Clarissa und Fiete IV - Hans Müller-Jüngst - E-Book

Clarissa und Fiete IV E-Book

Hans Müller-Jüngst

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Beschreibung

Fiete eröffnet ein Büro für die Projektierung von Windkraftanlagen in Osetrholz-Scharmbeck bei Bremen und ist sehr erfolgreich, Clarissa versieht den Dienst als Tierärztin in Worpswede ebenfalls erfolgreich. Beide haben sie den Kontakt zu den Lofoten wieder aufgenommen und Solveig und Ole eingeladen, die sie in Worpswede besuchen kommen. Die beiden Paare versichern sich ihre gegenseitige Freundschaft und stellen fest, dass sie in beinahe allen wichtigen Belangen auf der gleichen Wellenlänge liegen. Solveig ist schwanger, was man an ihrem hervorstehenden Bauch leicht feststellen kann und in dem Moment, in dem sie darüber sprechen, teilt auch Clarissa mit, dass sie schwanger ist, wenn auch noch erst am Anfang. Diese Nachricht wirft Fiete um, und er muss sich im Klaren über seine Vaterrolle werden, was ihm aber nicht schwerfällt, im Gegenteil, er freut sich abgöttisch über Clarissas Mitteilung. Die beiden hatten natürlich längst geheiratet, und so war es nur folgerichtig, auch an Nachwuchs zu denken. Sie fahren im Sommer auf einen Gegenbesuch auf die Lofoten, und bei Fiete werden alte Erinnerungen wach, wenn er die 3 Türme sieht. Sie erleben eine schöne Woche auf den Lofoten und sehen sich die Stätten an, die damals für Fiete eine Rolle gespielt hatten. Die Geburt verläuft wie geplant und relativ komplikationslos, Clarissa gebiert einen Jungen, und der heißt Ole. Natürlich ist der Name dem Vorbild von den Lofoten entlehnt, und der alte Ole ist ein wenig stolz darauf. Die Geburt von Ole setzt im Alltag von Clarissa und Fiete mit einem Mal ganz neue Proritäten, Fiete gerät in den Hintergrund, was ihm aber nichts auszumachen scheint. Die neuen Großeltern sind beinahe außer sich, als sie den Sprössling das erste Mal zu Gesicht bekommen, Ole ist das Zentrum aller Aufmerksamkeit. Clarissa und Fiete leben von da an das Leben so vieler Eltern.

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Hans Müller-Jüngst

Clarissa und Fiete IV

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Clarissa ist schwanger

Die Windkraftanlage

Alltag bei Clarissa und Fiete

Urlaub auf den Lofoten

Die Geburt von Ole

Impressum neobooks

Clarissa ist schwanger

Clarissa und Fiete lebten zusammen ein geordnetes Leben in Worpswede, beide gingen ihren Berufen nach. Sie waren inzwischen auch verheiratet und Clarissa hatte anklingen lassen, dass sie Kinder haben wollte. Fiete redete mit ihr beinahe an jedem Abend über Kinder, wenn sie von ihrer Arbeit zu Hause waren und gemeinsam zu Abend aßen.

„Findest Du den Zeitpunkt für Kinder jetzt richtig?“, fragte Fiete dann, und Clarissa antwortete:

„Ich bin jetzt 29 und will nicht länger warten, wir müssen uns nur überlegen, wie wir dann unseren Alltag organisieren wollen!“

Fiete ließ Clarissas Worte dann immer in sich wirken und hatte im Grunde keinerlei Einwände gegen Kinder geltend zu machen, Clarissa war in ihrer Ehe ohnehin die Tonangebende, und er fügte sich immer. So war es auch schon bei ihrer Hochzeit, die sie mit der ganzen Verwandtschaft in Worpswede gefeiert hatten. Es war Clarissas Wunsch, dass sie alle vor dem Ehevollzug auf dem Standesamt auf den Weyerberg zum Niedersachsenstein spazierten, wo eine Menge Fotos geschossen wurden. Bubenhäusers waren aus Braunschweig angereist und Isolde war mit Jasper aus Hannover gekommen, wo die beiden inzwischen lebten. Jan war auch noch mit seiner Britta zusammen, und die beiden kamen aus Bremen. Und von Süderland waren Fietes Eltern und Oma Stevens angereist. Für sie bedeutete die Reise große Mühsal, genauso für die Bubenhäusers, denn die Jüngsten waren sie alle nicht mehr, besonders Oma Sevens, die schon bald auf die 83 zuging. Sie hatte inzwischen doch Probleme, sich zu bewegen, und Fiete schob sie in ihrem Rollstuhl, was auf Süderland sein Vater oder seine Mutter erledigten. Aber auf Süderland machten sie keine großen Ausflüge, es kam höchstens vor, dass sie einmal auf den Boulevard gingen und dort auf das Meer schauten. Wenn es das Wetter zuließ, setzten sie sich für zwei Stunden auf eine Bank, Frau Kleen hatte dann Proviant eingepackt, den sie aßen, und wobei sie nicht viel redeten.

In Worpswede hatte sich Clarissa mit den Bauern der Umgebung angefreundet, was ihr am Anfang nicht immer sehr leicht gefallen war, denn ihr Vorgänger wurde von allen Bauern sehr geachtet. Als dann eine junge Frau dessen Nachfolge angetreten hatte, rümpften sie erst einmal alle ihre Nasen. Nach und nach akzeptierten sie aber Clarissa, sie respektierten vor allem ihren großen Sachverstand, den sie immer dann unter Beweis stellte, wenn sie komplizierte Krankheiten bei den Tieren behandelte. Fiete hatte eine kleine Firma mit Sitz in Osterholz-Scharmbeck, in der er sich zusammen mit drei Mitarbeitern um Windkraftwerke kümmerte, die von ihren Ausmaßen her sehr klein waren und sich für die Versorgung kleiner Gemeinden eigneten. Natürlich konnte er viel von der Erfahrung in seine Arbeit einfließen lassen, die er bei seinem früheren Arbeitgeber E.ON gesammelt hatte, und er kam mit seiner Firma sehr gut zurecht.

