen. »Ich bin ja schließlich kein Ziergegenstand, sondern ein Mensch.«

»Vor allem aber eine Frau. Und noch dazu eine sehr schöne und attraktive.«

»Also hältst du mich doch für ein Zierpüppchen, mein Lieber«, wandte sie ein, aber sie meinte es wohl nicht so ernst, denn sie lächelte. »Das ist für mich jedoch nicht genug.«

Nein, ein Zierpüppchen war sie gewiss nicht, sondern eine moderne junge Frau mit großen braunen Augen, glänzendem Haar und einer Figur, die sich wahrhaft sehen lassen konnte. Ihre Haut war glatt und leicht gebräunt, und ihre Bewegungen anmutig, jugendlich und voller Schwung. Sie war eine von jenen Frauen, die man nicht mehr vergaß, wenn man sie einmal zu Gesicht bekommen hatte.

»Das Zierpüppchen ist also nicht genug für dich«, ging Matthias auf ihre Bemerkung ein. »Was also möchtest du sonst noch?«

»Eine Aufgabe, eine wirkliche Aufgabe, die mich ausfüllt und meinem Leben einen Sinn gibt.«

»Du hältst unser Haus in Ordnung und verrichtest sämtliche Arbeiten, weil du keine Hilfe haben willst. Du kümmerst dich um den Garten und alles andere, was eigentlich mein Ressort wäre, was ich aber nicht bewältigen kann, weil ich …«

Julia unterbrach ihren Mann und schüttelte den Kopf.

»Ich bin sicher, dass du, während du mir diese Punkte aufzählst, genau weißt, dass das alles nur Beschäftigungsmaßnahmen sind.«

Er strich mit der flachen Hand über sein Gesicht.

»Also gut – was möchtest du sonst noch tun? Du könntest dir die Möglichkeiten dazu verschaffen, indem wir einfach eine Hilfe einstellen und du dich künftig nicht mehr um den Haushalt zu kümmern brauchtest. Du hättest also Zeit genug, um etwas anderes …«

»Stopp!« Julias Augen blitzten. »Jetzt bin ich es wohl, die mit dem falschen Bein aufgestanden ist«, rief sie. »Vergiss es, Matthias! Es ist nicht so ernst gemeint, und ich habe nicht die Absicht, dir vor einem harten Arbeitstag die Ohren vollzujammern.« Sie erinnerte sich an ihre eigenen Worte und nahm sie wieder auf: »Kümmern wir uns besser um diejenigen Dinge, die wirklich wichtig sind. Ja, ich habe die Absicht, dir heute Abend eine Freude zu machen. Hast du noch einen anderen Vorschlag? Ich bin bereit, dir jeden Wunsch zu erfüllen.«

Er schmunzelte, und in seinem Blick lag immer noch sehr viel Verliebtheit, obwohl sie schon seit sechs Jahren miteinander verheiratet waren.

»Was hältst du von einem guten Abendessen?«, schlug er vor.

»Habe ich mir schon vorgenommen. Welches Kleid soll ich denn anziehen?«

»Kaufe dir doch mal ein Neues.«

Sie lachte. »Das sollte jemand hören! Ein neues Kleid kaufen, wo ich genug davon im Schrank habe.«

»Du solltest es trotzdem tun, denn man weiß ja, dass Frauen dann und wann, wenn sie ein wenig daneben hängen, eine neue Hülle brauchen. Entschuldige das Wort Hülle, mir fällt gerade nichts Besseres ein. Also: kaufe dir etwas und überrasche mich damit.«

»Und ich lasse mir noch etwas einfallen, denn als Köchin und als lebender Kleiderständer fühle ich mich nun mal nicht ausgelastet.«

Jetzt war er es, der den Kopf schüttelte.

»Wenn es dich nicht gäbe, Julia, müsste man dich erfinden! Du bist köstlich. Köstlich und süß und der einzige Lichtblick in meinem Leben!«

»Stimmt nicht, Matthias«, protestierte sie, erhob sich, kam um den Tisch herum und schlang von hinten ihre Arme um seinen Hals. Sie schmiegte ihre Wange an sein Gesicht. »Es gibt noch viele andere Lichtblicke in deinem Leben, aber du siehst sie nicht, weil du sie für selbstverständlich hältst. Wenn du heute irgendwann fünf Minuten Zeit hast, solltest du mal darüber nachdenken. Ich finde, dass es sich lohnt.«

Er drückte ihren Kopf fester an sich und gab ihr einen Kuss.

