Irmi - Hans Müller-Jüngst - E-Book

Irmi E-Book

Hans Müller-Jüngst

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Beschreibung

Der vorliegende Roman spiegelt den Werdegang eines siebzehnjährigen Mädchens wider, das in einem Alpental lebt und unter der dörfliche Enge leidet, die ihm keinen Raum lässt für Gedanken, die an das Fundament des Lebens rühren. Es wird mit der Schilderung ihrer häuslichen Umgebung ein Spannungsbogen angelegt, der am Ende wieder aufgegriffen und einer Lösung zugeführt wird. Der Autor bedient sich der neutralen Erzählperspektive und lässt die Protagonisten frei agieren, er führt den Leser so in die Erlebenswelt von Irmi, der Hauptdarstellerin ein und lässt ihn sich sein eigenes Urteil bilden. Irmi wendet sich früh der Astronomie zu, in der sie eine Möglichkeit sieht, der Bedrücktheit ihrer Existenz zu entfliehen, sie geht mit großer Hingabe an die Sternbeobachtung und bezieht Mathi, den Hofknecht und Franz, ihren späteren Freund mit ein. Mathi ist ein Mitvierziger, der nie den Absprung vom Hof geschafft hat und bei Irmis Familie lebt wie eine alter Sohn, er ist Irmi verfallen, seit sie ein Kleinkind war und bereit, alles für sie zu tun. Zu Franz entwickelt Irmi im Laufe der Zeit eine intensive Beziehung und die beiden lieben sich erst jetzt, nachdem sie jahrelang die gleiche Realschule im Nachbarort besucht hatten. Aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen war aber eine innige Kontaktaufnahme auf der Realschule nicht möglich. Die beiden beenden ihre Schullaufbahn und melden sich in Innsbruck auf dem Gymnasium an, Irmi verspricht sich davon, dass sie ihren Wissensstand erweitern kann und sie will insbesondere einen Einblick in die Philosophie vermittelt bekommen. Sie und Franz lernen auf dem Gymnasium Latif, einen Mitschüler afrikanischer Herkunft kennen und freunden sich mit ihm an. Irmis Eltern lassen ihre Tochter gewähren und unterstützen sie auch in ihren astronomischen Bestrebungen.Franz´ Vater wird durch Irmi an seine altes Jugendhobby, die Astronomie, erinnert und legt sich das gleiche Teleskop zu, das sich Irmi zu ihrem Geburtstag hat schenken lassen.

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Seitenzahl: 548

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Hans Müller-Jüngst

Irmi

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Die Personen:

Zu Hause

Bei Franz´ Eltern

Südtirol

Franz erbt eine Villa

Das Akademische Gymnasium

Der Schulbetrieb

Latif in Lerbach

Skifahren in Lerbach

Impressum neobooks

Die Personen:

Irmi war nicht das typische Mädchen vom Lande, von dem man dachte, dass es drall und dumm wäre, sie sah vielmehr gut aus und war von hoher Intelligenz. Sie trug ihr dunkles Haar in unterschiedlichen Längen und manchmal hochgesteckt, sie war sehr schön anzusehen. Ihr Busen war mittelgroß und sie versteckte ihn immer unter flattrigen Oberteilen. Sie legte keinen Wert auf Äußerlichkeiten wie modische Kleidung, sondern interessierte sich vielmehr für innere Werte, weshalb sie sich zunehmend mit Philosophie beschäftigte. In dieser Hinsicht unterschied sie sich stark von ihren Altersgenossinnen.

Irmis Mutter Maria war relativ klein in ihrem Wuchs und hatte ihrem Alter entsprechend auch schon Hüftspeck angesetzt. Sie trug ihre Haare kurz, auch weil sie mittlerweile schon grau waren. Trotz ihrer Pummeligkeit war sie ein sportlicher Typ und half ihrem Mann mit großem Körpereinsatz im Stall. Sie hatte einen geraden Charakter und war ein absolut zuverlässiger Mensch, mit dem sich ihre Tochter sehr gerne unterhielt.

Irmis Vater war ein sehr verschlossener Mensch, der nicht gerade in seiner Arbeit aufging, sie aber erledigte, wie man das von einem Landwirt erwartete. Er war groß und stämmig und trotz seiner Verschlossenheit war das, was er sagte, für Irmi von großem Wert, denn er war lebenserfahren, und seine Worte hatten deshalb Gewicht.

Mathi war ein hagerer Typ mit feinen Gesichtszügen, er war Mitte vierzig und sah sehr männlich aus. Er war nicht sehr groß und wirkte auch nicht sehr kräftig, weshalb manche ihm den Job als Knecht gar nicht zutrauten. Er lebte bei Hofmairs wie ein alter Sohn, der den Absprung nicht geschafft hatte, er fühlte sich in seiner Haut aber sehr wohl.

Franz war ein großer und muskulöser junger Mann, der gut aussah, jedenfalls in den Augen der meisten gleichaltrigen Mitschüler. Er trug sein Haar lang, was wieder modern war, und er legte keinen Wert auf modische Kleidung, weshalb er am liebsten in T-Shirt und Jeans herumlief, man fühlte sich bei ihm an einen Hippie erinnert. Franz war unsterblich in Irmi verliebt, und Irmi liebte ihn auch. Er war grundsolide, und man konnte sich auf ihn verlassen, das war es besonders, was Irmi an ihm liebte.

Gabi war einerseits Hausfrau und verrichtete ihre Hausarbeit auch zu aller Zufriedenheit, das füllte sie aber nicht aus. Sie war eine sehr gut aussehende Fünfzigerin, blond, mittelgroß, schlank, die sich noch zu jung fühlte, um auf das Altenteil abgeschoben zu werden, was ihr normalerweise bevorstünde, wenn Franz aus dem Haus wäre, und sie wollte dem vorbauen und sich in ein Projekt stürzen.

Dieter war ein typischer Durchschnittsmitbürger, der seiner Arbeit nachging und mit seinem Leben rundum zufrieden war. Er war leicht untersetzt und hatte bereits ein Kränzchen, über Irmi ist er zu seiner alten Jugendleidenschaft zurückgekehrt, der Astronomie. Er war Franz ein guter Vater, was Franz natürlich dankbar annahm und Dieter wurde von seinem Sohn geschätzt. Er liebte seine Frau Gabi und führte mit ihr ein auskömmliches Leben in einem schmucken Einfamilienhaus am Dorfrand von Lerbach.

Jeanette, Irmis Cousine, war in ihrer Jugendphase ein Modepüppchen, das übertriebenen Wert auf Mode, Schmuck und Schminke legte. Über ihre Ausbildung, ihren Reifeprozess und den Umgang mit Irmi orientierte sie sich aber anders: sie begann sich für ihr Leben, das Leben anderer und philosophische Fragestellungen zu interessieren und tauschte sich darüber mit Irmi aus. Jeanette war ein ausgesprochen hübsches Mädchen mit langem brünettem Haar und schlanker Figur. Sie betonte nach wie vor ihr Äußeres, wenn auch nicht mehr so stark.

Antonio war ein durchschnittlich anmutender junger Mann mit durchschnittlichen Ansichten zu seinem Leben. Er war ein Südtiroler wie er im Buche stand, das heißt, dass er verwurzelt war mit seiner Heimatstadt Sand in Taufers und nichts auf seine Heimatliebe kommen ließ. Er lebte nicht weit von Jeanette entfernt und besuchte sie regelmäßig, um mit ihr auf ihrem Zimmer zu sitzen und zu reden oder zusammen in die Eisdiele im Ort zu gehen. Er liebte seinen Ausbildungsberuf Automobilverkäufer und freute sich schon darauf, wenn er im folgenden Frühjahr seine Ausbildung beenden und fest in diesen Beruf gehen würde.

Christa hatte etwas von ihrer Lerbacher Schwester und das war das Bodenständige, sie war aber auch, ebenso wie Maria, eine ansehnliche Frau von Fünfzig. Sie war geradlinig und führte in Sand in Taufers ihren Haushalt, gleichzeitig war sie aber weltoffen uns in ihrer Haltung dem Leben gegenüber sehr modern eingestellt, wovon auch Jeanette profitierte.

Herbert war ein in die Jahre Gekommener, von seinem Beruf beinahe Aufgezehrter, der aber noch genügend Reserven hatte, sich zu behaupten und ein guter Familienvater zu sein. Er war leicht füllig und hatte einen unübersehbaren Bauchansatz, er trug ein Kränzchen auf seinem Kopf. Er war aber immer noch sportlich genug, lange und anstrengende Wanderungen zu unternehmen.

Toni war ein Skilehrer, wie man ihn sich als Flachlandtiroler so vorstellt, sein Gesicht war braungebrannt und er war eine junge sympathische Erscheinung. Toni beherrschte das Skifahren aus dem Effeff, und man konnte sich leicht vorstellen, das er der Schwarm vieler Mädchen gewesen war. Gleichzeitig war er in der Lage, seinen Schülern sehr feinfühlig das Skifahren beizubringen und dabei eine nicht enden wollende Geduld zu haben.

Latif fiel wegen seiner Hautfarbe auf und war es gewohnt, die Blicke aller auf sich zu ziehen, machte sich aber nichts daraus. Er stammte aus einem reichen afrikanischen Diplomatenhaus und war in Innsbruck geboren. Latif hatte eine sehr sympathische Art an sich und wurde gleich von Irmi und Franz umworben, als sie zusammen in Innsbruck das Gymnasium besuchten.