„Wie findest Du den Namen Pascal für einen Jungen?“, fragte Clarissa ihn an einem Abend, als sie wieder einmal zusammensaßen und über Kinder redeten.

„Pascal finde ich sehr gewöhnlich, ich finde, der Name hat etwas Proletenhaftes und würde meinen Jungen nicht so gerne Pascal nennen, lass uns lieber einen anderen Namen aussuchen!“

„Ich habe auch über einen Mädchennamen nachgedacht und bin auf Anna gekommen, wie findest Du diesen Namen?“

„Anna finde ich ganz gut, ich meine aber, dass dieser Name inzwischen sehr verbreitet ist, lass uns doch einen ausgefalleneren Namen nehmen!“ Und so saßen sie da und sinnierten einmal wieder über Namen nach, sie überlegten hin und her, es fiel ihnen kein passender Name ein, der ihnen beiden zusagte, weder für ein Mädchen noch für einen Jungen. Einige Tage später war Clarissa draußen bei Bauer Kampen, um beim Kalben seiner Lieblingskuh zu helfen. Die Geburt des Kalbes gestaltete sich sehr kompliziert, und Clarissa musste dem Kalb im Mutterleib Stricke um die Läufe binden, an denen sie und Albert Kampen das Kalb herauszogen. Als Herr Kampen sah, dass es sich bei dem Kalb um ein Mädchen handelte, rief er aus:

„Da bist Du ja endlich, Sophia!“, und Clarissa sah ihn an und sagte:

„Albert, Du nennst Dein Kälbchen Sophia, was für ein schöner Name!“ Als sie am Abend wieder mit Fiete zusammen hockte, teilte sie ihm mit:

„Fiete, ich habe einen Mädchennamen für unser Kind , wenn ich ein Mädchen gebären sollte, heißt es Sophia!“

„Wie kommst Du denn auf Sophia?“, fragte er, und Clarissa erzählte von der Kälbchengeburt und dem Namen, den Albert Kampen dem Tier gegeben hatte.

„Sophia gefällt mir ausgesprochen gut, ein Name, den man nicht sooft hört!“

„Das finde ich auch, ich hatte einmal eine Tante, die Sophia hieß, sie war eine herzensgute Frau, von der Isolde und ich immer Süßigkeiten bekommen hatten.“

„Mich erinnert der Name Sophia auch irgendwie an früher, ich hatte aber niemanden in meiner Verwandtschaft, der so hieß, ich denke, dass der Name schon uralt ist!“

„Jetzt fehlt uns nur noch ein Jungenname, aber der wird uns auch schon noch einfallen, ich habe eine Zeit lang über Friedrich nachgedacht, den Namen aber schnell wieder verworfen.“

„Friedrich ist ja wohl das Letzte, so hieß der Bruder meines Vaters, so würde man heute aber wohl niemanden mehr nennen!“, entgegnete Fiete entrüstet. So saßen sie mal wieder und führten eine angeregte Namensdiskussion, wie sie wohl alle Eltern in spe führten, ohne so recht zu einem Ergebnis zu kommen, und bei allen war es oft der Zufall, der den richtigen Namen brachte, so wie es bei Clarissas Sophia der Fall gewesen war. Sie wollten die Sache nicht übers Knie brechen und abwarten, natürlich hatten sie auch Namensbücher, die sie zum Teil geschenkt bekommen hatten, aber sie wurden auch in ihnen nicht fündig. Für das anstehende Pfingstfest hatten sie etwas ganz Besonderes vor, sie hatten Solveig und Ole von den Lofoten zu sich eingeladen. Die beiden sollten schon zu ihrer Hochzeit kommen, waren zu diesem Zeitpunkt aber verhindert. Geplant war, dass sie am Freitag vor Pfingsten kommen sollten und am Dienstag wieder abreisten. Fiete würde sie in Hamburg-Fuhlsbüttel am Flughafen abholen und auch wieder dorthin zurückbringen.

Als der Besuchsfreitag angebrochen war, sagte Clarissa beim Frühstück plötzlich zu Fiete:

„Ich glaube, ich bin schwanger, ich habe schon zweimal meine Periode nicht bekommen und werde im Laufe des Tages einmal meine Frauenärztin aufsuchen.“

Fiete bekam bei dieser Nachricht ganz glänzende Augen, so sehr freute er sich darüber, Vater zu werden.

„Clarissa, das ist ja eine ganz tolle Nachricht, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll!“, und er stand auf und nahm seine Frau in seine Arme. Er drückte sie an sich, sah sich dabei aber vor, dass er nicht allzu heftig vorging, denn wenn Clarissa schwanger wäre, müsste er Rücksicht auf sie nehmen. Er hielt seine Frau lange in seinen Armen und sagte zu ihr:

„Ich werde Dir, wo ich kann, Arbeit abnehmen, damit Du Dich schonst, kann ich Solveig und Ole die Neuigkeit schon unterbreiten oder willst Du ihnen selbst die Nachricht übermitteln?“

„Wenn Du mit den beiden hier bei uns bist, werde ich ihnen schon von meiner Schwangerschaft erzählen, sag ihnen bitte bis dahin nichts!“ Clarissa und Fiete hatten sich diesen Tag beide freigenommen und wollten sich ganz auf ihren Besuch einstellen. Sie hatten Solveig und Ole seit Fietes Lofotenzeit nicht mehr gesehen, und die lag inzwischen schon drei Jahre zurück.

