Babys & Sweet Secrets - Nancy Salchow - E-Book
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Nancy Salchow

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Beschreibung

Sammelband mit drei Liebesromanen: "My Boss, My Baby", "Forbidden Night, Sweet Surprise" und "Ein Baby für Mr. One-Night". Klappentext von "My Boss, My Baby": Alleinerziehende Mutter mit Baby, viel zu kleiner Wohnung und einem Kontostand, der zum Heulen ist. Du hast dich damit abgefunden und bist fest entschlossen, deinem kleinen Sohn trotzdem das bestmögliche Leben zu bieten. Als du jedoch durch Zufall in ein privates Dinner deines Bosses Aaron platzt, stellt er dich ohne Vorwarnung als seine Freundin vor – und als die Mutter seines Kindes. Natürlich bist du nicht seine Freundin und dein Kind ist auch nicht seins. Spielst du sein verrücktes Spiel trotzdem mit? Mit allen Konsequenzen?

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Inhaltsverzeichnis

Buch 1: My Boss, My Baby

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Epilog

Buch 2: Forbidden Night, Sweet Surprise

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Epilog

Buch 3: Ein Baby für Mr. One-Night

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Epilog

Impressum

Nancy Salchow

Babys & Sweet Secrets

________________

Sammelband mit drei Liebesromanen

Buch 1: My Boss, My Baby

Alleinerziehende Mutter mit Baby, viel zu kleiner Wohnung und einem Kontostand, der zum Heulen ist.

Du hast dich damit abgefunden und bist fest entschlossen, deinem kleinen Sohn trotzdem das bestmögliche Leben zu bieten.

Als du jedoch durch Zufall in ein privates Dinner deines Bosses Aaron platzt, stellt er dich ohne Vorwarnung als seine Freundin vor – und als die Mutter seines Kindes.

Natürlich bist du nicht seine Freundin und dein Kind ist auch nicht seins. Spielst du sein verrücktes Spiel trotzdem mit? Mit allen Konsequenzen?

Dieser Roman ist in sich abgeschlossen, enthält heiße Szenen und lässt dich hoffentlich mit einem Lächeln zurück.

Anmerkung:Fleesenow ist eine von der Autorin erfundene Kleinstadt an der Ostsee, die immer mal wieder in ihren Büchern vorkommt. Angesiedelt wäre Fleesenow, gäbe es den Ort wirklich, vermutlich irgendwo in der Nähe der Insel Poel oder Wismar, der Heimat der Autorin.

Kapitel 1

Bria

____________

Dieser Morgen hat etwas angenehm Ruhiges an sich. Es sind zwar einige Touristen und Einheimische am Hafen unterwegs, aber irgendwie scheint heute alles ein wenig stiller als sonst.

Die Masten der Segelboote strecken sich gegen die grelle Sommersonne, während ich am Steg vorbeigehe und wie so oft davon träume, einfach in eines der Boote zu steigen und aufs Meer hinauszufahren.

Neben der mannshohen Holzfigur eines Matrosen sitzt eine Möwe auf dem Asphalt und verputzt die Reste einer Eiswaffel. Ein für Fleesenow typisches Bild. Seit meiner Geburt lebe ich hier, in dieser märchenhaften kleinen Stadt an der Ostsee, und es gibt keinen Ort, an dem ich lieber wohnen würde.

Meine Hände liegen auf dem Griff des Kinderwagens, während ich immer wieder hineinschaue und Eddy beim Schlafen beobachte.

Die ersten Monate waren ziemlich anstrengend, weil ich einfach noch nicht einordnen konnte, warum er weint oder nicht schlafen will. Aber nun, wo wir das erste halbe Jahr hinter uns haben, kenne ich ihn gut genug, um zu wissen, was ihm guttut und was er braucht, meistens zumindest.

Jetzt mit sechseinhalb Monaten hat er einen richtig niedlichen goldblonden Flaum auf seinem kleinen Köpfchen. Einer der tausend Gründe, warum er für mich natürlich das süßeste Baby der Welt ist.

Es ist unser morgendlicher Spaziergang, bei dem er meistens nach wenigen Minuten einschläft, so auch heute. Und wenn er erst mal schläft, kann ihn so schnell nichts wecken.

Als wir das kleine Hafenbistro erreichen, muss ich unweigerlich an die vielen Mittagspausen denken, die ich dort mit lieben Kollegen verbracht habe. Einen kleinen Stich im Herzen spüre ich, als ich ein paar Meter weitergehe und die Glasfront der Bauer-Agentur vor mir sehe.

In der breiten Eingangstür kann ich mein eigenes Spiegelbild sehen. Eigentlich sehe ich noch genauso aus wie vorher: Schulterlanges bernsteinfarbenes Haar, algengrüne Augen und eine kurvige, aber dennoch schlanke Figur. Selbst die Schwangerschaft konnte daran langfristig nichts ändern.

Ja, eigentlich bin ich noch immer dieselbe wie früher. Gerade mal 27 Jahre jung, praktisch mit beiden Beinen fest im Leben stehend. Und doch fühle ich mich ganz weit entfernt von der Frau, die tagtäglich in diesem Gebäude unterwegs war.

Ja, theoretisch weiß ich, dass ich noch immer ein Teil des Teams bin und nach der Elternzeit wieder Events organisieren werde, doch jetzt fühle ich mich, als hätte mich jemand an den Rand gedrängt. Als wäre ich mutterseelenallein.

Doch der Blick in den Kinderwagen erinnert mich daran, dass das ein Trugschluss ist. Nur weil ich jetzt ungeplant alleinerziehend bin und keine Familie im typischen Sinne habe, bin ich noch lange nicht einsam.

Nein. Ich darf das größte Wunder erleben, das es gibt: Ein eigenes Kind.

Und doch folgt mir die Wehmut, während ich das Agenturgebäude hinter mir lasse. Große finanzielle Schritte sind in der Elternzeit nicht möglich, erst recht nicht, seitdem der Kleine da ist. Auch die Tatsache, dass meine Zwei-Zimmer-Wohnung nicht sonderlich groß ist, ist mir erst mit Eddys Geburt so richtig klargeworden.

In genau diesem Moment wird Eddy wach und brabbelt undefinierbare Laute vor sich hin. Eine Angewohnheit von ihm, das mir mittlerweile so vertraut geworden ist, dass ich sofort stehenbleibe und meinen Handrücken an seiner Wange hinabgleiten lasse.

„Na, welcher kleiner Schnuff ist denn da wachgeworden?“ Ein verträumtes Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. „Mama liebt dich, mein Schatz.“

In Momenten wie diesen ist es mir vollkommen egal, ob jemand meine piepsige Stimme hört, die ich immer bekomme, wenn ich mit meinem Sohn rede. Genau das ist eine der vielen positiven Entwicklungen seit seiner Geburt: Dass mir das, was andere denken oder sagen könnten, mittlerweile völlig egal geworden ist. Denn letztendlich gibt es nichts Wichtigeres als mein Kind.

Wen kümmert da ein schiefer Blick von irgendwelchen Leuten, die ich gar nicht kenne?

Irgendwo ertönt ein Schiffshorn und erinnert mich an die traumhafte Kulisse, die wir unsere Heimat nennen dürfen. Und plötzlich ist sie wieder verschwunden, die gerade noch so greifbare Wehmut. Alles, was übrigbleibt, ist grenzenlose Liebe für dieses winzige Geschöpf im Kinderwagen vor mir.

Kapitel 2

Aaron

____________

„Wie jetzt?“ Ich starre ungläubig von meinem Schreibtisch auf. „Die haben uns abgesagt? Einfach so? Aber wir haben einen Vertrag mit denen.“

„Ich weiß.“ Kenny faltet die Hände ineinander, als wäre es seine Schuld. „Die haben logistische Probleme, unter anderem. Ich habe aber schon einen Ersatz an der Hand. Die sind halt nur ein kleines bisschen teurer. Wollte mir nur schnell dein Okay holen.“

„Was auch immer nötig ist“, ich mache eine wegwerfende Handbewegung, „Hauptsache, wir haben Getränkestände. Sonst können wir das Strandfest vergessen.“

„Schau noch mal in deine Mails“, sagt Kenny. „Ich habe den neuen Vertrag vorbereitet. Was wir wegen der anderen Firma machen, können wir dann ja danach noch besprechen.“

„Alles klar.“ Ich hebe dankend die Hand. „Ich schau gleich mal rein.“

Kenny nickt mir kurz zu und bleibt einen Moment regungslos vor meinem Schreibtisch stehen.