Zu Hause

Es kam für das Mädchen darauf an, unbeschadet den Himmel zu erreichen und sich von dem Elend auf Erden zu lösen, nur dann würde es die Sphären erspüren, die ihm im Denken vorschwebten. Hier in seinem erstickenden Umfeld waren ihr die Zugänge zum Denken genommen, hier schienen alle nur unhinterfragt zu funktionieren und um nichts anderes als die Daseinsvorsorge bemüht zu sein. Irmtraud hieß das Mädchen, von dem ich erzählen will. Es lebte in einem Alpental fernab von jedwedem großstädtischen Trubel. Irmtraud überlegte schon ab und zu, ob sie, wenn sie erwachsen wäre, nicht in die Stadt ziehen sollte, nach Innsbruck zum Beispiel. Sie war davon überzeugt, dass das städtische Leben am ehesten das Denken förderte, einfach, weil es einem die Zeit dazu einräumte, die allen in dem Dorf, in dem Irmtraud lebte, genommen war. Wenn Irmi wie sie von allen genannt wurde, einmal mit ihrer Mutter über diese Dinge sprach, fragte die immer völlig entgeistert:

„Du und Dein Denken, was bedeutet das denn überhaupt für Dich?“ Sie klang dabei immer so vorwurfsvoll, als würde sie Irmi nicht ernst nehmen und ihr nicht zutrauen, dass sie wusste, wovon sie redete. Oftmals hatte Irmi ihrer Mutter zu verstehen gegeben, dass sie gewillt war, über bestimmte fundamental wichtige Dinge nachzudenken wie die Fragen:

„Warum leben wir?“ oder

„Wo liegen Anfang und Ende unseres Universums?“ Ihre Mutter wies solche Fragen immer mit der Bemerkung weit von sich:

„Davon werden die Menschen auch nicht satt!“

Und sie deutete damit an, dass sie es für sinnlos hielt, an solche Dinge auch nur einen Gedanken zu verschwenden. Irmi glaubte aber, dass es wichtig war, über solche Dinge nachzudenken, obwohl sie wusste, sie würde keine Antworten auf solche Sinnfragen finden. Für Irmi war es von großem Interesse, darüber nachzudenken und die Untiefen des menschlichen Lebens damit ein wenig zu auszuloten.

„Geh doch mal in den Stall und hilf Mathi!“, sagte ihre Mutter dann, und Irmi befolgte diese Anordnung sofort. Zu Hause bei ihrer Familie gab es eine Landwirtschaft, die von allen Familienmitgliedern und dem Knecht Mathi betrieben wurde. Mathi war dafür zuständig, das Vieh zu füttern und alles Übrige zu erledigen, was der Hof an Arbeit erforderte.

Besonders, wenn Irmis Vater mit dem Traktor auf der Matte war, um Gras für das Vieh zu holen, war Mathis Fähigkeit, Dinge zu sehen, die getan werden mussten, von großem Nutzen für Irmis Familie. Mathi war schon seit mehr als zwanzig Jahren auf dem Hof angestellt und hatte Irmi aufwachsen gesehen. Er bewohnte ein Zimmer im hinteren Hoftrakt und war unglaublich bescheiden, er trank nicht und hatte keine Frauengeschichten. Für ihn war der Hof sein alles, sein gesamter Wahrnehmungshorizont. Von daher gab es für ihn auch keinen Anlass, über die Dinge nachzudenken, die Irmi für so wichtig hielt. Aber Irmi ging oft und gern zu Mathi, um ihm darzulegen, was gerade der Gegenstand ihrer Gedanken war. Dabei kam es ihr gar nicht darauf an, von Mathi erleuchtende Antworten zu erhalten. Ihr war nur von Bedeutung, dass sie in Mathi einen Zuhörer fand, auf den sie unwidersprochen einreden konnte. Anfang und Ende des Universums waren für Mathi so weit von seinem Vorstellungsvermögen entfernt, dass er an sie keinen Gedanken richtete. Er dachte vielmehr an seine Stallarbeit und vielleicht noch an das Geschehen im Tal, mehr interessierte ihn einfach nicht. Irmis Familie, die Hofmairs, war seit Generationen in Lerbach ansässig. Lerbach war der Name des Dorfes, das in der Geschichte eine Rolle spielen wird. Es lag in einem Talkessel, rechts und links flankiert von mächtigen Gebirgsstöcken, die auf über dreitausend Meter hinauf ragten. Dem Dorf war deshalb am Tag nie lange Sonnenlicht beschieden.

Das Tal hatte im Süden gegen den Alpenhauptkamm einen Abschluss. Wenn sich einmal jemand nach Lerbach verirrte, kam er von Norden und war entweder Tourist, der im Sommer wandern und im Winter Ski fahren wollte, oder er war Zulieferer für den Dorfladen, oder er war Besuch für eine der zwanzig Dorffamilien. Zu Hofmairs kam einmal im Jahr die Schwester von Irmis Mutter. Sie lebte in Südtirol und hatte eine ziemlich beschwerliche Anreise über den Brenner. Sie brachte immer ihre Tochter Jeanette mit, die in Irmis Alter war, mit der Irmi sich aber nicht sonderlich gut verstand. Ihre Interessensphären lagen doch zu weit auseinander, Jeanette interessierte sich für Popmusik und Mode und Irmi für die wichtigen Lebensfragen. Eigentlich war Irmi immer froh, wenn Tante Christa und Jeanette wieder nach Hause fuhren. Nicht dass sie sich mit Jeanette stritt, Irmi fühlte sich durch ihre Anwesenheit nur eingezwängt. Besonders wenn Jeanette damit anfing, sich bei Irmi darüber auszulassen, dass in Lerbach nichts los wäre, konnte Irmi regelrecht aus der Haut fahren. Sie hielt sich bislang aber immer unter Kontrolle und ließ Jeanette nichts von ihrer Haltung spüren. Tante Christa und Jeanette blieben immer über Nacht und fuhren am nächsten Tag wieder nach Hause. Und immer standen Irmis Eltern mit ihr vor der Tür und winkten, bis Tante Christa und Jeanette nicht mehr zu sehen waren. Spätestens dann sagte ihre Mutter immer zu ihr:

„Du hättest ruhig ein wenig netter zu Deiner Tante und Deiner Cousine sein können!“ Irmi stand anschließend da wie ein begossener Pudel, war sich aber keiner Schuld bewusst. Sowohl Alois Hofmair, Irmis Vater als auch Maria Hofmair, Irmis Mutter waren in Lerbach geboren und hatten sich irgendwann in früher Jugend bei einem gemeinsamen Kirchgang kennen gelernt und später geheiratet. Mathi war auch gebürtiger Lerbacher und stammte aus einer Knechtsfamilie. Die Familie Mathis hatte schon immer auf den Höfen im Dorf gearbeitet. Mathi hatte die Volksschule im Dorf besucht und anschließend gleich den Knechtsberuf ergriffen. Irmi besuchte die letzte Klasse der Realschule in Feldweiler. Das war der nächste größere Ort sechs Kilometer entfernt nach Norden und sie trug sich mit dem Gedanken, nach der Realschule in Innsbruck auf das Gymnasium zu wechseln. Das würde bedeuten, dass sie fünfundzwanzig Kilometer mit dem Bus fahren müsste, was sie aber drei Jahre lang in Kauf nehmen wollte. Sie war eine sehr gute Schülerin und wissbegierig, für sie sollte sich der Zugang zu den entscheidenden Sinnfragen des Lebens erschließen und das bedeutete, dass sie auf dem Gymnasium in die Philosophie zumindest hineinriechen könnte. Eigentlich war Irmi in dem Alter, in dem Mädchen sich für Jungen zu interessieren begannen, aber außer vielleicht für Franz Heinbichler, der die gleiche Klasse auf der Realschule besuchte wie Irmi und auch in Lerbach wohnte, interessierte sich Irmi für keinen Jungen. Manchmal besuchte Franz Irmi, und sie gingen danach gemeinsam durch das Dorf und erzählten sich dieses und jenes, meistens aus dem gemeinsamen Schulleben.

Es war aber noch nie zu Zärtlichkeiten zwischen den beiden gekommen, dass sie sich zum Beispiel geküsst hätten, danach stand Irmi nie der Sinn. Das Leben im Dorf war sehr eingefahren und begann erst allmählich, durch neue Impulse aus dem Tourismus eine Änderung zu erfahren. Das bemerkten besonders die Alten mit ihrem seismografischen Gespür und dagegen lehnten sie sich auf. Wenn zum Beispiel vor dem Dorfgasthof „Schneider“ die Autos der ersten Skitouristen parkten, stellten sich die Alten demonstrativ vor die Autos und starrten auf die Nummernschilder, um herauszubekommen, woher die Autos stammten. Anschließend gingen sie in die Gaststube und geißelten alles Fremde, dabei tranken sie Bier und mussten vom Wirt zur Mäßigung gemahnt werden, weil sie bei ihrem Gezetere auch laut wurden. Für Irmi war das Verhalten der Alten hinterwäldlerisch und ewig gestrig, es passte auf keinen Fall in ihr Weltbild, in dem solche Fremdenfeindlichkeit keinen Platz hatte. Wenn man von den Alten sprach, meinte man eigentlich drei Männer: Fritz Lechleitner, Hermann Schreiber und Hans Holzmoser, die seit jeher das Dorfleben bestimmten, der eine als Küster, der andere als ehemaliger Gemeindevorsteher und der dritte als pensionierter Volksschullehrer.