»Du hast recht«, antwortete er. »Ich sollte nicht nörgeln, sondern arbeiten, und außerdem muss ich jetzt gehen. Es wird höchste Zeit, sonst setzen mich meine Leute auf die Verlustliste.«

Sie gab ihn frei, er erhob sich und ging in die Diele, um seine Jacke überzuziehen. Julia nahm den Aktenkoffer auf, der schon bereitstand, und wartete, bis er ihn ihr aus der Hand nahm.

»Ich weiß nicht genau, wann ich kommen kann«, sagte er, »aber ich rufe rechtzeitig vorher an. Damit du Zeit genug für deine Überraschungen hast.«

»Ich freue mich schon jetzt«, antwortete Julia, und ihre Augen hatten einen wunderbaren Glanz.

Matthias zog seine Frau an sich und gab ihr einen liebevollen Kuss auf den Mund.

»Ich freue mich auch«, flüsterte er. »Ich …« Er stockte, schien nicht zu wissen, wie er fortfahren sollte, und dann auf einmal öffnete er die Haustür und ging mit schnellen Schritten hinaus.

Einige Augenblicke später stieg er in seinen Wagen, nachdem er Julia noch einmal zugewinkt hatte, ließ den Motor anspringen und brauste davon.

Lange konnte er allerdings nicht brausen, denn schon nach wenigen Hundert Metern bog er auf die Hauptstraße ein, auf der zu dieser Morgenstunde wie immer sehr viel Betrieb herrschte.

Matthias’ Gesicht wurde kantig.

»Das hört nie auf«, knurrte er vor sich hin. »Niemals hört es auf …«

***

Kaum war er weg, wandte sich Julia ihrer Arbeit zu.

Sie räumte den Frühstückstisch ab und schaffte in der Küche Ordnung. Sie öffnete die Terrassentür weit, damit frische Luft hereinströmen konnte. Die Luft war zwar heute nicht sehr warm, wie sie es jetzt im Sommer eigentlich hätte sein müssen, aber schließlich musste auch mal gelüftet werden.

Ich kann irgendwo unterwegs etwas essen, dachte sie. Ich habe ja ein volles Programm, und Matthias kommt mittags nicht nach Hause. Also kann ich mir ein wenig freien Raum lassen und brauche mich nicht festzulegen.

Eine knappe halbe Stunde später befand sich das Haus sozusagen auf Hochglanz.

Julia ging ins Schlafzimmer, holte ein weißes Kostüm aus dem Schrank und eine seidene Bluse. Sie kleidete sich an und schminkte sorgfältig ihr Gesicht. Nicht zu viel, nicht zu wenig.

Schließlich trat sie an ihren Sekretär heran und öffnete ein verborgenes Fach. Sie entnahm ihm mehrere beschriebene Blätter, faltete sie sorgsam zusammen und schob sie in ihre Handtasche.

Noch etwas?

Oh, die Blumen auf den Fensterbänken mussten kontrolliert werden. Julia füllte Wasser auf, wo es notwendig war, und als ihr nun wirklich nichts mehr einfiel, was sie vergessen haben könnte, verließ sie das Haus, verschloss sorgfältig die Tür und holte ihren weißen Sportwagen aus der Garage. Wenig später fuhr sie los.

Der Betrieb auf der Hauptstraße war mittlerweile schon wieder ganz normal, sodass sie rasch in die Innenstadt gelangte. Sie fuhr den Wagen in eine Tiefgarage, und wenig später betrat sie ein gutes Modegeschäft.

Die Empfangsdame trat ihr entgegen. Ihr Lächeln wirkte geschäftsmäßig, ihr Blick tastete das weiße Kostüm ab. Da es nicht sehr teuer gewesen war, wurde der Blick der Dame ein wenig kühler.

»Womit können wir Ihnen dienen?«, fragte sie.

»Ich möchte ein Kleid. Ein Sommerkleid.«

»Haben Sie bestimmte Vorstellungen?«

»Bunt, luftig und ein bisschen schick.«

Das Lächeln im Gesicht der Empfangsdame verlosch vollständig.