Der Kontakt zwischen Fiete, Solveig und Ole war immer besonders intensiv gewesen. Fiete mochte Solveig, seit er sie das erste Mal in ihrem „Hansa“ gesehen hatte. Damals lebte ihr Vater noch, aber Solveig managte da schon den Kneipenbetrieb vollständig in Eigenregie. Ole war ein sehr verlässlicher Mitarbeiter gewesen, und Fiete und ihn verband etwas, was schwer zu beschreiben war, vielleicht war es so etwas wie eine gemeinsame Auffassung von der Welt. Als Fiete damals mit Ole eine gemeinsame Angeltour im Boot von Solveigs Bekanntem gemacht hatten, spürten sie beide dieses verbindende Band besonders stark, auch als sie danach in der Mannschaftsbaracke ihren Fisch zubereiteten. Fiete fuhr am Mittag von Worpswede los, die Maschine würde um 14.05 h, von Oslo kommend, landen. Solveig und Ole würden den gleichen Flug nehmen, deb Fiete in seiner Zeit bei E.ON immer genommen hatte. Sie würden mit der Fähre nach Bodoe übersetzen, von Bodoe nach Oslo fliegen und dort nach Hamburg umsteigen. Fiete verabschiedete sich von Clarissa und nahm die gute Nachricht mit, er dachte auf der Fahrt unentwegt daran, dass er bald Vater sein würde und freute sich riesig darüber. Er fuhr in Gyhum auf die A 1 und weiter nach Hamburg und wusste, dass er vor dem Elbtunnel in einen Stau geraten würde, wenn er Pech hätte, aber so viel Zeit hatte er schon eingeplant.

Und tatsächlich, eine halbe Stunde später kam er am Elbtunnel an und geriet in einen Stau, der eine Viertelstunde seiner Zeit nahm, sich im Tunnel aber langsam auflöste, sodass er immerhin durch den Tunnel gemächlich rollen konnte. Eine weitere halbe Stunde später erreichte er in Fuhlsbüttel den Flughafen und stellte seinen Wagen ab. Bis zur planmäßigen Landung der Maschine aus Oslo hatte er noch etwas Zeit und er setzte sich im Flughafengebäude in eine Kaffeebar und bestellte sich einen Kaffee. Immer dachte er an Clarissa und ihre gemeinsame Zukunft mit Kindern.

„Wenn wir ein Mädchen bekommen, heißt unser Kind Sophia, was ist aber, wenn wir einen Jungen bekommen?“ Ein Jungenname wollte ihm nicht einfallen, so sehr er auch über einen Jungennamen nachdachte, und Friedrich kam schon einmal gar nicht in Frage, so viel stand für Fiete fest. Er trank seinen Kaffee aus und lief langsam zu dem Gate, an dem er seine Freunde von den Lofoten in Empfang nehmen wollte. Er war aufgeregt, die beiden nach so langer Zeit wiederzusehen. Die Anzeige verriet dass die Maschine aus Oslo gelandet war und damit wenigstens keine Verspätung hatte. Jetzt würden alle Passagiere noch zum Kofferband gehen und ihr Gepäck aufnehmen, dann käme der Moment des Wiedersehens. Kurze Zeit später öffnete sich die Schwingtür und die ersten Passagiere aus Oslo kamen heraus. Es dauerte eine Zeit, bis Fiete Solveig und Ole ausmachen konnte, er hatte sie unter den anderen Passagieren sofort wiedererkannt, Solveig war schön wie immer und völlig unverändert, sie trug ihr langes blondes Haar zu einem Zopf geflochten, wie sie es auch im „Hansa“ immer gehabt hatte, und auch Ole war der Alte geblieben. Fiete stürmte sofort auf die beiden los und umarmte jeden von ihnen zur Begrüßung, Solveig gab er einen kräftigen Kuss auf die Wange. Als er sie in seinen Armen hielt, glaubte er einen Bauch an ihr zu spüren und sah sie fragend an:

„Ja, ich bin im fünften Monat schwanger!“, rief Solveig voller Freude aus, und Fiete gratulierten den beiden.

„Wisst Ihr denn das Geschlecht und habt schon einen Namen?“

„Es wird ein Mädchen werden und wir werden es Astrid nennen!“ Auch Ole strahlte über sein ganzes Gesicht, Solveig und er waren ein Paar, wie man es vielen wünschte, sie verkörperten geradezu das Glück und gaben das auch jedem zu verstehen. Fiete nahm einen ihrer beiden Rollkoffer und ging mit den beiden langsam zu seinem Wagen. Unterwegs fragte er Ole:

„Stehen unsere Windräder noch in Flakstad, oder hat sie der Sturm schon umgerissen?“

„Alle drei Windräder stehen und verrichten gute Arbeit!“, antwortete Ole, und er sah seinen ehemaligen Chef dabei an, als wollte er ihm immer noch seinen Respekt für die Arbeit aussprechen, die sie damals zusammen ausgeführt hatten.

„Hat sich denn auf den Lofoten bei Euch sonst irgendetwas Nennenswertes ereignet?“

„Bei uns geschehen so schnell keine nennenswerten Dinge, wie Du Dir vielleicht noch vorstellen kannst, aber bei Euch hat sich ja einiges verändert!“, sagte Solveig.

„Ja, ich bin inzwischen selbstständig und habe eine kleine Firma, in der ich zusammen mit drei Kollegen Windräder konzipiere, die für nicht ganz so finanzstarke Kommunen gedacht sind, es läuft ganz gut in der Firma, und Clarissa ist, wie Ihr ja wisst, Tierärztin und versorgt die landwirtschaftlichen Betriebe in der gesamten Umgebung, aber das wird sie Euch alles erzählen, wenn wir bei uns angekommen sind, setzt Euch in den Wagen, wir fahren los!“ Ohne Probleme fuhren sie nach Worpswede zurück und Solveig und Ole trauten ihren Augen nicht, als sie sahen, wie schnell Fiete seinen Wagen über die Autobahn steuerte, denn Autobahnen gab es auf den Lofoten nicht, und man fuhr dort eher vorsichtig. Zu Hause begrüßte Clarissa die beiden, und die gegenseitige Freude war groß, obwohl Clarissa die beiden bei ihrem Besuch auf den Lofoten gar nicht richtig kennenlernen konnte. Aber es herrschte auf beiden Seiten große Sympathie, Clarissa hatte sofort Solveigs Schwangerschaftsbauch bemerkt, und Solveig strahlte sie geradezu an:

„Ich bin im fünften Monat schwanger!“ Clarissa ging mit allen ins Haus, und als Solveig und Ole ihr Gepäck abgestellt, und sie sich alle an den Kaffeetisch gesetzt hatten, sagte sie:

„Ich war heute bei meiner Frauenärztin, und sie hat mir eröffnet, dass ich im dritten Monat schwanger bin!“ Fiete sprang auf und ging zu Clarissa, er nahm sie in seine Arme und küsste sie, er sagte:

„Da haben wir also jetzt Gewissheit, ich freue mich riesig!“ Solveig und Ole legten ihre Arme um Clarissa und gratulierten ihr:

„Jetzt haben wir zwei werdende Mütter unter uns!“, sagte Ole.

„Fiete, wir müssen unsere Frauen jetzt mit Vorsicht behandeln!“ Und gleich war Fiete bemüht, alles um sich herum selbst in seine Hände zu nehmen und Clarissa zu entlasten. Er stand auf, kochte für alle Kaffee und stellte Kuchen auf den Tisch, Ole half ihm dabei und während die beiden mit dem Kaffeetisch beschäftigt waren, sagte Solveig zu Clarissa:

„Im dritten Monat musst Du besonders auf Dich Acht geben, da haben die Schwangeren die meisten Fehlgeburten!“

„Ich werde schon auf mich aufpassen, ich weiß, dass Fiete mir ein große Hilfe ist, und in meiner Praxis werde ich ein wenig kürzer treten, bis ich den Praxisbetrieb für eine Zeit ganz stilllegen werde.“

„Wie wollt Ihr Euer Kind denn nennen?“

„Ein Mädchen soll Sophia heißen, aber einen Namen für einen Jungen haben wir noch nicht gefunden!“ In diesem Augenblick kamen Fiete und Ole zu den beiden, Fiete sah Clarissa an und rief aus:

„Ich weiß einen Jungennamen, wir nennen unseren Jungen Ole!“ und Clarissa rief:

„Ich habe in diesem Augenblick dieselbe Idee gehabt, wir nennen unseren Jungen Ole, der Name ist schön, und er wird uns immer an Deine Zeit auf den Lofoten erinnern!“ Ole schaute leicht verlegen Solveig an, die versicherte ihm, dass er stolz darauf sein könnte, dass sein Name in Worpswede verewigt werden würde. Fiete lief noch einmal in die Küche und holte eine Flasche Sekt aus dem Kühlschrank,aber noch bevor er sie geöffnet hatte, winkte Clarissa ab und sagte, dass sie von diesem Tag an während ihrer Schwangerschaft keinen Alkohol mehr trinken würde und auch Solveig verzichtete. Also brachte Fiete die Flasche wieder zurück und holte für Ole und sich einen Schnaps, den sie beide auf ihre Kinder ex tranken. Anschließend widmeten sie sich ihrem Kuchen und unterhielten sich über ihre Alltagsprobleme. Solveig erzählte, dass an Wochenenden das „Hansa“ immer noch von Gästen überquellen würde.

„Ich bin dann immer froh, dass Ole mithilft, allein könnte ich den Betrieb gar nicht bewältigen!“

„Ich habe auch ab und zu Hochbetrieb, wenn ich die Praxis geöffnet habe und gleichzeitig beinahe alle Bauern auf einmal etwas von mir wollen, ich bin dann immer froh, wenn an solchen Tagen Feierabend ist!“ Auch Fiete hatte natürlich in seiner Firma manchmal Stress und Ärger mit den Kommunen, die zu seinen Kunden zählten, wenn er sich mit deren Kämmerern nicht einig über den Preis für seine Anlage werden konnte, er hielt sich aber zurück und wollte die anderen nicht mit seiner Firma belästigen.

„Wir können Morgen am Pfingstsamstag einmal zu meiner Firma rüberfahren und uns Osterholz-Scharmbeck ansehen, das ist ein ganz netter Ort, und wir können dort einen kleinen Spaziergang machen.“ Nach dem Kaffeetrinken zeigten Clarissa und Fiete ihren Gästen ihr Zimmer, in das sie ihr Gepäck brachten, und in dem sie sich frisch machten.

„Ein sehr schönes Haus habe Ihr beide, mit viel Platz, da könnt Ihr noch viele Kinder in die Welt setzen“, sagte Solveig. Clarissa und Fiete gingen wieder ins Wohnzimmer, und Fiete hielt Clarissas Hand, er war glücklich und machte keinen Hehl daraus.

„Wir müssen so langsam daran denken, ein Kinderzimmer einzurichten, wir sollten bei Gelegenheit nach Bremen zu IKEA fahren und uns Ideen holen, wir können uns vorher den IKEA-Katalog im Internet anschauen“, meinte Clarissa. Fiete fügte sich wieder, ohne auch nur einen Ton des Widerspruchs von sich zu geben.