So sehr ich mich auch freue, dass ich in ihm einen zuverlässigen Ersatz für Bria während ihrer Elternzeit gefunden habe, seine Unsicherheit ist doch manchmal etwas irritierend.

Ständig wartet er darauf, ob ich noch etwas von ihm will und bleibt nach jedem Gespräch noch sekundenlang stehen und starrt mich erwartungsvoll an.

So etwas hat Bria nie getan. Sie hatte einfach dieses ganz besondere Feeling dafür, was ich brauche und was für die Agentur am besten ist. Manchmal wusste sie es sogar besser als ich. Sie hat nie auf meine Anweisungen gewartet, sondern war mir immer zwei Schritte voraus. Sie kannte mich eben ganz genau.

„Ist noch was?“, frage ich leicht gereizt.

„Ähm, von meiner Seite aus nicht, nein.“ Kenny lächelt verlegen. „Ich dachte nur, du hättest vielleicht noch die ein oder andere Frage.“

„Dann hätte ich sie doch schon gestellt, oder?“

„Ähm, ja, stimmt.“

Wie er so schuldbewusst dasteht, mit seinen gerade mal zweiundzwanzig Jahren, den lässigen Jeans und dem schwarzen Pferdeschwanz zu seiner breitrahmigen Brille, bekomme ich sofort ein schlechtes Gewissen, weil ich so schlechtgelaunt rüberkomme.

„Super Arbeit“, sage ich also schnell. „Toll, dass du das alles so gut im Griff hast. Ich melde mich wieder, wenn was ist.“

Ohne ein weiteres Wort verlässt er mein Büro wieder und schließt die Tür hinter sich.

Was stimmt nur nicht mit mir? Wieso bin ich von einem so engagierten Mitarbeiter genervt? Liegt es daran, dass er eben nicht Bria ist?

Gedankenverloren stehe ich von meinem Kunstledersessel auf und wende mich der Fensterfront zu. Von hier oben habe ich einen unverstellten Blick auf den Hafen, die Seebrücke und das Meer. Doch viel zu selten genieße ich die Aussicht, weil einfach immer irgendetwas zu tun ist.

In letzter Zeit erwische ich mich jedoch immer wieder bei einem seltsamen Gefühl der Leere. Eine Leere, die ich mir selbst nicht so recht erklären kann.

Bisher hat mich der Job immer voll und ganz ausgefüllt. Hier und da mal eine nette kleine Affäre – über mangelndes Vergnügen konnte ich mich nie beklagen. Es war zwar nie eine Frau dabei, die für mehr als ein kleines Abenteuer in Frage gekommen wäre, aber das hat mir bisher nie etwas ausgemacht. Der Job war mir Ausgleich genug.

Liegt es vielleicht an meinem dreißigsten Geburtstag, den ich vor ein paar Wochen gefeiert habe? Ist er der Wendepunkt, von dem immer alle reden?

Nein, der käme doch sicher erst mit 40. Also, die sogenannte Panik, endlich Wurzeln im Leben schlagen zu müssen.

Aber was ist es dann, das mich in letzter Zeit immer wieder über alles sinnieren lässt?

In genau diesem Moment reißt mich das Telefon aus meinen Gedanken. Ohne aufs Display zu schauen, nehme ich den Anruf entgegen – und merke erst jetzt, dass meine Mutter am anderen Ende der Leitung ist.

*

Aaron:

Hallo?

Karen:

Hallo Schatz. Störe ich dich gerade?

Aaron:

Hi Mama. Nein, alles gut. Bin gerade allein.

Karen:

Ich wollte nur noch mal fragen, ob es bei heute Abend bleibt.

Aaron:

Unser Essen? Na klar, wieso sollte sich was daran ändern?

Karen:

Ich wollte halt nur sichergehen.

Aaron:

Warum fragst du denn noch mal nach? Es ist doch nur ein ganz normales Essen in Piets Restaurant. Nichts Besonderes. Oder habe ich irgendwas verpasst?

Karen:

Nein, ein ganz normales Essen. Wie immer.

Aaron:

Moment mal, du hast doch nicht schon wieder irgendwas vor, oder?

Karen:

Was soll ich denn vorhaben?

Aaron:

Du weißt genau, was ich meine, Mama. Sollte das wieder mal eine deiner blöden Verkuppelungsaktionen werden, dann …

Karen:

Was denn für eine Verkupplungsaktion?

Aaron:

Komm schon, Mama, stell dich nicht dumm, ja? Wir haben das zusammen schon oft genug durchgemacht. Heute will ich einfach nur ein entspanntes Abendessen mit meiner Mutter genießen. Nicht mehr und nicht weniger.

Karen:

Na, dann sind wir uns ja einig, mein Schatz. Wir treffen uns dort um sieben, wie besprochen, ja?

Aaron:

Mama???

Karen:

Warum denn der komische Unterton? Ich habe nichts Schlimmes vor, keine Sorge. Es wird ein toller Abend werden.

Aaron:

Ja, in deinen Augen ist eine Verkupplungsaktion ja auch nichts Schlimmes.

Karen:

Keine Sorge, mein Schatz. Du musst nichts befürchten. Nur wir beide. Versprochen.

Aaron:

Dein Wort in Gottes Ohren.

Karen:

Ich freue mich. Bis heute Abend.

Aaron:

Bis dann

*

Als ich auflege, hallt das seltsame Gefühl noch eine Weile nach. Viel zu oft hat meine Mutter schon versucht, mich mit irgendeiner Frau zu verkuppeln, weil sie offenbar befürchtet, ihr einziger Sohn könnte einsam sterben. Oder noch schlimmer: Sie könnte niemals Enkelkinder bekommen.

Angefangen haben diese Verkupplungsversuche kurz nach Papas Tod vor vier Jahren. Nach kurzer schwerer Krankheit hatte er uns viel zu früh verlassen. Ein traumatisches Ereignis, das uns eine ganze Weile aus der Bahn geworfen hat. Wir hatten ziemlich damit zu kämpfen, wieder halbwegs zuversichtlich in die Zukunft zu blicken.

Damals fokussierte sich meine Mutter noch mehr auf mich als vorher. Anfangs konnte ich das gut nachvollziehen, immerhin war es für uns beide eine schwere Zeit. Sogar die ersten von ihr arrangierten Treffen mit Frauen habe ich ihr deshalb verziehen. Doch mittlerweile nervt mich ihre ständige Einmischung nur noch.

Ein Klopfen reißt mich aus den Gedanken.

„Ja?“ Ich drehe mich zur Tür um.

Kenny schaut durch den Spalt. „Dein Zehn-Uhr-Termin ist da. Kann ich die beiden reinschicken?“

„Ähm, klar.“ Ich ringe mir ein kleines Lächeln ab. „Danke, Kenny.“

Ich wende mich wieder vom Fenster ab, um die Vertreter einer neuen Bühnenshow in Empfang zu nehmen, die wir eventuell für künftige Events buchen werden.

Doch wie so oft weiß ich auch dieses Mal vorher nicht, ob es wirklich zu einer Zusammenarbeit kommen wird. Das ist das Problematische, aber gleichzeitig auch das Positive an meinem Job: Alles ist möglich und jeder Tag bringt etwas Neues mit sich.

Kapitel 3

Am späten Nachmittag

Bria

____________

„Woooo ist die Nase?“ Papa funktioniert wieder mal seinen Daumen zur Nase um und macht damit seinen kleinen Enkel verrückt, der ihn mit großen Augen betrachtet. „Daaaa ist sie!“

Er sitzt mit Eddy auf dem Schoß in meinem Sessel und genießt es bereits vor meinem Verschwinden, sein heutiger Babysitter zu sein.

„Ich werde nicht lange weg sein.“ Ich stehe mit meiner Handtasche über der Schulter im Türrahmen des Wohnzimmers. „Kommst du so lange klar?“

„Ob ich klar komme?“ Er zieht die Augenbrauen hoch. „Ist das eine ernstgemeinte Frage? Du tust ja gerade so, als würde ich zum ersten Mal auf Eddy aufpassen.“

„Ach, Papa, so war das doch nicht gemeint.“ Ich werfe ihm einen Luftkuss zu. „Ich bin doch froh, dass ich dich habe.“

Der Anblick meines Vaters zusammen mit Eddy wärmt mein Herz. Seine neunundfünfzig Jahre sieht man ihm kaum an, denn er ist fit wie eh und je. Auch das volle Haar ist noch immer fast genauso dunkel wie vor zwanzig Jahren. Nur ein paar Falten auf der Stirn und an den Augen verraten sein Alter. Wenn er allerdings mit Eddy zusammen ist, wirkt er noch mal zwanzig Jahre jünger.

„Wo willst du überhaupt hin?“, fragt er beiläufig.

„Ach, ich hole mir nur was von Piet. Habe heute voll Appetit auf seine Lasagne. Die ist echt nicht zu schlagen. Und ich wollte Eddy nicht mitnehmen, weil er doch nachher ins Bett muss.“ Ich schlucke. „Aber die Wahrheit ist, dass ich auch einfach mal raus will. Ein bisschen für mich sein, weißt du?“

„Lass dir so viel Zeit, wie du willst, Schatz. Eddy ist bei mir in den besten Händen.“

„Das weiß ich doch. Sein Brei steht im Kühlschrank. Die Anleitung, wie du ihn aufwärmst, liegt auf der Anrichte.“ Ich halte kurz inne. „Soll ich dir was von Piet mitbringen?“

„Nee, lass mal, ich habe noch gebratenen Aal zu Hause.“

„Du und deine Fisch-Besessenheit.“ Ich rolle mit den Augen.

„Na und?“ Er zuckt mit den Schultern. „Ich stehe dazu.“

Lachend hebe ich noch mal die Hand, nur um kurz darauf endlich die Wohnung zu verlassen.

Draußen angekommen stelle ich wieder einmal fest, dass ich mit meiner Wohnung eigentlich großes Glück habe. Auch wenn sie ein wenig eng für Eddy und mich ist, ist die Lage dafür umso paradiesischer. Im Erdgeschoss eines reetgedeckten Hauses gelegen, eine Einfahrt direkt von der Strandpromenade aus – was will man mehr?

Noch auf der Türschwelle stehend schließe ich kurz die Augen und atme ganz langsam ein und wieder aus.

Wann habe ich mir das letzte Mal Zeit für mich genommen? Und ist es albern, einen kurzen Spaziergang zum Strand, um mir was zu essen aus Piets Stegrestaurant zu holen, als Auszeit zu bezeichnen?

Nein, es fühlt sich gut an, einfach mal für mich zu sein. Auf Treffen mit Freundinnen habe ich im Moment einfach keine Lust. Vielleicht weil ich von den eher kurzen Nächten erschöpft bin und mich abseits davon einfach nur nach Ruhe sehne? Oder liegt es daran, dass mich meine berufstätigen Freundinnen umso mehr daran erinnern, dass ich kein Teil mehr des Arbeitslebens bin?

Doch nur vorübergehend. Sei nicht albern und hör auf, dich selbst zu bedauern.

Vielleicht tut es aber auch einfach nur weh mitanzusehen, dass sie alle in glücklichen Beziehungen sind, während ich meinen Sohn allein großziehen muss.

Du hast es selbst so gewollt, vergiss das nicht.

Ja, aber welche Wahl hatte ich denn? Das Beste für Eddy zu wollen, steht nun mal im krassen Widerspruch zu einer Beziehung mit dem größten Mistkerl auf diesem Planeten. Dann lieber keinen Vater für den Kleinen als SO EINEN.

Ich versuche, die aufkommenden Erinnerungen an Leonard zu verdrängen, während ich meinen Fußweg zum Strand antrete.

Ich sollte Papas Hilfe viel öfter in Anspruch nehmen. Er liebt seinen Enkel über alles und wohnt ebenfalls in Fleesenow. Perfekte Voraussetzungen also.

Warum nur nutze ich sein Angebot so selten? Weil ich mir wie eine Rabenmutter vorkomme, wenn ich auch mal ein paar Minuten für mich allein haben möchte?

Schon jetzt vermisse ich Eddy wieder. Meine Güte, ich bin gerade mal seit einer Minute an der frischen Luft!

Und doch weiß ich, dass es richtig ist, mir diese Mini-Auszeit zu gönnen. Wer weiß, vielleicht mache ich vor meinem Abstecher zu Piet sogar noch ein paar Schritte im Meer.

Barfuß durch das frische Nass. Was gibt es Besseres, um auf andere Gedanken zu kommen?

*

Wenig später

Als ich Piets Restaurant betrete, um mir am Tresen etwas To-Go zu bestellen, frage ich mich unweigerlich, wann ich das letzte Mal hier war.

Fast alle Tische sind besetzt, es ist so viel los wie immer. Oder sogar noch mehr, als ich es in Erinnerung habe?

War ich seit Eddys Geburt überhaupt wieder hier? Die Monate, die seitdem vergangen sind, fühlen sich an wie ein einziger langer Tag mit zu wenig Schlaf, aber dafür mit umso mehr Emotionen und Kuscheleinheiten.

Hin und wieder huscht eine Kellnerin, deren Gesicht mir fremd ist, hinter dem Tresen vorbei, ist aber sofort wieder irgendwo im Restaurant verschwunden. Auch Piet selbst habe ich schon in der Tür zur Küche gesehen, sogar die Hand hat er kurz in meine Richtung gehoben. Aber dann war auch er verschwunden.

Viel los heute.

Also bleibe ich etwas unbeholfen am Tresen stehen und klappe eine der dort ausgelegten Speisekarten auf, als müsste ich erst noch nachschauen, was ich bestellen möchte. Dabei habe ich mich längst für die Lasagne entschieden.

Vermutlich hätte ich besser anrufen sollen vorher. Aber wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, war die Entscheidung, mir etwas von Piet zu holen, eher ein Vorwand – so etwas wie „Der Weg ist das Ziel“. Ein Grund, um unterwegs zu sein. Danach mit einer leckeren Lasagne nach Hause zu kommen, ist einfach nur ein positiver Nebeneffekt.

Doch jetzt, wo ich all die glücklichen Paare an ihren Tischen sehe oder auch ganze Familien, kommt mir meine Suche nach etwas Ablenkung fast schon lächerlich vor.

Hilfe, wie armselig bin ich eigentlich? Warum habe ich nicht einfach eine meiner Freundinnen angerufen? Oder habe ich mittlerweile alle vertrieben, die mich mochten, weil ich in den letzten Wochen einfach nie Zeit für sie hatte?

Versunken in meinen eigenen Gedanken und Zweifeln erkenne ich nicht sofort, wer an einem der Tische, unweit des Tresen sitzt.

Ist er das etwa?

Nein, unmöglich. Das wäre schon ein ziemlich krasser Zufall, dass mir ausgerechnet ER an meinem einzigen freien Abend seit langem über den Weg läuft.

Doch allmählich wird mir klar, dass er es wirklich ist.

Aaron, mein Boss. Zusammen mit seiner Mutter ist er gerade dabei, Wein zu trinken und irgendetwas mit ziemlich vielen Kartoffeln zu essen.

Dass sie seine Mutter ist, weiß ich, weil sie schon einige Male in der Agentur war. Außerdem erkennt man schon von weitem die Ähnlichkeit zwischen den beiden: Das kaffeebraune Haar (er sehr kurz geschnitten, sie schulterlang), die tiefdunklen Augen, das markante Lächeln. Ja, das haben die beiden zweifellos gemeinsam. Nur mit dem Unterschied, dass Aaron zusätzlich vor allem durch seinen durchtrainierten Oberkörper auffällt, den man an diesem Abend unter seinem enganliegenden Hemd besonders gut erkennen kann. Und dann diese dicken Augenbrauen und der akkurat frisierte Bart.

Verdammt, ist er heiß. Viel zu heiß, wenn man bedenkt, dass er nach wie vor mein Boss ist.

Hilfe, sah er vor meiner Elternzeit auch schon so verteufelt gut aus? Attraktiv fand ich ihn ja schon immer, aber kann es sein, dass mich der Abstand zum Job (und irgendwie zur ganzen Welt) alles noch mit einem ganz anderen Auge wahrnehmen lässt?

Oh mein Gott, starr da nicht so hin!

Plötzlich erkenne ich eine langbeinige Blondine im knielangen Rock neben ihrem Tisch.

Stand die schon die ganze Zeit da? Gehört sie zu ihnen?

Sie wird doch wohl nicht seine Freundin sein? Soweit ich weiß, ist er Single. Aber ich bin ja auch schon seit Ewigkeiten nicht mehr in der Agentur gewesen und eigentlich gar nicht mehr auf dem Laufenden.