Fritz Lechleitner hatte sein Küsteramt mit großer Umsicht betrieben. Er war bei den Sonntagsgottesdiensten und bei sonstigen Gottesdiensten in der Kirche für das Glockengeläut und auch für das Pfarramt zuständig, damit es dort genau wie in der Kirche immer sauber und im Winter geheizt war. Er stand vor den Gottesdiensten neben der Kirchentür und registrierte genau, wer den Gottesdienst besuchte und wer nicht. Besonders die Kinder hatten einen großen Respekt vor der Person des Küsters, der eine wichtige Kontrollinstanz in ihrem Leben war. Während der Gottesdienste stand Fritz Lechleitner neben den Kinderbänken im Kirchraum und achtete genau darauf, dass die Kinder keinen Unsinn machten. Die Kinder trauten sich nicht, aus der von ihnen erwarteten Rolle zu fallen, wenn sie ihre Blicke zu Herrn Lechleitner schweifen ließen und in sein ernstes Gesicht blickten. Der Küster stand in der Wichtigkeit der Person über dem Pfarrer, der geradezu lammfromm war und keiner Fliege etwas zu Leide tun zu können schien. Irmi musste natürlich die Gottesdienste besuchen, und sie empfand die Kontrolle durch Herrn Lechleitner als ausgesprochen unangenehm. Als sie einmal dem Gottesdienst ferngeblieben war, weil sie sich nicht so recht wohlgefühlt hatte, schien es ihr so, als erwartete der Küster eine Entschuldigung von ihr. Aber Irmi blieb hart und entschuldigte sich nicht bei ihm. Sie untergrub so die mächtige Position, die der Küster innehatte. Irmi musste auch regelmäßig zur Beichte und der Pfarrer fragte sie immer, ob sie unzüchtige Handlungen an sich vorgenommen, und ob sie diese allein begangen hätte.

Irmi schämte sich danach bald zu Tode und war immer froh, wenn die Beichte vorüber war. Sie sprach anschließend mit ihrer Mutter über die Beichte und brachte ihre Empörung darüber zum Ausdruck, dass der Pfarrer sie mit dermaßen intimen Fragen konfrontiert hatte. Die Mutter antwortete ihr, dass sie darüber nicht großartig nachdenken und dem Pfarrer irgendetwas auf seine Fragen antworten sollte. Sie hätte das in Irmis Alter immer so gemacht und so hätten es auch alle getan, die sie gekannt hätte. Irmi stritt nicht weiter mit ihrer Mutter über diesen Punkt. Sie sah aber nicht ein, was es den Pfarrer anging, ob sie unzüchtige Handlungen an sich vorgenommen hätte, wie er das nannte und nicht weiter darüber nachzudenken, das kam für sie überhaupt nicht in Frage. Für sie war klar, dass der alte Pfarrer geil war und sich an dem, was ihm die Mädchen erzählten, aufgeilen wollte und sie sah nicht ein, dass sie ihn in seiner Geilheit weiter bedienen sollte. Sie beschloss, gegen den Willen ihrer Eltern, nicht mehr zur Beichte zu gehen, auch wenn sie sich dadurch ihren und den Groll des Pfarrers auf sich zog. Beim Küster war sie mit einem solchen Verhalten vollkommen unten durch, für ihn war es gänzlich unnormal und deshalb nicht zu dulden, dass jemand nicht zur Beichte ging, und das hätte es auch noch nie gegeben. Irmi ging noch einen Schritt weiter und meldete sich in ihrer Schule vom Religionsunterricht ab, was von ihren Eltern auch nicht gerne gesehen wurde, sie ließen ihre Tochter aber gewähren.

In der Folgezeit wurden Irmis Gottesdienstbesuche immer seltener, bis sie sie ganz einstellte. Zur Beichte ging sie nie mehr, und sie erklärte Mathi auf dessen Nachfrage hin, warum sie eine solche antireligiöse Haltung eingenommen hatte. Der Küster stand für das Althergebrachte und scheinbar nicht Veränderbare, Unumstößliche. Seine Ansichten standen der Entwicklung des Dorfes zur Moderne hin im Weg. Und das Dorf musste sich entwickeln, wenn es den Anschluss an die neuen Strömungen nicht verlieren wollte und die neuen Strömungen kündigten sich mit den ersten Touristen an, sie begannen, im Dorf Fuß zu fassen. Irmi spürte wie mit ihnen etwas ins Dorf einzog, das es vorher nicht gegeben hatte. Wenn die beiden Touristenpärchen mit ihren Autos vor dem Gasthof „Schneider“ parkten, wirkten sie wie Exoten und belebten mit ihrem Erscheinungsbild die Tristesse, die ansonsten immer im Dorf herrschte.

Hermann Schreiber war ein ähnliches erdverwachsenes Dorfnaturell wie Fritz Lechleitner. Er hatte in seiner Zeit als Gemeindevorsteher viele in die Zukunft weisende Entwicklungen blockiert, weil er sich dem Neuen gegenüber verschloss und dabei alle Alten auf seiner Seite wusste. Er war der Sohn von Adolf Schreiber, der während der NS-Zeit durch antisemitisches Gebaren von sich reden gemacht hatte. Er hatte jüdische Mitbürger in Lerbach zur Anzeige gebracht und so dafür gesorgt, dass sie in die Konzentrationslager abtransportiert wurden. In gewisser Weise sah sich Hermann Schreiber in der Tradition seines Vaters, nur dass er seine Antihaltung nicht gegen Juden, sondern gegen alles Fremde richtete. Jede Entscheidung, die eine Neuerung gebracht hätte, war ihm zuwider und er wusste sich mit aller ihm zur Verfügung stehenden Macht dagegen zu wehren. In seine Amtszeit fielen das kleine Wasserkraftwerk, die neue Umgehungsstraße und die Errichtung zweier Skilifte.

Alles wurde nur gegen seine erklärten Willen gebaut, aber gegen die Mehrheit in der Gemeindeversammlung war er eben machtlos. Hermann Schreiber war ein großgewachsener und streng dreinblickender Mann, dem man schon wegen seiner äußeren Erscheinung Respekt entgegenbrachte. Allerdings hatte er in der Zeit seit seiner Zurruhesetzung davon stark eingebüßt, und auch wenn er noch so grimmig schaute, nahmen ihn selbst die Kinder kaum noch ernst. Auch bei sich zu Hause, wo er bis vor Kurzem noch unumschränkter Herrscher gewesen war, waren die Fronten aufgeweicht und Hermann fügte sich schon einmal den Anordnungen seiner Frau. Die bekam mehr und mehr Oberwasser und blickte in dem Maße, in dem Hermann an Einfluss verlor, auf, und man beachtete sie mit einem Mal im Dorf, nachdem sie lange Zeit hinter Hermann abgetaucht gewesen war. Hermann wurde ein verbitterter alter Mann, nachdem seine Zeit eigentlich abgelaufen war und so manches Gemeinderatsmitglied musste an seine Zornesausbrüche während der Versammlungen zurückdenken, wenn er Andersdenkende rüde zurückzuweisen trachtete und seine Stimme dabei eine Lautstärke erreichte, dass man sie draußen auf der Dorfstraße wahrnehmen konnte.

Sein politischer Stil war autoritär und insofern erinnerte er stark an seinen Vater. Er zeigte sich völlig uneinsichtig, wenn man demokratisches Verhalten bei ihm einklagen wollte. Hermann Schreiber pflegte solchen Mahnern immer entgegenzuhalten:

„Ein starkes Dorf braucht einen starken Führer!“, was die so Angesprochenen gleich zum Schweigen brachte. Seine Nachfolge trat sein Sohn Walter an, der aus dem gleichen Holz geschnitzt war wie sein Vater, dennoch wählte ihn die Gemeindeversammlung zum Gemeindevorsteher. Allerdings war Walter nicht ganz so starrköpfig und verbohrt wie sein Vater und stand zum Beispiel dem Bau eines Freibades nicht im Wege. Die Finanzen von Lerbach waren zwar denkbar knapp bemessen, aber es gab Zuschüsse vom Kreis und vom Land. Ein Freibad würde den Freizeitwert des Dorfes um ein Vielfaches steigern und vielleicht auch den Sommertourismus fördern. Im Übrigen hatten natürlich alle Kinder ihren Spaß, sie würden in den Sommermonaten aus der Schule kommen, ihre Hausaufgaben erledigen und schnell ins Freibad stürmen.