„Wir können an dem Wochenende nach Pfingsten nach Bremen fahren“, antwortete er. In diesem Augenblick stießen Solveig und Ole wieder zu ihnen und Clarissa klärte die beiden darüber auf, dass sie sich gerade mit Fiete Gedanken überein Kinderzimmer machte.

„Das haben Ole und ich bei uns in Flakstad schon längst getan, und wir haben das meiste auch schon zusammen, es fehlen nur noch eine Wickelkommode und ein Heizstrahler, aber die Sachen haben wir schnell besorgt.“

„Bei uns gibt es das große schwedische Möbelhaus IKEA in jeder größeren Stadt, wir werden am nächsten Wochenende nach Bremen zu IKEA fahren und uns die ersten Sachen kaufen.“

„Lasst uns, bevor wir ins Restaurant zum Essen gehen, einen Spaziergang durch Worpswede machen, unser Künstlerdorf wird Euch sicher gefallen“, schlug Fiete vor und sie hielten sich gar nicht mehr lange auf und liefen los. Unterwegs zum Dorfzentrum musste Clarissa jede Menge Passanten grüßen, weil sie als Tierärztin inzwischen in Worpswede bekannt war wie ein bunter Hund. Sie spazierten ganz gemütlich durch das Dorf und Clarissa und Fiete steuerten die „Käseglocke“ an, die ihren Namen wegen ihrer ungewöhnlichen Form bekommen hatte. Solveig und Ole staunten über das schmucke kleine Haus, nachdem sie dort angekommen waren und Fiete erklärte, dass es 1926 nach den Plänen eines Architekten für einen Schriftsteller errichtet worden war und heute eine Art Heimatmuseum wäre.

Sie warfen einen Blick hinein und betrachteten die kunsthandwerklichen Gegenstände und Bauernmöbel, besonders Solveig war sehr angetan von den schönen Ausstellungsstücken und sagte, dass sie sich das eine oder andere Stück gut bei sich im „Hansa“ vorstellen könnte. Von der „Käseglocke“ aus spazierten sie durch das Dorf zurück Richtung Bahnhof, der schon ein Stück entfernt lag, und sie gingen in den „Worpsweder Bahnhof“, inzwischen ein Restaurant der gehobenen Kategorie. Da gerade Pfingsten war, wurde dort natürlich Spargel in allen nur erdenklichen Variationen angeboten und Clarissa und Fiete legten Solveig und Ole den Spargel wärmstens ans Herz. Wir haben noch nie in unserem Leben Spargel gegessen, bei uns auf den Lofoten gibt es einfach keinen Spargel, und ich bin gespannt darauf, wie er schmeckt!“, sagte Solveig. Fiete hatte für diesen Abend einen Tisch reservieren lassen, ohne Reservierung kam man im „Worpsweder Bahnhof“ schon längst nicht mehr zurecht, und sie wurden vom Kellner zu ihrem Tisch geführt. Der Ober nahm auch gleich die Getränkewünsche auf, und die Frauen bestellten sich jede eine Apfelschorle, Fiete und Ole nahmen jeder ein großes Bier und einen Korn. Der Blick in die Speisekarte erübrigte sich eigentlich, jeder bestellte Spargel mit zerlassener Butter und gekochtem Schinken.

Während sie auf das Essen warteten fragte Fiete Ole nach den alten Arbeitskollegen, besonders nach Stieg und Björn, der damals bei einem Arbeitsunfall eine Hand verloren hatte.

„Ich weiß, dass Stieg auf dem Festland bei einer Hochbaufirma als Kranführer untergekommen ist, und dass Björn sein Rentnerdasein genießt, so wie ich gehört habe, kommt er wunderbar mit seiner Prothese zurecht und spürt kaum eine Beeinträchtigung, Genaueres weiß ich von unseren ehemaligen Kollegen aber auch nicht.“ Als der Spargel serviert wurde, betrachteten Solveig und Ole neugierig die weißen Stangen auf ihren Tellern und schnitten sich jeder ein Stück von ihnen ab, so wie es Clarissa und Fiete auch taten. Beide kosteten ihren Spargel und hoben der hervorragenden Geschmack des Gemüses hervor, sie waren voll des Lobes.

„Schade, dass es bei uns keinen Spargel gibt, ich könnte mir glatt vorstellen, den im „Hansa“ anzubieten!“ Sie unterhielten sich beim Essen darüber, dass Clarissa und Fiete im Sommer, wenn Clarissa ungefähr im sechsten Monat wäre und Solveig ihre Astrid bekommen hätte, einmal auf die Lofoten an Fietes alte Wirkungsstätte kommen sollten, und die beiden nahmen die Einladung gerne an. Als sie wieder bei Clarissa und Fiete zu Hause waren, setzten sie sich gemütlich zusammen und Clarissa stellte allerlei Nüsse, Plätzchen und sonstige Leckereien auf den Tisch.

Fiete holte für die Frauen Apfelsaft und Sprudel und für Ole und sich stellte er jeweils ein Bier und einen Korn hin. Prompt bekam er von Clarissa zu hören, dass er sich nicht mit Ole besaufen sollte und ließ die Aufforderung unkommentiert im Raume stehen.

„Ich werde Morgen meine Eltern in Braunschweig anrufen und ihnen mitteilen, dass sie bald Großeltern werden und Du Fiete musst nach Süderland anrufen!

„Bei uns hat es nur Oles Eltern gegeben, die noch leben, und denen wir Bescheid gesagt haben, ihre Freude war unbeschreiblich groß, wie ihr Euch vorstellen könnt, aber das werdet Ihr morgen bei Euren Eltern auch erfahren!“ Sie unterhielten sich an diesem Abend noch darüber, wie sie ihren Alltag mit Kind organisieren würden.

