Der Bergdoktor 1904 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1904 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Kündigung! An einem stürmischen Winterabend findet der Bergdoktor das unscheinbare Kuvert auf seinem Schreibtisch. Er reißt es auf und fällt aus allen Wolken. Bärbel, seine Sprechstundenhilfe, will ihn verlassen! Dabei ist sie mit ihrer fröhlichen Art die gute Seele der Praxis. Sie liebt ihre Arbeit, und die Patienten lieben sie.

Doch Bärbel plagen schon seit Wochen Sorgen, für die sie keinen anderen Ausweg mehr sieht. Sie muss ihren geliebten Posten aufgeben. Nicht einmal Dr. Burger kann sie umstimmen ...

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Seitenzahl: 128

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Inhalt

Cover

Impressum

Bärbel nimmt Abschied

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Anne von Sarosdy / Bastei Verlag

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-5986-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Bärbel nimmt Abschied

Was ist mit Dr. Burgers Sprechstundenhilfe los?

Von Andreas Kufsteiner

Kündigung!An einem stürmischen Winterabend findet der Bergdoktor das unscheinbare Kuvert auf seinem Schreibtisch. Er reißt es auf und fällt aus allen Wolken. Bärbel, seine Sprechstundenhilfe, will ihn verlassen! Dabei ist sie mit ihrer fröhlichen Art die gute Seele der Praxis. Sie liebt ihre Arbeit, und die Patienten lieben sie.

Doch Bärbel plagen schon seit Wochen Sorgen, für die sie keinen anderen Ausweg mehr sieht. Sie muss ihren geliebten Posten aufgeben. Nicht einmal Dr. Burger kann sie umstimmen …

Der Winter hatte vor einigen Wochen im Zillertal Einzug gehalten. Seitdem waren die Dörfer und Berge tief verschneit. Während sich in den tiefer gelegenen Dörfern zahlreiche Ski- und Schlittenfahrer auf den Hängen tummelten, ging es in St. Christoph beschaulicher zu. Der kleine Ort lag friedlich eingebettet zwischen sechs hohen Gipfeln und lud zum Verweilen und Atemholen ein.

Am Waldrand stand ein hübsches Alpenhaus, aus dessen Schornstein sich Rauch in den dunkler werdenden Abendhimmel ringelte. Ein kugelrunder Schneemann winkte am Gartenzaun, direkt daneben wartete ein Futterhäuschen voller Körner auf gefiederte Gäste. Ein Meisenknödel baumelte daran.

An der Eingangstür des Anbaus war ein Schild festgemacht: Arztpraxis Dr. Martin Burger stand darauf. Darunter waren die Sprechzeiten notiert.

Für diesen Tag war die Sprechstunde bereits beendet. Dr. Burger war vor einer halben Stunde zu seiner Hausbesuchsrunde aufgebrochen. Seine Sprechstundenhilfe räumte noch auf und machte sauber.

Bärbel Tannauer war die gute Seele der Praxis. Zuverlässig und immer zu einem Lächeln bereit, kümmerte sie sich darum, dass alles wie am Schnürchen lief.

Sie summte fröhlich, während sie die Zeitschriften im Wartezimmer zusammensuchte und ordentlich auf einen Stapel legte. Bärbel hatte bereits gelüftet und die Böden gewischt. Die Räume waren bereit für die Arbeit am nächsten Tag. Nun musste sie nur noch ihren Computer herunterfahren. Fertig!

Als sie gerade ihren Kittel ausziehen wollte, näherten sich leise Schritte. Ein Madel von acht Jahren wirbelte herein und blieb vor dem Empfang stehen.

»Ist mein Papa noch da?« Tessa machte den Hals lang und spähte in das Sprechzimmer. Es war leer. »Och!«

»Tut mir leid. Dein Vater ist schon zu seinen Hausbesuchen gefahren.«

»Ich dachte, ich erwische ihn noch.«

»Kann ich dir vielleicht helfen, Spätzchen?«

Die bekümmerte Miene der Achtjährigen hellte sich auf.