Hans Holzmoser war der dritte der verbitterten Alten im Bunde und wurde nach seiner Pensionierung aus dem Schuldienst immer starrköpfiger, genau wie die anderen beiden, wobei Fritz Lechleitner als der Jüngste noch als Küster im Dienst war. Die jungen Leute, die heute in Irmis Alter waren, konnten sich noch gut an das strenge Schulregiment von Lehrer Holzmoser erinnern. Er war ein Lehrer von altem Schrot und Korn und im Geiste noch sehr der Zeit des Nationalsozialismus verhaftet, wenngleich er selbst diese Zeit nicht mehr miterlebt hatte. Sein Vater war aber zu dieser Zeit Lehrer an der Dorfschule und ein glühender Verehrer Hitlers, er hatte von dieser Verehrung etwas auf seinen Sohn übertragen. Irmi wusste noch genau, wie sie damals in die Klasse von Lehrer Holzmoser ging, und er die Kinder alle zu Beginn des Unterrichts strammstehen ließ. Wenn ihm dabei die Körperhaltung eines Kindes nicht gefiel, ging er zu ihm und brüllte es an, bis das betreffende Kind in seine Augen stramm genug stand. Auch die Schläge, die Lehrer Holzmoser auszuteilen wusste, hatte Irmi in guter Erinnerung, so wie damals bei Daniel. Daniel Bircher war in Irmis Klasse und hatte mit seinem Sitznachbarn gequatscht. Er war derjenige, der dem Lehrer auffiel, seinen Nachbarn hatte er gar nicht zur Notiz genommen. Daniel musste aufstehen und nach vorne kommen, und noch bevor er an der Tafel stand, schlug Lehrer Holzmoser ihm mit voller Wucht ins Gesicht. Der Schlag war mit einer solchen Wucht ausgeführt worden, dass Daniel einige Schritte zurücktaumelte, und sich die fünf Finger der Schlaghand des Lehrers auf seiner Wange abzeichneten. Daniel stand kurz davor, loszuheulen, konnte sich eine Weinen aber verkneifen und schlich wieder zu seinem Platz zurück. Alle Mitschüler musterten ihn und beobachteten seine Wange, die Fingermale verschwanden aber nach und nach wieder. Daniel hatte sich nicht getraut, zu Hause von den Schlägen zu erzählen, weil die Schläge natürlich auch eine Ursache hatten, und die lag bei ihm. Lehrer Holzmoser ging unmittelbar nach der Schlagattacke zum Unterricht über, denn für ihn war es nichts Besonderes, seine Schüler zu schlagen, wenn sie seinen Unterricht störten. Er hielt sich aber bei den Mädchen zurück, wenn die Mädchen quatschten, schrie er herum und schüchterte sie auf diese Weise ein. Alle Schüler hatten Angst vor ihm und er musste nicht befürchten, von den Eltern wegen seiner Brutalität Kontra zu bekommen, im Gegenteil, manche Eltern ermutigten ihn sogar, ruhig einmal kräftig zuzulangen, wenn ihr Spross sich danebenbenahm.

„Schläge in Maßen und zur rechten Zeit haben noch nie jemandem geschadet!“, sagten sie dem Lehrer Holzmoser. Der fühlte sich durch solche Bemerkungen nur ermuntert, seinen brutalen Schlägen freien Lauf zu lassen. Er konnte von Glück sprechen, jetzt nach seiner Pensionierung nicht von ehemals Gepeinigten zur Rechenschaft gezogen oder gar verprügelt zu werden. Die meisten seiner ehemaligen Schüler hatten die Schläge, die sie seinerzeit von ihm einstecken mussten, vergessen und hatten anderes zu tun, als sich im Nachhinein über Hans Holzmoser zu ärgern. So fristete er im Alter sein Dasein, war unentwegt mir seinen Gesinnungsgenossen zusammen und ärgerte sich zusammen mit ihnen über alles Neue und Fremde im Dorf.

Nie sah man einen von den dreien einmal lachen und man hätte wohl meinen können, dass sich ihr Gram bei ihnen festgefressen hatte und sie aufzehren würde. Als Nachfolger von Lehrer Holzmoser war ein junger Nachwuchslehrer angetreten, der aus Innsbruck stammte und mit seinem Wagen jeden Tag hin- und herfuhr. Er war das glatte Gegenteil von Herrn Holzmoser, freundlich zu den Schülern und offen für alles, ohne es an der nötigen Autorität fehlen zu lassen. Er wurde von allen Schülern sehr gemocht und auch die Eltern schätzten ihn als neuen Lehrer sehr. Er war Anfang Dreißig und schon von seinen Alter her eher jemand, der neuen Strömungen zugeneigt war und sich schon von daher den Groll der drei Alten zuzog. Aber das störte den jungen Lehrer Meyer nicht, er wusste die gesamte Schülerschaft, die meisten seiner Kollegen und auch die Eltern hinter sich. Manchmal ging er im Sommer ins Freibad und zeigte den Schülern dort seinen Astralkörper, er war wirklich gut trainiert und tat etwas für sein Aussehen. Wenn Irmi etwas davon mitbekam, dass er ins Freibad ging, ging sie auch dorthin und scharwenzelte an seinem Liegeplatz vorbei. Lehrer Meyer aber nahm davon keine Notiz, Irmi war auch erst sechzehn und deshalb noch zu jung, als dass sie die Aufmerksamkeit von Lehrer Meyer hätte auf sich ziehen können. Stattdessen legte sich Irmi unweit von seinem Liegeplatz hin und beobachtete ihn dabei, wie er las oder aus seinem Rucksack sein Essen herausnahm und es verspeiste.

Wenn er aufstand, um ins Wasser zu gehen, folgte Irmi ihm, immer darauf bedacht, ihn nicht unnötig zu bezirzen, er kannte sie ja auch gar nicht. Wenn sie ein paar Bahnen geschwommen waren, stellte sich Bernd Meyer schon mal auf das Einmeterbrett und machte einen astreinen Kopfsprung. Irmi hielt sich währenddessen am Beckenrand auf und beobachtete seine Sportdarbietung bewundernd. Herr Meyer tauchte nach seinem Sprung wieder auf und verließ das Becken, lief zu seinem Liegeplatz zurück, trocknete sich ab und legte sich wieder hin. Natürlich wurde er dabei auch von seinen Schülerinnen beobachtet, die aber durchweg noch in einem Alter waren, in dem sie als Kinder nicht an erotische Abenteuer denken konnten. Manche von ihnen gingen schon mal zu ihm und unterhielten sich kurz mit ihm. Nach zwei Stunden beendete Bernd Meyer seinen Freibadbesuch wieder und fuhr zu sich nach Innsbruck zurück. Irmi ging danach auch nach Hause und ertappte sich dabei, wie sie an ihn dachte und ins Träumen geriet, sie ging auf ihr Zimmer und legte sich auf ihr Bett. In den Sommermonaten gab es auf dem Hof der Hofmairs immer viel zu tun, und wenn Mathi abends Zeit hatte, setzte sich Irmi mit ihm vor sein Zimmer im hinteren Teil des Hofes. Mathi hatte da einen kleinen Holztisch, eine Bank und zwei Stühle hingestellt und saß oft dort, um sein Abendessen einzunehmen. Das Abendessen bestand zumeist aus gutem Brot, einem Stück Schinken und einem Stück Käse, dazu trank er Wasser oder selbst gepressten Apfelsaft.

Ein Freund von Alkohol war Mathi nie gewesen, er hatte schon mal ein Bier im Gasthof „Schneider“ getrunken, war aber nie soweit gegangen, dass er Alkohol bei sich zu Hause getrunken hätte. Mathi war ein hagerer und für sein Alter gutaussehender Typ, er konnte verschmitzt lächeln und dabei ein liebenswertes Gesicht aufziehen. Irmi saß manchmal zwei Stunden am Abend mit ihm auf dem Platz vor seinem Zimmer und stellte ihm Fragen wie:

„Mathi, hast Du eigentlich einmal überlegt, warum es uns Menschen gibt, was der Sinn unseres Lebens ist?“ Mathi sah Irmi anschließend immer an, als wollte er sagen:

„Was ist denn das für eine Frage, es reicht doch, dass es uns gibt, und wir versuchen, mit unserem Leben zurechtzukommen!“ Irmi merkte in solchen Momenten immer gleich, dass sie mit solchen Fragen bei Mathi nicht weiterkam und wechselte schnell das Thema zu Fragen des Dorflebens zum Beispiel. Sie fragte ihn, was er von den Skiliften oder anderen Errungenschaften der jüngsten Zeit wie der Umgehungsstraße hielt. Mathi überlegte daraufhin immer kurz bevor er antwortete:

„Ich finde diese Dinge nicht schlecht, wenn die Menschen sie haben wollen, erfüllen sie doch auch einen Sinn!“ Irmi überraschte die Weitsicht, die Mathi gelegentlich zu erkennen gab, für sie war das ein Zeichen dafür, dass er sich Gedanken machte und die Dinge, die um ihn herum geschahen, einordnen konnte.

Eines Sonntags fragte Irmi Mathi, ob er nicht einen Spaziergang mit ihr zum Talabschluss machen wollte, und als er sie fragte, was sie denn dort anstellen wollte, antwortete Irmi:

„Wenn wir dort sind, werde ich es Dir erzählen!“ Also liefen die beiden am Sonntagmorgen, als andere in den Gottesdienst gingen, los und machten sich zum Talabschluss auf, der ungefähr drei Kilometer entfernt lag. Manche der Leute, die sie auf ihrem Weg durchs Dorf trafen, und die zur Kirche liefen, drehten sich zu den beiden um und mochten sich ihren Teil gedacht haben, das war Irmi und Mathi aber vollkommen gleichgültig. Sie liefen langsam aber stetig zum Ende des Tals, immer den Bernebach entlang, der aus großer Höhe herabfloss und einen kleinen Wasserfall bildete. Als sie dort angelangt waren, hörten die Weiden auf und das Gelände stieg langsam gegen den Berg an, bis es steil und felsig wurde und in einen Hang überging. Sie liefen beide den Hang hinauf, der Weg hatte längst aufgehört, und als sie das untere Drittel des Hanges erklommen hatten, setzte sich Irmi auf ein kleines Felsplateau und sagte Mathi, dass er sich zu ihr setzen sollte.

„Ich will Dir jetzt erzählen, warum ich mit Dir hierhin gelaufen bin!“, sagte Irmi und fuhr fort:

„Ich habe die Absicht, mir zu meinem siebzehnten Geburtstag in zwei Wochen von meinen Eltern ein Teleskop schenken zu lassen!“ Mathi schaute Irmi mit großen Augen an:

„Was willst Du denn mit einem Teleskop?“ Irmi entgegnete:

„Ich möchte es, wenn ich nachts hier bin, auf ein Gestell legen und den Himmel betrachten, das Gestell muss erst noch aus Ästen oder Ähnlichem gebaut werden!“ Mathi überlegte und fragte im Anschluss:

„Welche Maße hat denn Dein Teleskop, das muss ich wissen, wenn ich Dir ein Gestell bauen soll!“ Irmi zeigte die ungefähre Länge von fünfundsiebzig Zentimetern und die Dicke von etwas fünfzehn Zentimetern.