„Tagsüber haben wir das „Hansa“ ja geschlossen, und Ole und ich können uns gemeinsam um Astrid kümmern, von daher haben wir es schon besser als andere Berufstätige und abends, wenn ich hinter der Theke stehe, kümmert sich Ole um unser Kind, aber es schläft ja dann, und wir haben ein Babyphone, mit dem wir unten in der Gaststätte hören können, ob Astrid wach ist oder schläft.“

„Das ist bei uns natürlich anders, Fiete ist in seiner Firma und ich bin den ganzen Tag allein mit unserem Kind, und irgendwann möchte ich meinen Beruf auch wieder ausüben, wir werden dann auf eine Kinderfrau zurückgreifen müssen, damit haben Fiete und ich überhaupt keine Probleme.“

„Ich hätte damit auch keine Probleme, man muss sich natürlich die in Frage kommende Frau vorher genau ansehen und mit ihr ein Gespräch führen, bei dem man herausbekommen muss, was sie für ein Mensch ist, für mich wäre das Wichtigste, dass sie Herzenswärme und Geschick mitbringt, Sauberkeit ist auch wichtig, ich könnte aber über so manche Unordentlichkeit hinwegsehen, wenn ich wüsste, dass mein Kind in guten Händen ist.“

„Bei uns in Deutschland bieten sehr viele Polinnen ihre Dienste als Kinderfrauen an, ich glaube, wenn sie ein halbwegs gutes Deutsch sprechen können und ein gutes Herz haben, kann man es durchaus mit einer Polin versuchen!“, sagte Clarissa und sah dabei Fiete an, der sich noch nie über eine Kinderfrau Gedanken gemacht hatte und Clarissa nur zunickte. Gegen 23.00 h brachen sie ihren gemütlichen Abend ab und gingen schlafen, Clarissa und Fiete wünschten ihren Gästen eine gute Nacht und verschwanden in ihr Schlafzimmer. Sie hatten am Abend ausgemacht, dass sie um 9.00 h frühstücken wollten und Fiete stand um 8.00 h auf und deckte den Frühstückstisch.

Kurze Zeit später erschien Ole bei ihm und wünschte einen guten Morgen, er hätte geschlafen wie ein Stein, sagte er. Anschließend liefen Fiete und Ole zum Bäcker, um Brötchen zu holen. Als sie wieder zu Hause eingetroffen waren, standen die Frauen in der Küche und kochten Kaffee, sie wünschten sich alle eine guten Morgen und umarmten sich zur Begrüßung.

Danach setzten sie sich an den Tisch und begannen zu frühstücken.

„Ich fand unser Frühstück in Flakstad auch immer sehr gut“, sagte Ole, „es fehlte im Grunde an nichts“, und Fiete pflichtete ihm bei.

„Heute fahren wir nach dem Frühstück nach Osterholz-Scharmbeck, das ist eine kleine Stadt, die 8 Kilometer von uns entfernt liegt, und in der ich meine Firma habe, vorher machen wir aber noch eine kleine Besichtigung von Clarissas Praxis.“ Das Frühstück glich dem auf den Lofoten, nur die Brötchen waren krosser, was Solveig und Ole positiv bemerkten, weil sie die krossen Brötchen gegenüber den weichen bei sich zu Hause leckerer fanden. Cereals aß niemand von ihnen, jeder begnügte sich mit zwei Brötchen mit Wurst, Käse oder Marmelade und einigen Tassen Kaffee. Nach ungefähr einer Stunde standen sie alle auf und räumten den Frühstückstisch ab. Anschließend machten sie sich frisch und gingen in Clarissas Praxis, die am Samstag leer dalag.

„Mein Vorgänger hat mir die Praxis ziemlich altmodisch hinterlassen, ich habe erst einmal alle Wände weiß streichen lassen und helle Möbel in die Praxisräume gestellt, wie gefallen Euch meine Praxisräume?“

„Also wenn ich ein krankes Tier hätte, käme ich gerne zu Dir, die Praxis wirkt sehr einladend, und man kann sich gut vorstellen, dass sich Deine Patienten bei Dir wohlfühlen“, antwortete Solveig. Nachdem sie die Praxis besichtigt und Solveig und Ole sie sehr ansprechend gefunden hatten, gingen sie vor die Tür und setzten sich in Fietes Wagen, mit dem sie nach Osterholz-Scharmbeck fuhren. Fiete fuhr direkt ins Zentrum und stellte seinen Wagen auf den großen Parkplatz. Vor Dort lief er mit allen in die Kirchenstraße, die eine Fußgängerstraße war, und in der er ein Ladenlokal für seine Firma gemietet hatte. Er schloss die Tür auf und betrat mit Clarissa, Solveig und Ole seinen Laden, in dem vier Arbeitstische mit Computern standen, in der Ladenecke war ein großer Plotter postiert, auf dem die Entwürfe gedruckt wurden. Fiete hatte im Fenster neben dem Namen seiner Firma, „Windkraft“, verschiedene Fotos von Windkraftanlagen ausgestellt, die er schon entworfen hatte. Das Fenster war sehr schlicht gehalten, aber Fiete verkaufte ja keine Waren, die er anpreisen musste, sondern Dienstleistungen, und wer an denen interessiert war, der schaute nicht in das Schaufenster, sondern kam in den Laden und nahm ein Gespräch mit Fiete auf. Solveig, Clarissa und Fiete liefen planlos zwischen den Arbeitstischen herum und wussten gar nicht so recht, wonach sie Ausschau halten sollten. Schließlich nahm Fiete ein Blatt vom Plotter, auf dem ein projektiertes Windkraftwerk zu sehen war.

