Der Hof am Strom - Paul Friedl - E-Book

Der Hof am Strom E-Book

Paul Friedl

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Beschreibung

Paul Friedl erzählt vom schlimmen Geschehen um einen alten Hof an der mächtigen Donau, auf dem eine Bauernfamilie in Zwietracht haust. Ein junger Mann nimmt tapfer sein Los auf sich. Sein einziger Freund ist ein Knecht, mit dem sonst niemand etwas zu tun haben will. Gemeinsam sorgen sie sich um die Zukunft des Eichhofes, dessen Tage gezählt zu sein scheinen.

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LESEPROBE ZU

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 2003

© 2017 Rosenheimer Verlagshaus GmbH & Co. KG, Rosenheim

www.rosenheimer.com

Titelfoto: Bernd Römmelt, München

eISBN 978-3-475-54691-4 (epub)

Worum geht es im Buch?

Paul Friedl

Der Hof am Strom

Paul Friedl erzählt vom schlimmen Geschehen um einen alten Hof an der mächtigen Donau, auf dem eine Bauernfamilie in Zwietracht haust. Ein junger Mann nimmt tapfer sein Los auf sich. Sein einziger Freund ist ein Knecht, mit dem sonst niemand etwas zu tun haben will. Gemeinsam sorgen sie sich um die Zukunft des Eichhofes, dessen Tage gezählt zu sein scheinen.

Im Donautal lag der vorwinterliche Nebel dicht und grau wie eine gefallene Wolke. Er deckte Strom und Land zu und verhüllte Dörfer und Fluren, als wäre kein Leben mehr im Uferland.

Nur gegen Westen schimmerte die graue Nebelflut rosenrot und verriet, daß über dem eisigen Dunst die untergehende Sonne aus blauem Himmel die den ersten Schnee tragenden Berge des Bayerischen Waldes anleuchtete.

Im Dorf Winkling schien jedes Haus für sich allein in dieser trostlosen Welt zu stehen. Das Leben hatte sich in die dunklen Stuben zurückgezogen und gab nach außen keinen Laut mehr.

Langsam und vorsichtig, die graue Wand vor den Augen und immer nur ein Flecklein der Straße unter sich, radelte ein junger Mann durch den Ort und hielt vor dem Wirtshaus an, das unvermittelt vor ihm auftauchte. Irgendwo aus dem Nebelmeer kamen die Schläge der Turmuhr, dumpf und verhalten, und kündeten die vierte Stunde des Nachmittags. Der junge Mann lehnte das Fahrrad an die Hausmauer und hinkte der Haustür zu, als diese sich öffnete und ein untersetzter Bursche ins Freie trat. Über sein breites Gesicht huschte ein kurzes Schmunzeln, und etwas bierig maulte er:

»He, der Josef! Kommst gerade recht! Dein Bruder sitzt drinnen!«

Überrascht sah der Josef ihn an, schüttelte den Kopf, nahm das Fahrrad und verschwand damit hinkend im Nebel.

Außerhalb des Dorfes hielt er an, schob den Hut ins Genick und stützte sich auf das Fahrrad.

»Na also«, brummte er verdrossen. »Jetzt geht es halt von vorn an. Und der Vater hat seinen Jakob wieder – und ich bin der Dumme und weiß net, warum ich mich für den Hof so abgeschunden habe.« Laut und entschlossen endete er sein Selbstgespräch: »Jetzt mag ich nimmer, jetzt muß was auseinander gehen! Ich muß wissen, wer der Bauer zur Eich wird: ich oder der Jakob!«

Umständlich schwang er sich wieder auf das Rad und achtete auf die Straße unter sich, sah nach den Bäumen, die erst aus dem Grau auftauchten, wenn er sie schon mit der Hand hätte berühren können.

Der rosenrote Schein im Nebel schrumpfte und verschwand, und aus dem Boden kam die Dunkelheit. Der schwarze Schatten eines Hauses tauchte auf, und er bog in einen holperigen Weg ein. Die gefrorenen Wasserlachen klirrten unter den Reifen, ruppige Fahrspuren machten ihn unsicher, und er ging, das Rad schiebend, zu Fuß weiter.

Von irgendwo aus der grauen Dämmerung kam das Bellen eines Hundes und das verzagte Abendläuten einer Kirche.

Er schlug den Rockkragen hoch, denn kaum merkbar war die Nebelmasse in Gang gekommen, und die Kälte wurde beißend. Das Ziehen kam vom Strom, die mit den Wassern wandernde Frostwelle, hart und scharf und doch nicht wie ein Wind.

Der Sohn des Bauern zur Eich hielt wieder an und fuhr sich mit der kältesteifen Hand über die Augen.

Nun ist er also wieder da, der Jakob, und wird wohl noch vor der Nacht daheim sein, wird sich mit dem Recht des Älteren breitmachen und sich über den Winter füttern lassen! Jetzt ist ihm das warme Nest wieder recht!

Im Frühjahr, als auf den Feldern die Arbeit anstand, war er gegangen und hatte die alten Eltern und den Hof im Stich gelassen, weil die Bauernarbeit ihn nicht mehr freute. Geld wollte er verdienen und ein leichteres Leben haben.

Und der alte Bauer zur Eich hatte ihn wortlos gehen lassen.

»Der kommt schon wieder«, hatte er gesagt und hatte es für selbstverständlich gehalten, daß der Jüngere die Arbeit tat! War ja immer so gewesen, daß der Vater, wenn der Jakob eine Arbeit ablehnte, sagte: Der Josef macht das schon.

Dann mußte er, der Jüngste, in den Krieg, und der Jakob wurde wegen des hohen Alters seiner Eltern freigestellt. Vier Jahre war der Josef draußen gewesen und hatte sich in tausend Nächten nach dem elterlichen Hof gesehnt. Ein Granatsplitter zerfetzte ihm den Unterschenkel, und ein Schuß in den Unterleib brachte ihn an den Rand des Grabes. Das war vor drei Jahren, und im vergangenen Sommer war die größte Last der Bauernarbeit auf ihm gewesen, weil Vater und Mutter nicht mehr viel zugreifen konnten. Er war hinter dem Pflug gehumpelt, hatte gemäht von der Nacht bis wieder in die Nacht, hatte die Garben auf den Wagen gegabelt und hätte bei jedem Strecken schreien mögen vor Schmerz. Trotz der Müdigkeit hatte er in den Nächten nicht schlafen können, und dabei war in ihm ein Zorn gegen den Bruder gewachsen, der nun wieder mächtig in ihm brannte.

»Der kommt schon wieder«, hatte der Vater gesagt und all die Monate her kein Wort mehr über den Jakob verloren, hatte die Mutter böse angefahren, wenn diese davon sprechen wollte.

Was sollte nun werden?

Heute mittag noch hatte die Mutter ihm heimlich zugeflüstert, daß, so wie es nun sei, der Hof ihm zufallen müsse.

Daraufhin war er voller Freude nach Höhenrain geradelt, um es der Monika Rohrmeier und ihren Eltern zu berichten und ein wenig um eine baldige Hochzeit herumzureden. Was bisher nur eine Bekanntschaft war, hatte heute einen wärmeren Ton bekommen. Die alten Rohrmeierleute waren gesprächiger gewesen als sonst, hatten hintersinnig gefragt, was denn mit dem Jakob sei, und er hatte ihnen selbstbewußt versichert, daß der nicht auf den Hof käme, weil er an der Bauernarbeit keine Freude habe, auch die Eltern hätten das eingesehen. Die Monika hatte sich nicht mehr so geziert wie bisher und war wie ausgewechselt. Manchen Nachmittag war er schon in Höhenrain gewesen, seit er sie im Sommer bei einer Beerdigung auf dem Friedhof in Winkling kennengelernt hatte, und sie hatte ihn nie ermuntert, zu sagen, was ihn zu diesen Besuchen veranlaßte.

Heute war sie anders, und sie hatte ihn auch noch bis zum Hoftor begleitet und ihm verstohlen und verschämt die Hand gedrückt. Ganz glückselig war er darüber gewesen und wollte den guten Tag noch mit einer kurzen Einkehr beim Wirt in Winkling abschließen.

Und nun war der Jakob wieder da!

Höllseiten!

Düster wie die anbrechende Nacht war es in ihm. Er traute seinem Bruder nicht. Hatte er gesagt, daß er nie wieder heimkommen und sich einmal seinen Anteil auszahlen lassen würde? Hat ihm die Arbeit auf dem Bau in Straubing nicht geschmeckt und wollte er lieber wieder der freie Bauersmann sein? Dann war er, der Josef, der Dumme, denn der Jakob hatte den Vater auf seiner Seite.

Mißmutig stieß er das Fahrrad vorwärts und humpelte daneben her.

Dann konnte er den Knecht machen und die Hauptarbeit tun, auf seinem Wohnrecht bestehen und auf der Brotbank sitzen, sich das Essen und das Taschengeld verdienen. Er, der Krüppel, konnte ja nicht weggehen und sich eine andere Arbeit suchen. Wer würde ihn schon nehmen?

Und das sah der Vater nicht ein. Wenn der Jakob heimkam und bleiben wollte, dann war er eben der Hofälteste.

Der Nebel und die kommende Nacht waren um ihn, als stecke er in einem Sack. Den gefrorenen Weg unter den Füßen, dem Tappen seiner Schuhe nachhorchend, spähte er in die Finsternis, bis er gerade noch den schwarzen Schatten der großen Linde ausmachen konnte, hinter der er zum heimatlichen Hof, zum Bauern zur Eich, abbiegen mußte.

Es war ihm warm geworden, und er wischte sich über die Stirn.

Sollte er es nun daheim gleich sagen, daß der Jakob beim Wirt in Winkling säße? Nein, sie würden es früh genug erfahren.

Das eisige Ziehen des Frostes hatte nachgelassen, in der Mulde unterhalb des Dammes war der Hauch, den der Strom mit sich führte, nicht so sehr spürbar.

Den Lichtschein aus dem Fenster der Wohnstube sah er erst, als er auch schon die Hausmauer berühren konnte. Er tastete sich zum offenen Wagenschuppen und stellte das Fahrrad ein, ging durch die knarrende Haustür in die Fletz und tappte in die Stube. Das Licht blendete ihn, und er blieb an der Tür stehen und sah auf seine Eltern. Die alten Bauersleute waren schon wortkarg geworden. Der Vater saß pfeifenrauchend und Zeitung lesend am Tisch und blinzelte ihn nur kurz über die Augengläser hinweg an. Die Mutter stand am Herd und machte sich daran, die Abendsuppe zu kochen. Auf der Wandbank kauerte schlafend ein älterer Mann und erwachte nun gähnend, sah fragend den Angekommenen an und maulte etwas Unverständliches.

Der Josef hängte den Hut an den Haken neben der Tür, stand eine Weile überlegend und sagte dann in die Stille: »Ein sakrischer Nebel. Man sieht die Hand net vor den Augen.«

Das Schweigen der anderen bedeutete ihm, daß niemand dazu etwas zu sagen hatte oder nichts sagen wollte.

Achselzuckend wandte er sich wieder zur Tür. Wenn er ihnen schon keine Rede wert war, dann konnte auch er schweigen. Vielleicht hätte er ihnen gesagt, daß der Jakob wieder da sei.

»Komm«, forderte er den Knecht auf und verließ die Stube. In seiner Kammer zog er sich um und suchte den Stall auf, in dem der Knecht schon mit dem Füttern begonnen hatte. Auch hier wurde nichts gesprochen, und erst als sie das Vieh versorgt hatten, bemerkte der Josef so beiläufig:

»Der Jakob hockt beim Wirt in Winkling.«

Als wäre es keine Neuigkeit, nickte der Knecht nur und meinte gelassen: »Na und? Hast du geglaubt, daß er nimmer kommt?«

»Nein, aber – na ja – dann wird halt ab morgen er wieder anschaffen und den Bauern spielen.«

Der Knecht lachte verächtlich. »Bei mir net! Für mich ist alleweil noch der Alte der Bauer und dann kommst du! Ich kann es auch anders machen. Gefällt mir schon lange nimmer bei euch – net wegen dir, du bist mir ganz recht, aber ich möcht net dabei sein, wenn einmal alles auseinander geht.«

Der Josef lehnte sich an den Pferdestand und stützte sich auf die Mistgabel. »Hast recht, schön ist es bei uns nimmer, ich kann es halt auch net ändern.«

»Ich an deiner Stelle«, fuhr der Knecht ihn an, beherrschte sich aber und endete: »Na, meinetwegen, mich geht es ja nix an.«

Worauf der Josef ruhig sagte: »Kajetan, merk dir das: mitreden tu ich, wenn die Zeit dazu da ist!«

In der Stube hatte der alte Harrer die Zeitung weggelegt und sich kritisierend an seine Frau gewandt:

»Wo ist er denn wieder gewesen den ganzen Nachmittag? Könnte wenigstens ein Wort sagen!«

»Wird halt nach Höhenrain gefahren sein, das Rohrmeierdirndl geht ihm ja schon den ganzen Sommer im Kopf um. Kann auch sein, daß er sich wegen dem Brennholz umgeschaut hat, das muß ja auch noch gefahren werden, ist an der Zeit.«

»Gekauft ist es, warum schafft er es net her?« grollte der Bauer.

Und die Bäuerin seufzte: »Hängt halt alles an ihm, und er tut ja, was er kann. Wahrscheinlich möcht er auch bald einmal wissen, wozu er es tut, als Knecht oder –«

»Hör dich schon gehen! Übergeben sollt ich halt, den Hof möchte er. Aber soweit ist es noch lange net!« Das klang hart und streng.

Heftig erwiderte die Bäuerin: »Weil du halt alleweil noch meinst, dein Taugenix könnte es sich noch überlegen. Wie lange willst du denn noch warten? Bis der Jakob gescheit wird? Ich fürchte, daß du da umsonst wartest!«

Bedächtig klopfte der Harrer die Pfeife aus und antwortete lauernd: »Mein Taugenix sagst du? Ist es net auch der deinige? Aber dir ist halt von eh der Josef ans Herz gewachsen.«

»Und dir der Jakob!« konterte sie.

Hämisch gab der Bauer zurück: »Der sieht mir wenigstens gleich. Aber vom andern weiß ich net, ob er net doch ein Fremdling ist. Hab mir das schon oft genug sagen lassen müssen.«

Da drehte sich die Bäuerin am Ofen um und stemmte die Fäuste in die Hüften. »So? Jetzt hast du es endlich einmal deutlich gesagt, du alter Spinner! Daß du dir so was denkst, hab ich alleweil schon vermutet, aber daß du wirklich so schlecht bist, das hab ich net glauben wollen.«

Unsicher geworden, sah er auf den Stubenboden und murrte: »Warum bist du denn dann alleweil so gegen den Jakob und für den Josef?«

Die Bäuerin spürte, daß er verlegen war und nützte das.

»Was hat denn der Jakob schon für uns getan? Vom Krieg ist er zurückgestellt worden, und uns hat er werkeln lassen! Wo wären wir hingekommen, wenn wir uns auf ihn verlassen hätten? Was wär in diesem Sommer gewesen? Der Josef, der arme Teufel, den sie im Krieg so zugerichtet haben, hat herhalten müssen ! Weil der andere uns im Stich gelassen hat. Ist Zeit, daß du dir das einmal überlegst! Tun mußt du was. Hast den Siebziger auf dem Buckel, und mittendrein kann mit dir was sein, und dann ist nix geregelt!«

Er schüttelte bockig den Kopf und greinte: »Ich tu schon was, wenn die Zeit dazu da ist. Und das sag ich dir: Alleweil ist der Jakob noch da, und alleweil ist es bei den Bauern zur Eich so gewesen, daß der erste den Hof bekommen hat. Überlege nur selber! Ein Bauer muß gesund sein! Oder meinst du, daß ein Krüppel den Hof halten kann?«

»Besser schon als ein Taugenix!« biß sie zurück. »Der Hof ist schneller versoffen und vertan, als der Weizen wächst, ist ein altes Sprichwort, und kann denn einer Bauer sein, wenn ihn die Arbeit net freut? Ich hab freilich nix zu sagen, hab ja hergeheiratet, aber ich hab mein Lebtag da gelebt und möcht auch da sterben. Das ist mir net so sicher, wenn du dem Jakob übergibst!«

Grob schnauzte er: »Jetzt hast du es wenigstens gesagt, wie es ist! Bauer bin ich, und was ich tun muß, weiß ich selber!«

»Der Kajetan hat auch schon gesagt, daß er beim Jakob als Bauern keinen Tag länger bleibt.«

Der Harrer brauste auf: »Der soll nur still sein! Was hätte er getan, als sie ihn aus dem Zuchthaus entlassen haben, und wo will der schon hingehen? Ich hab ihm einen Unterschlupf und Arbeit gegeben.«

Das Klappen der Haustür und Schritte im Hausflur ließen sie schweigen, und als der Josef und der Knecht in die Stube kamen, trug die Bäuerin die Suppe auf.

Man redete nicht viel beim Bauern zur Eich. Im Sommer machte die Müdigkeit nach der schweren Arbeit mundfaul, und man sprach höchstens kurz und knapp über die Arbeit des nächsten Tages, im Winter gab es ab und zu eine Dorfneuigkeit, die man beim Kirchgang erfuhr und zu der man nur kurz seine Meinung sagte. Zum abgelegenen Hof zur Eich kamen keine Stubengeher, um einen Diskurs zu suchen. Man wußte weitum, daß es beim Harrer nicht stimmte, schätzte die kurzangebundenen Bauersleute nicht sonderlich und suchte ihre Gesellschaft nicht.

Die vier saßen unter dem Blechschirm der Lampe um den Tisch und löffelten die Suppe, aßen das Schwarzbrot und die Kartoffeln und sahen sich über die Schüssel hinweg nicht in die Augen. Der schweratmende gedrungene Bauer mit dem gesunden roten Gesicht, dessen Alter nur die schlohweißen Haare verrieten, die dickliche Bäuerin mit den harten Zügen des lebenslangen Grams um Mund und Augen, der schmalgesichtige Josef, dessen Hände leicht zitterten, wenn er mit dem Löffel in die Schüssel fuhr, und der schwarzhaarige und braunhäutige Kajetan, gedrungen und kräftig und mit unruhigen dunklen Augen unter der niederen Stirn, saßen sich gegenüber, als wären sie sich fremd und zufällig zum Essen zusammengekommen. Die dicke Stubenluft, geschwängert vom Duft der Milchsuppe, dem säuerlichen Ruch alter Kleider und muffiger Wäsche, vom Holzrauch aus dem schadhaften Herd, schien sie zu trennen und jedes in die eigene düstere Gedankenwelt einzuschließen.

Schlürfend und schmatzend und sich beeilend berührte den Knecht die Stille und die Spannung nicht, auch der alte Bauer hielt sich daran, nur die Bäuerin und der Josef taten manierlich und bedächtig und schienen keinen großen Hunger zu haben. Erst als der Bauer den Löffel weglegte, sahen sie auf, denn wenn er etwas zu sagen hatte, dann kam es jetzt. Unwirsch wandte er sich denn auch gleich an den Josef:

»Was ist mit dem Brennholz? Wann wird das gefahren?«

Der Josef beugte sich tief über den Tisch und antwortete ruhig: »Der Braune lahmt ein wenig –«

»Bei uns lahmt alles! Der Gaul wird schon wieder, wenn er im Geschirr ist!«

Nun sah der Josef auf und blickte seine Mutter an. Unwillig und verärgert erwiderte er: »Können ja meinetwegen morgen fahren – wenn nix dazwischen kommt.«

»Was soll denn dazwischen kommen?« lauerte der Bauer. »Mußt morgen schon wieder nach Höhenrain?«

Achselzuckend erhob sich der Josef, holte sich eine Zigarette vom Fensterbrett, zündete sie an und setzte sich bei der Tür auf die Holzbank, die an der ganzen Wandseite entlanglief. Der Knecht tat das gleiche und rückte so nahe an den Josef heran, als müßte er bekunden, daß er zum Sohn des Hofes gehöre und nicht zu den alten Bauersleuten, die am Tisch saßen.

Die Bäuerin erhob sich ächzend und räumte den Tisch ab, der alte Harrer griff wieder zur Zeitung.

»Ob er kommt?« zischelte der Kajetan dem Josef zu.

»Sicher, wo ging er sonst hin?« flüsterte dieser zurück.

Nach dem Abspülen setzte sich die Bäuerin auf die kleine Bank beim Ofen und sinnierte, die Hände im Schoß, bekümmert vor sich hin. Wieder war das knisternde, lustlose Brüten in der Stube. Dann horchten alle auf, als die Haustür klappte, und der alte Harrer legte die Zeitung hin:

»Wer kommt denn heute noch?«

Als der Jakob, überlegen lächelnd, breit und gedrungen wie der Vater, in der Stube stand und gut gelaunt einen schönen Abend wünschte, saßen sie wie versteinert. Über das Gesicht des Alten flog eine Röte, und verlegen mit den Händen das Zeitungsblatt glättend, brummte er:

»Bist wieder da?«

Als wäre er nicht im Frühjahr nach einem heftigen Streit aus dem Haus gegangen, sondern nur eben für ein paar Stunden unterwegs gewesen, so selbstbewußt tat der Jakob, warf den Hut auf die Bank und setzte sich zu seinem Vater an den Tisch, ohne seine Mutter und noch weniger den Bruder und den Knecht eines Blickes zu würdigen. Mit einem raschen und scheelen Seitenblick auf die Mutter fragte er schließlich fordernd:

»Hast du noch was für mich? Tät mich hungern.«

»Gib ihm ein Bier und eine Brotzeit«, ordnete der Bauer an und lehnte sich mit einem zufriedenen Lächeln zurück. Freundlich tuend, wollte er nun wissen: »Machst du nur einen Besuch – oder bleibst du da?«

»Hab meinen Koffer beim Wirt in Winkling eingestellt. Der Kajetan kann ihn morgen holen. Für den Winter ist es aus mit der Bauarbeit. Alle sind wir ausgestellt worden.«

Der Alte prustete: »Wird dir net recht geschmeckt haben! Die Bauarbeit ist auch kein Honiglecken!«

»Aber am Samstag hat man halt doch das bare Geld auf der Hand!« trumpfte der Jakob auf. In der folgenden Stunde redete der alte Harrer mehr als in den letzten Monaten zusammen. Kein Vorwurf klang durch, und es war, als säßen zwei alte Freunde am Tisch und dächten nicht mehr an die anderen. Die Harrerin hatte auf Geheiß ihres Mannes dem Jakob Brot und geräuchertes Fleisch vorgesetzt und nach der zweiten Flasche auch noch eine dritte geholt. Auf der Bank hinten blinzelten sich der Josef und der Knecht zu. Was hätte der Bauer wohl gesagt, wenn sie zum Abendessen einmal Bier und Geräuchertes verlangt hätten!

Erst nach längerer Unterhaltung kamen die beiden am Tisch auch auf den Hof zu sprechen, weil der Jakob so nebenbei und recht uninteressiert fragte, wie es daheim zugehe und ob alles in Ordnung sei.

Die Antwort kam unvermittelt vom Kajetan, und der Bauer und sein Ältester stutzten, als der Knecht sich in ihr Gespräch einmengte.

»Bist grad recht gekommen, Jakob, morgen haben wir das Brennholz zu fahren.«

»Muß net sein, daß er am ersten Tag schon wieder angreift«, wies der Bauer den Knecht grob zurecht, und der Jakob brummte mürrisch:

»Morgen hab ich keine Zeit. Hab mich mit dem Vaitl Hans zusammenbestellt. Der ist bei mir auf dem Bau gewesen.«

Der Kajetan ließ nicht locker: »Dann können wir übermorgen fahren und den Gaul noch einen Tag stehen lassen. Tut ihm gut.«

Da herrschte ihn der Bauer an: »Die Arbeit schaffe alleweil noch ich an, und wer sie tut, auch! Morgen wird gefahren, und ihr zwei genügt!«

Der Josef stieß den Knecht an. Beide erhoben sich und verließen wortlos die Stube. Beim Hinausgehen hörten sie noch, wie der Jakob hämisch sagte:

»Paßt ihm wohl nicht, daß ich wieder da bin.«

Die gemurmelte Antwort des Bauern verstanden sie nicht mehr. In der Hausfletz sahen sie sich an, und der Kajetan zischte wütend:

»Willst du dir denn alles gefallen lassen?«

»Nein, die Zeit kommt schon noch, wo ich auch das Maul aufmache! Hilf mir jetzt, mein Bett in deine Kammer zu stellen. Ich schlafe künftig bei dir, damit der Herr auf dem Hof sein eigenes Zimmer hat.«

Sie taten sich leise um, und da die Stube für den Knecht und die andere, die der Jakob und der Josef gemeinsam hatten, auf der anderen Seite und im Oberstock lagen, hörten sie drunten in der Wohnstube kein Geräusch.

»Mit dem Kasten ziehen wir morgen um.«

Sie sprachen nicht viel, aber als sie in den Betten lagen, wollte der Kajetan doch wissen, wie es nun am andern Tag sein sollte.

»Wir fahren! Stell den Wecker auf halb fünf. Ich bin froh, wenn der Jakob net dabei ist! Zugreifen will er ja doch net, und einen Anschaffer brauchen wir net.«

Erst spät hörte der Josef nebenan die Tür gehen und dann die Bettstatt knarzen. Sie hatten sich also noch viel zu sagen gehabt, der Vater und der Jakob. Zorn und Enttäuschung plagten ihn. Es war nichts Gutes, was er in dieser Nacht dem Bruder, dem Vater, und dem alten Hof wünschte. Seine bösen Wünsche bereute er aber gleich wieder und bat den Herrgott um Verzeihung.

Wenn er aber an den Nachmittag und an die Monika Rohrmeier dachte, dann drohte die Niedergeschlagenheit ihn zu erdrücken. Angedeutet hatte er, daß der Jakob wohl nicht mehr heimkommen würde und er den Hof bekäme.

Und nun?

Wenn der Kajetan sich umdrehte und zu schnarchen aufhörte, war es unter dem Dach still und doch voll heimlichem Brausen. Es kam vom Strom, der hinter dem Damm die Wassermassen unaufhaltsam vorwärtsdrängte und den lastenden Nebel mit sich zog.

Der Stumpen des amputierten Unterschenkels schmerzte ihn und ließ ihm keinen Schlaf. So dämmerte er dahin, bis der Wecker rasselte. Es kostete ihn einige Mühe, den Kajetan zu wecken. Als sie angezogen in die kalte Stube kamen, schlug die Wanduhr die fünfte Morgenstunde.

»Da hat es noch hoch hergegangen«, murrte der Knecht.

Kalter beizender Zigarrenrauch hing in der Luft, und auf der Wandbank stand eine Reihe geleerter Bierflaschen.

»Hat er dir schon einmal eine Zigarre angeboten?« nörgelte der Kajetan. »Hat er für uns schon einmal Bier auffahren lassen?«

»Ist ja egal, ich pfeife ihm drauf!«

Aus der Speise nebenan holte der Josef einen Hafen Milch und nahm aus der Tischschublade den Brotlaib.

»Was Warmes wär mir lieber«, mäkelte der Knecht.

»Wir machen, daß wir weiterkommen, um die Stallarbeit kann sich der andere kümmern.«

»Mich geht es ja nix an, aber wissen möchte ich doch, was die zwei miteinander haben. Hat der Alte nur einen Narren am Jakob gefressen, oder ist da noch was anderes?« grantelte der Knecht.

Brot und Milch aßen sie im Stehen und verließen leise die Wohnstube. Sie fütterten die Pferde, warfen den Futtersack für unterwegs auf den Leiterwagen und spannten an.

In der Wohnstube brannte das Licht wieder, als sie abfuhren, und der Kajetan wies den Josef darauf hin.

»Kann nur die Mutter sein. Von den Herren steht keiner so früh auf«, meinte der Josef spöttisch.

Es war noch tiefe Nacht, als das Gefährt aus dem Hof klapperte, und der Nebel verschluckte bald das Holpern der Räder und das Schlagen der Hufe auf dem gefrorenen Boden. Auf dem Wagenbrett hockend, überließen sie es den Pferden, sich in der Finsternis den Weg zu suchen.

»Kannst du dir denken, was jetzt wird?« redete der Knecht den Josef einmal an und wurde dringlicher, als ihm der dösende Bauerssohn keine Antwort gab: »Ich sag dir, der Jakob hat es sich anders überlegt. Ob sie heute nacht net gar die Übergabe gefeiert haben? Was ist dann mit dir? Ich bleibe net, das kann ich dir sagen. Könnte mich wahrscheinlich bei einer Gelegenheit net beherrschen und tät den nixnutzigen Protzen zusammenschlagen. Und in das Zuchthaus möcht ich net ein zweitesmal.«

»Werden ja sehen«, brummte der Josef und döste weiter.

Als sie auf die Straße einbogen und gegen Winkling fuhren, läutete man dort den Tag an. Im Dorf hämmerte der Edbauerschmied schon in seiner Werkstatt, und der Josef ließ anhalten und bat den Schmied, dem Braunen nach den Eisen zu sehen.

»Bist aber schon früh unterwegs, na ja das haben wir gleich«, meinte der gutmütige Meister und versicherte ihm dann, daß nichts fehle und es vielleicht am kalten Stall liege, wenn der Braune ein wenig nachgebe. »Jung ist er nimmer, und da hat er wohl das Reißen. Kannst ihn bald weggeben. Soviel man hört, wirst ja du der Bauer zur Eich werden.«

Der Josef wich der Antwort aus, bedankte sich, und sie stiegen wieder auf den Wagen.

Durch den Nebel schimmerten die ersten Lichter aus den Höfen an der Straße, und aus dem Dunkel tauchten die frühen Kirchgänger auf und verschwanden wieder. Gemächlich gingen die Pferde, und in den Dörfern hallte ihr Hufschlag von den Hauswänden zurück. Als sie gegen Albertsried fuhren, wurde der Nebel grau und hell, begann zu schimmern und zu glühen und blieb, sich auflösend, hinter ihnen zurück. Die Morgensonne schien unterm stahlblauen Himmel auf die verschneiten Vorberge des Bayerischen Waldes und die angereiften Felder und Wiesen des Vorlandes. Die Bäume an der Straße glitzerten im Rauhreif.

Nun meinte der Kajetan, nachdem sie schon fast eine Stunde schweigend auf dem Wagenbrett gesessen hatten:

»Da scheint die Sonne, und wir sitzen den halben Winter da drunten in dem verdammten Nebelloch.«

»Hm«, machte der Josef nur und hing seinen Gedanken nach.

Der Knecht hatte recht. Was mochte die Vorfahren der Bauern zur Eich veranlaßt haben, so nahe an den Strom zu bauen? Heute war es ja leidlich zu ertragen, aber der Vater wußte die Zeit noch, als die Dämme noch zu schwach waren und von Pfellig her oft zwei- und dreimal die Fluten ins Vorland kamen und den Hof zur Eich unter Wasser setzten, als oft das Haus von einem Hochwasser zum andern nicht mehr trocken wurde. Einmal hatte es das Haus unterspült und Stall und Stadel weggerissen, aber die Vorfahren bauten wieder auf. Trotz der weiten Flächen, die zum Hof gehörten, waren sie nie recht reich geworden. Was sie erarbeiteten, war so oft in einer Nacht dahin, und die verschlammten Felder erholten sich kaum mehr. Hatten ein hartes Leben, die Strombauern, und hingen doch wie die Kletten an ihrem Besitz.

War er nicht genauso? Hing er nicht auch an dem alten Hof, als gäbe es für ihn keinen anderen Flecken auf dieser Welt, wo er hätte leben mögen?

Hinter Albertsried war an einem Sträßlein das Brennholz gestapelt, das er im Sommer gekauft hatte. Hier, im Schatten der Morgensonne, war es beißend kalt. Ihr Atem und das Schnauben der Pferde war wie ein Rauch. Sie zogen die Fäustlinge an, und der Kajetan reichte dem Josef die Scheiter auf den Wagen.

»Werden es zweimal am Tag net schaffen. Fahren lieber morgen noch einmal«, entschied der Josef.

»Dann soll nur der Jakob mitfahren, für dich ist das ein Geschinde.«

»Wär schon recht, aber ich fürchte, daß er net will.«

»Mußt halt mit der Faust auf den Tisch hauen!« ärgerte sich der Knecht und hängte den Pferden den Hafersack vor, damit der Josef sich ein wenig auf dem Wagen verschnaufen konnte. Als sie dann die Hälfte des Holzes geladen hatten und auf der Heimfahrt waren, hieß der Josef den Knecht unweit eines kleinen Hauses anhalten.

»Häng die Stränge aus, möcht kurz zu meiner Schwester hineinschauen.«

»Die hat sich daheim auf dem Hof auch nimmer sehen lassen, seit sie verheiratet ist.«

»Wird schon wissen, warum.«

Ein sauberes Häuschen war es, das der Schwager, der Wegmacher Xaver Greindl, sich ein Stück außerhalb des Dorfes in einen schmalen Wiesenfleck gebaut hatte. Ein geschotterter Steig führte hin, ein neuer Gartenzaun schloß den kleinen Besitz ein, und die Fenster spiegelten blank in der winterlichen Vormittagssonne. Sie trafen die Marie mit ihrem zweijährigen Buben allein an. Die schmale kleine Frau mit den schwarzen Haaren und dem gesunden Aussehen der Bauern zur Eich freute sich über den seltenen Besuch, und als gesagt war, daß ihr Bruder und der Knecht sich nur ein wenig aufwärmen wollten, wurde sie lebhaft und erklärte:

»Müßt euch schon ein wenig Zeit nehmen, ich mache euch einen Kaffee!« Und am Herd hantierend, wollte sie wissen, wie es daheim aussehe und ob alles gesund sei.

»Er ist wieder da«, berichtete der Josef bedrückt, »und heute Nacht haben sie gesoffen und haben es wichtig gehabt. Ich begreife das net – ich begreife einfach net, was der Vater sich dabei denkt und warum er für den Jakob net einmal ein ungutes Wort gefunden hat.«

Die Marie seufzte. »Ich verstehe das auch net, und mir tut ihr nur leid, du und die Mutter. Meinst du, daß er ihm den Hof gibt?«

»Da hab ich keinen Zweifel, was aber dann mit mir wird?« antwortete der Josef düster.

»Ist ein Kreuz! Wenn es so kommt, dann nehme ich die Mutter zu mir, das kannst du ihr sagen – und den Vater kannst fragen, was mit dem Rest der notariell verbrieften Aussteuer ist! Tausend Mark hat er mir bei der Hochzeit gegeben, und jetzt hör ich nix mehr. Wenn es zu einer Übergabe kommt, dann muß das geregelt sein.«

»Das hab ich net gewußt«, gestand der Josef erschrocken. »Da müßt ihr euch rühren.«

»Ach, mein Mann ist da viel zu gut!«

»Ich werde mit dem Alten reden. Paßt mir gerade, daß ich das jetzt weiß.«

»Und wie ist es mit dir? Hab gehört, daß du mit der Monika vom Rohrmeier von Höhenrain gehst?«

Mürrisch wehrte der Josef ab: »Was kann man da sagen? Soweit ist es noch net, und wie es jetzt ist, hab ich einen Zweifel.«

Der Kajetan hatte sich nicht an der Unterhaltung der Geschwister beteiligt, da sich diese ohnedies so selten sahen. Als sie aber den Kaffee getrunken hatten und sich verabschiedeten, meinte er: »Sei froh, daß du aus dem Haus bist, ist keine gute Zeit mehr auf dem Hof. So froh ich auch gewesen bin, wie dein Vater mich genommen hat, so gern werde ich einmal wieder gehen – und wenn da in der Gegend einer war, der einen alten Knecht braucht, dann laß es mich wissen. Solange der Josef es daheim aushält, will ich bleiben. Der Josef hat nie den Herren gespielt, aber mit dem andern – das tat net gut gehen.«

Es ging gegen den Mittag, als sie mit dem unter der Last knarrenden Fuhrwerk nach Winkling kamen. Die Donau hatte den Nebel freigegeben, und das Waldvorland lag im frostigen Schein der Wintersonne.

Als sie das Wirtshaus passierten, rumpelte der Jakob heraus und hielt sie an, befahl dem Knecht, seinen Koffer aufzulegen, und verschwand, ohne den Josef beachtet zu haben, wieder in der Gaststube.

»Zum Essen komme ich net, kannst es der Bäuerin sagen!« rief er noch dem Knecht zu, ehe er die Tür hinter sich schloß.

»Eine Schande ist es!« knirschte dieser, als ersah, wie der Josef die Zügel nahm und neben den Pferden herhumpelte.

Es war ein Stündlein über die Mittagszeit, als sie auf dem Hof ankamen. Der Bauer erwartete sie schon und wandte sich, grob scheltend, an den Knecht. Nur ein Seitenblick des Wütenden zeigte dem Josef an, daß er gemeint war.

Wo sie denn so lange gewesen wären, bellte er, und wie sie sich erlauben könnten, wegzufahren, ohne das Vieh zu versorgen.

»He!« wehrte sich der Kajetan aufsässig. »Zu was ist denn dann der Jakob da? Wenn er sich schon zum Holzfahren zu gut ist, dann kann er wenigstens in den Stall gehen! Oder hat er mit uns und dem Hof nix mehr zu tun? Das muß man wissen!«

Der Harrer brüllte: »Das hat dich nix zu kümmern! Du bist der Knecht!«

Nun konnte auch der Josef nicht mehr an sich halten. Bestimmt, aber ruhig fragte er: »Wie ist das jetzt? Mich tät das auch interessieren. Wenn die Bauernarbeit ihm noch net schmeckt, dann soll er hingehen, wo er hergekommen ist. Ich meine, daß er sich wenigstens das Essen verdienen soll, wenn er schon da ist.«

Der Bauer schien darauf gewartet zu haben, daß der Josef ihm einen Anlaß zu einer direkten Anrede gab, und höhnisch zahnte er:

»Paßt dir was net? Kannst es ja machen, wie du willst! Ich halte dich net, wenn du es woanders besser findest!«

Der Josef wurde bleich. Das hatte der Vater ihm noch nie gesagt. Ehe er sich fassen konnte, um die rechte Antwort auf diese Grobheit zu finden, kam die Bäuerin, die den Streit in der Stube mit angehört hatte, und mischte sich vermittelnd ein.

»Was habt ihr denn? Morgen wird der Jakob holzfahren. Heut hat er was zu erledigen.«

Worauf der Kajetan grinsend bemerkte: »Beim Wirt in Winkling!«

Dies brachte den Harrer wieder in Zorn.

»Ich glaube, daß es dir bei uns zu gut geht und du meinst, daß du aufmaulen kannst!«

Störrisch knurrte ihn der Knecht an: »Hab schon noch allerhand zu sagen, und wenn es mich einmal gelustet, dir das zu sagen, dann kannst du es hören.« Er riß den Koffer vom Wagen und warf ihn zur Seite.

»Halt’s Maul!« zischte ihm der Josef zu, trieb die Pferde an und brachte die Holzfuhre zum Stadel hinüber.

»Alleweil die Streiterei!« zürnte die Bäuerin. »Kommt zum Essen!«

Der Kajetan spannte die Pferde aus und brachte sie in den Stall. Der Josef half ihm dabei, und dann gingen sie in die Stube und setzten sich schweigend an den Tisch.

»Ich meine, wir sollten noch ein wenig warten – er wird doch bald kommen«, meinte der Bauer, nun wieder ruhig und bedächtig.

Mit einem schiefen Lächeln berichtete der Kajetan: »Wir sollen net warten, hat er mir aufgetragen. Er hat noch was zu erledigen – wahrscheinlich beim Wirt.«

Mit einem wütenden Blick quittierte der Bauer die hämische Antwort, und die Bäuerin trug wortlos das Essen auf. Sie hatten nichts zu reden, und doch waren ihre verschlossenen Gesichter und die heimlichen, argwöhnischen und prüfenden Blicke Unterhaltung genug. Jedes schien zu wissen, was das andere dachte und zu sagen hätte.

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