Bratkartoffeln, Spiegelei und noch ein ungeklärter Fall - Nasha Berend - E-Book

Bratkartoffeln, Spiegelei und noch ein ungeklärter Fall E-Book

Nasha Berend

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Beschreibung

Ein Jahr ist vergangen. Seither sind Maxim und Bent ein Paar. Die letzten 12 Monate waren anstrengend gewesen. Nicht nur, dass Bent sich erst einmal wieder an ein geregeltes Leben gewöhnen musste, er musste gleichzeitig auch noch einen Platz in Maxims Leben finden. Während der kurzen, aber sehr erfolgreichen Tournee durch Europa war ihm das recht gut gelungen und so freute er sich jetzt, wie Maxim auch, auf den wohlverdienten Urlaub. Kaum am Ferienhaus angekommen, erwartet sie schon eine Nachricht, auf die sie gerne verzichtet hätten. Im Jahr davor hatten sie ihren Nachbarn kennengelernt, der wieder in seine kleine Villa zurückgekehrt war und jetzt mit einem fast unlösbaren Problem konfrontiert wurde. Davides Freundin wurde von Unbekannten entführt und er bittet Maxim, Bent, Matthias, Jörg und Christel um Hilfe. Kaum haben sie den ersten Schock verdaut, steht auch schon der zweite in den Startlöchern. Dieses Mal haben sie aber Hilfe. Von einem Taxifahrer und seiner Familie und einem kleinen Jungen, der Jörg sofort in sein Herz geschlossen hat. Und zwischen all den zu lösenden kleinen und großen Problemen findet einer von ihnen tatsächlich noch die Zeit, sich unsterblich zu verlieben und Pläne für die Zukunft zu schmieden. So kommt mal wieder alles ein wenig anders als geplant, aber sind Pläne nicht sowieso dazu da sie über den Haufen zu werfen?

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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Alltagsflucht
Erinnerungen
Paola
Davide
Christel
Kleine Kinder – kleine Sorgen
Alte Freunde – neue Freunde
Verdächtig oder nicht verdächtig?
Diebe
Micaela
Ein neuer Anfang oder einfach nur ein Ende?

Wortzähler: 66015

 

 

 

 

 

 

 

Copyright © Nasha Berend

Alle Rechte vorbehalten

 

 

 

 

 

 

Impressum:

Nasha Berend

Buschstraße

39649 Hansestadt Gardelegen

E-Mail: [email protected]

 

 

 

 

 

 

 

 

Umschlaggestaltung: Dirk Dresbach

Fotos: Copyright © Dresbach

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

HAFTUNGSAUSSCHLUSS

 

Diese Geschichte und die darin vorkommenden Personen, Namen und Orte, entspringen nur meiner Fantasie. Die Zufälligkeit, mit lebenden oder verstorbenen Personen, sind in keiner Weise beabsichtigt.

Man sollte, wie immer in einem meiner Bücher, auch mal zwischen den Zeilen lesen können. Wer einen Liebesroman erwartet, wird vielleicht enttäuscht werden, weil es sich nicht immer nur um zwischenmenschliche Gefühle dreht. Allen Anderen wünsche ich: viel Spaß beim Lesen.

Ich würde mich darüber freuen, wenn ihr mir auf Facebook ein „Gefällt mir“ dalasst und so mit mir in Kontakt treten könnten. Google+ wäre auch noch eine Option.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bratkartoffeln, Spiegelei und noch ein ungeklärter Fall

Teil 2

 

 

von

 

Nasha Berend

 

 

 

 

Nasha Berend

 

 

Über das Buch

 

Ein Jahr ist vergangen. Seither sind Maxim und Bent ein Paar. Die letzten 12 Monate waren anstrengend gewesen. Nicht nur, dass Bent sich erst einmal wieder an ein geregeltes Leben gewöhnen musste, er musste gleichzeitig auch noch einen Platz in Maxims Leben finden.

Während der kurzen, aber sehr erfolgreichen Tournee durch Europa war ihm das recht gut gelungen und so freute er sich jetzt, wie Maxim auch, auf den wohlverdienten Urlaub. Kaum am Ferienhaus angekommen, erwartet sie schon eine Nachricht, auf die sie gerne verzichtet hätten. Im Jahr davor hatten sie ihren Nachbarn kennengelernt, der wieder in seine kleine Villa zurückgekehrt war und jetzt mit einem fast unlösbaren Problem konfrontiert wurde. Davides Freundin wurde von Unbekannten entführt und er bittet Maxim, Bent, Matthias, Jörg und Christel um Hilfe.

Kaum haben sie den ersten Schock verdaut, steht auch schon der zweite in den Startlöchern. Dieses Mal haben sie aber Hilfe. Von einem Taxifahrer und seiner Familie und einem kleinen Jungen, der Jörg sofort in sein Herz geschlossen hat.

Und zwischen all den zu lösenden kleinen und großen Problemen findet einer von ihnen tatsächlich noch die Zeit, sich unsterblich zu verlieben und Pläne für die Zukunft zu schmieden.

So kommt mal wieder alles ein wenig anders als geplant, aber sind Pläne nicht sowieso dazu da sie über den Haufen zu werfen?

 

 

 

 

 

 

Alltagsflucht

 

Genervt warf Bent die Tür zu Maxims Künstlergarderobe ins Schloss und lehnte sich dagegen.