»Hörnchen ist krank. Kannst du es wieder gesund machen, bitte?« Sie reckte Bärbel ein plüschiges weißes Einhorn hin, dessen Horn nur noch an einem Faden hing und traurig nach unten baumelte. »Mami hat keine Zeit, und Zenzi ist net da.«

»Ich verstehe. Wie ist denn das passiert?«

»Bin beim Rennen an der Tür hängen geblieben. Da ist Hörnchens Horn abgerissen. Kannst du ihm helfen?«

»Freilich. Das bekommen wir wieder hin. Hilfst du mir dabei?«

»Oh ja!« Tessa nickte so lebhaft, dass ihre dunklen Zöpfe wippten.

»In Ordnung. Als Erstes legen wir die Ausrüstung für die Operation zurecht.« Bärbel holte das Nähzeug aus ihrer Umhängetasche, nahm weißes Garn, eine Nadel und eine Schere heraus und breitete alles vor sich auf dem Schreibtisch auf. »Du musst Hörnchen gut festhalten, während ich ihn behandle.«

»Ist gut.« Tessa umklammerte ihr Plüschtier.

Bärbel suchte eine leere Spritze heraus und piekte sie in das Fell.

»So, jetzt müssen wir bis zehn zählen, dann ist Hörnchen betäubt und hat keine Schmerzen, wenn ich es operiere.«

Tessa zählte halblaut bis zehn.

Bärbel fädelte den Faden ein, wartete, bis die Achtjährige fertig gezählt hatte, und nähte das Horn sorgsam wieder fest.

»Das war’s«, sagte sie schließlich und schnitt den Faden ab. »Hörnchen war wirklich sehr tapfer.« Sie drückte Tessa zwei Karamellzuckerln in die Hand. »Gut gemacht, Spätzchen.«

»Danke schön!« Tessa presste ihr Plüschtier strahlend an sich.

»Hörnchen muss sich noch etwas ausruhen. Es hat allerhand Aufregungen mitgemacht und sollte sich erholen. Vielleicht kuschelt ihr euch zusammen aufs Sofa und hört euch eine Kassette an.«

»Das machen wir!« Tessa umarmte sie stürmisch und stob davon.

Bärbel blickte ihr lächelnd nach. Dann besann sie sich darauf, dass sie schon seit zehn Minuten mit ihrem Schatz verabredet war. Felix hatte sie zum Abendessen zu sich nach Hause eingeladen. Jetzt aber schnell!

Sie vertauschte ihren weißen Kittel mit einer sportlichen blauen Jacke, stülpte eine Wollmütze über ihre blonden Haare und band sich einen warmen Schal um den Hals. Den hatte ihre Freundin Geli ihr zum Geburtstag gestrickt. Sie liebte ihn sehr.

Ihr Herz klopfte voller Vorfreude, als sie die Praxis abschloss und sich auf den Weg machte. Felix war ihr Traummann – er war lieb und anständig und unbedingt verlässlich. Beide mochten sie Rockmusik, Motorräder und die Berge. Sie gingen oft zusammen wandern oder klettern und genossen jede Minute, die sie in der Natur sein konnten.

Ihr Verlobter lebte mit seinem Vater auf einem Bauernhof, nur wenige Minuten vom Doktorhaus entfernt. Der Schnee knirschte unter Bärbels Stiefeln, als sie die Dorfstraße hinauflief und den Hof ansteuerte – die Hände tief in den Taschen vergraben.

Vor der Kirche kam ihr Germo Niederstetter entgegen. Er trug die Post im Dorf aus und kam ebenso bei schönem Wetter wie bei Sturm und Schneegestöber. An diesem Abend trug er ein Paar Skier über der Schulter und Stöcke in der Hand. Offenbar war er gerade auf dem Weg zum Skihang.

»Grüß dich, Bärbel.« Er winkte ihr freundlich zu. »Endlich Feierabend?«

»Ja, für heute ist es genug. Und bei dir, Germo?«

»Bei mir auch. Ich möchte den freien Abend für ein paar Abfahrten nutzen. Das schöne Winterwetter ist zu verlockend.«

»Das ist wahr. Du hast es gut: So zeitig am Tag schon Feierabend!«

»Dafür muss ich morgens auch um vier Uhr aufstehen.«

»Mei, für mich wär das nix. Für mich grenzt jedes Aufstehen vor sieben Uhr an Körperverletzung.«

Germo lachte, schrak jedoch im nächsten Augenblick sichtlich zusammen, als in der Nähe ein Hund losbellte. Die sprichwörtliche Abneigung zwischen Briefträger und Hund schien auch auf ihn zuzutreffen.

»Alles gut«, begütigte Bärbel. »Das war nur der Hund vom Bürgermeister. Der macht gern mal auf sich aufmerksam, aber du weißt doch, was man sagt: Hunde, die bellen, beißen net.«

»Freilich, aber das Problem mit diesem Sprichwort ist, dass es kaum ein Hund kennt!« Germo lächelte schief und zog eine Tüte mit Leckerlis aus seiner Jackentasche. »Aus diesem Grund hab ich immer die hier dabei.«

»Keine schlechte Vorsichtsmaßnahme. Wurdest du denn bei deiner Arbeit schon einmal gebissen?«

»Und ob, aber bis jetzt bin ich glimpflich davongekommen. Einen meiner Kollegen hat es in den vergangenen zehn Jahren schon vierzehn Mal erwischt.«

»Jesses! Da hält er wohl den Rekord, was?« Bärbel machte große Augen.

»Das könnte man so sagen.« Germo verstaute die Tüte wieder in seiner Tasche. »Ich werd dann mal. Hat mich gefreut, Bärbel. Wir sehen uns morgen, ja?«

»Auf jeden Fall. Viel Spaß auf den Brettln!« Bärbel winkte dem Postboten zu und setzte ihren Weg fort.

Wenig später tauchte der Lesacher-Hof vor ihr auf.

Das Anwesen bestand aus einem rustikalen Bauernhaus, auf dessen Dach sich der Schnee türmte. Rauch ringelte sich aus dem Schornstein in den Abendhimmel. Mehrere Anbauten am Wohnhaus verrieten, dass einige Generationen Umbauten vorgenommen hatten. An das Haus schlossen sich eine Scheune und der Stall an, aus dem das tiefe, dröhnende Muhen der Kühe drang. Ein Traktor stand im Hof.

Bärbel wollte gerade die Haustür ansteuern, als durch das offene Tor der Scheune laute Männerstimmen drangen.

»… sie ist die falsche Frau für dich, Felix. Glaub mir das.«

Bärbel blieb so abrupt stehen, als wäre sie gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. Die Stimme kannte sie. Sie gehörte ihrem Schwiegervater in spe!

»Die Bärbel ist keine Bäuerin und wird auch niemals eine sein!«, schimpfte er weiter.

Eine sanfte, ruhige Stimme antwortete ihm.

»Ich liebe Bärbel, Vater. Für mich zählt nur, dass sie glücklich ist mit dem, was sie macht. Es ist mir net so wichtig, was sie arbeitet.«

»Das sollte es aber sein! Du musst eine Bäuerin heimführen. Wir brauchen fleißige Hände auf dem Hof. Das weißt du genauso gut wie ich.«

»Wir kommen sehr gut zurecht mit der Arbeitsteilung, die wir jetzt haben.«

»Wir kommen zurecht, weil ich alles gut organisiert habe, aber ich werde net jünger. Was soll aus dem Hof werden, wenn ich mich aufs Altenteil zurückziehe? Du kannst den Betrieb net allein bewirtschaften. Dafür sind mehrere Hände nötig.«

»Dann stellen wir eben noch jemanden ein. Erntehelfer oder einen Knecht. Es gibt immer Leute, die Arbeit suchen.«

»Und wovon willst du die bezahlen? Du weißt selbst, dass die Landwirtschaft nimmer so viel abwirft wir früher. Wir wirtschaften vernünftig, und das ist gut so. Große Sprünge können wir net machen.« Sorgen schwangen in der Stimme des älteren Landwirts mit. Sie waren wohl nicht von der Hand zu weisen, denn Felix erwiderte nichts darauf.

