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Ein Kloster, das nicht schweigt, sondern brüllt. Ein See, der nicht spiegelt, sondern hört. Und ein junger Novize, der zur Stimme eines uralten Rufs wird. Malchow im siebzehnten Jahrhundert. Hinter den Mauern eines abgelegenen Klosters entfaltet sich ein Kult, der den Klang selbst zur Waffe macht. Was als Ort der Buße beginnt, wird zur Pforte in eine Welt aus Stimmen, Echos und Erinnerungen, die nie ausgesprochen wurden. Diese Sage erzählt von Thassilo, von der stummen Nonne, vom Chor der Verdammten und von der letzten Glocke, die nie aufhörte zu singen. Ein finsteres Buch über den Lärm der Seele und das Schweigen, das alles verwandelt.
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Seitenzahl: 28
Veröffentlichungsjahr: 2025
Vorwort
Kapitel 1: Die Glocke, die nicht schweigt
Kapitel 2: Die Regel der Kehle
Kapitel 3: Der Abt mit dem verbrannten Mund
Kapitel 4: Die Messe der Rückkehr
Kapitel 5: Der Chor der Verdammten
Kapitel 6: Die stumme Nonne
Kapitel 7: Der letzte Ruf
Es gibt Orte, über die keine Chronik berichtet, weil das Schreiben selbst dort verstummt. Orte, die nicht vergessen wurden, sondern sich entschieden haben, nicht mehr erinnert zu werden.
Das Brüllkloster von Malchow war ein solcher Ort.
Diese Erzählung ist keine Geschichte im klassischen Sinn. Sie ist ein Echo. Eine Aufzeichnung dessen, was einst gesprochen, geschrien oder verschwiegen wurde – und doch weiterlebt, in Mauern, Wasser und Traum. Was Sie hier lesen, stammt aus zerschnittenen Seiten, zitternden Zungen und den flüchtigen Protokollen der Finsternis. Es ist die Chronik eines Klosters, das sich selbst abschaffte, indem es zu laut wurde für die Welt.
Und es ist die Geschichte eines jungen Mannes, Thassilo, der lernte, dass nicht jede Stimme befreit – und nicht jedes Schweigen rettet.
Lesen Sie dieses Buch nicht wie einen Bericht.
Lesen Sie es wie ein Rufen. Und wenn es in Ihnen nachklingt – dann war es vielleicht nie ganz fort.
— H. z. M.
Malchow, Anno Domini 1671.
Es war ein kalter Morgen im Frühling, einer von jener Sorte, bei der der Nebel wie ein schmutziges Leichentuch über dem Land liegt. Die Schafe blökten dumpf in der Ferne, und das Wasser des Plauer Sees lag bleiern still. An diesem Morgen kam Bruder Thassilo an. Er war blass, schmal, nicht viel älter als neunzehn, und hatte doch schon die Milde eines Mannes, der zu viel gesehen hatte.
Das Kloster ragte am Rand der Insel wie eine geballte Faust gen Himmel, mit schwarzen Dächern, deren Schindeln wie Schlangenhaut glänzten. Es war einst ein Ort der Umkehr gewesen, so stand es in den alten Kirchenbüchern. Doch nun war es etwas anderes. Die Glocke. Die Glocke läutete.
Sie läutete nicht zur Stunde. Nicht zum Gebet.
Nicht zum Tod. Sie läutete einfach – ununterbrochen. Mal laut, mal leise, mal wie ein Krächzen, mal wie ein Schrei. Und niemand im Ort sprach darüber.
Bruder Thassilo trug die Kutte der armen Lazariten, sein Hab und Gut in einem Beutel, den er sich mit einer Schleife um den Bauch gebunden hatte. Er roch nach Ziegenmilch und Schweiß, doch seine Augen waren offen und ehrlich. Als er das Haupttor des Klosters betrat, verstummte der Wind.
Ein Mönch trat aus dem Schatten, alt, bucklig, mit einem faltigen Gesicht, das aussah, als hätte jemand das Antlitz eines Sünders aus einem warmen Brot geschnitten. "Du bist spät, Bruder," sagte er mit einer Stimme wie Asche.
"Ich kam so schnell ich konnte," flüsterte Thassilo.
"Flüstern ist hier nicht erlaubt," knurrte der Mönch.
"Wir beten laut. Wir beichten laut. Und wir leiden laut. Das ist die Regel."
Thassilo schluckte. Die Glocke läutete weiter.
Im Innern war das Kloster karg, beinahe leer. Es gab keine Heiligenbilder, nur schwarze Kreuze.
Und Stimmen. Von irgendwoher brüllte ein Mann – nicht vor Wut, sondern wie einer, der seinen Namen aus sich herausschreit, damit Gott ihn endlich hört. Dann eine andere Stimme, weinend, schreiend: "Erbarm dich meiner!"