Kapitel 4

Zur selben Zeit

Aaron

____________

„Oh, was für ein netter Zufall!“ Mama strahlt die Frau neben unserem Tisch an, als wäre sie eine leibhaftige Königin. „Wo kommst du denn her, Fiona?“

„Karen“, die Fremde schüttelt ihr freundlich die Hand, „was für eine Überraschung, dich hier zu sehen.“ Sie schaut auch mich an. „Ich meine, euch.“

Ich nicke ihr freundlich zu, schaue aber direkt wieder zu Mama, die mir gegenüber sitzt und so unschuldig guckt, als wäre dies tatsächlich einfach nur ein Zufall.

So viele Dinge gehen mir durch den Kopf, die ich meiner Mutter an den Kopf werfen will.

Sag mal, merkst du eigentlich noch was, Mama? Glaubst du, nur weil du dir diesmal die Mühe gemacht hast, das Auftauchen einer Frau wie einen Zufall aussehen zu lassen, merke ich nicht, was hier los ist?

Doch ich möchte sie nicht vor dieser Fiona bloßstellen, also bemühe ich mich um Höflichkeit.

„Freut mich auch“, antworte ich flüchtig und wende mich sofort wieder meiner Mutter zu, die ich mit eindringlichem Blick betrachte. Ein Blick, von dem ich hoffe, dass er ihr alles sagt, was ich vor dieser Frau nicht laut aussprechen möchte.

Doch Mama ist sehr geschickt daran, meine Wut zu ignorieren.

„Fiona ist die Tochter einer lieben Kollegin“, sagt Mama stolz. „Sie hat ein eigenes Reisebüro, weißt du? Und das mit gerade mal 28 Jahren. Unglaublich, oder?“

„Ja.“ Ich nippe an meinem Weinglas. „Unglaublich.“

Ja, diese Frau mag attraktiv sein, keine Frage. Aber sie hat weder Ausstrahlung noch dieses gewisse Etwas. Sie ist einfach nur eine von vielen, die mir meine Mutter vorstellt, in der blinden Hoffnung, mich endlich in feste Hände zu geben.

Während ich krampfhaft überlege, wie ich dieser unangenehmen Situation entfliehen kann, fällt mir plötzlich jemand am Tresen auf.

Ist das etwa …

Ja, zweifellos. Es ist Bria.

Was tut sie hier? Wartet sie auf eine Bestellung? Hat sie sie überhaupt schon aufgegeben?

Gut sieht sie aus. Das Muttersein macht sie noch attraktiver als vorher. Ihre Wangen sind etwas fülliger, ihre Figur kurviger. Eine Veränderung, die sie noch interessanter wirken lässt.

Ja, es steht ihr. Und ihrer Ausstrahlung hat die Geburt auch gutgetan.

Oder wird mein Eindruck von der Tatsache beeinflusst, dass ich sie so lange nicht gesehen habe und mir erst jetzt bewusst wird, wie sehr sie mir nicht nur in der Firma, sondern auch als treue Seele an meiner Seite gefehlt hat?

„Und?“ Mama strahlt diese Fiona an. „Was führt dich her? Eine Verabredung zum Abendessen?“

„Oh nein“, antwortet sie, „es gibt aktuell niemanden, mit dem ich mich zum Essen verabrede.“

„Hast du das gehört, Aaron?“ Mama schaut mich mit großen Augen an. „So eine tolle Frau und niemand, mit dem sie sich zum Essen verabredet.“

Offensichtlicher kann ein Verkupplungsversuch nicht sein.

Immer wieder wandert mein Blick zu Bria – und ja, jetzt hat sie mich tatsächlich auch selbst entdeckt.

Eine verrückte Idee streift meinen Kopf. Eine Idee, die diese peinliche Aktion meiner Mutter schlagartig beenden könnte. Und so clever und einfühlsam, wie Bria immer war, wird sie mir ganz sicher dabei helfen können.

Aber könnte diese Idee Konsequenzen haben? Für Bria, für mich?

Ja, natürlich.

Lass es besser sein! Das wird alles nur noch komplizierter machen.

Doch was immer es wirklich ist, das mich dazu bringt, mich vom Tisch zu erheben, ich tue es trotz allem.

„Oh, da bist du ja!“, rufe ich laut zu Bria herüber, die sofort erstaunt in meine Richtung blickt.

Mama und diese Fiona schauen verwirrt zu ihr, wie ich zum Tresen gehe und die Hände auf Brias Schultern lege. In dem Sekundenbruchteil, in dem ich mich zu ihr vorbeuge, flüstere ich ihr zu: „Bitte spiel mit. Ich erkläre dir später alles.“

Kapitel 5

Bria

____________

„Bitte spiel mit. Ich erkläre dir später alles.“

Seine Worte sind so leise und unwirklich, dass ich sie im ersten Moment gar nicht richtig einordnen kann. Und dann geht alles plötzlich ganz schnell. Er beugt sich zu mir vor und küsst mich direkt auf den Mund.

Auf den Mund!

Mein Herz rast, gleichzeitig leert sich mein Kopf in nur einer einzigen Sekunde.

Nichts ergibt mehr einen Sinn. Alles, was ich zustande bringe, ist ein verwirrtes Lächeln, während sein Satz von eben wie ein Echo in der Luft hängt.

Bitte spiel mit. Ich erkläre dir später alles.

Dann nimmt er meine Hand und führt mich zu dem Tisch, an dem seine Mutter sitzt und mit großen Augen zu mir blickt. Auch die Blondine steht noch immer neben ihr, sieht aber mindestens genauso verwirrt aus.

„Mama?“ Er legt die Hände von hinten auf meine Schultern, als wäre ich ein zu präsentierender Pokal. „Das ist meine Freundin.“ Er schluckt. „Bria. Ich finde, es wird Zeit, dass du sie endlich kennenlernst.“

Ich stehe total neben mir und weiß nicht, was ich sagen soll. Ich lächele noch immer, merke aber selbst, dass es ein ziemlich dämliches Grinsen sein muss.

Mehr bekomme ich jedoch einfach nicht hin. Dafür ist das alles viel zu konfus, viel zu irritierend.

„Deine Freundin?“ Seiner Mutter klappt beinahe die Kinnlade herunter. „Äh, deine richtige Freundin?“

„Ja, Mama“, seine Hände liegen noch immer auf meinen Schultern, „mein Schatz Bria.“

„Bria“, wiederholt seine Mutter irritiert. „Aber warum hast du sie nie erwähnt?“

„Wir“, stammelt Aaron. „Ähm, wir wollten nicht, dass …“

„Moment mal“, unterbricht sie ihn, den Blick zu mir gerichtet, „ich … ich habe Sie schon mal in der Agentur meines Sohnes gesehen.“

„Ähm, ja …“, antworte ich verwirrt.

„Ja, genau.“ Aaron legt den Arm um mich und drückt mir einen Kuss auf die Wange. „Da haben wir uns auch lieben gelernt. Genau deshalb“, er hält kurz inne, „haben wir unsere Beziehung bisher auch geheim gehalten. Wir wollten nicht, dass die Kollegen es erfahren. Deshalb haben wir es auch niemandem sonst gesagt.“

„Aber sie war doch deine Assistentin“, hakt Mama nach. „Sagtest du nicht, dass sie gerade im Mutterschutz ist?“

Ich sehe, wie Aaron sämtliche Farbe aus dem Gesicht weicht.

Mutterschutz.

Spätestens jetzt ist sein seltsamer Plan doch unweigerlich zum Scheitern verurteilt. Er wird doch wohl nicht vor ihr behaupten, dass …

„Ja, das ist sie“, sagt er plötzlich stolz. „Und wir sind wahnsinnig glückliche Eltern. Wir“, er sieht mich an, „dachten … ähm … ich meine, wir finden, dass es an der Zeit ist, dich endlich einzuweihen und dir die Wahrheit zu sagen. Du … du bist Oma.“

Das hat er gerade nicht wirklich gesagt, oder?

Ich bin unfähig, etwas zu sagen, sondern stehe einfach nur da wie ein begossener Pudel und grinse noch immer, auch wenn mir nicht wirklich nach Lachen zumute ist.

Was passiert hier gerade, verdammt noch mal? Und warum lasse ich das überhaupt zu?

Er ist mein Boss, ja. Nach wie vor. Aber heißt das, dass ich deshalb alles mitmachen muss?

Oder liegt es daran, dass mich seine Anwesenheit schon immer ein wenig nervös gemacht hat? Ist es seine Nähe, die mir auch jetzt wieder diese seltsame Gänsehaut beschert und die mich dazu bringt, ihn diese verrückten Dinge sagen zu lassen?

„Was sagst du da gerade?“ Die Augen seiner Mutter weiten sich noch mehr. „Du … du bist Vater geworden? Und du … du erzählst es mir erst jetzt?“

Kapitel 6

Aaron

____________

„Ähm, ich glaube, ich lasse euch bei dieser Unterhaltung besser allein“, sagt Fiona und verschwindet genauso schnell von unserem Tisch, wie sie aufgetaucht ist.

In diesem surrealen Moment scheint die Zeit irgendwie stillzustehen.

Habe ich das gerade wirklich getan? Habe ich meiner Mutter gesagt, dass Bria und ich ein Kind zusammen haben?

Der Instinkt, sie endlich davon abzubringen, mich immer und immer wieder verkuppeln zu wollen, hat vermutlich meinen Verstand ausgesetzt.

Oder lag es einfach daran, dass ich mich so gefreut habe, Bria wiederzusehen? Ein Umstand, der zusätzlich meine Hormone und Gehirnzellen durcheinandergewirbelt hat? Die unterdrückte Sehnsucht, tatsächlich eine eigene Familie zu haben?

„Tut mir leid“, sage ich schließlich zu Mama, „wir haben es bisher niemandem gesagt. Wir wollten nicht, dass es Gerede in der Firma gibt und … na ja … jetzt ist die Geheimniskrämerei jedenfalls vorbei.“

Ich drücke mit der Hand etwas fester gegen Brias Oberarm. Eine Art Zeichen, das ihr zu verstehen geben soll, dass ich sie jetzt brauche. Dass sie mich nicht auffliegen lassen soll – und dass es mir irgendwie auch leidtut, sie da hineingezogen zu haben.

Aber kann ein Handdruck wirklich all das ausdrücken? Ist das nicht doch ein wenig viel verlangt? Dass sie alleinerziehend ist, weiß ich. Aber wer wirklich der Vater ist, hat sie nie erzählt. Was, wenn meine Lüge gar keine Grundlage hat, um bestehen zu können?

„Ich bin jedenfalls erleichtert, dass die Lügerei jetzt vorbei ist“, sagt Bria plötzlich und reicht Mama die Hand. „Es freut mich, Sie endlich auch mal richtig kennenzulernen. Bisher haben wir uns in der Agentur ja immer nur flüchtig gesehen.“

Bria und ich schauen uns nur kurz an. Lediglich für einen Sekundenbruchteil. Aber in diesem einen unwirklichen Augenblick weiß ich, dass sie auf meiner Seite ist. Dass sie keine Fragen stellt, sondern einfach mitmacht – selbst in einem verrückten Fall wie diesem.

Mama erwidert Brias Handschütteln, ist aber noch immer sprachlos.

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, stammelt sie fassungslos.

„Ich will euch auch gar nicht lange stören“, sagt Bria plötzlich. „Mein Vater wartet zu Hause mit Eddy. Ich muss wieder zu ihnen.“

Der Blick, den Bria mir jetzt zuwirft, wirkt schon etwas ernster. So, als wollte sie sagen: „Ruf mich an, wenn dieses Abendessen vorbei ist und erkläre mir, was das hier gerade zu bedeuten hatte.“

Doch ich tue so, als würde ich ihren Augenaufschlag nicht bemerken.

„Wir sehen uns später, Schatz.“ Ich küsse ihre Wange. „Grüß deinen Vater von mir.“

„Mache ich“, antwortet sie.

„Dann … dann weiß ihr Vater also Bescheid?“, fragt Mama mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Ja, ähm …“, stottert Bria.

„Aber nur, weil wir ab und zu Unterstützung brauchen“, erkläre ich.

„Verstehe“, murmelt Mama.

„Ähm, ich gehe dann mal.“ Bria hebt die Hand. „Wir sehen uns.”

Und dann dreht sie sich ohne einen weiteren Blick um und verlässt das Restaurant wieder. Warum auch immer sie hier war, es scheint jetzt keine Rolle mehr zu spielen. Denn sie geht ohne Essen hinaus.

Oder war sie schon länger hier und hat bereits gegessen? Stand sie nur am Tresen, um das Essen zu bezahlen, weil sie nicht warten wollte, dass jemand an ihren Tisch zum abkassieren kommt?

„Was war das denn gerade?“ Mamas Frage reißt mich aus den Gedanken.

„Ähm“, ich setze mich wieder an den Tisch, „ich verstehe, dass dich das jetzt ein wenig verwirrt, Mama. Wir wollten es dir eigentlich auf ganz anderem Wege sagen. Dass Bria jetzt hier sein würde, habe ich erst kurzfristig erfahren und … na ja … ich bin sicher, du wirst sie bald besser kennenlernen.“

„Du meinst, sie und mein Enkelkind?“ Sie verschränkt die Arme vor der Brust. „Eine klitzekleine Info, die du mir einfach so vorenthalten hast?“

Ich weiß, dass es falsch ist, sie zu belügen. Was als eine kleine Notlüge begonnen hat, hat spätestens jetzt Dimensionen angenommen, die ich dringend beenden sollte.

Doch irgendetwas hindert mich daran.

Was, wenn ich zugebe, dass ich sie belogen habe? Sie wäre doch noch wütender, als sie es jetzt ist. Würde da mein Argument ausreichen, dass ich ihr einfach mal den Wind aus den Segeln nehmen wollte, damit sie endlich mit ihren dämlichen Verkupplungsaktionen aufhört?

Etwas hält mich davon ab, ihr meine Lüge zu gestehen. Ein Gefühl, das ich selbst nicht so recht verstehe.

„Tut mir echt leid, Mama.“ Ich lege meine Hand über den Tisch hinweg auf ihre. „Wir wollten dich wirklich nicht übergehen. Es gab viele Gründe für die Entscheidung, es niemandem zu sagen …“

„Niemandem außer Brias Papa.“ Sie macht einen beleidigten Zischlaut mit der Zunge.

„Ach, Mama.“ Ich seufze. „Ich verstehe, dass du enttäuscht bist. Aber Bria und ich, wir machen es wieder gut. Versprochen.“

Was rede ich denn da? Bria und ich machen es wieder gut?

Sag ihr jetzt die Wahrheit, bevor du dich noch tiefer darin verstrickst.

Doch ich tue nichts dergleichen. Im Gegenteil. Die Vorstellung, tatsächlich eine eigene kleine Familie zu haben, gefällt mir. Noch dazu mit einer charmanten Frau wie Bria.

Aber rechtfertigt das meine Lügen?

„Ich habe keinen Hunger mehr.“ Sie schiebt ihren Teller zur Seite. „Ich muss das alles erst mal verdauen.“

Ich möchte etwas sagen, um sie zu besänftigen, weiß aber selbst nicht so genau, welche Worte die richtigen sind.

Und überhaupt, wie können es die richtigen Worte sein, wenn sie gelogen sind?

Ich weiß nur eines: Ich muss mit Bria reden. So schnell wie möglich. Nur dann weiß ich, wie es weitergeht. Ich habe sie da mithineingezogen, da muss ich es auch mit ihr gemeinsam klären, was wir jetzt am besten tun.

„Sei nicht böse, Mama“, sage ich schließlich nach einer Weile. „Es hatte nichts mit dir zu tun.“

„Ich kann es einfach nicht glauben“, sagt sie erneut. „Ich bin Oma. OMA!“

„Aber das ist doch etwas Tolles.“ Ich lächele. „Du hast ein Enkelkind. Ein ganz wundervolles noch dazu.“

Spätestens jetzt wird deine Lüge einfach zu absurd. Beichte ihr die Wahrheit! Jetzt sofort.

Doch als ihre Augen zum ersten Mal seit dieser „Neuigkeit“ anfangen zu strahlen, beiße ich mir auf die Zunge.

Ich kann es ihr nicht sagen. Wie auch immer ich mich selbst in diese Lage gebracht habe, ich muss da jetzt durch. Das spüre ich einfach.

Kapitel 7

Später am Abend

Bria

____________

Es ist mittlerweile eine Stunde her, dass mein Vater nach Hause gegangen ist. Der Kleine hat bereits geschlafen, als ich zurückkam und tut es noch immer.

Ich hingegen könnte nicht wacher sein.

Mit einer Mini-Sektflasche in der Hand, die mal in irgendeinem Präsentkorb war, den ich zum Geburtstag bekommen habe, gehe ich auf meiner Terrasse auf und ab.

Atemlos nehme ich einen Schluck.

Was zum Teufel hatte das in Piets Restaurant zu bedeuten? Und war es eine gute Idee, bei diesem seltsamen Spiel mitzumachen?

Wieder ein Schluck.

Für gewöhnlich stelle ich keine Fragen, wenn Aaron mir irgendwelche Anweisungen gibt, selbst, wenn ich sie nicht immer verstehe. Aber da geht es auch grundsätzlich um die Agentur, um den Job. Das hier ist allerdings mein Leben, verdammt. Mein Kind.

Ruhig bleiben, Bria. Du hast einfach nur spontan ein paar harmlose Kommentare von dir gegeben. Die Sache klärt sich ganz sicher schneller auf, als du bis Zehn zählen kannst.

Wieder ein Schluck.

Verdammt, ich sollte aufhören, Alkohol zu trinken. So selten, wie ich trinke, bin ich nach drei Schluck Wein betrunken.

Aufgebracht stelle ich die Flasche auf den alten Plastiktisch und setze mich auf einen der Gartenstühle.

Wieder starre ich zu meinem Handy, das ebenfalls auf dem Tisch liegt. In der letzten halben Stunde habe ich immer wieder mit dem Gedanken gespielt, Aaron anzurufen. Seine Nummer ist noch immer in meinem Handy, sowohl die betriebliche als auch seine private. Eine Tatsache, die der Job mit sich gebracht hat.

Aber etwas in mir sträubt sich dagegen, den ersten Schritt zu machen. Immerhin war er derjenige, der dieses kuriose Spiel in Gang gesetzt hat, also soll er sich gefälligst bei MIR melden und nicht umgekehrt.

Oder ist er immer noch mit seiner Mutter zusammen? Kann er gerade nicht reden?

Ich stütze mein Gesicht auf beide Handflächen auf und atme tief durch.

Das Allerschlimmste an diesem surrealen Abend ist die Erkenntnis, dass ich mich für ein paar Minuten von der Illusion habe hinreißen lassen, Aaron könnte tatsächlich Eddys Vater sein.

Wir drei – eine Familie?

Wäre das nicht ein schöner Gedanke? Nicht nur, dass Eddy mit einem Mann wie Aaron als Papa finanziell für immer ausgesorgt hätte, nein, ich bin mir sicher, dass er auch besonders liebevoll zu ihm wäre. Wie aufmerksam er mit Menschen, aber auch speziell mit Kindern umgeht, habe ich schon bei unzähligen Gelegenheiten und Veranstaltungen in unserem Job miterlebt.

Ein weiterer Aspekt ist die Vorstellung, ihn als Mann an meiner Seite zu haben. Allein beim Gedanken daran bekomme ich weiche Knie.

Aaron und ich – ein Paar?

Absolut lächerlich und gleichzeitig so aufregend, wenn ich diese Vorstellung nur für einen Moment zulasse.

Hör auf, diese albernen Hirngespinste zuzulassen! Das alles ist auch so schon kompliziert genug.

Wieder starre ich zum Handy.

Kein Anruf, keine Nachricht, nichts.

Was, wenn er sich heute nicht mehr meldet? Rufe ich ihn dann an?

Nein, ausgeschlossen! So weit kommt es noch, dass ich ihm hinterherrenne. Er hat mich schließlich in die Sache hineingezogen. Und er muss das auch wieder geradebiegen. Sofern das überhaupt irgendwie geradezubiegen ist.

Was, wenn seine Mutter es irgendwem erzählt? Was, wenn es irgendwie zu den Kollegen der Agentur durchdringt?

Oh Gott, wenn ich das noch weiterspinne, kann ich keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Gerade als ich mich noch tiefer in die wildesten Theorien verstricken will, leuchtet endlich mein Handy auf. Und tatsächlich ist es Aarons Name, der auf dem Display zu sehen ist.

Ich zögere keine Sekunde und nehme aufgebracht den Anruf entgegen.

*

Bria:

Ich dachte schon, du rufst gar nicht mehr an.

Aaron:

Tut mir leid, dass ich mich jetzt erst melde. Es ging nicht eher.

Bria:

Ich weiß echt nicht, was ich sagen soll, Aaron. Schätze, du musst jetzt das Reden übernehmen, damit ich wenigstens halbwegs kapiere, was da heute passiert ist.

Aaron:

Oh Mann, es tut mir echt leid, dass ich dich da mit reingezogen habe, Bria. Wirklich. Das musst du mir glauben.

Bria:

Dafür fiel dir das Lügen aber echt leicht.

Aaron:

Ja, ich weiß, das war echt eine seltsame Situation, aber … also, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber du hast das so klasse gemeistert. Echt. Ich bin tief beeindruckt, wie glaubhaft du meine Freundin gespielt hast.

Bria:

Ich bin ja verrückte Aktionen von dir gewöhnt, Aaron. Schon allein vom Job her. Aber das heute war einfach … ich kann es noch immer nicht glauben. Eddy soll dein Sohn sein. Ich meine, geht’s noch?

Aaron:

Ich weiß doch selbst, wie verrückt das ist. Ich habe das auch nicht geplant, weißt du? Eigentlich ging es nur darum, dass meine Mutter wieder mal eine ihrer albernen Verkupplungsaktionen gestartet hat.

Bria:

Verkupplungsaktion?

Aaron:

Na ja, sie hat ständig Angst, dass ich als einsamer Junggeselle enden könnte und arrangiert immer wieder irgendwelche Treffen mit Frauen in meinem Alter. Mal irgendeine Tochter von einer Freundin, dann wieder eine junge Arbeitskollegin. Das macht sie einfach andauernd. Und dieses Mal habe ich ihr vorher echt klargemacht, dass ich mich nicht mit ihr zum Essen treffe, wenn das wieder so eine Sache wird. Sie hat geschworen, dass sie heute Abend keine Aktion wie diese starten würde. Und dann tauchte plötzlich doch wieder rein zuuuufällig eine junge Frau an unserem Tisch auf.

Bria:

Diese Blondine?

Aaron:

Ja, genau. Wie gesagt: rein zufällig natürlich. Ich war einfach so genervt, weil meine Mutter einfach nicht kapieren will, dass ich meine eigenen Entscheidungen treffe. Und dass ich auch keinerlei Torschlusspanik oder so was habe.

Bria:

Und da dachtest du dir, erfindest du mal eben schnell eine Freundin, damit sie dich in Ruhe lässt? Und bei der Gelegenheit zauberst du dir auch gleich noch ein eigenes Kind dazu, hm?

*

In der Agentur herrschte schon immer ein lockerer Tonfall im Kollegium, auch zwischen Aaron und mir. Trotzdem würde ich unter normalen Umständen nicht so mit ihm reden, wie ich es jetzt gerade tue.

Liegt es daran, dass ich ihn in diesem Moment nicht als meinen Boss ansehe, sondern einfach als einen Mann, der einen Schritt zu weit gegangen ist?

*

Aaron:

Um ehrlich zu sein, habe ich in dem Moment nicht viel nachgedacht, erst recht nicht daran, dass meine Mutter dich schon mal in der Agentur gesehen hat und sich sogar daran erinnern konnte, dass du im Mutterschutz bist. Ich meine, ich kann mich ja nicht einmal selbst daran erinnern, das zu ihr gesagt zu haben. Ich muss es mal beiläufig erwähnt haben, als sie mich gefragt hat, wo denn meine Assistentin plötzlich hin ist. Ich … ich weiß es echt nicht mehr.

Bria:

Du hast also vergessen, dass ich jetzt ein Kind habe?

Aaron:

So habe ich das natürlich nicht gemeint. Ich hatte nur einfach nicht mehr auf dem Schirm, dass meine Mutter davon wissen könnte. Ich … ich habe dich einfach nur an Piets Tresen im Restaurant gesehen und bin mehr oder weniger einem Gefühl gefolgt. Dem Gefühl, dass Bria mir wie immer helfen wird, wenn es ein Problem gibt. So, wie du es eben immer getan hast, wenn in der Agentur mal schnelles Handeln erforderlich war.

Bria:

Ich freue mich ja wirklich, dass du mich als eine Art Retterin in der Agentur betrachtest. Aber das hier ist echt etwas anderes, Aaron. Das ist dir doch klar, oder? Wir sprechen hier über das echte Leben.

Aaron:

Sicher ist mir das klar. Und ich habe das wie gesagt nie geplant. Erst recht nicht, dass ich auch noch der Vater deines Sohnes bin. Irgendwie kam eins zum anderen und … ach, ich weiß auch nicht. Ich wollte einfach nur, dass meine Mutter endlich aufhört, ständig nach der richtigen Frau für mich zu suchen. Und all meine Versuche, sie davon abzuhalten, haben bisher nichts gebracht. Sie kapiert es einfach nicht und glaubt offenbar, dass sie mir nur die eine richtige Frau vorstellen muss, damit ich all meine Vorurteile vergesse und mich Hals über Kopf verliebe.

Bria:

Aber die Frau an eurem Tisch sah doch ganz nett aus.

*

Ich lache, während ich das sage, auch wenn ich selbst nicht so genau verstehe, warum.

*

Aaron:

Mag sein, dass sie nett war. Aber ich merke ziemlich schnell, ob ich eine Frau näher kennenlernen möchte oder nicht. Und dazu gehört für mich eben mehr als einfach nur gutes Aussehen.

*

Ich frage mich kurzzeitig, ob dieser Kommentar indirekt ein Kompliment für mich ist.

Bin ich etwa eine Frau, die er gern näher kennenlernen würde? Eine Frau, die er sich an seiner Seite vorstellen könnte und sie deshalb auch seiner Mutter als DIE Frau in seinem Leben präsentiert?

Oder sind das alles nur Hirngespinste von mir und völlig bedeutungslos, weil ich lediglich Mittel zum Zweck war, damit sie endlich mit ihren Verkupplungsversuchen aufhört?

*

Bria:

Okay okay, einigen wir uns darauf, dass das Ganze ein bisschen aus dem Ruder gelaufen ist. Die viel wichtigere Frage ist doch jetzt, wie es weitergeht. Ich meine, was hast du vor, um die Sache wieder geradezubiegen?

Aaron:

Ähm …

Bria:

Aaron?

Aaron:

Bria:

Was ist los? Warum redest du nicht mehr?

Aaron:

Na ja, ich habe mich einfach gefragt, ob …

Bria:

Ob was?

Aaron:

Also, ob es sehr verrückt wäre, wenn wir diese Show aufrechterhalten?

Bria:

Du verarschst mich gerade, oder?

Aaron:

Ich weiß doch selbst, wie verrückt das klingt. Aber meine Mutter hatte es seit dem Tod meines Vaters nicht leicht. Deshalb klammert sie sich auch so an mich. Und so sehr sie mich auch mit ihrer ständigen Einmischung nervt, es ist mir trotzdem wichtig, dass es ihr gut geht.

Bria:

Ach, und weil es dir so wichtig ist, wie es ihr geht, belügst du sie einfach so und jubelst ihr ein Kuckucks-Enkelkind unter?

Aaron:

Verstehst du denn nicht, wie sehr es sie verletzen würde, wenn ich ihr jetzt die Wahrheit sage?

Bria:

Ich glaube dir ja, dass es für deine Mutter und ebenso auch für dich schwer war, als dein Vater gestorben ist. Aber solche Dinge passieren leider. Ich habe meine Mutter verloren, da war ich gerade mal sechzehn.

Aaron:

Das tut mir leid.

Bria:

Danke, aber was ich sagen will: Glaubst du wirklich, dass es eine gute Idee ist, deine Mutter zu belügen, nur damit sie wieder neue Hoffnung im Leben schöpft? Was, wenn sie die Wahrheit erfährt? Das macht doch alles nur noch schlimmer für sie.

Aaron:

Ich weiß, dass diese Notlüge mehr oder weniger aus einer Laune heraus entstanden ist, aber jetzt, wo sie glaubt, dass es so ist – warum sollten wir das nicht einfach weiter durchziehen? Ich … ich finde die Idee gar nicht so schlecht. Und wir hätten doch beide was davon. Meine Mutter ist glücklich und hat ein Baby, um das sie sich kümmern kann. Somit hättest du einen zusätzlichen Babysitter. Und du bekommst natürlich ein wenig finanzielle Unterstützung von mir, um dir für deine Diskretion zu danken. Außerdem kommt das Geld dann natürlich dem kleinen Eddy zugute und …

Bria:

Sag mal, schlägst du mir gerade ernsthaft vor, meinen Sohn zu einem Vertragsgegenstand zu machen? Ein Geschäft auf seinem Rücken auszutragen?

Aaron:

So, wie du das sagst, klingt es so unmoralisch, Bria. Aber es soll dir, ich meine, euch doch auch helfen. Du bist doch alleinstehend, oder? Und als Alleinerziehende muss man doch sicher auch jeden Cent zweimal umdrehen. Ich könnte dir helfen, in vielerlei Hinsicht. Und natürlich würde ich mich auch selbst freuen, den kleinen Eddy kennenzulernen.

Bria:

Merkst du überhaupt, was du da redest, Aaron? Ist dir denn nicht klar, was für Konsequenzen so eine Fake-Beziehung mit sich ziehen würde? Wenn wir so tun, als wären wir ein Paar und du Eddys Vater, dann … dann müssten wir auch zusammen wohnen und …

Aaron:

Oh, das ist gar kein Problem. Du erinnerst dich doch an mein Haus? Die Party zu meinem Dreißigsten, auf die ihr alle eingeladen wart?

Bria:

Wie könnte ich deine Strandvilla vergessen?

Aaron:

Na, siehst du. Dann weißt du ja, wie viel Platz ich dort habe und dass das Haus eigentlich viel zu groß für mich allein ist. Wir könnten Eddy ein tolles Zimmer einrichten und …

Bria:

Stop, Aaron! Hör auf!

Aaron:

Womit?

Bria:

Es geht hier um meinen Sohn, klar? Ich liebe ihn über alles. Und ich werde keine Spielchen spielen, die auf seinem Rücken ausgetragen werden.

Aaron:

Aber ich spiele nicht. Ich meine das alles absolut ernst.

Bria:

Kann ja sein, dass du es jetzt gerade ernst meinst, Aaron. Dass du mal eben aus einer Laune heraus entscheidest, dass es eine gute Idee ist, sich eine eigene kleine Familie zu zaubern. Aber ich will, dass mein Sohn in einer sicheren Umgebung aufwächst, die sich nicht alle zwei Wochen ändert.

Aaron:

Alle zwei Wochen ändert? Ich … ich weiß nicht, was du meinst.

Bria:

Ja, ich habe nur eine kleine Wohnung. Und ja, ich bin alleinerziehend. Aber das hier ist nun mal sein Zuhause. Der Ort, an dem er sich sicher fühlt. Ich werde nicht in ein schickes Haus am Meer umziehen, in dem wir uns häuslich einrichten, nur um dann ein paar Wochen später wieder auszuziehen, weil du eingesehen hast, wie albern deine Idee war.

Aaron:

So schätzt du mich ein? Dass ich euch beide dann einfach wieder rauswerfe?

Bria:

Im Moment kannst du dir vielleicht selbst nicht vorstellen, dass es so kommt. Aber was, wenn du irgendwann eine echte Freundin hast und die auch mit in dein Haus bringst? Spätestens dann wird es kompliziert. Außerdem will ich nicht, dass er sich an dich und deine Mutter gewöhnt, Zuneigung für euch entwickelt – und zack, seid ihr auf einmal wieder aus seinem Leben verschwunden. Das wäre viel zu viel für seine kleine Seele. Als seine Mutter ist es meine Pflicht, seine Gefühlswelt zu schützen.

Aaron:

Ich verstehe ja, dass du dir Sorgen um Eddy machst, aber du kannst dich auf mich verlassen, Bria. Ich stehe zu meinem Wort.

Bria:

Ich glaube, du weißt einfach noch nicht, was echte Verantwortung bedeutet, Aaron. Aber spätestens wenn du tatsächlich einmal Vater werden solltest, wirst du wissen, was ich meine. Da kann man nicht solche verrückten Entscheidungen treffen, die du mir hier gerade vorschlägst. Das geht einfach nicht.

Aaron:

Komm schon, Bria. Du kennst mich inzwischen seit fünf Jahren. So lange arbeiten wir schon zusammen. Mittlerweile müsstest du doch wissen, dass ich immer zu meinem Wort stehe.

Bria:

Ja, wenn es um eine Gehaltserhöhung geht oder um irgendwelche Veranstaltungstermine, aber doch nicht um so etwas hier. Das ist doch was völlig anderes.

Aaron:

Merkst du denn echt nicht, wie ernst es mir ist? Liegt es an Eddys richtigem Vater? Hast du Angst, dass die Wahrheit herauskommt? Soweit ich weiß, bist du doch in keiner festen Beziehung, oder? Wer ist der Typ denn? Weiß er von Eddy? Könnte er uns Schwierigkeiten machen?

Bria:

Eddys Vater ist ein Mistkerl. Ich war nur kurz mit ihm zusammen, bevor ich gemerkt habe, dass er mich nur verarscht und mehrere Frauen gleichzeitig datet. Ich habe ihn im Internet kennengelernt. Und nein, er weiß nichts von Eddy und das soll auch so bleiben. Aber darum geht es jetzt gar nicht.

Aaron:

Worum dann? Wir mögen uns doch, oder? Ich finde dich toll, Bria. Ganz ehrlich. Wir können immer offen über alles reden und würden auch diese Sache sicher toll zusammen meistern.

Bria:

Diese Sache? Meine Güte, Aaron, du redest hier über die Zukunft eines kleinen Jungen, nicht über irgendein Event, das wir zusammen planen. Das geht einfach nicht, okay? ES GEHT EINFACH NICHT!

Aaron:

Dass du dich so um deinen Sohn sorgst, ehrt dich wirklich. Aber auch wenn das alles aus einer Laune heraus gekommen ist, heißt das nicht, dass ich unser Zusammenleben nicht ernst nehmen würde. Es wäre endlich weniger still in meinem Haus, meine Mutter hätte wieder mehr Freude in ihrem Leben und würde sich nicht mehr nur auf mich fokussieren – und du und Eddy, ihr hättet natürlich auch eine Menge davon. Wäre es nicht toll, wenn der Kleine den Strand direkt vor der Haustür hätte? Sandburgen bauen, im Wasser planschen – das echte Paradies eben. Und mein Grundstück ist natürlich auch groß genug für Rutsche und Co.

Bria:

Ja, das wäre toll. Sehr toll sogar. Aber nur, wenn es das echte Leben wäre. Das, worüber du hier redest, ist nur ein Spiel, Aaron. Eine Show. Und bei so was mache ich nicht mit. Es ist eben etwas anderes, wenn ich spontan bei einem Abendessen lüge oder das Ganze konsequent und dauerhaft durchziehe. Und dazu bin ich einfach nicht bereit, Aaron. Tut mir leid.

Aaron:

Vielleicht sollten wir noch einmal von Angesicht zu Angesicht darüber reden. Möglicherweise liegt es am Telefon, dass du mir nicht so recht glaubst, wie ernst es mir ist.

Bria:

Ich glaube dir ja, dass es dir jetzt im Moment ernst ist, Aaron. Aber man kann die Zukunft eines Kindes nun mal nicht auf einer Lüge aufbauen. Dauerhaft lässt sich so ein Konstrukt einfach nicht aufrechterhalten. Ich will meinem Kind Sicherheit bieten, eine glückliche Zukunft. Verstehst du das nicht?

Aaron:

Nein, Bria, du verstehst nicht. Vielleicht habe ich mir das vorher alles nicht gut genug überlegt. Kann schon sein. Aber glaubst du echt, dass ich euch einfach auf die Straße setzen würde, wenn ich merken würde, dass das Ganze komplizierter ist, als ich dachte? Ich stehe zu meinem Wort. Das tue ich immer.

Bria:

Und weil du sonst immer zu deinem Wort stehst, bindest du dir mal eben die Verantwortung für zwei Menschen ans Bein?

Aaron:

Aber es geht doch nicht nur um Verantwortung. Wir alle hätten etwas von diesem Deal.

Bria:

Deal. Allein das Wort ist schon furchtbar. Tut mir leid, Aaron, aber ich lege jetzt auf. Das wird mir alles einfach viel zu verrückt.

Aaron:

Du legst auf? Aber wir sind doch noch mitten im Gespräch.

Bria:

Das ist kein Gespräch, Aaron. Das ist einfach nur ein verrücktes Hirngespinst. Mach’s gut.

*

Als ich auflege, fühle ich mich plötzlich unheimlich leer und erschöpft. Aus einem Reflex heraus gehe ich in Eddys Zimmer und setze mich auf mein Bett, das direkt neben seinem steht, weil ich ohnehin jede Nacht bei ihm schlafe.

Instinktiv umklammere ich sein kleines Händchen und betrachte ihn beim Schlafen, während sich Tränen in meine Augen schleichen.

Was ist es nur, das mich so aufwühlt? Ist es der Gedanke daran, wie Eddys Leben sein könnte? Ist es die Vorstellung einer echten Familie, der ich mich kurzzeitig hingegeben habe, obwohl ich es eigentlich nicht wollte? Obwohl ich mich mit jeder Faser meines Körpers dagegen gewehrt habe?

Ich mochte Aaron schon immer. Als Mensch, aber auch als Mann fand ich ihn einfach von Anfang an anziehend, charmant und interessant. Und klar habe ich mich an manch einsamem Abend auch der Illusion hingegeben, ihm nahezukommen. Ganz privat, abseits der Agentur und allem, was man so beruflich nennt.

Aber das waren immer nur Träumereien. Fantasien, die nichts mit dem echten Leben zu tun hatten.

Und jetzt? Jetzt bietet er mir plötzlich an, diese Illusion praktisch greifbar zu machen, ohne dass ich sie wirklich greifen kann.

Wieder wandert mein Blick zu Eddy, der friedlich in seinem Bettchen liegt und mein Herz wieder mal mit so viel Liebe füllt, dass ich kaum atmen kann.

Wie sehr ich einen Menschen lieben kann, weiß ich erst, seitdem es Eddy gibt. Eine Liebe, die einfach über allem schwebt und den Rest der Welt fast bedeutungslos macht.

Alles, was zählt, ist dieses kleine Menschlein vor mir. Ihn zu beschützen, ist einfach das Wichtigste in meinem Leben. Deshalb steht es außer Frage, ob ich Aarons verrückten Vorschlag annehme.

Nein, es geht nicht. Egal, wie intensiv ich darüber nachdenke. Egal, wie schön die Vorstellung ist, Eddy ein so idyllisches Leben zu bieten. Es ist und bleibt nur ein Traum. Und Träume sind nun einmal nichts für das echte Leben. Auch und gerade nicht, wenn man die Verantwortung für ein Kind trägt.

Kapitel 8

Zur selben Zeit

Aaron

____________

Ich liebe die Aussicht von meinem Balkon. Von hier aus habe ich einen freien Blick aufs Meer. Ein Blick, den ich fast jeden Abend vor dem Schlafengehen genieße, oft mit einem Bier in der Hand oder einem Glas Wein.

Heute jedoch sitze ich nicht in meinem bequemen Rattansessel, sondern laufe ruhelos auf und ab, während ich über das Gespräch mit Bria nachdenke.

Noch immer versuche ich zu verstehen, warum ich sie so gedrängt habe und warum mir diese Sache überhaupt so wichtig ist.

Ja, es hat mit meiner Mutter angefangen, aber je länger ich über all das nachdenke, desto klarer wird mir, dass ich es auch für mich selbst durchziehen will.

Was, wenn Mutters Sorge, dass ich als einsamer Junggeselle enden könnte, gar nicht so unberechtigt ist? Vielleicht sieht sie etwas, das ich selbst nicht sehen will: Wie schwer es mir fällt, mich ernsthaft auf eine Frau einzulassen. Bisher war einfach nie die Eine dabei, der ich mich voll und ganz geöffnet hätte. Keine, bei der ich auch nur den Drang verspürt hätte, ihr auf ganzer Linie zu vertrauen, geschweige denn ein gemeinsames Leben mit ihr zu planen.

Die Idee, Bria und ihren Sohn in mein Haus zu holen, fühlte sich einfach gut an. Leben in meinem Haus, fröhliches Kinderlachen und eine Frau, die ich schon immer respektiert habe.

Klingt das nicht perfekt?

Ja, perfekt und armselig, weil ich etwas herbeizaubern will, das doch nicht der Realität entspricht.

Oder?

Andererseits: Wer sagt denn, dass es nicht real werden könnte? Muss es denn unbedingt eine Beziehung im normalen Sinne sein, um uns beide glücklich zu machen?

---ENDE DER LESEPROBE---