»Bunt trägt man in dieser Saison aber gar nicht«, fertigte sie die schöne Julia ab.

»Ich trage nicht, was gerade in Mode ist, sondern was mir gefällt«, setzte Julia unbeeindruckt dagegen. »Können Sie mir etwas zeigen, oder muss ich es anderswo versuchen?«

Die Dame sog hörbar die Luft ein. »Sie wollen gewiss nicht viel anlegen, nicht wahr?«

»Auf jeden Fall kein Vermögen. Wie ist es nun also? Kann ich hier etwas bekommen oder nicht?«

»Das wird schwierig sein. Wenn Sie darauf bestehen, kann ich mal unseren Auszubildende fragen. Sie kennt sich mit der günstigen Kollektion besser aus als ich. Warten Sie, ich …«

Die Tür ging auf, und Frau Krottke kam herein, eine Nachbarin von Julia. Sie erkannte Julia sofort und segelte auf sie los.

»Frau Gräfin, was für ein Zufall!«, rief sie. »Wenn ich das gewusst hätte, hätten wir auch zusammen in die Stadt fahren können!«

Julia lächelte verhalten, denn darauf legte sie ganz und gar keinen Wert. Frau Krottke redete nämlich pausenlos.

Trotzdem wollte Julia sich eine nette Antwort abringen, um nicht unhöflich zu sein. Da mischte sich die vornehme Empfangsdame ein.

»Wenn Sie bitte Platz nehmen wollen, Frau Gräfin?«, säuselte sie. »Selbstverständlich bemühe ich mich selbst um ein entzückendes Sommerkleid, und ich bin ganz sicher, dass ich etwas sehr Hübsches finden werde. Nur eine Sekunde, ich bin sofort zurück!« Und sie eilte auch schon davon.

Doch Julia hatte keine Lust mehr.

»Bemühen Sie sich nicht, es hat sich erledigt«, sagte sie rasch. »Wenn Sie sich erst jetzt auf Ihre Pflichten besinnen, ist es zu spät. Mich sehen Sie jedenfalls nicht wieder. Auf Wiedersehen, Frau Krottke, wir sehen uns bestimmt noch.«

Und schon befand sie sich wieder auf der Straße.

Einerseits ärgerte sie sich, andererseits amüsierte sie sich. So sind die Menschen nun mal, dachte sie. Wenn sie glauben, dass man nicht viel Geld im Portemonnaie hat, behandeln sie einen von oben herab. Wenn sie aber herausfinden, dass man einen Adelstitel hat, überschlagen sie sich vor Freundlichkeit. Es ist immer wieder das gleiche Lied.

Wohin jetzt?

Nein, nicht in ein Modegeschäft, dazu hatte sie keine Lust mehr. Vielleicht, so dachte sie, gehe ich nachher in ein Kaufhaus. Dort kostete es weniger, und sie brauchte sich nicht über schnippische Bemerkungen zu ärgern. Außerdem war die Auswahl wahrscheinlich noch größer.

Im Übrigen sollte ich meinen Mut zusammennehmen und jetzt erst einmal zur Redaktion gehen.

Wo die Redaktion der Zeitung sich befand, wusste Julia. Sie hatte schon mehr als einmal vor dem Haus gestanden, aber sie hatte noch nie den Mut aufgebracht, über die Schwelle zu treten.

Diesmal aber tat sie es. Ihr Puls ging rascher, und ihr hübsches Gesicht rötete sich, als sie nach dem Kulturredakteur fragte und in sein Büro gewiesen wurde.

Er saß hinter einem total überladenen Schreibtisch und hatte langes, wirres Haar.

»Kennen wir uns?«, fragte er grußlos und warf Julia einen knappen Blick zu.

»Nein, Herr Hellmann, ich …«

»Wollen Sie mir etwas anbieten? Ich habe keinen Bedarf, das sage ich Ihnen gleich. Was haben Sie denn?«

Julia wurde sichtlich kleiner bei seinen Worten.

»Ich … ich habe mich an ein paar Gedichten versucht«, stammelte sie.