„Das kann aber noch variieren, ich muss mir das Teleskop noch einmal genau ansehen!“, ergänzte sie. Mathi gingen Gedanken an ein Gestell durch den Kopf und Irmi sagte:

„Das Teleskop muss auf dem Gestell absolut ruhig aufliegen, jede noch so kleine Bewegung bedeutet am Himmel einen gewaltigen Sprung!“ Mathi fiel gleich eine Möglichkeit ein:

„Ich werden in zwei noch auszuhebende Löcher Pfähle stecken, die ich mit Brettern verbinde, auf den Brettern kannst Du Dein Teleskop mit Bändern festzurren!“ Irmi konnte sich vorstellen, was Mathi meinte und fand seinen Vorschlag gut:

„Wir werden im Verlauf der kommenden zwei Wochen also noch einmal hierhin kommen und einen Spaten, Pfähle und Bretter mitbringen!“ Mathi dachte daran, die benötigten Dinge mit einer Schubkarre zu dem Hang zu fahren, damit sie sie nicht tragen mussten. Als sie auf dem kleinen Felsplateau saßen, hatten sie einen wunderschönen Blick das Tal entlang.

Sie konnten in der Ferne Lerbach sehen wie es von der Umgehungsstraße eingefasst wurde und wie rechts am Hang die beiden Skilifte standen, mit denen im Winter die Skitouristen hoch transportiert wurden. Links vom Dorf konnten sie das Freibad ausmachen, das aber zu weit entfernt lag, als dass man Einzelheiten ausmachen konnte. Es herrschte an dem Ort absolute Stille, es war im Dorf auch nicht gerade laut. Aber eine solche Stille fand sich nur dort, wo sie sich befanden.

„Was hast Du denn davon, wenn Du Dir den Himmel durch ein Teleskop anschaust?“, fragte Mathi beinahe ketzerisch. Irmi sah ihn an und wusste erst gar nicht, ob sie ihm eine erschöpfende Antwort zu geben in der Lage sein würde. Schließlich entgegnete sie:

„Der Blick in den Himmel offenbart dem Betrachter, wie klein doch unsere Welt ist, und wie unbedeutend wir Menschen doch sind!“ In dem Augenblick, in dem sie den bedeutungsschweren Satz ausgesprochen hatte, war ihr klar, dass Mathi sie nicht verstehen würde, es musste aber fürs Erste reichen.

„Weißt Du eigentlich wie die Alpen entstanden sind?“, fragte sie Mathi anschließend und Mathi wusste das natürlich nicht.

„In grauer Vorzeit, vor etwa hundert Millionen Jahren, waren die Erdplatten noch in Bewegung, die afrikanische Platte stieß mit der europäischen Platte zusammen und faltete sie auf, als wenn man eine Tischdecke zusammenschiebt, so sind die Alpenberge entstanden, und Mathi staunte, was Irmi alles wusste.

Nachdem sie eine Zeit lang gesessen und den schönen Blick genossen hatten, standen sie wieder auf und liefen nach Lerbach zurück. Es war früher Nachmittag geworden und Irmi hatte ihrer Mutter noch am Morgen gesagt, dass sie nicht zum Essen erschiene. Ihre Mutter hatte ihr etwas vom Mittagessen zurückbehalten und wärmte es für sie auf. Kurze Zeit später fragte sie ihre Tochter:

„Was hast Du denn am Talabschluss mt Mathi gemacht?“ Irmi antwortete:

„Wir sind den Hang hinaufgelaufen und haben uns auf ein kleines Felsplateau gesetzt, auf dem Mathi mir ein Gestell bauen will, auf dem ich mein Teleskop befestigen will, das Ihr mir hoffentlich in zwei Wochen zu meinem Geburtstag schenken werdet!“

„Ein Teleskop willst Du von Vater und mir geschenkt bekommen, es ist ja gut, dass ich jetzt davon erfahre!“, erwiderte Irmis Mutter. Irmi erläuterte:

„Ich will immer, wenn ich nachts zum Talabschluss laufe, das Teleskop auf das Gestell legen und den Himmel beobachten.“

„Du glaubst doch wohl nicht, dass wir Dich nachts dorthin laufen lassen!“, entgegnete Irmis Muter bestürzt.

„Wenn ich nachts zum Talabschluss laufe, wird Mathi mich natürlich begleiten“, sagte Irmi, allein hätte ich den Mut nicht dazu, und ich weiß auch gar nicht, ob ich allein das Teleskop dorthin bringen könnte!“ Irmis Vater war schon längst wieder draußen auf der Weide und mähte Gras für das Vieh, Irmi würde nach dem Essen im Stall helfen müssen.

Sie wollte später noch mit ihrem Laptop zu Mathi und ihm das Teleskop zeigen, das sie sich ausgesucht hatte, auch ihrer Mutter würde sie die genauen Daten des Teleskops geben. Sie aß schnell, was ihre Mutter ihr aufgewärmt hatte und lief anschließend mit ihr in den Stall. Sie legten zusammen den Kühen das Melkgeschirr an und schalteten die Pumpe ein. Irmis Mutter konnte noch von Hand melken wie alle Frauen und Männer in ihrem Alter auch. Irmi hatte das nicht mehr gelernt, sie hatte zum Spaß einmal versucht, von Hand zu melken, war damit aber kläglich gescheitert. Die Stallarbeit hielt die beiden ungefähr eine Stunde lang auf, danach gingen sie wieder ins Haus zurück und tranken zusammen mit dem Vater Kaffee. Irmi musste auch ihm erzählen, warum sie mit Mathi zum Talabschluss gelaufen war. Als ihr Vater hörte, dass seine Tochter sich zu ihrem siebzehnten Geburtstag ein Teleskop wünschte, war er erstaunt und fragte nach, warum sie sich für ein solches Instrument interessierte. Irmi antwortete:

„Ich will mir nachts den Himmel ansehen und auch den Mond genau betrachten.“ Damit gab sich ihr Vater zufrieden und fragte nicht weiter nach, Irmi hätte auch keine großen Erklärungen abgeben können, ihr Vater hätte sie nicht verstanden, und sie interessierten ihn auch nicht. Irmi wusste, dass sie mit ihrem Interessenschwerpunkt Astronomie in Lerbach so ziemlich allein dastand und sie machte sich nichts daraus. Ihr war wichtig, dass sich bei ihr Glücksgefühle einstellten, wenn sie die Sterne am Himmel beobachten konnte.

Sie hatte bislang immer Vaters altes Fernglas benutzt und konnte mit ihm zumindest den Mond schon ganz gut sehen. Interessant würde die Himmelsbeobachtung aber erst mit einem richtigen Teleskop und darauf freute sich Irmi ungemein. Sie freute sich auch darüber, dass ihre Eltern die doch recht hohe Ausgabe nicht scheuten und nicht versucht hatten, sie zu einem anderen Geschenk zu überreden, das billiger gewesen wäre. Die meisten ihrer Altersgenossinnen wünschten sich zu ihrem Geburtstag Kosmetik oder Kleidung, Schmuck oder Pop-CDs, das war aber alles nichts für Irmi. Sie wusste nicht, woher sie die Vorliebe für die Astronomie hatte, bei ihren Vorfahren gab es jedenfalls niemanden, der sich mit den Sternen beschäftigt hatte. Es waren eben die Sinnfragen des Lebens, die Irmi bewegten und da gehörten astronomische Phänomene dazu. Sie wollte einen Blick zu den Nachbarplaneten erhalten und die waren von Lerbach weit genug entfernt.

Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, das waren sie, so viel wusste Irmi. Sie ging auf ihr Zimmer und ergriff ihren Laptop, den sie mit zu Mathi nehmen wollte, um ihm das Teleskop zu zeigen, das sie sich bei Amazon ausgesucht hatte. Als sie über den Hof zu ihm hingelaufen war, fand sie ihn vor seinem Zimmer auf der Bank sitzen und dösen, und Mathi erschrak beinahe, als Irmi ihn ansprach. Irmi sagte:

„Mathi, ich wollte Dir doch einmal mein Teleskop zeigen, das ich mir schenken lassen will!“, und sie legte den Laptop auf den Tisch und schaltete ihn ein.

Mathi begann sich zu regen und schaute gebannt auf den Bildschirm, auf dem das Logo von Amazon erschien und Irmi schrieb in die Eingabezeile „Teleskop“. Als sie auf den Eintrag klickte, erschien gleich eine Reihe Teleskope aller Ausführungsvarianten. Irmi zeigte auf das „Besser Spiegelteleskop 150/1400 mm“ und gab für Mathi gleich einige Erklärungen dazu ab, denn in Mathis Augen sah eine Fernrohr anders aus als dieses merkwürdig gestaltete Instrument. Doch zunächst wies Irmi darauf hin, dass sich der Bau eines Gestells auf dem Felsplateau am Talabschluss erübrigt hätte, weil zum Kaufumfang auch eine gutes Aluminium-Stativ gehörte, das sie zu ihren Beobachtungen immer mitnehmen und aufbauen wollte. Das nahm Mathi mit Erleichterung zur Kenntnis, er sagte:

„Ich habe hin und her überlegt und mich gefragt, wie ich die Löcher für die Pfähle in den felsigen Untergrund bekommen soll, das hat sich ja dann in Luft aufgelöst!“ Mathi schaute sich das von Irmi ausgesuchte Teleskop an und bemerkte gleich:

„Ich dachte bei einem Teleskop immer an ein langes dünnes Fernrohr, dieses Gerät hier ist aber kurz und dick!“ Irmi erklärte die Bestandteile des Teleskops:

„Der längliche Körper, den man hier sehen kann, heißt auch Tubus, und er enthält einen Hauptspiegel, der das durch die vordere Öffnung fallende Licht auf einen Fangspiegel reflektiert, deshalb heißt das Teleskop auch Spiegelteleskop oder Refraktor.“ Mathi fragte:

„Warum schaut man dort an der Seite in das Teleskop und nicht wie bei einem Fernrohr von vorne?“ Irmi antwortete:

„Weil der Fangspiegel das Licht zur Seite hinaus reflektiert und durch das Okular schickt, das Du dort siehst, als würde es aus dem Tubus herauswachsen.“

„Und was soll das kleine Fernrohr, dass dort oben auf dem großen Fernrohr sitzt?“ Irmi klickte auf das Bild vom Teleskop, um es zu vergrößern, anschließend erklärte sie, dass es sich bei dem kleinen Fernrohr um einen Sucher handelt.