„Meine Güte“, gab er von sich „Ich hätte nie geglaubt, das deine Fans so hartnäckig sein können. Die latschen tatsächlich noch hinter mir her, wenn ich aufs Klo gehe. Heute hat allen Ernstes einer versucht, mich zu begrabschen. Er wollte wissen, was du fühlst, wenn du mich anfasst“, kicherte er und holte anschließend tief Luft „Wie geht es dir? Alles in Ordnung?“

„Ich mache drei Kreuze“, seufzte Maxim und knöpfte sein Hemd auf. Der schweißdurchtränkte Stoff hatte bis gerade eben an seinem Körper geklebt und der hatte wiederum mit hundertprozentiger Sicherheit bei einigen Konzertbesuchern für eine schlaflose Nacht gesorgt „Wenn hier gleich die Lichter ausgehen und der Urlaub anfängt. Mir ist ja klar das ich damit mein Geld verdiene, aber so ab und zu möchte ich gerne alles an den Nagel hängen und einen ganz normalen Job machen, mit normalen Kollegen, normalen Arbeitszeiten und ohne großes Aufsehen zu erregen.“

Bent bückte sich und hob ein Bonbonpapier auf, das er in den Papierkorb warf. Dabei strich er zärtlich über Maxims Schulter und lächelte ihn im Spiegel an.

„Du möchtest es normaler?“

„Manchmal ja.“

„Von Montags bis Freitags von 8 Uhr morgens bis vier Uhr am Nachmittag. Tagein, tagaus das Gleiche. Jede Woche, jeden Monat. Bist du dir da sicher?“

„Ich sagte ja schon, manchmal wünsche ich es mir“, antwortete Maxim und zwinkerte Bent zu „Aber nur manchmal. Eigentlich liebe ich das was ich tue und kann mir kaum was anderes vorstellen, aber jetzt sind wir fast ein geschlagenes Jahr unterwegs und ich bin fertig mit der Welt. Ich möchte bitte jetzt meine Augen schließen und übermorgen wieder öffnen. Dann habe ich erstens ausgeschlafen und zweitens wäre ich dann in einer Gegend, in der ich mich wohler fühle als in den hundert Hotels der letzten Monate.“

Bent musste nicht nachdenken, er nickte Maxim sofort zu „War ganz schön anstrengend.“

„So könnte man das auch sagen“, gab der von sich und lehnte sich zurück. Er genoss die Nähe zu Bent, als er die Arme nach oben streckte und ihn berührte „Ich bin so froh, das du dabei warst“, flüsterte er ihm zu und die Blicke begegnet sich im Spiegel.

Beide zuckten zusammen, als Bents Smartphone zu klingeln begann.

„Was ist los? Stimmt was nicht?“, fragte er, als er das Gespräch entgegengenommen hatte, und hörte einige Sekunden zu, bevor er nickte.

„Alles klar, ich schleuse ihn raus und fahre die besprochene Route. Wir treffen uns dann wie verabredet“, knurrte Bent und steckte das Telefon zurück in die Hosentasche „Bist du soweit?“ „Was ist denn jetzt wieder los? Sag nicht, das schon wieder so ein Verrückter mit einer Knarre herumfuchtelt.“

„Ich möchte nur wissen, ob du so weit bist, endlich hier zu verschwinden.“

„Klar. Ich ziehe mich nur schnell um, okay?“

„Ja bitte. Beeil dich.“

„Willst du mir nicht sagen was los ist?“

„Max, quatsch nicht so viel, mach das du fertig wirst. Ich hab echt keine Lust, am letzten Tag der Tournee irgendeinem Vollidioten als Kanonenfutter zu dienen, weil der ein Aufmerksamkeitsdefizit hat. Also mach hinne, in Ordnung?“

Maxim hob die Augenbrauen an und wunderte sich über seinen Partner, aber er nickte nur und schlüpfte in seine privaten Sachen. Er stopfte etwas in eine kleine Reisetasche und stand dann vom Stuhl auf „Fertig.“

„Dann komm“, antwortete Bent und schob Maxim vor sich aus dem Raum. Hinter der Bühne war noch ganz schön was los. Das Konzert war zwar zu Ende, aber das bedeutete nicht, das niemand mehr dort anwesend war, wohin die Künstler nach ihrer Show verschwanden. Die Tür neben Maxims Garderobe war weit geöffnet und seltsames Gequieke drang bis nach draußen. Maxim verdrehte die Augen.

„Das ist unser Schlagzeuger. Jetzt geht er auf die Vierzig zu, aber er lässt keine Gelegenheit aus um sich zu beweisen, dass er ein toller Hecht ist.“

„Manch einer hat es eben nötig“, murmelte Bent und ließ seinen Blick unruhig von links nach rechts laufen. Einige Gesichter kannte er, andere nicht, aber sie wirkten auch nicht gerade auffällig. Also schleuste er Maxim durch die Gänge bis zum Ausgang. Natürlich ging es nicht ganz ohne Autogrammkarten ab und das ein oder andere Handyfoto wurde auch noch geschossen, aber im Großen und Ganzen lief es gut. Nach etwa 20 Minuten waren sie draußen und genossen beide den leichten Regen.

Maxim blieb stehen und streckte die Hände mit den Handflächen nach oben aus „Wasser. Ich gäbe jetzt was für eine Dusche.“

Unruhig sah Bent sich um. Das, was sein Vater Jörg ihm mitgeteilt hatte, hatte ihn doch einigermaßen beunruhigt. Immerhin arbeitete der schon sehr, sehr lange für Maxims Familie und hatte den Musiker praktisch aufwachsen sehen. Bevor er für seine Sicherheit die Verantwortung übernahm, hatte er die Eltern begleitet und ein Auge auf sie gehabt.

Jörg.

Als er an den Mann dachte, den er genauso lange kannte wie Maxim, musste Bent schmunzeln. Bis vor einem Jahr hatte Bent den Mann, den seine Mutter geheiratet und mit ihm den Sohn aufgezogen hatte, für seinen Vater gehalten. Dass er ein Kuckuckskind war, hatte er erst erfahren, als Jörg ihm mitteilte, dass er sein Vater sei. Seitdem hatte er ihn unter seine Fittiche genommen, sodass Bent nicht nur privat, sondern auch beruflich wieder auf die Füße gefallen war. Bis vor zwölf Monaten war er obdachlos und völlig abgebrannt gewesen, aber als er an einem regnerischen Sommertag einen offenen Campingbus am Straßenrand fand und eine Nacht darin unerlaubt verbrachte, änderte sich für ihn alles zum Positiven. Er fand wieder zu seiner Mutter, lernte seinen biologischen Vater kennen, hatte Kontakt zu dem Mann, den er sein Leben lang dafür gehalten hatte, und befand sich außerdem noch seither in einer glücklichen Partnerschaft.

„Was ist denn? Du sagst mir nicht alles, oder?“

Bent presste die Lippen aufeinander und suchte nach passenden Worten. Zeitgleich öffnete er das Fahrzeug, vor dem sie standen und setzte sich, genau wie Maxim.

„Sagen wir mal so“, begann Bent und ließ den Motor an „Jörg und Matthias sind sich fast sicher, dass sie in der Masse die das Konzert verlassen hat einen Kerl entdeckt haben, den die Polizei wegen Entführung mit Todesfolge sucht. Sie haben ihn unter einen Vorwand festgehalten, aber in ein paar Minuten dürfte es hier vor Polizei nur so wimmeln und dann kommen wir wieder ewig nicht nach Hause. Also hat er mich angerufen und gebeten, dich so schnell wie möglich von hier wegzubringen.“

Maxim lehnte sich zurück und schloss die Augen. Er sah die Menschenmenge nicht, durch die Bent sich einen Weg bahnen musste und auch nicht die vielen Einsatzfahrzeuge der Behörden.

Sie waren nicht einmal vom Parkplatz der Halle, in der das Konzert stattgefunden hatte, da war er schon eingeschlafen und überließ Bent alles Weitere.

Auf der Umgehungsstraße wurde der Verkehr weniger und Bent etwas ruhiger. Er hörte Maxims gleichmäßige Atemzüge und atmete tief durch. In Gedanken ging er das Gespräch mit Jörg noch einmal durch und tat dann genau das, was man von ihm erwartete.

Knappe zwei Stunden später steuerte er das Auto in einen von der Straße aus kaum sichtbaren Feldweg und fuhr mit gedrosselter Geschwindigkeit weiter. Maxim regte sich und öffnete die Augen.

„Wo“, begann er und sah sich kurz um. Allerdings war es viel zu dunkel, um auch nur irgendetwas zu erkennen „Sind wir hier?“

„Mir wurde gesagt ich solle dich hierherbringen, also habe ich das auch getan. Der Weg führt wohl zu einem großen Parkplatz im Wald, wo wir uns ein bisschen häuslich einrichten werden, bis Papa und die anderen dazustoßen.“

„Au man“, gähnte Maxim „Ich muss mich immer noch daran gewöhnen, das du ihn Papa nennst“, grinste er und streckte sich noch einmal. Als Bent das Auto abbremste, um sich zu orientieren, sah auch Maxim sich um „Grund gütiger, wir sind hier ja am Arsch der Welt. Wie hat er denn diesen Ort gefunden?“

„Ich habe keine Ahnung“, gab Bent zu und stellte das Auto einfach ab. Es war kurz nach Mitternacht und niemand sonst in der Nähe. Bent stieg aus und streckte sich, atmete tief durch und lief um das Auto herum. Er öffnete den Kofferraum und holte eine Tasche heraus, die Maxim misstrauisch begutachtete.

„Hast du etwa schon mit sowas gerechnet?“

Bent öffnete die Tasche und zog eine altmodische Thermoskanne mit Plastikbecher heraus.

„Nach unserem letzten Urlaub, der gleichzeitig auch unser erster war, bin ich tatsächlich gerne auf alles vorbereitet. Also habe ich mir angewöhnt, einen gepackten Rucksack parat zu haben und befülle den bevor wir irgendwohin fahren gerne noch mit ein paar Lebensmitteln und ..“, er zwinkerte Maxim zu und öffnete mit einer Drehbewegung den Stöpsel der Thermosflasche. Sofort durchströmte der Kaffeegeruch den Wagen und entlockte Maxim ein wohliges Seufzen.

„Ich hatte schon völlig vergessen, wie gut dieser Geruch tut. Oh Gott, ich brauch was von dem Zeugs. Dringend, sonst überlebe ich die nächsten fünf Minuten nicht. Boah“, stöhnte er und sog die Luft extrem tief ein und hielt ihn in der Lunge, bis er ausatmete „Das ist einfach nur herrlich. Weißt du, an was mich das erinnert?“, fragte er und Bent schüttelte den Kopf. Er reichte einen etwa halbvollen Becher an Maxim weiter und schenkte sich dann ebenfalls einen Kaffee ein.

„Wenn ich früher zusammen mit meinen Eltern nach Italien gefahren bin“, begann Bent jetzt, weil Maxim schwieg „Dann hatten wir immer so eine Box, wie nennt man das noch?“, fragte er und Maxim nippte am Plastikbecher. Es war schon fast vorprogrammiert das er sich die Lippen verbrannte und schimpfte. Trotzdem stieß er hervor „Meinst du eine Kühlbox?“

„Ja genau. Eine Kühlbox. Unten drin waren dann immer so Kühlakkus, dann kam unser bevorzugtes Essen und ein bisschen Obst rein, für mich meist noch ein bisschen Schokolade und diese kleinen Päckchen mit Trinken. Orangensaft, der nach allem schmeckte, bloß nicht nach Orangensaft“, grinste Bent und seufzte „Aber immer, wenn ich diese kleinen Tetrapäckchen in der Hand hatte, dann wusste ich, es geht in Urlaub. Zuhause gab es die nicht, die waren für unterwegs bestimmt. Und mein Ziehvater sagte das Gleiche über den Kaffee“, erklärte er und hob seinen Becher an, aus dem der Geruch des dampfenden Getränkes stieg und sich im Fahrzeuginneren ausbreitete „Und jetzt“, machte er weiter „Kann ich gut nachvollziehen, was er damit gemeint hat.“

„Wenn du jetzt noch diese salamiartigen und meist ziemlich harten Würstchen hervorzauberst“, knurrte Maxim und hielt sich mit einer Hand den Magen „Dann mach ich dir einen Heiratsantrag.“

Bent verschluckte sich am Kaffee und stellte den Becher vorsichtig auf dem Armaturenbrett ab. Er sah Maxim an.

„Es kommt sogar noch besser.“

„Noch besser wäre nur noch Sex“, grinste Maxim ihn an und Bent lachte leise. Er öffnete die Fahrertür und klappte den beigefarbenen Deckel einer blauen Box auf. Maxim versuchte, einen Blick darauf zu werfen, aber Bents Körper war ihm im Weg. Sein Blick blieb also auf den Rückenmuskeln liegen.

„Jörg trainiert dich gut“, hörte Bent ihn sagen und nickte ihm ungesehen zu.

„Ja, aber für meinen Geschmack übertreibt er ein bisschen. Auf der anderen Seite kann ich es aber auch verstehen, ich meine, immerhin vertraut er mir dein Leben an. Wo hat sie denn?“, fragte er und jauchzte im nächsten Augenblick „Da sind sie ja. Oh Gott, wie habe ich das vermisst. Ich bin gerade wieder 8 Jahre alt und liebe meine Mama wie kein anderer“, sagte er und Maxim grinste. Trotzdem strich er Bent über den Rücken und dachte an die letzten Monate. Wenn er nicht mit der Band einen Auftritt absolvierte, nahm er Pressetermine wahr, gab Interviews, lächelte in Fankameras oder schrieb Autogramme .. oder aber er schlief. Nur einen ganz geringen Teil seiner Zeit hatte er mit Bent verbracht. Seiner Meinung nach, zu wenig Zeit. Umso mehr hatte er sich auf diesen Moment gefreut, wenn die Tour ihren Abschluss gefunden hatte und er sich endlich wieder den Dingen widmen konnte, die nichts mit seiner Arbeit zu tun hatte. Wenigstens war er in der glücklichen Position zu behaupten, dass er sein Hobby zum Beruf gemacht hatte, aber manches Mal wurde es ihm doch zu viel. Zumindest hatte er in den letzten Monaten immer öfter daran gedacht, aufzuhören. Er wollte sowas wie ein sesshaftes Leben führen, in dem nicht die Bandmitglieder die erste Geige spielten, sondern der Mann, in den er sich vor über einem Jahr verliebt hatte und ohne den er nicht mehr sein wollte. Maxim beobachtete Bent, der sich jetzt wieder zu ihm drehte und dabei den Deckel einer Plastikdose öffnete. Wie schon beim Kaffee zuvor, durchströmte ein markanter Geruch das Fahrzeug und löste pure Begeisterungsstürme bei den Insassen aus.

„Oh Gott“, seufzte Bent und griff in die Plastikschale, genau wie Maxim.

„Hackfleischbällchen. Ich liebe die Dinger. Hat deine Mutter die gemacht?“

„Ja klar. Was glaubst du denn? Die hatte irgendwann den Hotelfraß satt und hat sich mit dem Manager auf eine kleine Kochplatte geeinigt“, grinste Bent und biss herzhaft in die selbstgemachten Frikadellen seiner Mutter.

„Man“, stöhnte Maxim und machte es wie Bent. Kauend saßen sie nebeneinander „Erinnere mich dran, dass ich ihr sage wie sehr ich sie liebe“, seufzte er und Bent kicherte.

„Vorgestern habe ich sie erwischt, wie sie dem Lieferdienst der Reinigung die Leviten gelesen hat. Mein lieber Scholli, war die grantig“, kicherte er „Sie hat sich die Klamotten der Band angesehen und den Kopf geschüttelt, dann hat sie die arme Frau rund gemacht, wo sie denn das Bügeln gelernt hätte und das sie ja kaum erwarten könnte, dass Künstler in faltigen Klamotten auf die Bühne gehen würden. Sie hat die Kleidung tatsächlich zurückgehen lassen. Eine Stunde später erschien der Chef der Reinigung und entschuldigte sich für die nicht ordnungsgemäß gebügelte Kleidung. An diesem Tag hattet ihr jedenfalls keine Kosten fürs Waschen“, grinste Bent und Maxim nickte.

„Vor ungefähr sechs Wochen hab ich sie beobachtet, wie sie Marcus den Kopf gewaschen hat. Der hatte sich wohl gegenüber einer Hotelangestellten im Ton vergriffen. Die heulte jedenfalls, als deine Mutter dazwischengegangen ist. Zuerst hat sie sie getröstet und ihr dann ziemlich unmissverständlich deutlich gemacht, dass Markus eigentlich Recht hatte und sie es bitte ändern sollte. Ich glaube, es ging um zwei große Duschhandtücher, aber sicher bin ich mir nicht. Jedenfalls hatten wir seitdem alle einmal am Tag frische Handtücher.“

Bent seufzte und steckte den letzten Rest seines Hackfleischbällchens in den Mund.

„Sie ist glücklich“, hörte Maxim ihn plötzlich sagen „Und das liegt nicht nur daran, dass ich nicht mehr auf der Straße lebe. Sie ist glücklich das Jörg wieder bei ihr ist und dich und die Jungs hat sie gleich als ihre Teilzeitsöhne adoptiert“, sagte er und senkte den Blick „Jetzt hat sie die Familie, die sie immer haben wollte, die er ihr aber nie gegönnt hat. Er wollte keine weiteren Kinder, weil die nur Geld kosten. Hat er zumindest immer gesagt.“

Maxim schnaubte „Bei uns war es eigentlich umgekehrt. Mein Vater wollte immer noch mindestens ein Kind und meine Mutter hat sich geweigert. Sie sagte damals, einmal Wehen hätten ihr gereicht.“

Ein seltsames Schweigen breitete sich im Wagen aus. Jeder von ihnen dachte wohl an die eigene Familie, bis sie dann wieder nach den Bechern mit dem Kaffee griffen.

„Und wie geht es jetzt weiter?“, wollte Maxim wissen und Bent räusperte sich.

„Er sagte, wir sollen hier auf ihn warten. Wahrscheinlich ist aber das sie erst morgen früh eintreffen und wir dann gleich von hier aus ins Ferienhaus fahren.“

Maxim gähnte „Das heißt aber auch, wir sitzen hier fest.“

„Genau das.“

„Was hast du mir gesagt, warum du Verpflegung dabei hattest?“, fragte er schon wieder mit geschlossenen Augen und hörte Bent auch nur zu, als würde er Ohrstöpsel tragen. Deshalb erfuhr er auch nicht, dass die Nacht eigentlich als romantisches Picknick hätte enden sollen. Bent hatte geplant, Maxim nach der Show zu einem kleinen See zu bringen, um dort ein Picknick mit ihm zu genießen. Deshalb hatte er seine Mutter gebeten, all die kleinen Leckerbissen herzustellen, die sie früher für ihre eigene Familie zubereitet hatte, bevor sie in den Urlaub fuhren. Dazu hatte er eine Flasche Wein besorgt. Dass das alles nicht geschehen würde, wusste er in dem Augenblick, als sein Smartphone geklingelt hatte und er Jörgs Namen auf dem Display sah.

Bent stieg aus, ging ein paar Meter im Scheinwerferlicht und schlug sich dann links vom Auto in die Büsche, um sich zu erleichtern. Er dachte über den Abend nach und ließ vor seinen Augen das Konzert Ausschnittweise vor sich abspielen. Er sah immer wieder ins Publikum, das an der Bühne fast ausschließlich aus weiblichen Fans bestand, die ihre Idole anschmachteten. Sie jubelten ihnen zu, sangen textsicher mit und warfen ab und an sogar Dinge auf die Bühne. Es waren nicht immer Stofftiere und Blumen. Manchmal waren es BHs oder Slips. Bent war sich, wie die anderen Partner*innen der Bandmitglieder auch, bewusst, dass die Flirterei von der Bühne aus einfach dazugehörte. Aber er und die anderen wussten auch, dass es in den allermeisten Fällen bei einem harmlosen Flirt blieb. Die Zeiten, in denen jeden Abend ein anderes Häschen im Bett der Musiker landete, die waren vorbei, seit auch der letzte in einer festen Partnerschaft lebte. Nur die Liebeleien von der Bühne aus, die gehörten wie die Musik selbst einfach dazu.

In Bents Kopf spielten sich außerdem merkwürdige Szenen ab. Nicht nur, dass die Show wie ein schlecht geschnittener Film an ihm vorüberlief, nein, er hörte im Geiste auch noch ein Motorengeräusch, das sich vom Parkplatz aus entfernte. Blitzschnell drehte er sich und erwartete fast, ein davonfahrendes Auto zu entdecken, dass ihn im absoluten Dunkel des Waldes alleine lassen würde. Er war ziemlich erleichtert, als er sah, dass Maxim gerade die Beifahrertür öffnete und sich gähnend streckte, bevor auch er hinter dem Auto im Wald verschwand.

Bent ging zurück zum Fahrzeug und setzte sich hinein. Er ließ den Sitz ganz nach hinten fahren und drückte dann die Schlafposition. Ein letzter Blick in den Rückspiegel zeigte ihm Maxims Rücken klar und deutlich, also legte er sich und schloss die Augen. Sein Kopf hatte wohl einen neuen Film eingelegt, denn dieses Mal sah er ein verliebtes Paar an einem See, das bei Mondlicht auf einer großen Picknickdecke saß und es sich gut gehen ließ. Es sollte der Einstieg in einen Urlaub werden, der sich hoffentlich vom Letzten unterschied. Bent lachte leise und hörte, wie Maxim die Tür öffnete und sich in den Sitz fallen ließ.

„Ich bin völlig erledigt und hatte mich so auf ein Bett gefreut. Stattdessen wird die Nacht wohl unbequem werden“, seufzte er und war schon wieder eingeschlafen, bevor Bent auch nur zu einer Antwort ansetzen konnte. Insgeheim war es also wahrscheinlich sogar von Vorteil, dass das Picknick ins Wasser gefallen war. Maxim wäre für eine derartige Romanze nicht mehr empfänglich gewesen, was ja auch nicht verwunderlich war, wenn man bedachte, dass die Band seit Monaten unterwegs war.

Zehn Minuten später war auch Bent über seinen Gedanken zum Urlaub eingeschlafen und fuhr erschrocken hoch, als jemand gegen die Scheibe klopfte.

„Meine Güte, ich hatte nicht damit gerechnet, das dieser Parkplatz hier so weit ab vom Schuss liegt. Das ist ja die reinste Wildnis“, grinste Matthias und Bent gähnte.

„Ich war heute Nacht ganz froh darum. Wo sind meine Eltern?“

„Deine Mutter musste mal für kleine Mädchen. Jörg ist mit ihr zu einer dieser Raststätten gefahren. Ich denke, die werden wohl in zehn Minuten da sein.“

Bent gähnte laut und lehnte sich ans abgestellte Auto „Hat die Polizei den Kerl festgenommen?“

„Diesen Entführer?“, stellte Matthias die Gegenfrage und holte eine Zigarette aus der Packung, die er immer in seiner Hemdtasche trug. Bent hatte ihn allerdings nur ein paar Mal rauchen sehen.

Matthias nickte „Ja. Gott sei Dank ist Jörg so aufmerksam. Ehrlich gesagt, mir wäre das Gesicht in der Menschenmenge garantiert nicht aufgefallen. Ich gebe aber auch zu“, grinste Matthias „Das ich eher nach den Mädels gesehen habe als nach den Kerlen. Wäre der Gesuchte eine Frau gewesen, hätte ich wohl größere Chancen gehabt“, grinste er und Bent kicherte.

„Mach dir nichts draus“, erklärte er und klopfte dem jungen Sicherheitsangestellten auf die Schulter „Ich hoffe für dich, du hast Kaffee mitgebracht.“

„Aber natürlich. Ich weiß doch, das du sonst nicht zu gebrauchen bist. Meinst du, der wird heute noch mal wach?“, fragte Matthias und deutete auf den Beifahrersitz, wo Maxim lag und von alle dem um sich herum nichts mitbekam.

„Ich weiß nicht. Ist auch nicht wichtig. Er soll schlafen, bis er wach wird. Die letzten Monate waren anstrengend, also soll er sich ausruhen wann immer ihm danach ist.“

Matthias nickte. Er öffnete den Kofferraum seines Autos und entnahm ihm einen Korb, den er Bent überreichte.

„Hier. Lass es dir schmecken. Ich bin jetzt soweit das ich im Stehen schlafen könnte und habe mir deshalb ein Zimmer im Hotel genommen. Jörg und deine Mutter werden euch wohl sofort begleiten, ich komme nach. Ich bin einfach zu müde.“

„Ich habe sowieso nicht verstanden, warum wir mit diesem Tross fahren müssen. Reichen nicht zwei Autos?“

„Darf ich dich ans letzte Jahr erinnern? Da waren wir froh das wir zwei Autos hatten, oder?“

„Sag es nicht“, stöhnte Bent sofort und dachte an den wahrscheinlich seltsamsten ersten Urlaubstag, an den er sich in Zukunft wohl mit Magengrummeln erinnern würde.

„Ich hatte zu dem Zeitpunkt einen Gammelurlaub im Kopf, wo man die Füße hochlegt, Cocktails auf dem Sofa schlürft und sich vielleicht noch ein paar Filme reinzieht. Damit, vor einem Mörder davonzulaufen, hatte ich nicht gerechnet.“

„Na ja. Dem war ja auch nicht ganz so. Ein bisschen komplizierter ist es schon gewesen. Gut ist nur, dass der Mörder inzwischen hinter Schloss und Riegel sitzt und Davide ein ziemlich normales Leben führen kann.“

„Ob er wohl zuhause ist?“, wollte Bent wissen und dachte an den Mann, den er im letzten Jahr nur durch eine Verkettung seltsamer Umstände kennengelernt hatte. Inzwischen waren sie zu einer Art Freunde geworden, die sich ein Mal monatlich beim anderen über das Telefon meldeten. Beim letzten Telefonat hatte Davide sich gefreut, als Maxim ihm sagte, sie würden den Urlaub wieder dort verbringen, wo sie es sonst auch taten. Nämlich im Ferienhaus oberhalb der Villa, die der ehemalige Obdachlose nicht nur gebaut hatte, sondern inzwischen auch wieder darin lebte.

 

 

 

 

Erinnerungen

 

„Ehrlich gesagt“, begann Jörg und kratzte sich am linken Ohr „Ich wäre dafür, ihr überlegt euch noch mal, ob ihr tatsächlich hier bleiben wollt. Niemand wäre euch böse, wenn ihr mal was anderes sehen möchtet.“

Bent beobachtete Maxim, der ihm gegenüber saß und den Blick gesenkt hielt. Zwar hatte er die ganze Nacht und auch die darauffolgende Fahrt fast gänzlich verschlafen, aber so richtig wach schien er noch immer nicht zu sein. Trotzdem schüttelte er den Kopf.

„Nein. Ich für meinen Teil bin hier ganz zufrieden. Aufregend muss es für mich nicht sein. Ein bisschen Ruhe und diese Abgeschiedenheit, das ist genau das, was ich brauche. Und das mir bloß niemand auf die Idee kommt, in den nächsten zwei Tagen das Radio einzuschalten“, seufzte er müde und gähnte prompt.

Der Sicherheitsangestellte, der den Musiker schon seit Jahren überall hin begleitete und sowohl beruflich als auch privat für ihn zuständig war, sah jetzt Bent an.

Vor genau 12 Monaten war Maxim eines schönen Tages zu ihm gekommen und hatte darüber berichtet, dass ein Obdachloser in seinem achtlos auf der Straße abgestellten Campingbus übernachtet hatte und er diesen zu einem Abendessen erwartete. Gleich beim ersten Anblick des Mannes hatte Jörgs Herz Purzelbäume geschlagen. Also hatte er ein paar Nachforschungen getätigt und als das Schicksal ihm auch noch in die Hand spielte, dieser Fremde im Haus duschte und ein paar Spuren hinterließ, nutzte Jörg die Gunst der Stunde. Ein paar Tage später erfuhr er, dass er einen Sohn hatte, von dem er bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal etwas geahnt hatte. Seither versuchten sie, die verlorene Zeit aufzuholen und sich besser kennenzulernen.

Bent warf seiner Mutter, die neben seinem biologischen Vater saß, einen kurzen Blick zu, dann schüttelte er den Kopf.

„Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, aber könnte es eventuell sein, dass du die Hoffnung hast, er könnte sich in den nächsten Flieger setzen und Gott weiß wie viele Kilometer zwischen sich und seinen Heimatort legen? Lass mich mal weiterspinnen“, unterbrach er ihn mit einer Geste und sah nicht, dass der zweite Sicherheitsmann sich kaum noch ein Grinsen verkneifen konnte. Meist war es nämlich Jörg selbst, der solche gedanklichen Nachforschungen anstellte und sich ab und an damit recht unbeliebt machte. Dass sein Sohn jetzt den Spieß umdrehte, amüsierte nicht nur Matthias, sondern auch Christel, Bents Mutter und Maxim.

„Warum sollte ich das hoffen?“, wollte Jörg wissen und sah Bent an, der die Augenbrauen anhob.

„Och. Je weiter er entfernt ist, umso sicherer ist er in deinen Augen und umso weniger muss er bewacht werden. Ich folgere daraus, das du mit Mama gerne etwas mehr alleine wärst und nicht immer ein Auge auf ihn werfen möchtest. Stimmt das oder habe ich Recht?“

Jörg räusperte sich und schüttelte den Kopf „Nein. Natürlich nicht. Wie kommst du nur darauf? Ich verdiene mein Geld damit ihn zu schützen, da schicke ich ihn doch nicht in die Wallachei, um mal ein bisschen freie Zeit von ihm zu haben“, murmelte er und Bent grinste.

„Ach?“, fragte Bent und warf erneut seiner Mutter einen Blick zu, die vor lauter Scham in diesem Moment nicht wusste, wohin sie sehen sollte. Sie nestelte nervös am Haltegurt ihrer Handtasche herum.

„Was soll das heißen? Das es sich nicht lohnt, ein bisschen mehr Zeit mit meiner Mutter zu verbringen? Oder glaubst du, ich könnte nicht richtig auf ihn achten? Dann darf ich dich vielleicht daran erinnern, dass du Matthias und mich in den letzten Monaten ziemlich hart rangenommen hast. Du hast uns so vieles beigebracht, als würdest du Ende des Jahres in Rente gehen und jemand müsse deinen Job machen, aber da wir ja alle wissen das dem nicht so ist, nehmen wir also an, du hast uns darauf vorbereitet, das du dich ein bisschen zurückziehen kannst. Stimmts?“, fragte er und Jörg seufzte. Er lehnte sich zurück und biss sich auf die Unterlippe. Urplötzlich nickte er.

„Ja.“

„Was, ja?“, wollte Bent wissen und Jörg schnitt eine Grimasse.

„Eigentlich hatte ich fragen wollen, ob wir nicht vielleicht dieses Jahr getrennt Urlaub machen könnten, aber dann fand ich es doch etwas egoistisch, angesichts der Tatsache, dass deine Mutter und du euch ja auch nicht wirklich gesehen habt. Ich meine, mehr als die Hälfte des Jahres waren wir auf Achse. In wenigen Städten hatten wir zwei Tage hintereinander und wenn wir doch mal ein bisschen Freizeit hatten, dann haben wir die zum Wäsche waschen und andere alltägliche Dinge genutzt“, sagte Jörg und sah seinem Sohn in die Augen, der ihm zunickte.

„Und jetzt“, antwortete Bent „Begehen wir sowas wie Alltagsflucht. Ich weiß zwar nicht, was Maxim davon hält, aber ich denke, ihr hättet euch ein bisschen Urlaub und Freizeit genauso verdient, wie wir. Solange du hier bist, bist du im Dienst, also ..“, begann er und Maxim nickte.

„Er hat Recht. Ich bin zwar zu müde um große Reden zu schwingen, aber ich denke, ihr solltet euch mindestens zwei oder besser sogar noch drei Wochen Zeit nehmen und irgendwohin fahren, wo dich nichts an deinen Job erinnert.“

Jörg zögerte, aber als Christel, Bents Mutter und die Frau, die neben ihm saß, nach seiner Hand griff, nickte er ihnen tatsächlich zu. Maxim staunte nicht schlecht und auch Matthias riss die Augen weit auf.

„Vielleicht habt ihr Recht. Im Grunde geht es mir ein bisschen wie dir“, sagte er zu Maxim „Ich bin müde. Einfach nur hundemüde. Ein bisschen ausspannen täte mir wirklich gut.“

Matthias nickte „Dann nehmt es in Angriff. Wir kommen hier schon klar. Ich hoffe ja doch, dass sowas wie im letzten Jahr sich jetzt nicht ständig wiederholt.“

„Und wenn doch“, stand Jörg auf „Dann sind wir gar nicht so weit weg, okay? Wir haben natürlich auch schon mal darüber geredet“, sagte er und sah Christel an, die ihm zunickte „Und wollten fragen, ob wir nicht das nächste Haus besiedeln könnten? Das sind nur etwa 85 Kilometer von hier aber wir wären nicht mehr ganz so präsent und trotzdem nahe dran.“

„Das klingt gut“, antwortete Maxim und lehnte sich schon wieder zurück „Mach du bitte weiter, Bent. Ich leg mich wieder hin und wenn heute nichts weiter passiert, bin ich für niemanden mehr zu sprechen, okay? Ich muss erst mal schlafen“, murmelte er müde, stand dann schwerfällig auf, winkte ihnen zu und taumelte in den ersten Stock, wo sein Bett auf ihn wartete.

Besorgt sah Bent hinter ihm her „Ist das normal?“, fragte er Jörg, der ihm eine Hand auf die Schulter legte, bevor er nickte.

„Ja. Das ist alles normal. Mach dir keine Sorgen. Spätestens morgen ist er wieder der Alte.“

Bent murmelte etwas Unverständliches, weil sein Telefon klingelte. Er sah auf dem Display einen Namen, der ihm in diesem Augenblick guttat.

„Wie geht es dir?“, fragte er, statt sich zu melden, und hörte dann eine Weile zu.

Jörg, Christel und Matthias sahen, wie Bent einige Male nickte, dann den Kopf schüttelte, einige fast unverständliche Worte in der hiesigen Landessprache murmelte und schließlich die Luft aus der Lunge in einem Schwall ausstieß.

Jörg und Matthias hörten ihn sagen „Reg dich nicht auf, okay? Wir sind gleich bei dir.“

Christel beobachtete ihren Sohn und rutschte nervös im Sessel herum. Jörg seufzte, als Bent das Smartphone zurück in die Tasche steckte und sie der Reihe nach ansah.

„Wenn ihr wirklich eine Auszeit haben wollt, dann sollten sich unsere Wege hier trennen, ansonsten wird das wohl erst ein Mal warten müssen.“

Christel starrte auf Jörg, der offensichtlich überlegte, was er tun sollte. Sie zupfte an seinem Ärmel, bis er sie ansah. Trotz der Nachricht von gerade eben grinste Bent, als er sah das Jörg und seine Mutter sich durch Blicke verständigten und schließlich beide gleichzeitig sprachen.

„Wir bleiben“, obwohl sie noch gar nicht wussten, um was es geht.

Bent räusperte sich und setzte sich auf die Lehne des Sessels, in dem vorher noch Maxim gesessen hatte.

„Ihr habt doch alle mitbekommen, dass Davide sich in den letzten Monaten oft mit einer Frau getroffen hat. Ich glaube, wir hatten alle die Hoffnung, es würde sich was daraus entwickeln“, begann Bent und alle nickten ihm zu „Gestern Abend haben sie sich wohl gestritten und Davide hat wütend das Haus verlassen. Er ist in die Stadt gefahren und hat sich dort mit einem Obdachlosen getroffen, mit dem er sich zu seiner Zeit auf der Straße angefreundet hat. Die zwei treffen sich unregelmäßig und reden dann ein bisschen. Davide hat nicht viele Freunde, deshalb ist ihm jeder einzelne davon sehr wichtig. So auch dieser Luca vom gestrigen Abend“, Bent holte tief Luft und strich fast schon zärtlich über den Lehnenabschluss des Sessels „Als er nach Hause kam, war seine Freundin fort.“

Matthias runzelte die Stirn „Und was ist daran so aufregend? Ich meine, wenn sie streit hatten und er gefahren ist, was sollte sie dann alleine in diesem großen Haus? Sie wird ebenfalls nach Hause gefahren sein.“

Bent nickte ein Mal, dann stand er auf und lief zur Fensterfront. Von dort aus sah er zwar die Villa nicht, in der Davide seit einem Jahr wohnte, aber es war zumindest die Richtung. Irgendwo hinter den lichten Bäumen, die dieses Ferienhaus umsäumten, war ein Abhang. Kein ziemlich steiler Abhang, aber doch so, dass man ihn nicht einfach so hinuntersteigen konnte. Man musste schon einen kleinen Umweg laufen, um zu Fuß zur Villa zu kommen. Sofort hatte Bent das Gebäude vor den Augen und den Geruch in der Nase. Nachdem er es das erste Mal betreten hatte, hatte sich beides fest in sein Gehirn gebrannt. Da hatte es auch nichts genutzt, Davide beim renovieren zu helfen und zu streichen, neue Möbel aufzubauen und viele Möbelstücke an anderen Wänden zu platzieren.

„Nein. Ist sie nicht. Oder sagen wir es so: sie ist dort nie angekommen. Ihre Wohnung war leer, als Davide dort nachgesehen hat. Er ist die ganze Nacht unterwegs gewesen, ist die Strecke von der Villa bis zu ihrer Wohnung mehrfach abgefahren, aber er hat sie nicht gefunden.“

„Und was sollen wir jetzt tun?“, wollte Matthias wissen und griff zu seiner Kaffeetasse, deren Inhalt längst nicht mehr dampfte. Trotzdem trank er einen großen Schluck daraus und stellte sie dann wieder ab. Er wartete auf eine Antwort, aber stattdessen spürte er nur verwirrte Blicke auf sich ruhen „Was ist denn? Wieso seht ihr mich alle so an? Ich meine, sie ist eine erwachsene Frau und wenn sie einen Streit hatten, ist sie vielleicht zu einer Freundin gefahren um sich auszuheulen. Eventuell ist sie auch bei ihren Eltern, wer weiß das schon so genau?“

„Um das herauszufinden hat er mich um Hilfe gebeten. Und genau das werde ich tun, Matthias, ob mit oder ohne euch ist mir egal, aber ich lasse ihn nicht hängen“, knurrte Bent und tastete in seiner Hosentasche nach dem Autoschlüssel.

„Wir rennen also jetzt hinter einer Frau her, die wir gar nicht kennen und das nur, weil sie und Davide einen Streit hatten?“, fragte Matthias ungläubig und kopfschüttelnd und Jörg schnaubte.

„Manchmal weiß ich wirklich nicht, wie du es geschafft hast, so lange diesen Job zu behalten. An manchen Tagen würde ich dich gerne in der nächsten Pfütze ertränken, Matthias. Ehrlich. Du kannst so ein Arschloch sein“, schimpfte er und Bent hätte ihm fast zugestimmt. Er presste die Lippen zusammen, als Jörg weiterredete.

„Du kennst doch seine Vorgeschichte und weißt genau, was damals in der Villa passiert ist. Natürlich kann es sein, das er Gespenster sieht, wenn er an eine Entführung oder sonst was glaubt, aber es wäre ja auch denkbar, dass er Recht hat.“

„Und was will man damit erreichen? Er ist ein ehemaliger Obdachloser, der wieder in seinem eigenen Haus lebt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass da viel zu holen ist.“

Jörg verdrehte die Augen „Würdest du uns bitte erzählen was Davide vermutet?“, wendete sich Jörg an Bent, der ihm zunickte.

„Der vermutet tatsächlich, das sie entführt worden ist. Und nein, es muss nicht zwingend an ihm liegen. Sie ist selbständig und hat ein paar Angestellte. Ich denke, sie hätte selbst genug Geld um sich freizukaufen.“

Matthias stöhnte und lehnte sich zurück „Dann geht ihr. Ich bleibe hier bei Maxim. Nicht, dass das ganze ein Ablenkungsmanöver ist und am Ende er derjenige ist, der entführt werden soll.“

Jörg seufzte, aber er nickte ihm auch zu „Soll mir Recht sein“, knurrte er und verließ mit Christel und Bent den Raum.

---ENDE DER LESEPROBE---