»Du liebe Güte, auch das noch!«, stöhnte Hellmann. »Gedichte! Wer liest denn heute noch so was! Die Gedichte, die ich veröffentliche, schreibe ich selber. Können Sie nicht eine Geschichte mit Hand und Fuß liefern? Modern und realistisch! Eine literarische Reportage über … es gibt doch genug, womit man die Leute erschrecken kann. Erschrecken und beklemmen. So was ist in Mode, nicht aber zarte Lyrik!«

»Ich …«

»Wie heißen Sie denn?«

»Gräfin Rotten …«

Sofort wurde der Blick des Redakteurs intensiver.

»Sie sind eine Gräfin?«, fragte er irritiert.

»Ja, ich …«

»Haben Sie schon etwas veröffentlicht?«

»Nein, noch nie. Ich dachte nur …«

»Sind Sie verheiratet?«

»Ja, das bin ich.« Julia fasste sich ein wenig. Obwohl der Titel ihr wieder einmal eine Tür zu öffnen schien, die eben noch fest verschlossen war.

»Was sagt Ihr Mann dazu, dass Sie Gedichte schreiben?«

»Er weiß es gar nicht. Ich habe es ihm nicht gesagt, weil ich fürchte, dass er mich auslacht.«

»Nehmen Sie Platz und zeigen Sie mal her.«

Es wurde Zeit, dass er ihr einen Platz anbot, denn Julias Knie waren längst weich geworden. Ihre Hand zitterte, als sie die Blätter aus der Tasche zog und sie über den überladenen Schreibtisch reichte.

Hellmann nahm sie und las sie quer. Seine Miene blieb unbewegt.

»Nicht schlecht«, urteilte er nach ein paar Augenblicken. »Wirklich nicht schlecht. Nur wird so was nicht gebraucht, Gräfin, ich sagte es schon. Sie haben einen Sinn für Poesie, Sie sind empfindsam und können offenbar hinter die Dinge sehen. Warum versuchen Sie es nicht wirklich mal mit einer Reportage?«

»Ich habe keine Ahnung, wie man … über was soll ich denn eine Reportage schreiben? Es ist doch alles längst abgehandelt worden.«

»Aber nicht über die Frau, die Ihnen als Erste begegnet, wenn Sie das Haus verlassen und auf die Straße treten. Sie ist noch nicht beschrieben worden. Niemand hat sich überlegt, was für ein Schicksal sie mit sich herumträgt, und ein Schicksal hat ja jeder Mensch. Um nur ein Beispiel zu nennen. Die Themen liegen auf der Straße, Gräfin Rotten. Was für einen Beruf hat Ihr Mann? Landwirt?«

»Er ist Architekt. Wir leben hier in der Stadt.«

Hellmann nickte. »Auch eine wahre Fundgrube! Sehen Sie sich seine Klienten an. Beschreiben Sie sie! Erzählen Sie, welche Erwartungen sie an das Haus knüpfen, das Ihr Mann ihnen bauen soll! Schildern Sie, wie und wo sie bisher gelebt haben. Woher sie das Geld haben, mit dem sie das Haus bauen wollen. Aber bitte – immer literarisch angehoben, sonst sind Sie bei mir an der falschen Adresse.«

»Ich verstehe, Herr Hellmann«, hauchte Julia. Sie war total verstört, und das konnte man wahrlich nicht übel nehmen.

Hellmann suchte eines der Gedichte heraus, die Julia ihm gegeben hatte.

»Hier, das nehme ich. Vielleicht bringe ich es schon morgen. Wenn ja, bekommen Sie dreißig Euro Honorar, mehr geht nicht. Ihre Adresse, damit wir Ihnen das Geld überweisen können.«

Julia hatte Mühe, die Visitenkarte aus der Tasche zu ziehen. Hellmann warf einen kurzen Blick darauf, dann grinste er.

»Sogar mit einer goldenen Krone«, stellte er fest. »Noch ganz wie in den alten Zeiten. Darf ich mal was fragen, einfach nur so aus Interesse?«

»Bitte …«

»Sind Sie durch Heirat Gräfin geworden, oder waren Sie als Mädchen auch schon von Adel?«

»Doch, das war ich. Ich bin eine geborene Komtess Lindenhein.«

»Also waschecht?«

»Wenn man es so nennen will …«

»Freut mich, freut mich sogar sehr. Morgen bringe ich das Gedicht. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Ihren Namen daruntersetze? Das ist so üblich.«

»Nein … ja, ich …«