„Den braucht man, um das Objekt, das man betrachten will, erst einmal grob ins Blickfeld zu holen.“

„Wenn ich das richtig verstehe“, sagte Mathi, „ist die relativ kompakte Bauweise auf den Hauptspiegel zurückzuführen“, und Irmi nickte dazu.

„Beim Linsenfernrohr war die Länge durch die Linsen, die hintereinander in den Tubus gesetzt waren, bestimmt, beim Spiegelteleskop wird die Bauweise durch die Spiegelreflexion verkürzt, der Durchmesser des Tubus ist logischerweise vom Durchmesser des Hauptspiegels abhängig.“ Danach sah sich Mathi noch einmal das Bild vom fertig aufgebauten Teleskop an und fragte Irmi nach der aufwändig konstruierten Apparatur zwischen Stativ und Tubus. Irmi antwortete:

„Das ist die Montierung, die ist wichtig, weil sich die Position des Teleskops durch die Bewegung der Erde permanent ändert und man deshalb das Teleskop während der Beobachtung nachführen muss, damit man das Beobachtungsobjekt nicht verliert, bei ganz kurzen Beobachtungen spielt das keine Rolle, bei Beobachtungen über einen längeren Zeitraum aber schon.“

„Du willst Dein Teleskop wahrscheinlich gleich ausprobieren, wenn Du es geschenkt bekommen hast?“, fragte Mathi und Irmi entgegnete:

„Wenn es Dir nichts ausmacht, würde ich gerne mit Dir noch in der Nacht an meinem Geburtstag zum Talabschluss laufen.“ Mathi gab sein Einverständnis, und Irmi sagte ihm, dass er mit daran denken sollte, eine Taschenlampe mitzunehmen, natürlich müssten sie auch auf die Sichtverhältnisse achten, denn wenn der Himmel verhangen wäre, könnte man auch mit dem besten Spiegelteleskop nichts sehen. Irmi holte ein Bild unseres Sonnensystems auf den Desktop und begann, Mathi den Aufbau unseres Planetensystems zu erklären. Sie beschränkte sich darauf, ihm die acht Planeten aufzuzählen und gab ihm als Hilfestellung dazu den Spruch mit:

„Mein Vater erklärt mit jeden Sonntag unseren Nachthimmel.“ Der Anfangsbuchstabe eines jeden Wortes dieses Spruches steht für den Anfangsbuchstaben eines unserer Planeten, von der Sonne gesehen nach außen. Irmi bat Mathi, den Spruch aufzusagen, was er im Anschluss widerspruchslos auch gleich tat, und er war sogar in der Lage, die Namen der Planeten wiederzugeben.

„Wieso ist denn die Sonne kein Planet?“, fragte Mathi danach und Irmi antwortete:

„Weil die Sonne ein Stern ist, der in Bezug auf unsere Planeten stillsteht, um den die Planeten kreisen und von dem sie mit Licht und Wärme versorgt werden.“ Und gerade in diesem Moment hatte die Sonnenwärme eine solche Intensität erreicht, dass Irmi und Mathi sich in den Schatten begeben mussten und dort weiter auf den Laptop schauten. Mathi ging auf sein Zimmer und kam mit zwei Flaschen Sprudel wieder heraus. Er gab Irmi eine und forderte sie auf, sich etwas von dem Sprudel in ihr Glas zu schütten. Nachdem Irmi einen großen Schluck genommen hatte, bat sie Mathi, doch einmal zu schätzen wie groß der Abstand von der Erde bis zur Sonne ist. Mathi hatte überhaupt keine Ahnung, er kannte gar keine großen Entfernungen, auch nicht auf der Erde. Irmi sagte schließlich:

„Die Entfernung von der Erde zur Sonne beträgt im Mittel hundertfünfzig Millionen Kilometer, das ist eine Entfernung wie wir die uns Menschen so groß gar nicht vorstellen können, dennoch kommt sie im Weltraum nur einem Katzensprung gleich.“ Mathi schaute Irmi an, als verstünde er nicht, wie konnten hundertfünfzig Millionen Kilometer ein Katzensprung sein, das wollte er nicht begreifen. Irmi fuhr fort und sagte Mathi, dass der äußerste Planet in unserem Planetensystem, der Neptun, 4.5 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt wäre und hundertfünfundsechzig Jahre benötigte, um die Sonne einmal zu umrunden.

Das wäre seit seiner Entdeckung 1856 im Jahre 2011 einmal geschehen. Mathi versuchte sich eine Vorstellung von diesen riesigen Entfernungen zu machen, scheiterte aber daran und als Irmi ihm sagte, dass sich für Entfernungsangaben im Weltraum der Begriff Lichtjahr eingebürgert hätte, musste sie ihm erklären wie ein Jahr eine Entfernung sein könnte. Irmi erläuterte:

„Ein Lichtjahr ist einfach die Strecke, die das Licht in einem Jahr zurücklegt, man weiß, dass es in einer Sekunde die Strecke von rund 300000 Kilometern zurücklegt und kann damit leicht die Strecke errechnen, die es in einem Jahr bewältigt, es ergeben sich rund 9.6 Billionen Kilometer! Ich habe Dir gesagt, dass das Licht eine Geschwindigkeit hat, die aber so groß ist, dass wir sie auf unsere Erde kaum wahrnehmen. Wenn ich eine Taschenlampe einschalte, erscheint zeitgleich der Lichtkegel auf der gegenüberliegenden Wand. Wenn ich aber auf den Mond einen Spiegel aufstellen und eine Laserstrahl auf ihn richten würde, brauchte der Laserstrahl mehr als zwei Sekunden, bis er wieder auf der Erde ankäme. Man kann auf diese Weise errechnen, dass das Licht von der Sonne zur Erde knapp acht Minuten unterwegs ist.“ Mathi kam aus dem Staunen nicht heraus:

„Woher weiß Irmi all diese Dinge?“, fragte er sich. Irmi sagte ihm, dass sie sich ihr Wissen angelesen und aus dem Computer bezogen hätte. Zum Schluss bat sie Mathi, einmal zu überlegen wie es sein kann, dass ich einen Stern am Himmel sehe, den es in Wirklichkeit gar nicht mehr gibt.

Mathi überlegte und überlegte, wie kann ich etwas sehen, dass es nicht gibt, das leuchtete ihm nicht ein und Irmi erklärte, dass ein Stern, der vielleicht 1000 Lichtjahre von uns entfernt ist, vielleicht schon vor 900 Jahren explodiert sein kann, sein Licht braucht aber 1000 Jahre, bis wir es bei uns sehen können. Auf diese Weise ist jeder Blick in den Weltraum, den wir nachts unternehmen können, ein Blick in unsere Vergangenheit. Unser Welttraum und mir ihm unsere gesamte Existenz ist ungefähr 13.7 Milliarden Jahre alt. Am Anfang stand ein großer Knall, der sogenannte Big Bang, mit ihm begann alles, unser Denken im Raum und unsere Zeit.“ Mathi dachte über Irmis Worte nach und fragte gleich:

„Aber was lag vor diesem Big Bang?“, und da musste Irmi sagen, dass es ein solches Vorher nach der Definition gar nicht geben könnte, denn die Zeit begann ja auch mit diesem Urknall. Sie ließen es bei diesen Überlegungen bewenden, Irmi stand auf und verließ Mathi wieder, sie lief zurück und begab sich auf ihr Zimmer. Irmi standen die letzten beiden Wochen auf der Realschule bevor und sie freute sich schon auf ihre Gymnasialzeit in Innsbruck, wo sie endlich die wichtigen Dinge des Lebens lernen würde, wie sie glaubte. Die Trennung von ihrer alten Realschulklasse fiel ihr nicht schwer, weil sie kaum intensive Kontakte zu Mitschülern gehabt hatte, außer zu vielleicht zwei Mitschülerinnen. Und Franz Heinbichler, der mit ihr auf das Gymnasium wechseln würde.