Er legte das Blatt auf einen der Arbeitstische und erklärte, was es darauf zu sehen gab. Das Blatt zeigte eine komplette Windkraftanlage mit Turm, Gondel und Rotor. Es handelte sich um eine kleine Anlage mit einem 60 Meter hohen Turm, der Rotor hatte einen Durchmesser von 40 Metern, die Anlage war im Vergleich zu den drei Türmen, die Fiete in Flakstad auf den Lofoten errichtet hatte, wirklich sehr klein.

„Eine solche Anlage reicht aus, um eine Gemeinde wie Worpswede mit Strom zu versorgen, natürlich sind die Erstellungskosten beträchtlich, man muss bei drei solcher Windkraftanlagen mit Kosten in Höhe von 5 Millionen Euro rechnen, zuzüglich der Kosten für die Zuwegung, Fundamente und sonstige Nebenkosten. Aber die rein ökonomische Bilanz fällt doch positiv aus, die Kosten haben sich in 10 Jahren amortisiert. Ich denke aber, man muss dabei auch die ökologische Bilanz aufmachen, und da schneiden die Windkraftanlagen unter allen anderen sinnvoll einsetzbaren Anlagen besonders gut ab!“ Ole fragte gleich nach technischen Details, und ihn interessierte da der Turmdurchmesser. Fiete sagte, dass der bei 3 Metern läge, die Türme würden genau wie die auf den Lofoten in Schichtbauweise errichtet, nur alles eben in kleinerem Maßstab.

„Wir verwenden statt 20 Muttern mit 52 Millimetern 12 Muttern mit 40 Millimetern Durchmesser, ansonsten ist die Arbeit aber die gleiche, immer wenn ein Turm errichtet werden soll, schließe ich mich mit einer Baufirma kurz, und die rückt dann mit 3 Gruppen á 4 Arbeitern an und hat auch einen Kran mit Kranführer.“

„Wenn ich das so höre, juckt es mich fast in den Fingern, und ich möchte da mitmachen, wie oft denke ich doch an unsere gemeinsame Zeit in Flakstad zurück, und wie toll alles auf unserer Baustelle geklappt hat!“

„Aber jetzt bist Du doch im Ruhestand, und den solltest Du auch genießen, aber da mache ich mir keine Sorgen, dass Du das auch tust!“

„Habt Ihr eigentlich im Moment ein konkretes Projekt in Arbeit?“, fragte Solveig, und Fiete wollte gerade loslegen und von dem Windkraftprojekt in der Gemeinde Borgstadt erzählen, wie viel Energie und Mühe seine kleine Firma schon in das Projekt gesteckt hatte, wie viele Überstunden er und seine Kollegen deswegen abgeleistet hatten, als Clarissa aber dazwischenfuhr und Fiete aufforderte, sich seinen Vortrag doch für später aufzubewahren. Fiete blickte sie leicht konsterniert an, verstand aber, dass das der falsche Moment dafür war, so tiefe Einblicke in seine Arbeit zu geben. Aber er war nun einmal voll und ganz mit seiner Firma verwachsen, und Ole begriff, was ihn bewegte, hatte er doch seinen früheren Chef in ähnlichen Situationen auf der Baustelle in Flakstad erlebt.

Er kannte an Fiete diese Haltung zu seiner Arbeit, das totale Engagement, über das er nichts kommen ließ, und in das er sich von niemandem hineinreden ließ, außer von Clarissa vielleicht. Fiete hielt den Projektentwurf noch einmal hoch, sodass jeder einen Blick auf ihn werfen konnte, danach legte er ihn wieder auf den Plotter. Als er seinen Blick auf die Kaffeemaschine neben dem Plotter gerichtet hatte, fragte er, ob jemand einen Kaffee trinken wollte, er müsste die Kaffeemaschine nur einschalten und Wasser auffüllen. Aber wieder war es Clarissa, die ihn korrigierte und darauf verwies, dass sie doch besser in das Cafe am Markt gehen sollten. Fiete nahm seiner Frau es nie krumm, wenn sie ihn von seinen Spontanvorhaben abbrachte, denn die waren wirklich oft zu unausgegoren, und Fiete war im Nachhinein eigentlich immer froh, dass er sich in dieser Hinsicht auf Clarissa stützen konnte, die immer den Überblick behielt und ihn sanft zu lenken wusste. Sie verließen den Laden in der Kirchenstraße wieder und liefen zum Markt, das Wetter war an diesem Pfingstsamstag sehr schön und die Menschen strömten geradezu auf den Wochenmarkt, auf dem sich Spargelstand an Spargelstand reihte. Solveig und Ole kannten einen Wochenmarkt von zu Hause, aber einen so großen Wochenmarkt mit Ständen, die Gemüse, Fleisch, Fisch, Käse, Backwaren, Blumen und was sonst noch alles anboten, den gab es auf den Lofoten nicht.

Sie schlenderten über den Markt und begutachteten das Angebot und die vielen Menschen. Schließlich kamen sie am Marktcáfe an und setzten sich in die Sonne, sie hatten Glück, einen freien Tisch zu bekommen, gerade waren vier Leute aufgestanden und hatten einen Tisch freigemacht.

„Das ist ja ein tolles Treiben hier auf dem Markt“, sagte Solveig, „so viele Menschen auf einen Haufen sieht man in Flakstad nur beim Stadtfest.“

„Wir kommen zwar gerade von Frühstückstisch, aber ein Stückchen Kuchen könnte ich schon vertragen“, sagte Clarissa, stand auf und forderte Solveig auf, mit ihr in den Laden zu gehen und Kuchen auszusuchen.

„Bringst Du mir ein Stück Kuchen mit, ich nehme das, was Du nimmst, Solveig“, rief Ole seiner Frau hinterher.

„Und Du, Fiete, willst Du auch ein Stück Kuchen?“, fragt Clarissa.

„Mir ist das noch zu früh, ich nehme keinen Kuchen“, antwortete Fiete. Als die Frauen wieder aus dem Laden nach draußen gekommen waren, sagte Clarissa, dass Solveig und sie Schwarzwälder Kirschtorte ausgesucht hätten, und im gleichen Augenblick kam die Bedienung und brachte ihnen die Tortenstücke.

„Das ist ja eine unglaublich große Kuchenauswahl in dem Cafe, so etwas gibt es bei uns nicht!“, sagte Solveig. Sie saßen längere Zeit vor dem Cafe und betrachteten das geschäftige Treiben auf dem Markt, sie redeten nicht viel, weil sie sich ganz in dem Betrachten der Szenerie verloren, bis Fiete aber schließlich vorschlug:

„Wenn wir mit dem Kaffeetrinken fertig sind, sollten wir ein paar Schritte durch den Ort laufen!“, und alle waren sie einverstanden.

„Ich denke, dass ich in den nächsten Stunden keinen Happen essen werde, so mächtig ist die Torte gewesen“, sagte Solveig und Ole pflichtete ihr bei. Anschließend standen sie auf und begannen einen kleinen Spaziergang durch Osterholz-Scharmbeck, sie ließen sich einfach dahintreiben und achteten nicht auf die Zeit, denn sie hatten keinen Druck im Nacken. Mit Rücksicht auf Solveigs und Clarissas Zustand wollten sie keinen Gewaltmarsch machen, sondern hielten sich im Ortszentrum auf, liefen an den Schaufenstern vorbei und setzten sich ab und zu auf eine Bank, um auszuruhen. Nach eineinhalb Stunden brachen sie ihren Spaziergang ab und fuhren wieder nach Hause. Solveig ließ anklingen, dass sie sich gerne eine Stunde hinlegen wollte, und so machten sie alle eine Nachmittagspause, in der sich jeder auf seinem Bett ausruhte. Das war etwas, das für Clarissa und Fiete sonst nie in Betracht kam, sie genossen aber beide die angenehme Entspannung und Fiete schlief sogar ein und musste nach einer Stunde von Clarissa wieder geweckt werden, sie selbst hatte während dieser Zeit gelesen. Als sie zusammen mit Fiete wieder ins Wohnzimmer zurückgelaufen war, kamen Solveig und Ole auch, und sie setzten sich alle hin, Fiete holte für jeden etwas zu trinken.

Sie begannen ein Gespräch über dieses und jenes und man merkte gleich wieder, dass sie auf der gleichen Wellenlänge lagen, was Probleme im Allgemeinen betraf oder bestimmte Alltagsphänomene. Ole fing an, über die verschiedenen Geschlechter und deren Bedeutung für das Leben zu zweit zu reden. Er sagte, dass es zwischen Solveig und ihm volle Gleichberechtigung geben würde, und er überhaupt keine Sinn darin sähe, die Rolle des Mannes überzubetonen, wie das viele täten.

„Das sind doch alles alte Kamellen, Fiete und ich leben auch in voller Gleichberechtigung und werden das wohl auch immer tun, ich finde, dass da auch Probleme herbeigeredet werden, die in Wirklichkeit so gar nicht existieren, jedenfalls nicht bei Menschen unseres Alters.“

„Es gibt aber doch Streit um die Rollenverteilung in der Ehe, das kann man nicht von der Hand weisen“, entgegnete Fiete.

„Ich glaube, dass Männerdominanz aus Minderwertigkeitskomplexen heraus gefordert wird, vielleicht war das in Zeiten, in denen es auf Körperkraft ankam, wenn man bestimmte Alltagsprobleme lösen wollte, ein Thema, dass dem Mann dann eine größere Bedeutung zukam als der Frau, aber das spielt doch heute wohl keine Rolle mehr“, führte Ole aus. Im Anschluss an ihr Gespräch über Geschlechterrollen kamen sie auf Erziehungsfragen zu sprechen und Solveig betonte, dass sie ihre Astrid so frei wie möglich erziehen wollte, und sie bekam in diesem Punkt Rückendeckung von Ole.

„Auch das ist ein Punkt, um den für meine Begriffe viel zu viel Wirbel gemacht wird, selbstverständlich sollte man seine Kinder frei erziehen, welchen Sinn sollte es denn machen, ihnen Gewalt anzutun?“, fragte Clarissa.

„Es gibt aber Situationen, in denen man als Eltern den Kindern gegenüber Gewalt anwenden muss, zum Beispiel, um sie vor Gefahren zu schützen, aber das ist dann für alle Beteiligten nachvollziehbar und dient nicht dazu, die eigene Person aufzuwerten“, meinte Solveig.

„Wenn mein Kind in ein tiefes Loch zu fallen droht, werde ich es mit all der Körperkraft, über die ich verfüge, schnappen und zurückreißen, und wenn es noch so schreit!“, sagte Fiete.

„Aber es geht in unserem Gespräch ja wohl um Fälle, in denen der Kindeswille Vorrang gegenüber dem Elternwillen haben soll, und da muss man abwägen, natürlich ist es eine Form von Gewalt, den Elternwillen durchzusetzen, das macht aber meistens auch Sinn und ist nicht immer für das Kind einsehbar“, so Ole.

„Es gibt Eltern, die auf einen ganz bestimmten Verhaltenskodex setzen und ihn ihren Kinder auch abverlangen, ob das Kind das nun einsieht oder nicht, und da muss man schon fragen, warum die Eltern so etwas tun“, sagte Solveig.