Sein Schweigen dröhnte Bärbel in den Ohren. Bestürzt verschlang sie die Hände ineinander, die plötzlich eiskalt geworden waren. Sie wusste, dass Blasius ihr gegenüber Vorbehalte hatte, aber dass es so schlimm war! So verhasst war sie ihrem zukünftigen Schwiegervater also? Dass er ihrem Verlobten hinter ihrem Rücken zusetzte, sie zu verlassen?! Das war ein Brocken, an dem sie schwer zu schlucken hatte.

Während sie noch mit sich haderte, trat Felix durch das offene Scheunentor. Mit seinen dunklen Haaren und der kräftigen, durchtrainierten Statur war er ein Naturbursche, wie er im Buche stand. Seine braunen Augen leuchteten sanft und verrieten sein ruhiges Naturell. Felix dachte lieber zweimal nach, ehe er sich in ein neues Abenteuer stürzte. Das gefiel ihr. Sie selbst handelte manchmal zu impulsiv, wie sie selbst fand.

»Da bist du ja, Liebes.« Felix schaute in ihr verstörtes Gesicht, seufzte leise und legte die Arme um sie. »Du hast alles gehört, nicht wahr? Nimm dir das bitte net so zu Herzen. Mein Vater hat es net so gemeint. Er braucht immer Zeit, um mit Veränderungen zurechtzukommen.«

»Er will mich net zur Schwiegertochter haben, oder?«

»Er hat Bedenken, aber er wird sich schon noch an dich gewöhnen.«

»So, wie an einen Stein im Schuh, meinst du?«, fragte sie unglücklich.

»Aber nein. Du bist mein Ein und Alles, Bärbel. Vergiss bitte, was du gehört hast. Mein Vater meint es gut, aber er denkt net daran, wie viel du mir bedeutest und dass unsere Gefühle viel wichtiger sind als alle Unterschiede zwischen uns.«

»Er hat leider recht: Ich bin keine Bäuerin und werde niemals eine sein.«

»Ich will dich net heiraten, damit du meine Kühe melkst.« Felix zog sie noch ein wenig näher an sich heran. »Ich will dich heiraten, weil ich dich von ganzem Herzen lieb habe.«

»Ich liebe dich auch«, wisperte sie und blickte über die Schulter ihres Verlobten hinweg zu den Bergen. Sie fühlte sich mit einem Mal verzagt, wie schon lange nicht mehr. Über ihrem Leben brauten sich Veränderungen zusammen wie ein Unwetter über den Bergen. Was, wenn ihre Liebe nicht stark genug war, um dem Sturm zu trotzen?

***

Ungefähr zur selben Zeit war Dr. Martin Burger unterwegs zum Hof der Familie Stadler. Die Bäuerin litt unter einem hartnäckigen Husten und hohem Fieber. Sie war so schwach, dass ihr Mann ihn gebeten hatte vorbeizukommen.

Der Landarzt fuhr mit seinem Geländewagen die verschneite Bergstraße hinauf und ging in Gedanken die Hausbesuche durch, die noch auf seiner Liste standen. Drei waren es.

Mit etwas Glück war er in einer Stunde fertig und konnte Feierabend machen. Gerade noch rechtzeitig, um seine Kinder in die Badewanne zu stecken und ihnen etwas vorzulesen, während sie sich gemütlich auf das Sofa kuschelten. Er liebte diese abendliche Stunde mit seiner Familie.

Es hatte Jahre gegeben, in denen er allein gelebt hatte. Nach dem Tod seiner ersten Frau war er einsam gewesen und hatte nicht geglaubt, sich je wieder verlieben zu können. Bis Sabine gekommen und mit ihr das Glück wieder in sein Leben getreten war.

Inzwischen machten drei quirlige Kinder ihre Familie komplett: die aufgeweckte Tessa, der nachdenkliche Filli und Laura, das Mauserl, mit ihren zwei Jahren die Jüngste.

Ein warmes, gutes Gefühl machte ihm die Brust weit, als er an sie alle dachte.

Vor ihm tauchte der Hof der Stadlers auf.

Der Bergdoktor parkte seinen Wagen am Fahrbahnrand, nahm seine Tasche vom Beifahrersitz und stieg aus. Der von der Kälte verharschte Schnee knirschte unter seinen Stiefeln.

Wenige Hundert Meter entfernt waren Skifahrer auf der Piste unterwegs. Riesige Leuchten erhellten die Piste. Ein Schlepplift zog die Wintersportler den Hang hinauf. Er war gut besucht.

Tagsüber hatte es wieder tüchtig geschneit. Die Bäume am Rand der Piste bogen sich unter der weißen Last. Hier und da hörte man es sogar knacken …

Plötzlich zerriss ein lautes Knirschen die winterliche Stille – gefolgt von einem ohrenbetäubenden Splittern! Erschrockene Rufe drangen von der Piste heran, und auch Martin Burgers Herz machte einen Satz.

Eine kirchturmhohe Kiefer hatte der Schneelast nicht mehr standgehalten. Die Jahre hatten sie bereits gebeugt, und nun stürzte sie krachend um!

Ein Hilfeschrei gellte – und brach so jäh ab, als hätte jemand den Ausschalter gedrückt.

O mein Gott! Da ist ein Mensch unter dem Baum begraben worden!, schoss es Dr. Burger durch den Kopf. Ohne zu zögern, eilte er los und stürmte über den Hang zum Waldrand hinüber. Er hatte die Kiefer fallen sehen und sich gemerkt, wo sie umgestürzt war. So traf er wenig später am Unglücksort ein.

Zwei Beine schauten unter dem grünen Wipfel hervor. Der Verunglückte war zum Glück nicht vom unteren Teil des schweren Stamms getroffen worden, dann hätte er wohl keinerlei Überlebenschance gehabt. Doch auch so stand es schlimm um ihn: Schwere Äste hatten ihn nicht nur getroffen, sondern sich auch in seinen Leib gebohrt, denn der Schnee ringsum färbte sich bereits blutrot!

Der Bergdoktor stellte seine Tasche ab und schob die grünen Zweige zur Seite. Darunter kam der Oberkörper des Verletzten zum Vorschein.

Jesses! Es war der Niederstätter-Germo! Der junge Postbote kam täglich ins Doktorhaus, brachte die Post und blieb auch gern auf einen Schwatz. Er war zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk.

»Mei, Germo, was machst du nur für Sachen?« Dr. Burger bemerkte die Skier, die in der Nähe aus dem Schnee ragten. Offenbar war Germo auf dem Weg zum Skihang gewesen, als er von dem umstürzenden Baum getroffen worden war. »Kannst du mich hören? Germo?«

Der junge Postler reagierte nicht. Er hielt die Augen geschlossen und atmete flach. Sein Gesicht war fast so weiß wie der Schnee.

Der Bergdoktor tastete nach dem Puls. Schwach hetzte er gegen seine Fingerkuppen.

Er musste Germo unter dem Baum hervorholen, und das würde nicht einfach sein. Die Zeit drängte. Das Blut schoss schwallartig aus einer Wunde. Hellrotes Blut. Das war kein gutes Zeichen. Eine Arterie musste verletzt sein!

Hastig holte er sterilen Mull aus seiner Tasche, tastete sich zu der Verletzung vor und presste das Verbandmaterial auf die Wunde. Das würde einen lebensgefährlichen Schock hinauszögern und ihnen etwas Zeit verschaffen.

Inzwischen hatten sich mehrere Menschen im Halbkreis versammelt und tauschten halblaut Mutmaßungen aus.

»Rufen Sie bitte einen Rettungswagen«, rief Dr. Burger. »Wir brauchen hier dringend Sanitäter und einen Transporter. Und geben Sie bitte durch, dass es eilt!«

»Ich kümmere mich darum!« Ein Skifahrer in einem blauen Overall reckte sein Handy in die Luft, als Zeichen, dass er Hilfe anfordern würde.