Sie würde fortan zusammen mit Franz früh morgens mit dem Bus nach Innsbruck fahren. Die Fahrt würde eine Dreiviertelstunde dauern, in der sie sich unterhalten könnten, wenn ihnen der Sinn danach Stünde. Doch zunächst lagen die großen Ferien zwischen Irmis Ende an der einen und ihrem Neubeginn an der anderen Schule, in denen sie ausgiebig ihr Teleskop benutzen wollte. Irmi fuhr in den Ferien nicht weg, wie das andere taten, sie wollte nicht wegfahren, weil sie sich ja dann von ihrem Teleskop hätte trennen müssen. Ihr Geburtstag fiel mit dem ersten Ferientag zusammen und sie feierte ihn in sehr kleinem Rahmen. Sie hatte nur die allerengsten Bekanntschaften eingeladen, zu denen zwei Mädchen aus ihre Realschulklasse und Franz Heinbichler gehörten, Tante Christa war mit Jeanette angereist. Niemand verstand so recht, was ein Mädchen in Irmis Alter an Astronomie so interessant fand, und Irmi versuchte auch gar nicht erst, ihr Interesse an den Sternen vor den anderen zu vertreten. Sie feierte ihren siebzehnten Geburtstag mit allen und bekam von ihren Eltern ein großes Paket geschenkt. Sie wusste natürlich, was das Paket enthielt und riss die Verpackung auf. Vor ihr lag das gewünschte Teleskop in seine Einzelteile zerlegt, und Irmi musste aufpassen, damit sie den Überblick nicht verlor. Mathi war schon seit dem Morgen bei ihr und hatte ihr von ganzem Herzen zu ihrem Geburtstag gratuliert.

Er half ihr beim Zusammensetzen des Teleskops, sodass am Ende nur noch drei Teile übrigblieben: der eigentliche Tubus mit Okular und Sucher, die Montierung und das Stativ. Mathi hatte Irmi ein Buch geschenkt, das den Titel „Unser Sternenhimmel“ trug. Es stand für Irmi zwar nichts Neues in diesem Buch, sie freute sich aber darüber, dass sich Mathi solche Mühe mit der Buchbesorgung gemacht hatte. Als am Nachmittag die anderen Gäste auch eingetroffen waren, bekam Irmi von ihnen das Übliche geschenkt wie Parfum und Kosmetika, sie freute sich aber auch darüber und bedankte sich bei den Gästen. Sie tranken alle zusammen Kaffee und aßen von dem Kuchen, den Irmis Mutter gebacken hatte. Irmi freute sich, mit ihren Eltern und ihren Gästen zusammensitzen zu können, gleichzeitig war sie aber schon sehr gespannt darauf, nach Anbruch der Dunkelheit mit Mathi zum Talabschluss zu laufen. Franz fragte Irmi, ob sie nicht einmal zusammen ins Freibad gehen könnten, sie hätten doch jetzt in den Ferien beide Zeit und das Wetter wäre doch sehr schön. Irmi sagte Franz, dass in ihren Augen nichts dagegen spräche und sie verabredeten sich gleich für den nächsten Tag. Franz war froh, dass Irmi zugesagt hatte, er mochte Irmi, hatte ihr das aber während der gemeinsamen Schulzeit nicht gezeigt, weil er sich nicht getraut hatte. Schon der jetzige Versuch einer Verabredung, der ja erfolgreich verlaufen war, hatte ihm alles abverlangt, was er an Kräften aufbieten konnte. Irmi mochte Franz auch, weil er ein Junge war, der ehrlich aus sich heraus war und mit dem man über alles reden konnte, was einen bewegte, davon hatte sich Irmi auf ihrem gemeinsamen Schulweg immer überzeugen können.

Gegen Abend verschwanden Irmis Schulfreundinnen nach Hause, sodass Irmi nur noch mit Jeanette und Franz zusammensaß. Jeanette schien sich zu vorgerückter Stunde zu langweilen und verabschiedete sich vor den Fernseher, wo sie mit den Alten saß und sich irgendein Unterhaltungsprogramm anschaute. Als Franz mit Irmi allein saß, fühlte er sich extrem unsicher und Irmi sah sich genötigt, ihm die Scheu vor der Situation zu nehmen. Sie begann ein Gespräch über so unverfängliche Dinge wie ihr Teleskop. Franzzeigte sich zu ihrer Freude sehr daran interessiert und wollte von ihr wissen, wann sie es ausprobieren würde. Als Irmi sagte, dass sie noch an diesem Abend mit Mathi und ihrem Teleskop zum Talabschluss wollte und das Teleskop dort auf einem Felsplateau etwas oberhalb in Position bringen wollte, fragte Franz gleich, ob er nicht mitgehen dürfte. Irmi überlegte kurz, fand aber nichts, was sie dagegen hätte vorbringen können und sagte zu Franz:

„Wenn Du willst, kannst Du mit uns kommen, Du müsstest allerdings zu Hause noch Bescheid sagen!“ Franz lief eine Viertelstunde später nach Hause, um dort mitzuteilen, dass er mit Irmi und Mathi noch an diesem Abend zum Talabschluss wollte, er kam eine Stunde später wieder zurück.

Irmi und Mathi waren zwischenzeitlich damit beschäftigt, die Sachen zusammenzulegen, die sie mit auf ihre Exkursion nehmen wollten, und da kam ihnen Franz zum Helfen gerade recht. Als sich jeder mit seinem Teil zum Tragen ausgestattet hatte, sie hatten neben dem Teleskop noch etwas zu Essen und zu Trinken und eine Taschenlampe bereitgelegt, wunderten sie sich, wie viele Dinge da auf einem Haufen zusammengekommen waren. Mathi machte den Vorschlag, die Schubkarre zum Transport zu benutzen, zumal das Teleskop allein mit dem Zubehör schon elf Kilogramm wog. Irmi und Franz fanden Mathis Vorschlag gut und Mathi lief in den Stall und holte die Schubkarre, in der vorher Mist transportiert worden war. Sie reinigten die Ladefläche von Mistrückständen und legten ihre Sachen darauf, die ja mit der Ladefläche gar nicht richtig in Kontakt kamen, sie ließen das Teleskop in seiner Verpackung und auch das Essen und das Trinken waren verpackt. So liefen sie schließlich durch das Dorf und konnten von Glück sagen, niemandem begegnet zu sein, denn was hätten sie ihm auf seine Frage antworten sollen, warum sie in der Nacht mit der Schubkarre durch das Dorf zögen? Irmi schob die Karre, und Franz fragte sie:

„Soll ich nicht lieber die Schubkarre schieben, sie ist Dir doch sicher zu schwer?“ Aber Irmi wies ihn mit den Worten zurück:

„Danke für Dein Hilfsangebot, aber über so viel Kraft, um fünfzehn Kilogramm mit der Schubkarre zu transportieren, verfüge ich schon noch!“ Sie erreichten schließlich nach einer Dreiviertelstunde den Hang am Talabschluss und Irmi stellte die Schubkarre ab, die sie die gesamte Strecke geschoben hatte. Sie blickten den Hang hinauf und Irmi sagte zu Franz:

„Dort oben, nach ungefähr einem Drittel des Hanges, befindet sich das Felsplateau, auf das wir die Sachen tragen müssen!“, und Franz blickte Irmi gespannt an. Jeder nahm seine Teil der Sachen aus der Schubkarre, Mathi schulterte das Teleskop und hatte damit den deutlich schwersten Teil zu tragen. Irmi ging mit der Taschenlampe vorweg und leuchtete den Weg aus, den sie bergan stiegen und sie erreichten nach einer Viertelstunde mühsamen Kletterns das Felsplateau, legten die Sachen ab und setzten sich erst einmal zur Entspannung hin. Es war warm an diesem Abend, der Himmel war sternenklar und versprach sehr gute Beobachtungsgegebenheiten. Der Mond war zu drei Vierteln zu sehen und würde sich als erstes Objekt zur Betrachtung ausgezeichnet eignen. In der Ferne waren einige Lichter von Lerbach auszumachen, ansonsten war es finster um sie herum, auch war es mucksmäuschenstill, allein hätte man sich auf dem Plateau in diesem Augenblick wohl gefürchtet. Nach einer angemessen langen Pause gingen sie daran, die Teleskopteile aus dem Karton zu nehmen und auf die Felsen zu legen. Irmi nahm das Stativ und drückte die Stützbeine auseinander, anschließend stellte sie es auf das Plateau und brachte es durch die Verstellung der Beinlängen in die Waage. Es ging danach darum, die Montierung, die eine Äquatorialmontierung war, aufzusetzen und zu justieren.

Dabei war Irmi auf sich selbst gestellt, denn die beiden anderen konnten ihr nicht helfen. Irmi hatte die ganzen letzten Wochen damit verbracht, sich sachkundig zu machen, damit sie in diesem Moment der Teleskopjustierung auch keinen Fahler machte, im Übrigen half ihr die mitgelieferte Beschreibung dabei. Bei der Äquatorialmontierung spielten Rektaszenion und Deklination eine Rolle, die für die Positionsbestimmung eines Himmelsobjektes wichtig waren. Bezogen auf den Himmelsäquator, das war die gedachte Projektion des Äquators, um den sich die Erde dreht, auf eine imaginäre Himmelskugel, war die Rektaszenion die Winkelabweichung des Beobachtungsobjektes, wobei der Frühlingspunkt der Nullpunkt war. Die Deklination meinte die Erhebung eines Beobachtungsobjektes über diesen Äquator. Die Montierung musste so justiert werden, dass das Teleskop parallel zur Erdachse ausgerichtet war und diese Einstellung nahm Irmi als Erstes vor, nachdem sie das Teleskop auf den Polarstern gerichtet hatte. Als alle Bauteile auf das Stativ gesetzt und das Teleskop ausgerichtet war, konnte es losgehen und Irmi hatte sich als erstes Beobachtungsobjekt den Mond vorgenommen. Sie drehte das Teleskop grob in Richtung des Erdtrabanten und fixierte ihn zunächst mit dem Sucher. Anschließend blickte sie durch das Okular und stellte es scharf, das Ergebnis warf sie beinahe um. Sie stand lange an ihrem Teleskop und brachte keinen Ton heraus, Mathi und Franz blickten sich an und Mathi fragte:

„Und, was siehst Du?“ Irmi antwortete zunächst nicht, bis sie schließlich sagte:

„Ihr müsste selbst einmal durch das Okular schauen, um zu sehen, was ich sehe, wunderbar!“ Sie trat von dem Teleskop zurück und überließ Mathi und Franz den Blick durch das Okular. Als die beiden nacheinander den fantastischen Blick genossen hatten, waren sie ebenfalls zunächst sprachlos über die Brillianz der Mondbeobachtung. Sie blickten zu Irmi und Franz sagte:

„Ich habe so etwas Schönes noch nie gesehen, der Mond steht an beinahe jedem Abend am Himmel, was ich aber gerade erblickt habe, raubt mir fast den Atem!“ Auch Mathi war sehr angetan von der Mondabbildung im Teleskop und bestätigte Franz in seiner Einschätzung, was Irmi freute, denn sie wollte ihre eigenen Eindrücke gern mit den beiden teilen. Zum Lieferumfang gehörte ein weiteres, stärkeres Okular, das Irmi gleich ausprobierte, ferner eine sogenannte Barlow-Linse für stärkere Vergrößerungen. Nachdem sie alles ausprobiert hatte, entschloss sich Irmi, alles wieder zusammenzupacken und nach Lerbach zurückzulaufen. Sie wollte ein Beobachtungstagebuch anlegen und in diesem genau ihre beobachteten Objekte festhalten, sie würde auch die Besonderheiten notieren, die sich dabei gezeigt hätten. Als sie wieder in Lerbach ankamen, verabschiedete Franz sich bis zum nächsten Tag, wenn er mit Irmi ins Freibad gehen würde, Irmi und Mathi nickten sich auf dem Hofmairhof zu und gingen gleich ins Bett.

Beim Frühstück am nächsten Morgen fragte Irmis Mutter, ob sie am Vorabend etwas am Himmel beobachtet hätte und Irmi antwortete:

„Wir haben erst einmal das Teleskop ausgerichtet und danach einen Blick auf den Mond geworfen, Du kannst Dir nicht vorstellen wie ergreifend der Anblick war, mit der Vergrößerung, die mein Teleskop bietet, erhält man umwerfende Bilder!“

„Wann werdet Ihr denn wieder zum Talende laufen?“, fragte Irmis Mutter und Irmi antwortete:

„Ich weiß es noch nicht, heute gehe ich tagsüber erst einmal mit Franz ins Freibad, vielleicht gehe ich morgen Abend wieder mit Mathi und Franz dorthin!“ Neugierig wie ihre Mutter nun einmal war, erkundigte sie sich gleich nach Franz:

„Ist Franz Dein neuer Freund?“, fragte sie Irmi direkt, aber Irmi winkte ab und sagte:

„Franz ist mein alter Klassenkamerad, und ich finde ihn nett, ich bin gerne mit ihm zusammen und kann mich gut mit ihm über alles Mögliche unterhalten.“ Daraufhin stand sie auf und ging auf ihr Zimmer, wo sie ihre Badesachen in eine Tasche legte, anschließend lief sie zum Freibad. Sie war um 10.30 h mit Franz an der Kasse verabredet und Franz stand schon seit Kurzem dort und wartete auf Irmi. Sie begrüßten sich beide per Handschlag und gingen hinein. Nachdem sie sich umgezogen hatten, liefen sie gemeinsam zur Liegewiese und legten sich nebeneinander auf den Rasen. Irmi sagte zu Franz:

„Ich finde es schön, dass wir zusammen einmal in unser Freibad gegangen sind, das wurde wirklich auch einmal Zeit!“ Franz erwiderte:

„Ich finde das auch toll, ich weiß nicht, warum das früher nie geklappt hat, während des Schulbetriebs war die Zeit für uns natürlich denkbar knapp.“

„Komm, lass uns ins Wasser gehen!“, rief Irmi und sprang auf, Franz machte es ihr nach, und sie liefen beide zum Schwimmerbecken. Irmi stieg auf einen Startblock und machte einen Kopfsprung ins Wasser ohne sich vorher abgekühlt zu haben, Franz sprang ihr hinterher, ebenfalls mit einem Kopfsprung, ebenfalls ohne vorherige Abkühlung. Sie tauchten beide danach eine ganze Strecke die Schwimmbahn entlang und kamen anschließend an die Wasseroberfläche, wo sie mit kräftigen Zügen nebeneinander her schwammen. Irmi bemerkte, dass Franz sehr kräftig war, denn seine Schwimmzüge brachten ihn gleich ein gutes Stück vorwärts und Franz legte sich mächtig ins Zeug, um Irmi zu imponieren. Sie schwammen einige Bahne und unterhielten sich über den vorigen Abend, Irmi fragte:

„Hast Du es wirklich so toll gefunden, durch mein Teleskop zu schauen?“

„Ich war hin und weg, ich habe so etwas Schönes noch nie vorher gesehen“, antwortete Franz, „und ich übertreibe damit nicht!“ Irmi hörte solche Worte gern, und wenn sie von Franz kamen, um so mehr, sie begann Franz zu mögen und würde ihm das bald auch sagen.

Als sie wieder auf der Liegewiese angekommen waren und sich dort langgemacht hatten, fragte Irmi Franz:

„Was hat Dir denn gestern Abend am meisten gefallen?“ Franz dachte kurz nach und antwortete danach:

„Ich fand es spannend, mit Euch in der Dunkelheit zum Talende zu laufen, und ich fand es toll von Dir, dass Du mich mitgenommen hast, und schließlich war der Blick durch Dein Teleskop überwältigend.“ Irmi sah zu Franz rüber auf seinen kräftigen Oberkörper und seine muskulösen Oberarme und war auf einmal ganz von ihm eingenommen, sie sagte ihm:

„Franz, ich weiß nicht, warum es erst heute passiert ist, aber ich glaube, ich habe mich in Dich verliebt!“, und sie legte ihre Hand auf seine Brust. Franz fühlte wie sein Herz kräftig schlug und wusste erst gar nicht wie ihm geschah, dass Irmi ihn so direkt mit ihrer Liebe konfrontieren würde, kam für ihn völlig überraschend, er freute sich aber natürlich wie wahnsinnig darüber und entgegnete:

„Ich liebe Dich schon seit Langem, ich habe mich nur nie getraut, Dir das zu gestehen.“ Sie sahen sich beide an und lächelten sich zu, und Franz hatte merkwürdigerweise seine Selbstsicherheit wiedererlangt und hielt Irmis Blick stand. Er sah Irmis warmen Gesichtsausdruck und ihren wunderschön gebauten Körper. Irmi trug einen Bikini, der ihre gute Figur betonte und Irmi wusste natürlich, dass Franz seine Blicke auf ihren Körper gerichtet hatte.

„Sollen wir in den nächsten Tagen nicht einmal mit dem Bus nach Innsbruck fahren?“, fragte sie Franz und Franz fand die Idee sehr gut:

„Wir könnten uns gemeinsam unser zukünftiges Gymnasium ansehen, wie wäre es mit übermorgen, wir könnten einen frühen Bus nehmen, Kaffee trinken gehen und uns die Stadt ausgiebig ansehen, lass uns doch gleich einen Termin festmachen!“, schlug Franz vor.

„Ich glaube, dass das geht, morgen Abend will ich wieder zum Talabschluss, und Du sollst wieder mitkommen!“, entgegnete Irmi.

„Eigentlich ist mir der Tag auch egal, unsere Ferien dauern noch so lange, da können wir noch viel zusammen unternehmen, und darauf kommt es mir an!“, sagte Franz. Sie gingen noch ein paarmal ins Wasser und lagen danach wieder zusammen auf der Liegewiese, wo sie sich über weitere gemeinsame Vorhaben unterhielten. Sie besprachen die Besteigung des dreitausend Meter hohen Grindelkopfes, eines Berges, der zu den Gebirgsflanken gehörte, von denen Lerbach rechts und links gesäumt wurde. In der nächsten Woche würden sie den Grindelkopf angehen, so kamen sie überein. Am Nachmittag verließen sie das Freibad wieder, sie trennten sich im Dorf voneinander, Irmi gab Franz zum Abschied einen Wangenkuss, und Franz war außer sich vor Freude darüber, danach gingen sie ihre Wege nach Hause. Zu Hause setzte sich Irmi mit ihrer Mutter auf eine Tasse Kaffee in die Küche und sagte:

„Ich glaube, dass Du recht hattest mit Deiner Vermutung, dass Franz mein neuer Freund ist.“ Sie sagte das wie zu einer alten Freundin, obwohl ihre Mutter in ihren Augen eine Frau in fortgeschrittenem Alter war. Sie vertraute ihr aber solche intimen Dinge an, weil sie wusste, dass sie in ihr die richtige Ansprechpartnerin fand. Diese Erfahrung hatte sie schon früher gemacht, als sie Gespräche mit ihr über ihre Pubertätsprobleme geführt hatte. Schon damals war Irmi aufgefallen, dass ihre Mutter ein offenes Ohr für diese Dinge hatte, und sie immer für sich behielt. Frau Hofmair sah ihre Tochter an und bemerkte gleich den Glanz in ihren Augen, sie war verliebt, daran bestand kein Zweifel und sie freute sich für Irmi.

„Ich finde, dass Franz ein sehr netter Junge ist und dass er gut zu Dir passt“, sagte sie ihrer Tochter, und sie wusste, dass Irmi solche Worte von ihr hören wollte.

„Wir werden vermutlich übermorgen nach Innsbruck fahren, und wir werden in der nächsten Woche den Grindelkopf besteigen“, sagte Irmi und ihre Mutter antwortete: