Der Turm aus Licht - Astrid Fritz - E-Book + Hörbuch

Der Turm aus Licht Hörbuch

Astrid Fritz

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Beschreibung

Der packende, groß angelegte Ensembleroman der Bestsellerautorin nimmt uns als erster Roman überhaupt mit auf den spannenden Bau des so faszinierenden, wie beindruckenden Freiburger Münsters. Es hat das Angesicht Freiburgs für immer verändert und gilt als eines der Meisterwerke der Gotik: «Der schönste Turm auf Erden». Der sechzig Jahre andauernde Turmbau brachte Reichtum und Verderben, stiftete Liebe und besiegelte Schicksale. Episch und bewegend erzählt Fritz, wie die Menschen von Freiburg - protzende Grafen, aufstrebende Kaufleute, machtbewusste Kirchenleute, leidenschaftliche Baumeister, ihre Familien und gemeine Leute - im Schatten des Baus lebten, hassten, kämpften, um schließlich nach sechzig Jahren im Jahr 1330 glorreich zu triumphieren.

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Zeit:21 Std. 20 min

Sprecher:Svenja Pages

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Astrid Fritz

Der Turm aus Licht

Historischer Roman

 

 

 

Über dieses Buch

Wenn eine Vision Wirklichkeit wird: Der schönste Turm der Christenheit

 

1270: Erwartungsvoll reist Baumeister Gerhard in die aufstrebende Handelsstadt Freiburg, um mit kaum dreißig Jahren die Verantwortung für den bedeutenden Kirchenbau zu übernehmen. Ist er der Aufgabe gewachsen? Ist es der junge Bildhauer Josef, als der Turm immer höher in den Himmel strebt? Wird die Bäckerstochter Thea ihr Glück erringen, das untrennbar mit dem herrischen Grafen Egino und der Bauhütte verbunden ist?

 

Episch und bewegend erzählt Fritz, wie die Menschen von Freiburg – protzende Herrscher, aufstrebende Kaufleute, machtbewusste Kirchenleute, leidenschaftliche Baumeister, ihre Familien, die gemeinen Leute – im Schatten des Baus lebten und kämpften, bis sich schließlich nach sechzig Jahren vollendet, woran viele nicht mehr geglaubt hatten: das Meisterwerk. Der schönste Turm auf Erden.

 

Der packende Roman über den Bau des weltberühmten Freiburger Münsters

Vita

Astrid Fritz studierte Germanistik und Romanistik in München, Avignon und Freiburg. Als Fachredakteurin arbeitete sie anschließend in Darmstadt und Freiburg und verbrachte mit ihrer Familie drei Jahre in Santiago de Chile. Zu ihren großen Erfolgen zählen «Die Hexe von Freiburg», «Die Tochter der Hexe», «Die Vagabundin» und «Die Tote in der Henkersgasse». Astrid Fritz lebt in der Nähe von Stuttgart.

 

Mehr über Astrid Fritz erfährt man auf www.Astrid-Fritz.de.

Meinem ehemaligen Klassenlehrer Reinhard Mürle gewidmet, dem ich einen wunderbaren Deutsch- und Geschichtsunterricht verdanke

Verzeichnis der Haupt- und Nebenfiguren

(alphabetisch nach Vornamen)

Buch 1: «Liebfrauen» (1270 bis 1291)

Albrecht von Habsburg (histor.) – Sohn des Rudolf von Habsburg, von 1298 bis 1308 römisch-deutscher König (ermordet von seinem Neffen Johann von Schwaben)

Alfred – Bildhauer unter Baumeister Gerhard

Anna Wohlleb – Ulrich Wohllebs Frau, Mutter von Anselm

Anselm Wohlleb – geboren 1262 als Sohn des Kaufmanns Ulrich Wohlleb und dessen Frau Anna (siehe Buch 2)

Pater Benedikt – Kirchenschaffner (Geschäftsführer bzw. Verwalter) der Kirchenfabrik; Geistlicher

Bernhard Rindkauf – Ratsherr im Neuen Rat und Viehhändler; Rindkauf ist ein historisches Freiburger Geschlecht

Cunrat Ätscher – Ratsherr im Neuen Rat; Ätscher ist ein historisches Freiburger Geschlecht

Diethelm – Goldschmied und Ratsherr im Neuen Rat

Dietrich Snewlin (histor.) – Ratsherr im Alten Rat und Mitglied der Snewlin-Sippe, siehe dort

Dietrich Snewlin im Hof (histor.) – Ratsherr im Alten Rat und Mitglied der Snewlin-Sippe, siehe dort

Dietrich von Tusslingen (histor.) – Ratsherr im Alten Rat und zugleich gräflicher Schultheiß (Gemeindevorsteher)

Eberhard Feinbeck – Ratsherr im Neuen Rat und Zunftmeister der Bäcker

Ederlin – siehe Ludwig Ederlin

Pfarrer Egenolf – sog. Leutpriester, Pfarrer der Kirchengemeinde

Egino (histor.) – ältester Grafensohn, als Egino II. späterer Stadtherr (siehe Buch 2)

Erwin von Steinbach (histor.) – Baumeister am Straßburger Münster, geboren um 1244 in Steinbach (Baden-Baden), gestorben am 17. Januar 1318 in Straßburg; seine beiden Söhne Johannes und Gerlach waren ebenfalls Baumeister, seine Tochter Sabina der Legende nach eine Steinmetzin

Friedhelm – Lehrknabe von Baumeister Gerhard

Georg – Bäckersohn und Bruder von Hannes (siehe Buch 2)

Gerhard von Straßburg (histor.) – Baumeister am Freiburger Münster, wirkte dort vermutlich von 1270 bis 1291. Im Roman geboren um 1235, verheiratet mit Odilia, keine Kinder

Geroldseck – historisches Adelsgeschlecht am Oberrhein

Gottfried von Freiburg (histor.) – Rektor und Herr über die Freiburger Pfarrei von 1262 bis zu seinem Tod 1275, zugleich Pfarrer in Villingen; jüngerer Bruder von Graf Konrad I.

Gottfried von Schlettstadt (histor.) – erster im Jahr 1291 gewählter Bürgermeister und später Kirchenpfleger (Aufsichtsrat) des Münsters; wahrscheinlich stammt er aus einer elsässischen Kaufmannsfamilie

Gregor von Falkenstein (histor.) – Ritter aus dem Geschlecht der Falkensteiner, deren Burg sich am Eingang zum Höllental befand

Hannes – Burgknecht und späterer Burgbäcker unter Graf Egino II., verliebt sich in die junge Burgmagd Maria; geboren 1264 (siehe Buch 2)

Hartmut von Krozingen – Ratsherr im Alten Rat, Nachbar und Freund von Ulrich Wohlleb, Vater von Verena; die von Krozingen sind ein altes Breisgauer Geschlecht

Heinrich der Paradiesmüller – Besitzer der Paradiesmühle und Ratsherr im Neuen Rat; Vater von Jakob Paradiesmüller in Buch 2

Heinrich Rutschi – Zimmermann auf der Münsterbaustelle, Vater von Heinzmann Rutschi

Heinrich von Fürstenberg (histor.) – Bruder von Graf Konrad I.

Heinrich von Badenweiler (histor.) – Sohn von Graf Konrad I. und Bruder des späteren Stadtherren Egino II.

Herrmann – alter Burgbeck, bevor Hannes seine Position auf der Burg einnimmt

Jecklin – junger Stadthirte und Hühnerdieb, der nach abgebüßter Strafe auf der Bauhütte als Knecht anfangen darf

Jodokus (der) Loderer – Vater von Wernher Loderer; Salz- und Tuchhändler, Konkurrent von Ulrich Wohlleb und Ratsherr im Neuen Rat, später zum Ritter ernannt

Johannes Reinbot (histor.) – Ritter, neuer Schultheiß (Gemeindevorsteher) und Unterstützer des Kirchenbaus; Reinbot ist ein altes Freiburger Geschlecht

Johannes von Keppenbach (histor.) – Ritter, Grafenvasall und neuer Kirchenschaffner, kein Geistlicher; die Keppenbacher sind ein altes Breisgauer Geschlecht

Karlmann – einer der Steinmetze unter Baumeister Gerhard

Katharina von Lichtenberg (histor.) – Schwester des Straßburger Bischofs Konrad von Lichtenberg, Ehefrau des späteren Grafen Egino II.

Kathi – junge Magd im Schaffnerhaus

Konrad Kolman (histor.) – Ritter, Ratsherr im Alten Rat und Verbündeter der Grafenfamilie; Kolman ist ein historisches Freiburger Geschlecht

Konrad I. Graf von Freiburg (histor.) – Freiburger Stadtherr 1236 bis 1271, von den Bürgern wohlgelitten. Geboren um 1226, gestorben 1271, verheiratet mit Sophia von Zollern

Konrad von Freiburg (histor.) – jüngerer Sohn von Graf Konrad I., Dompropst und Freiburger Pfarrrektor 1275 bis 1301 (ohne Priesterweihe, wie damals durchaus üblich)

Konrad von Lichtenberg (histor.) – Bischof von Straßburg, über seine Schwester Katharina mit Graf Egino II. verschwägert; geboren um 1240 im Elsass, gestorben am 1. August 1299, nach schwerer Verwundung bei der Bürgerschlacht um Freiburg

Kunigund Snewlin – spätere Ehefrau des Wernher Loderer; siehe auch Snewlin

Ludwig Ederlin – Ratsherr im Neuen Rat, reicher Aufsteiger mit Erlösen aus dem Silberbergbau; Besitzer von Ederlins Badstube (histor.)

Margaretha – persönliche Hausmagd des Kirchenschaffners Pater Benedikt bzw. Johannes von Keppenbach

Margret – älteste Tochter von Ulrich und Anna Wohlleb, ältere Schwester von Anselm

Maria – kommt im Kindesalter als Ankleidemagd auf die Burg, spätere Braut von Burgbeck Hannes (siehe Buch 2)

Marx – Parlier und Stellvertreter von Baumeister Gerhard von Straßburg

Mechthild – Köchin im Schaffnerhaus, gut befreundet mit Baumeisterfrau Odilia

Odilia – Ehefrau von Baumeister Gerhard, keine Kinder; geboren 1239

Rindkauf – siehe Bernhard Rindkauf

Pfarrer Rochus – sog. Leutpriester, Pfarrer der Kirchengemeinde

Rudolf von Habsburg (histor.) – entfernter Vetter der Freiburger Grafen, von 1273 bis 1291 erster römisch-deutscher König aus dem Geschlecht der Habsburger

Säu-Jecklin – siehe Jecklin

Snewlin (histor.) – Name des wohl ältesten, mächtigsten und am weitest verzweigten Freiburger Patriziergeschlechts im Mittelalter

Gräfin Sophia von Zollern (histor.) – Ehefrau von Graf Konrad I., Mutter von Grafennachfolger Egino II., Heinrich von Badenweiler und dem späteren Pfarrrektor Konrad sowie der Töchter Heilwig und Adelheid

Ulrich der Tucher, genannt Wohlleb – Ratsherr im Neuen Rat, Tuch- und Weinhändler, aufgestiegen in die Oberschicht; verheiratet mit Anna Wohlleb, Vater von Margret, zwei weiteren Töchtern und dem Jüngsten Anselm; geboren 1230 (Wolleben ist ein historisches Freiburger Geschlecht)

Verena von Krozingen – Tochter des reichen Ratsherren Hartmut von Krozingen und Kunigunde von Krozingen, geboren 1262; die von Krozingen sind ein altes Breisgauer Geschlecht (siehe Buch 2)

Walther von Breisach (histor.) – Dichter und Freiburger Lateinschulmeister (1256 bis nach 1300)

Wernher Loderer – Sohn des Kaufmanns Jodokus Loderer, Erzfeind von Anselm Wohlleb, geboren 1261 (siehe Buch 2)

Wilhelm – junger Ritter, Freund und Spießgeselle des späteren Grafen Egino II.

Wohlleb – siehe Ulrich der Tucher, genannt Wohlleb

Buch 2: «Himmelwärts» (1299 bis 1314)

Adolf von Nassau (histor.) – von 1292 bis 1298 römisch-deutscher König, dann abgesetzt und in der Schlacht gegen den neuen König Albrecht von Habsburg gefallen

Agnes – Kräuterfrau, Heilerin und Geburtshelferin

Albrecht von Habsburg (histor.) – siehe Buch 1

Andres von Endingen – Geistlicher und neuer Kirchenschaffner ab 1300, geboren 1273; die von Endingen sind ein altes Breisgauer Geschlecht

Anna Wohlleb – Witwe des Ulrich Wohlleb und Mutter von Anselm

Anselm Wohlleb – Kaufmann und Ratsherr im Neuen Rat, Förderer des Münsterbaus, Erzfeind von Wernher Loderer. Sohn von Ulrich und Anna Wohlleb, verheiratet mit Verena von Krozingen, Vater von Burkhard, Klara und Sophie. Geboren 1262

Beate – Magd und Köchin von Kirchenschaffner Andres von Endingen

Bertschi – Geselle beim Kirchenbäcker Hannes

Bertolt Nussbaum – Ratsherr im Neuen Rat und Zunftmeister der Bäcker

Burkhard Wohlleb – Sohn von Anselm und Verena, geboren 1292

Clewi Kirchbeck – jüngerer Bruder von Thea und Lehrling beim Vater Hannes, geboren 1301

Dietrich von Keppenbach (histor.) – Ritter, Ratsherr im Alten Rat und Sohn des Johannes von Keppenbach (siehe Buch 1)

Dietrich von Tusslingen (histor.) – wie sein gleichnamiger Vater über viele Jahre Schultheiß (Gemeindevorsteher) von Freiburg

Eberhard Illkircher – Laubhauer zunächst am Straßburger, dann am Freiburger Münster, Freund von Josef; geboren 1290

Egino II. Graf von Freiburg (histor.) – Freiburger Stadtherr von 1271 bis 1316, am Ende gemeinsam mit seinem Sohn Konrad II., der ihn schließlich absetzte. Als Verschwender und Kriegstreiber bei den Bürgern verhasst. Verheiratet mit Katharina von Lichtenberg, gestorben 1318. Sein jüngerer Sohn Gebhard wird Freiburger Pfarrrektor

Elisabeth – Frau von Baumeister Heinrich, Mutter von Henni, Kathrin und Gritli; geboren 1277

Erwin von Steinbach – Straßburger Baumeister (siehe Buch 1)

Friedrich von Lichtenberg (histor.) – Bruder des 1299 gefallenen Bischofs Konrad von Lichtenberg und dessen Nachfolger

Gebhard von Freiburg (histor.) – erheblich jüngerer Bruder von Graf Konrad II., seit 1301 neuer Pfarrrektor in der Nachfolge seines Onkels Konrad

Georg – ältester Bruder von Hannes, dem Burg- bzw. Kirchenbäcker, und Erbe der väterlichen Bäckerei

Gerhard – ehemaliger Freiburger Baumeister (siehe Buch 1)

Gerhard von Bahlingen (histor.) – Ratsherr im Alten Rat, Badstubenbesitzer und Ritter; die von Bahlingen sind ein altes Breisgauer Geschlecht

Gisela – Magd auf der Freiburger Bauhütte

Gottfried von Schlettstadt (histor.) – erster bürgerlicher Kirchenpfleger (Aufsichtsrat) des Münsters (siehe auch Buch 1)

Gritli – jüngste Tochter von Elisabeth und Baumeister Heinrich, eng befreundet mit Sophie Wohlleb; geboren 1304

Hannes Kirchbeck – früher Burgbäcker, jetzt Kirchenbäcker; verheiratet mit Maria, Vater von Thea, Marga und Clewi; geboren 1264

Hartmann der Holtzer – Meister der Zimmerleute am Straßburger Münster und Vater von Josef

Heinrich von Munzingen (histor.) – mehrfach Bürgermeister von Freiburg; die von Munzingen sind ein altes Breisgauer Geschlecht

Heinrich von Straßburg, genannt der Leiterer (histor.) – Baumeister am Freiburger Münster, wirkte dort vermutlich von 1300 bis 1330. Im Roman geboren 1270, verheiratet mit Elisabeth, Vater des Erstgeborenen Henni, der sein Lehrling wird, sowie von Kathrin und der Jüngsten Gritli

Heinrich Kolman – siehe Kolmanbrüder

Heinzmann Rutschi – Zimmermannsmeister und Bräutigam von Marga Kirchbeck, Theas Schwester

Henni – ältester Sohn von Baumeister Heinrich und dessen Lehrling; geboren 1296

Hesse Münzmeister (histor.) – mit den Grafen verbündeter Ratsherr im Alten Rat

Hug Mezziger – Zunftmeister der Metzger und Befehlsherr der Bürgerwehr

Jakob (Paradies)müller – Ratsherr im Neuen Rat und guter Freund von Anselm Wohlleb

Johann Snewlin von Blumenberg (histor.) – Ritter und zeitweiliger Bürgermeister, Besitzer der Burg Landeck

Johannes von Steinbach (histor.) – Sohn des Straßburger Baumeisters Erwin von Steinbach und dessen Nachfolger

Josef Holtzer – Steinmetz und Meisterschüler unter Baumeister Heinrich, geboren um Weihnachten 1291

Katharina von Lichtenberg (histor.) – Ehefrau von Graf Egino II. (siehe Buch 1)

Katharina von Lothringen (histor.) – Ehefrau von Graf Konrad II.

Kathrin – ältere Tochter von Elisabeth und Baumeister Heinrich, geboren 1300

Klara (Klärchen) Wohlleb – mittleres Kind von Verena und Anselm Wohlleb, geboren 1294

Köbelin – Straßburger Münsterpfarrer und Schulmeister

Kolmanbrüder (histor.) – Heinrich und Wilhelm, Besitzer der Wilden Schneeburg bei Oberried, einem Raubritternest, das von aufständischen Freiburger Bürgern 1314 zerstört wurde

Konrad II. Graf von Freiburg (histor.) – Freiburger Stadtherr von 1316 bis 1350; wie sein Vater Egino II. ein Verschwender und Kriegstreiber

Konrad der Malterer – Kaufmann und Ratsherr im neuen Rat; historisch gehören die Malterer zu einer der erfolgreichsten Aufsteigerfamilien Freiburgs

Konrad von Freiburg (histor.) – Onkel von Graf Konrad II. und Freiburger Pfarrrektor 1275 bis 1301 (siehe auch Buch 1)

Konrad von Tusslingen (histor.) – wie sein Bruder Dietrich d.J. über viele Jahre Schultheiß (Gemeindevorsteher) von Freiburg

Kunigund Snewlin – Ehefrau von Wernher Loderer

Kunigunde von Krozingen – Ehefrau von Hartmut von Krozingen, Mutter von Verena

Kunzi – Hüttenknecht unter Baumeister Heinrich

Loderer – siehe Wernher Loderer

Marga Kirchbeck – jüngere Schwester von Thea, geboren 1296

Maria – ehemalige Burgmagd, verheiratet mit Kirchenbeck Hannes, Mutter von Thea, Marga und Clewi; geboren um 1269

Mezziger – siehe Hug Mezziger

Nussbaum – siehe Bertolt Nussbaum

Odilia – Frau des ehemaligen Baumeisters Gerhard (siehe Buch 1)

Bruder Paulus – Hetz- und Wanderprediger aus Kolmar

Petermann – Bildhauer erst am Straßburger, dann am Freiburger Münster

Bruder Pirmin – Ordenspriester und neuer Münsterschaffner nach Andres von Endingen

Pfarrer Raimund – Vorsteher der mittlerweile drei Freiburger Leutpriester (Gemeindepfarrer)

Rudolf von Waltershofen – Ritter, Ratsherr im Alten Rat und Grafenvasall; die von Waltershofen sind ein altes Breisgauer Geschlecht

Sabina von Steinbach (Legende) – angeblich Steinmetzin und Tochter des berühmten Straßburger Baumeisters Erwin von Steinbach; im Roman geboren um 1287

Snewlin im Hof (histor.) – zeitweise Bürgermeister von Freiburg, siehe auch Snewlin, Buch 1

Sophie Wohlleb – jüngstes Kind von Verena und Anselm Wohlleb, mit Baumeistertochter Gritli befreundet; geboren 1303

Thea Kirchbeck – älteste Tochter von Maria und Hannes Kirchbeck, geboren 1295

Thomann der Medicus – Ratsherr im Neuen Rat und guter Freund von Anselm Wohlleb

Verena von Krozingen – Tochter des reichen Ratsherren Hartmut von Krozingen und Kunigunde von Krozingen, verheiratet mit Anselm Wohlleb, Mutter von Burkhard, Klara und Sophie, Leiterin einer privaten Mädchenschule. Geboren 1263

Walther von Breisach (histor.) – siehe Buch 1

Wernher Loderer – Sohn des Kaufmanns Jodokus Loderer, Ritter und Mitglied im Alten Rat; Erzfeind von Anselm Wohlleb; geboren 1261

Wilhelm Kolman – siehe Kolmanbrüder

Wolfhart – Steinmetz und Parlier unter Baumeister Heinrich; geboren 1278

Buch 3: «Glaube, Hoffnung, Liebe» (1318 bis 1330)

(hier nur die neu hinzugekommenen Personen, ansonsten siehe Buch 2)

Anna von Hachberg – Oberin des Reuerinnenklosters; die von Hachberg waren Markgrafen am Oberrhein

Conrad Snewlin zu Oberlinden (histor.) – Münsterpfleger in der Nachfolge von Gottfried von Schlettstadt

Diebold Loderer – Kaufmann und ältester Sohn von Wernher Loderer, Bruder von Rudolf

Friedrich von Habsburg (histor.) – ab 1314 einer der beiden römisch-deutschen Doppelkönige

Hachberg – siehe Anna von Hachberg

Heinrich von Luxemburg (histor.) – von 1308 bis 1313 römisch-deutscher König, 1312–1313 Kaiser

Heinzmann Rutschi – inzwischen verheiratet mit Marga, Theas jüngerer Schwester (siehe auch Buch 2)

Johannes – Steinmetz unter Baumeister Heinrich

Konrad Dietrich Snewlin (histor.) – mehrfach Bürgermeister von Freiburg

Ludwig von Baiern (histor.) – ab 1314 einer der beiden römisch-deutschen Doppelkönige, von 1328 bis 1347 Kaiser

Nepomuk – Bettler und Narr, der auf dem Friedhof haust

Quentlein – Goldschmiedemeister, bei dem Rudolf Loderer arbeitet

Rudolf Loderer – Goldschmied und jüngerer Sohn von Wernher Loderer, Bruder von Diebold und heimlicher Bräutigam von Sophie Wohlleb

Pfarrer Schwarz – zweiter Leutpriester (Gemeindepfarrer) am Münster

Buch 1Liebfrauen

Die Jahre 1270 bis 1291

Kapitel 1

Freiburg im Breisgau, Mitte September, Anno Domini 1270

«Sie sind da!» – «Die Kirchenbauer aus Straßburg sind da!» – «So macht ihnen doch den Weg frei!»

Sämtliche Freiburger schienen an diesem milden Spätsommertag auf den Beinen, als der eher bescheidene Tross des Baumeisters in die Stadt einzog, angekündigt von den Fanfarenstößen der Turmwächter, wie es sonst nur bei besonderen Anlässen der Fall war. Ein schwerer, mit Plane überdeckter Zweispänner rumpelte als Erstes durch das Stadttor, das in die nördliche Vorstadt führte. Das rot-goldene Adlerwappen der Freiburger Grafen über dem Torbogen tat dem Reisenden kund, wer hier die Herrschaft innehatte. Dem Fuhrwerk folgte ein Dutzend kräftiger, zumeist junger Männer zu Fuß, mit vollbepackten Handkarren und Maultieren. Sie trugen gegürtete Tuniken aus hellem Leinen und Bundhauben auf dem Kopf, die nackten Beine steckten in guten Rindslederstiefeln. Schon hatte sich eine Schar barfüßiger Knaben, mit Stöcken bewaffnet, dem Tross vorangesetzt, um herumstreunendes Vieh und kläffende Köter mit großer Geste zu verscheuchen. Dazu strömten mehr und mehr Menschen aus ihren Häusern und Werkstätten, klatschten freudig in die Hände oder riefen den Männern ein «Willkomm!» zu.

Baumeister Gerhard, der neben seinem Weib auf dem Kutschbock des Fuhrwerks kauerte, nickte ein wenig müde nach rechts und links, als Odilia ihn in die Seite stieß.

«So schau doch endlich ein wenig freundlicher drein, Mann», sagte sie lachend. «Wenn das kein begeisterter Empfang ist!»

«Nun, wir werden sehen», knurrte er nur in seinen Vollbart hinein.

Schnurgerade führte die Gasse quer durch die engbebaute, noch recht neue Vorstadt mit ihren geduckten Holzhäusern, Schuppen und kleinen Stallungen fürs Vieh. Sein durch viele Reisen geschultes Auge verriet Gerhard, dass hier einfache Handwerker und Taglöhner wohnten, doch an Armut litt hier wohl keiner.

Als sie auf halber Strecke an einer zwar schlichten, doch solide gebauten einschiffigen Kirche vorbeikamen, setzte dort ein heller Glockenschlag ein, der sogleich von einem tiefen, vollen Klang aus der Altstadt beantwortet wurde. Da breitete sich auf Gerhards Gesicht nun doch ein Lächeln aus. Man schien sich auch ganz amtlich über ihre Ankunft zu freuen und bereitete ihnen einen würdigen Empfang.

Kurz darauf erreichten sie das innere Tor zur Kernstadt, eine wehrhafte Anlage aus mächtigen Bossenquadern, die mit Vortor, Graben und Falltür gut gegen Feinde gesichert war. Jetzt indessen, bei Tag und zu Friedenszeiten, stand alles offen, und die mit Hellebarden bewaffneten Torwächter winkten sie hindurch.

Vor ihnen tat sich eine breite Marktgasse auf. Obwohl die zahlreichen Verkaufslauben zu dieser Nachmittagsstunde mit Holzläden verschlossen waren, hatten sich auch hier Aberhunderte von Menschen versammelt, und auch hier schallten ihnen von allen Seiten freundliche Willkommensgrüße entgegen.

Eine freundliche und angenehme Stadt, dieses Freiburg, dachte Gerhard und nahm angesichts des Gedränges die Zügel ein wenig fester in die Hand. Die dreistöckigen Steinhäuser am Markt mit ihren kunstvoll geschnitzten Türen und ihren in hellen Farben verputzten Wänden verrieten die aufblühende Handelsstadt. Dabei zählte sie, wie er vor seiner Reise erfahren hatte, gerade einmal hundertfünfzig Jahre. Aber Freiburg konnte sich glücklich schätzen: Seine Lage war überaus günstig. Das milde Weinbauklima des Oberrheins traf hier auf den holz- und wasserreichen Schwarzwald, der uralte Höhenweg von Schwaben auf die rechtsrheinische Handelsstraße, die Basel mit Frankfurt verband. Beschirmt wurde die Stadt zum einen von der mächtigen Burg hoch droben auf dem Berg, zum anderen von einem wehrhaft ausgebauten Mauerring um die Kernstadt.

Was jenen betraf, verriet ihm sein fachmännischer Blick, dass hier erfahrene Baumeister und Arbeiter am Werk gewesen waren. Die begehbare, mit Türmen, Rondellen und Vorbauten samt Pechnasen bestückte Hauptmauer des Festungsrings war seiner Einschätzung nach gut neun bis zehn Fuß dick, mindestens fünf Manneslängen hoch und mit Zinnen versehen. Grabenseitig wurde sie mit einer schrägen Mauerschürze abgestützt. Wie es sich für eine zweckdienliche Befestigung gehörte, verlief auf der Innenseite eine weitere, leichtere Mauer, und die Stadttore waren als hoch aufragende Türme ausgebaut, um das Gelände um die Stadt gut überschauen zu können. Vor Feinden waren die Freiburger wahrlich gut geschützt, zumal man gerade dabei war, wie Gerhard bei seiner Ankunft nicht entgangen war, auch die nördliche Vorstadt zu befestigen.

Odilia fasste nach seiner Hand.

«Jetzt bin ich doch froh, dass du diesen Auftrag angenommen hast. Auch wenn’s mir schwergefallen ist, Straßburg zu verlassen.» Ihre rundlichen Wangen waren vor Aufregung gerötet. «Mir gefällt’s hier, und ich bin schon sehr gespannt auf die Pfarrkirche und unser neues Zuhause.»

«Hm. Erwarten wir lieber nicht zu viel», erwiderte er vorsichtig. «Der Kirchenbau lag lange Zeit brach.»

Er zügelte die Pferde und sah sich nach Marx um, der in Freiburg aufgewachsen war. Der schwarzbärtige, breitschultrige Altgeselle, der ihm seit zwei Jahren als Parlier und Stellvertreter diente, trat zu ihm an den Kutschbock.

«Dort vorne am Spital», er wies mit dem ausgestreckten Arm auf ein großes Gebäude mit Freitreppe und aufwendig gestalteter Fassade, «geht’s links ab zum Kirchplatz.»

«Ist gut», erwiderte Gerhard und klatschte den beiden kräftigen Braunen die Zügel auf die breite Kruppe.

In diesem Augenblick brandete vor ihnen ganz plötzlich Unruhe auf: Eine Horde von halbwüchsigen Knaben, zerlumpt und schmutzig allesamt, tobte in Geißbocksprüngen heran. Sie schrien und johlten durcheinander, manche ließen auch Topfdeckel aufeinanderkrachen, was die Rösser vor dem Wagen aufgeregt schnauben ließ. Einer kletterte gar auf das schwankende Dach einer Krambude und brüllte: «Kommt alle zur Gerichtslaube! Dem Säu-Jecklin geht’s an den Kragen! Dem werden die Haselruten ein lustiges Lied auf dem nackten Rücken spielen!»

Erneut läutete die Kirchenglocke, und die Welle von Menschen zog sich ebenso schnell zurück, wie sie herangeströmt war. Und zwar in die entgegengesetzte Richtung. Ein kleiner, buntscheckiger Hund, der nicht rasch genug aus dem Weg war, erhielt einen kräftigen Tritt und fand sich jaulend vor Gerhards Fuhrwerk wieder. Gerade noch rechtzeitig brachte er sich vor den breiten Pferdehufen in Sicherheit, mit eingekniffener Rute und auf drei Beinen humpelnd.

Verdutzt schüttelte Gerhard den Kopf. Dann sollte das Glockenläuten wohl gar nicht ihnen gelten, sondern der Urteilsverkündung über irgendeinen Erzlumpen? Jetzt, wo sich die Marktgasse vor ihnen ein gutes Stück weit geleert hatte und die Glocke verstummte, waren auch die Schläge des Stadttrommlers zu vernehmen.

«Das fängt ja gut an.» Odilia runzelte die Stirn. «Nicht, dass uns das Unglück bringt. Einen Scharfrichter will ich jetzt jedenfalls keinen zu Gesicht bekommen.»

«Unsinn.»

Er lenkte sein Gespann in die inzwischen menschenleere Seitengasse zum Kirchhof und kräuselte die Lippen. Das Ausstäupen eines armen Teufels schien den Leuten nun doch wichtiger zu sein.

«Seien wir froh, dass das ganze Volk weg ist», brummelte er mehr zu sich selbst. «Dann können wir die Baustelle in aller Ruhe besichtigen.»

Kein Ave Maria später rollte ihr Fuhrwerk aus der schattigen Gasse auf einen ummauerten Friedhof zu, in dessen Mitte sich die Freiburger Liebfrauenkirche erhob. Oder jedenfalls Teile davon.

Unwillkürlich reckte Gerhard den Hals und lenkte sein Gefährt ein Stück nach rechts vor eine Häuserzeile, um den Bau von der Seite betrachten zu können. Ein wenig schneller klopfte sein Herz nun doch. Hier also sollte für die nächsten Jahre und Jahrzehnte seine Wirkungsstätte sein. Nachdem er lange Zeit erst als Meisterknecht, dann als Parlier an der Straßburger Bischofskirche gearbeitet hatte, bot sich ihm nun als frischgebackener Werkmeister eine neue, wunderbare Herausforderung, die letzte vielleicht in seinem Leben.

«Was für eine seltsame Kirche», raunte Odilia ihm zu, während sich seine Leute mit erwartungsvollen Gesichtern neben dem stehen gebliebenen Fuhrwerk sammelten.

Nun, seltsam mochte die Kirche vielleicht auf einen Nichtkundigen wirken, der nur ein Stückwerk aus verschiedenen Zeiten und Baukünsten vor Augen hatte. Gerhard indessen erfasste mit einem Blick, was hier an Baugeschichte in Stein gefasst war: Von der Ursprungskirche aus Zeiten der Zähringer Stadtgründung standen nur noch der gedrungen und klobig wirkende Westturm sowie ein letzter Rest des dreischiffigen Langhauses, erbaut in dicken Mauern mit den für jene Zeit typischen kleinen Rundbogenfenstern. Ganz kurz ärgerte er sich, dass der Abbruch der Altkirche noch nicht weiter gediehen war, wo man ihm das in Straßburg versprochen hatte, doch dann sagte er sich, dass Graf Konrad ihm hierfür gewiss eine starke Mannschaft zur Verfügung stellen würde. Was hingegen bewahrt werden sollte, waren das aus späterer Zeit stammende, bereits mit größeren Fensteröffnungen versehene Querhaus im Osten, die halbrunde Apsis um den Chor sowie die beiden schlanken Chortürme, alles ganz offensichtlich dem Münster zu Basel nachempfunden und durchaus ansprechend in seiner etwas altertümlichen Ausführung.

Was Gerhard als Baumeister indessen am meisten fesselte, war jener Abschnitt, der zuletzt entstanden war. Mit den beiden Ostjochen des Langhauses, die sich ans Querhaus anschlossen, hatte sein Vorgänger, ein gewisser Peter aus Burgund, die neue französische Bauweise eingeführt. Auch wenn mittlerweile die Gotteshäuser allerorten derart errichtet wurden, so war Gerhard nach wie vor hellauf begeistert von dieser tiefgreifenden Umwälzung in der Baukunst: Nicht mehr eine massige Mauer trug die Last von Dach und Gewölbe, vielmehr leitete das feingliedrige Skelett des Strebewerks aus Rippengewölbe, Spitzbögen und Strebebögen ihr Gewicht nach außen auf die Strebepfeiler ab. Plumpe, dicke Mauern und Stützpfeiler wurden überflüssig, statt ihrer spannten sich riesige Fenster von Pfeiler zu Pfeiler, der Raum war mit Licht durchflutet und die aufwärts führenden Linien leiteten die Blicke himmelwärts. Auch hier überragten die beiden neuen Joche des Kirchenschiffs sogar die Spitze des alten Turms.

Sein guter Freund Erwin von Steinbach, ein junger, begnadeter Steinmetz, den er vor vielen Jahren in seiner Gesellenzeit am Bau von Unser Lieben Frauen zu Paris kennen- und schätzen gelernt hatte, hatte einmal einen wunderschönen Satz gesagt: «Bei dieser Art des Bauens triumphiert der lichte Raum über die Schwere des Steins wie das Himmelreich über das irdische Leben.»

Nun, so weit war es hier in Freiburg noch lange nicht, aber in seiner Vorstellung sah Gerhard alles schon vor sich. In kühnen, kraftvollen Linien wollte er den Westteil des Langhauses vollenden, mit Fenstern in zierlichstem Maßwerk, mit Bildschmuck aus der Hand seiner und weiterer hochbegabter Bildhauer, mit einem neuen Turm schließlich, der höher und prächtiger sein würde als gemeinhin bei Pfarrkirchen üblich. Ein Gottesgeschenk und ein Wahrzeichen des Aufstiegs ihrer geliebten Stadt sollte der neue Kirchenbau werden, hatte Graf Konrad von Freiburg gesagt, als er vor zwei Monaten mitsamt seinem Kirchenschaffner und einer Handvoll Ratsherren den Werkmeister des Straßburger Münsters aufgesucht und um die Empfehlung eines erfahrenen Mannes gebeten hatte, der ihre Liebfrauenkirche fertigstellen sollte. Stolz und erschrocken zugleich war Gerhard gewesen, als Meister Ulrich von Basel ohne zu zögern ihn benannt hatte. Er solle sich von Graf Konrad und dem Kirchenschaffner den momentanen Bauzustand erläutern lassen und sich sogleich an einen Entwurf für den Neubau machen. Keine drei Tage später war sein Riss fertig gewesen, sehr zur Zufriedenheit des Grafen: Das bereits angefangene Langhaus wollte er um vier gleichartige Joche erweitern und einen neuen Turm mit viel Maßwerk und Bildschmuck errichten, der sich, auf einem starken, quadratischen Unterbau mit prächtiger Eingangshalle ruhend, nach oben verjüngte und mit einem achteckigen Turmhelm aus grünen Ziegeln bedacht werden sollte. Mit Handschlag hatte Graf Konrad ihn daraufhin zum neuen Werkmeister von Unser Lieben Frauen Bau verpflichtet.

Die letzten Tage und Nächte indessen hatte ihm der Gedanke an seine neue Lebensaufgabe reichlich Bauchgrimmen und auch schlechte Laune beschert. Auch wenn es stets sein Lebenstraum gewesen war, Baumeister zu werden, fragte er sich plötzlich ein ums andere Mal: Würde er dem gewachsen sein? Hatte er denn mit Mitte dreißig überhaupt ausreichend Erfahrung, um ganz auf eigene Verantwortung zu entwerfen und zu bauen? Zumal es weitaus schwieriger war, Vorhandenes miteinzubinden als von Grund auf neu zu beginnen …

Doch als er jetzt vor Augen hatte, was er bislang nur der Beschreibung nach gekannt hatte, wusste er: Es war zu schaffen. Zusammen mit seiner jungen, aber nicht unerfahrenen Mannschaft, die aus vier Straßburger Bildhauern, seinem treuen Parlier Marx, sechs gewanderten Steinmetzen aus Basel sowie Köln und nicht zuletzt seinem aufgeweckten Lehrknaben Friedhelm bestand.

«Was meint ihr, Leute?», wandte er sich an seine Männer. «Wollt ihr also die nächsten Monate und Jahre an meiner Seite bleiben? Wollen wir aus dieser Liebfrauenkirche ein prächtiges Gotteshaus mit einem ebenso prächtigen, weithin sichtbaren Turm erschaffen? Dem Herrgott und der Himmelskönigin zur Ehre, den Freiburgern zur Freude?»

Ein einstimmiges «Ja, Meister!» tönte ihm entgegen.

«Gut. Dann wollen wir uns das Bauwerk endlich aus der Nähe betrachten. Beginnen wir drüben beim Chor.»

Er wollte schon seine Rösser antreiben, als Marx rief: «Warte, Meister. Ich glaube, wir werden auf der anderen Seite erwartet.»

Da erst bemerkte Gerhard, keine hundert Schritte von ihnen entfernt, die kleine Menschenansammlung vor dem schmiedeeisernen Friedhofstor, das sich nahe dem alten Turm befand. Ein kleiner, rundlicher Mann im geistlichen Gewand winkte ihnen zu, und Gerhard erkannte in ihm den freundlichen Kirchenschaffner wieder – wie hieß er doch gleich? Pater Benedikt? Pater Beatus?

«Das ist ja nicht gerade ein berauschender Empfang», maulte Alfred, sein bester Bildhauer. «Wo man uns doch unbedingt und schnellstmöglich hier haben wollte.»

«Stimmt.» Marx zog die schwarzen Augenbrauen zusammen, was sein Gesicht noch finsterer wirken ließ. Fremde fürchteten sich oft vor ihm, dabei war er ein durch und durch gutmütiger Kerl. «Schließlich hat uns der Bote für heute Mittag angekündigt.»

«Hört auf zu nörgeln», wies Gerhard sie zurecht, «und kommt!»

Etwas umständlich kletterte er vom Wagen, streckte den Rücken durch und überreichte dem Lehrknaben die Zügel. Dann half er Odilia vom Kutschbock, rückte sein Barett auf dem dichten, halblangen Haar zurecht, und alle zusammen schritten sie hinüber zum Friedhofstor. Prompt begann die Schar der vornehm gekleideten Herren zu klatschen, und drei Fanfarenstöße erklangen. Gerhard musste lächeln. Immerhin ein Versuch, sie würdig zu empfangen. Den Grafen indessen konnte er nicht entdecken.

Schon kam ihnen der Kirchenschaffner entgegengeeilt. Mit einem herzlichen Lächeln im rosigen Gesicht schüttelte er Gerhard die Hand.

«Seid willkommen, Meister Gerhard. Wir alle freuen uns sehr, dass wir gerade Euch für die Fertigstellung unseres Gotteshauses gewinnen konnten.»

Er führte ihn zu einem hageren Mann im Reisekleid eines Pfarrers, der etwas abseits der Ratsherren stand und ihn mit undurchdringlicher Miene ansah.

«Das hier ist Gottfried von Freiburg, Pfarrrektor von Unser Lieben Frauen und damit Herr über unsere Kirchengemeinde.»

Gerhard verbeugte sich vor dem schon etwas älteren Priester und sagte höflich: «Es ist mir eine Ehre, für Eure Pfarrkirche tätig zu werden.»

«Willkommen in unserer Stadt, Baumeister», hob der mit leicht schnarrender Stimme zu sprechen an, ohne seine Miene zu verziehen. «Willkommen im Namen des Grafen Konrad, des Schultheißen, der Kirchengemeinde, des Alten wie des Neuen Rates. Hattet Ihr eine gute Reise?»

«Ja, wir hatten eine durchaus angenehme Reise.» Gerhard schlug in die ausgestreckte Hand ein. Gottfrieds Händedruck war kurz und schlaff. «Auf eine gute Zusammenarbeit, ehrwürdiger Pfarrrektor.»

Schon sah er sich umringt von gut zwanzig Herren, die neugierig und ein wenig betreten zugleich dreinsahen. Weil weit und breit weder der Graf als Stadt- und Bauherr noch dessen Vertreter, der Schultheiß, anwesend waren? Nun, vielleicht würde man ihn und seine Männer ja später noch auf die Burg führen. Ohnehin legte er wenig Wert auf solcherlei Förmlichkeiten.

Einigen der Ratsherren war er bereits in Straßburg begegnet. Vor allem an jenen großen, schlanken Mann mit der hohen Stirn, der langen Nase und den buschigen dunklen Augenbrauen erinnerte er sich gut. Sogar seinen Namen und sein Gewerbe hatte er parat: Ulrich der Tucher, genannt Wohlleb, war ein Handelsmann in Sachen Tuchen und Wein. Bei jenem Besuch vor zwei Monaten hatte der ihn zum Kirchenbau wahre Löcher in den Bauch gefragt, und man hatte ihm angemerkt, dass ihm die hiesige Pfarrkirche eine Herzensangelegenheit war. Als sich jetzt ihre Blicke trafen, nickte Wohlleb ihm freundlich zu.

«Wir freuen uns sehr, Ihr werten Herren», fuhr Gerhard fort, «bei Euch in Freiburg zu sein. Das hier ist mein Weib Odilia und das hier», er winkte den Altgesellen heran, «mein Parlier Marx. An ihn könnt Ihr Herren Euch jederzeit wenden, wenn ich einmal nicht zugegen bin.»

Mit einem flüchtigen Lächeln murmelte der Parlier einen Gruß in die Runde, während sich die anderen Steinmetze im Hintergrund hielten. Gerhard wusste: Der ungezwungene Umgang mit hohen Herren war ihre Sache nicht, doch wehe, es kam ihnen einer quer auf dem Bauhof. Dann konnte ihr ganzer Standesstolz aufflammen, und nicht einmal von einem Schultheißen ließen sie sich dann in ihre Arbeit dreinreden.

Ein Ratsherr nach dem anderen trat nun vor ihn hin, reichte ihm die Hand und stellte sich vor. Wahrscheinlich, dachte sich Gerhard, werde ich Wochen brauchen, um mir all diese Namen und Gesichter merken zu können. Dabei war das von ungeheurer Wichtigkeit, unterstützten doch hier wie in Straßburg viele Bürger mit ihren Spenden den Kirchenbau. Und wer weiß, vielleicht würden sie in naher Zukunft sogar, wie es in vielen Städten geschah, die Bauherrschaft überneh men.

Der Freiburger Pfarrrektor erhob wieder die Stimme.

«Dass es nun, Anno Domini 1270, nach über zehn Jahren Unterbrechung, endlich weitergeht mit dem Kirchenbau, ist ein großer Augenblick für unsere Pfarrgemeinde. Ihr, Meister Gerhard, seid uns vom Straßburger Baumeister wärmstens empfohlen worden, und auch Euer Riss zum Neubau hat Graf Konrad rundum überzeugt. So hoffen wir nun», es erschien tatsächlich noch ein Anflug von einem Lächeln auf seinen Lippen, «dass unsere Liebfrauenkirche unter Eurer Führung vollendet wird. Leider muss sich unser ehrwürdiger Stadtherr, Konrad Graf von Freiburg, für heute entschuldigen lassen. Er weilt derzeit bei seinem Bruder Heinrich von Fürstenberg. Als Bauherr unserer Pfarrkirche wird er Euch in Bälde seine Aufwartung machen. Entschuldigen lassen sich auch der Schultheiß und die Herren vom Alten Rat der Vierundzwanzig. Bedauerlicherweise ist ihnen in ihrem Amt als Schöffen und Gerichtsherren für heute Nachmittag etwas dazwischengekommen.»

Gerhard konnte nicht umhin, mit leicht spöttischem Unterton zu bemerken: «In Gestalt eines gewissen Säu-Jecklin … Ich hab davon reden hören.»

«Eine dumme Sache, ja.» Der Rektor knetete seine langen, dürren Finger. «Unser junger Stadthirte ist gestern auf frischer Tat bei einem Hühnerdiebstahl ertappt worden. Um ein Exempel zu statuieren, duldete diese Angelegenheit keinen Aufschub.»

«Aber wie dem auch sei», ergriff der Schaffner das Wort, «sollt Ihr schon bald zumindest die Herren vom Alten Rat kennenlernen. Ohnehin werdet Ihr und Eure Männer nun erschöpft und hungrig sein von der Reise. Daher habe ich mir erlaubt, vor meinem Haus eine große Tafel richten zu lassen.» Er deutete auf eine Gruppe von Gebäuden am Ende des breiten Kiesweges, der sich die Friedhofsmauer entlang bis zum Chor von Liebfrauen zog. «Dort wollen wir alle gemeinsam einen Willkommenstrunk und einen verspäteten Mittagsimbiss einnehmen. Danach können Eure Leute das Fuhrwerk abladen und die Werkstätten begutachten.»

«Wo kommen wir unter, ehrwürdiger Pater Benedikt?», meldete sich erstmals Odilia zu Wort, die sich ohne Scheu mitten unter die Männer gemischt hatte. Gerhard fiel ein Stein vom Herzen, dass wenigstens sein Weib sich in Straßburg den Namen des freundlichen Schaffners gemerkt hatte.

«Für Euch und auch für den Parlier ist eine Wohnung bei mir im Schaffnerhaus vorgesehen. Für Eure Werkleute gibt es in der Haupthütte einen abgetrennten Schlafraum. Wie inzwischen üblich, sorgt das Kirchenwerk, dem ich als Verwalter vorstehe, für tägliche Verköstigung und zinsfreies Wohnen. Auch für eure Rösser ist gesorgt, sie werden im Pferdestall des benachbarten Pfarrhauses untergebracht. So lasst uns jetzt also hinübergehen.»

Gerhard deutete eine Verbeugung an. «Habt vielen Dank für Eure Vorbereitungen. Aber wenn Ihr erlaubt, würde ich zuvor noch gern mit meinem Parlier Marx und meinem Bildhauermeister Alfred den Kirchenbau besichtigen.»

Er bemerkte, wie Odilia neben ihm mit den Augen rollte, was so viel hieß wie: Dafür ist noch alle Zeit der Welt, und die Männer brauchen jetzt Erholung nach anderthalb Tagen Fußmarsch.

Auch Gottfried von Freiburg trat ein wenig verdrießlich von einem Bein aufs andere.

«Nun, wir dachten eher daran, dass der Schaffner Euch morgen früh durch die Kirche führt. Was mich betrifft, bleibt mir für eine ausführliche Besichtigung heute ohnehin nicht die Zeit, da ich bereits morgen bei Sonnenaufgang nach Villingen zurückmuss.»

«Machen wir es doch so», schlug Pater Benedikt vor, als er Gerhards enttäuschtes Gesicht sah. «Der Herr Pfarrrektor und die Ratsherren begleiten Eure Leute hinüber zur Hütte, und ich nehme mit Euch den Weg über den Friedhof. So seht Ihr den Bau wenigstens schon einmal von außen und könnt Eure ersten Fragen stellen.»

«Ein guter Vorschlag», gab Gerhard erfreut zurück.

Handelsmann Ulrich Wohlleb trat neben ihn. «Ich komme mit Euch.»

«Ich auch, wenn’s recht ist.»

Der ein wenig krumm gewachsene Kaufherr mit der Stirnglatze und dem herablassenden Blick hieß Jodokus der Loderer, wie sich Gerhard seltsamerweise sogleich erinnerte. Ihm entging nicht Wohllebs erstaunter Blick, als der Mann sich zu ihnen gesellte.

«Nun, dann will ich mich jetzt von Euch verabschieden.» Der Pfarrrektor nickte Gerhard zu. «Wie gesagt, ich habe es leider ein wenig eilig, da ich mich noch um mein Reisegepäck kümmern muss.»

Sprach’s und setzte sich zusammen mit den übrigen Ratsherren in Bewegung, gefolgt von Odilia und den Steinmetzen.

«Zurück nach Villingen?», fragte Gerhard erstaunt in die kleine Runde. «Lebt der Kirchrektor denn nicht in Freiburg, wo er doch hier seine Pfründe hat?»

Pater Benedikt zuckte die Achseln. «Nein, denn er ist auch Pfarrer in Villingen und nur hin und wieder in Freiburg. Dass er heute zu Eurer Begrüßung hier war, ist ein großes Glück.»

«Ihr müsst wissen, Meister Gerhard», warf Wohlleb ein, «dass Gottfried von Freiburg der jüngere Bruder unseres Grafen Konrad ist, und bei der Erbteilung nach dem Tod des Vaters gingen er wie auch sein Bruder Gebhard leer aus. Deshalb ist er seiner Heimatstadt nicht sonderlich grün.»

Für seine letzten Worte erntete er einen warnenden Blick von Loderer.

Dessen ungeachtet fuhr er fort: «Dass er als erster Sohn eines Freiburger Grafen die Priesterweihe abgelegt hat, ist wiederum von Vorteil für uns Freiburger: Als Geistlichem ist ihm nicht nur am Kirchenzehnt aus seiner Gemeinde gelegen, sondern tatsächlich auch an der Kirche selbst.»

«Ich verstehe», sagte Gerhard und folgte zusammen mit Marx und Alfred den Herren durch das geöffnete Tor auf den Gottesacker. Die Unstimmigkeiten innerhalb der gräflichen Familie gingen ihn nichts an, und ein häufig abwesender Kirchenherr war Gerhard allemal lieber als einer, der sich in alles einmischte. Dafür war ihm etwas anderes umso wichtiger. Schon bei seiner Anwerbung in Straßburg war zwar von einer längeren Bauunterbrechung die Rede gewesen, da der damalige Werkmeister aus Altersgründen aufgegeben habe, doch dass diese so lange gedauert hatte, verblüffte ihn nun doch.

«Warum wurde an der Kirche über zehn Jahre lang nicht weitergebaut? Gab es vielleicht Streitigkeiten zwischen Stadtherrn und Bürgern hierüber?»

«Wie bei Euch in Straßburg zwischen dem Bischof und der Bürgerschaft?», fragte Pater Benedikt zurück. «Ich habe davon gehört – eine sehr unerquickliche Sache für die dortige Bauhütte. Aber keine Sorge, Meister Gerhard, die lange Bauunterbrechung bei uns hatte einen handfesten Grund. Es geht um die Sicherheit unserer Stadt. Wie Euch bestimmt aufgefallen ist, wird derzeit die nördliche Vorstadt befestigt, seit einigen Jahren schon, was nicht nur erhebliche Kosten verursacht, sondern bislang unsere sämtlichen Maurer und Steinmetze beansprucht hat. Inzwischen sind die Arbeiten aber bis auf ein letztes Mauerstück abgeschlossen, und genau hierfür wollten wir die Steine der alten Restkirche verwenden. Allerdings unter Eurer Aufsicht, da Ihr, wie Ihr uns bereits in Straßburg wissen ließet, einen Teil der größeren Steine für das neue Fundament verwenden wollt.»

«Ehrlich gesagt, hatte ich gehofft, dass man bis zu unserer Ankunft mit den Abbrucharbeiten weitgehend fertig wäre. Dass die Steine fürs Fundament also schon bereitliegen würden.»

«Macht Euch bitte keine Sorgen. In einer Woche ist das alte Gemäuer dem Erdboden gleichgemacht. Der Graf hat uns nämlich eine ausreichende Mannschaft samt starkem Gerät für diese Arbeit zugesichert, sobald Ihr da seid. Ihr müsst wissen, wir haben fürwahr großes Glück mit unserem Stadtherrn. Graf Konrad ist ein gerechter Herrscher, sehr wohlwollend gegenüber uns Bürgern, und er fördert den Kirchenbau nach Kräften. Er hat übrigens auch die drei schönen Häuser dort drüben beim Chor erbaut, eines für den Pfarrrektor, eines für Unser Lieben Frauen Werk, von uns kurz Kirchenfabrik oder Fabrica genannt, wo sich die Räume für Euch und meine Wenigkeit befinden, und eines für die beiden Pfarrpriester. Darin gibt es sogar eine Schule. Ihr werdet sehen: Der Graf als Stadtherr und die Bürgerschaft arbeiten bei uns Hand in Hand beim Neubau unserer Liebfrauenkirche, wir wetteifern sozusagen miteinander in der Bauausführung und Spendenbereitschaft.»

Sie waren vor dem südlichen Seitenschiff der abbruchreifen Altkirche zum Stehen gekommen. Das Mauerwerk aus glattem, hellem Stein war immerhin in gutem Zustand, wie Gerhard erleichtert feststellte. Nur: Wo sollten die Steine und auch die benötigten Hölzer gelagert werden? Das Gotteshaus war rundum vom Friedhof mit seinen Gräberfeldern umgeben, der Kiesweg südlich des Friedhofs war zwar großzügig angelegt, musste aber auch breit genug bleiben für die Ochsenkarren und Pferdefuhrwerke, und weiter östlich, zwischen Friedhofsmauer und Haupthütte, war gerade einmal genug Raum für die Arbeit der Steinmetze, soweit er das von hier aus erkennen konnte.

«Ich sehe weit und breit keine freie Fläche für Werksteine und Gerüstholz. Gibt es denn auf der Nordseite mehr Platz?»

Für einen Moment herrschte betretenes Schweigen unter den Männern. Kaufherr Loderer, der bislang nur mit reichlich dünkelhafter Miene zugehört hatte, schürzte die Lippen und sah zu Boden, Wohlleb zwirbelte seinen akkurat geschnittenen, pechschwarzen Kinnbart, und der Kirchenschaffner runzelte die Stirn.

«Da ist, mein lieber Baumeister», er wirkte ehrlich verlegen, «in der Tat etwas fehlgeschlagen. Oder hat sich, besser gesagt, unangenehm verzögert. Seht Ihr die Häuser vor dem Friedhofstor?»

Gerhard wandte sich halb um. Dort, wo die Freiburger Abordnung sie erwartet hatte, standen rechts wie links etliche schmale, einfache Häuser mit halbverfallenen Werkstätten und Stallungen. Jetzt erst bemerkte er, dass die Läden und Türen zerbrochen waren, die Fensteröffnungen allesamt schwarz und leer.

Er tauschte einen Blick mit Alfred und Marx aus.

«Dort also soll der Lagerplatz sein?», fragte er ungläubig. Allmählich spürte er Unwillen aufsteigen. In Straßburg hatte man ihm versprochen, dass sie gleich nach ihrer Ankunft mit der Arbeit würden loslegen können, und jetzt war rein gar nichts für ihn und seine Leute vorbereitet. Und ehrlich gesagt, ein klein wenig feierlicher hätte der Empfang schon auch sein können, wenigstens seinen Männern zuliebe. Eine Kirche wurde schließlich nicht jeden Tag neu erbaut.

«Richtig! Das wird der Lagerplatz.» Der Schaffner strahlte schon wieder. «Die Häuser stehen für den Abriss bereit, schon morgen kann damit begonnen werden. Als Nächstes ist die Häuserzeile dahinter an der Reihe, da ja das neue Kirchenschiff um einiges länger werden wird und nach dem Abriss des Turmes dort auch der hölzerne Glockenstuhl seinen Platz finden muss. Jedenfalls so lange, bis Ihr den neuen Turm errichtet habt. Und jetzt kommt», fuhr er unbeirrt fort, «und schaut Euch die herrlichen Ostjoche an, die Euer Vorgänger geschaffen hat.»

Mit einem unterdrückten Seufzer folgte Gerhard ihm die wenigen Schritte hinüber zum Neubau, dessen Buntsandstein in warmem Rot schimmerte.

Insgesamt hatte sein Vorgänger Seiten- und Hochschiff einfacher und ein wenig grober ausgeführt, als er es aus Straßburg kannte, vor allem was das Maßwerk der Fenster betraf. Sein geübtes Auge entdeckte auch sogleich den missratenen Dreipass neben dem Treppentürmchen am Querhaus. Aber am Bildschmuck und am äußeren Strebewerk, das seiner Erfahrung nach zu niedrig angesetzt war, ließ sich durchaus einiges verbessern.

Alles hier sah nach jahre- oder besser jahrzehntelanger Arbeit aus. Doch dafür waren sie ja schließlich gekommen.

Kapitel 2

Am selben Abend, im Wirtshaus zum Roten Bären

Ulrich Wohlleb war enttäuscht. Gerade einmal fünf Mann vom Neuen Rat, der seit über zwanzig Jahren die Freiburger Bürgerschaft vertrat, begleiteten ihn ins Wirtshaus zum Roten Bären, wo sich der Alte Rat der Vierundzwanzig, zu dem auch der Schultheiß gehörte, zu versammeln pflegte oder sich hin und wieder zum gemeinsamen Abendessen traf.

Nur fünf Mann von dreiundzwanzig seiner Ratscollegen! Dabei hatte die Empörung unter ihnen über den missratenen Empfang der Straßburger Steinmetzbrüder heute Mittag noch hohe Wellen geschlagen. Seit letzter Woche war der Tag ihrer Ankunft bekannt gewesen, und sie alle hatten sich fest darauf verlassen, dass auch die vornehmen Geschlechter, die als Rats- und Gerichtsherren auf Lebenszeit dem alten, noch aus Stadtgründungszeiten stammenden Magistrat angehörten, vor Ort sein würden. Und zwar mitsamt dem Schultheißen als Stellvertreter des Grafen. Aber nein, einmal mehr hatten diese Herrschaften versucht, ihnen als rechtmäßiger Vertretung der neuen Bürgerschaft ans Bein zu pinkeln, indem sie in aller Eile einen Gerichtstag anberaumt hatten.

Als ein kläglicher Haufen von zwanzig Ratsbürgern und zwei Geistlichen hatte man den neuen Werkmeister, den die Stadt so dringend brauchte, nun willkommen heißen müssen. Immerhin hatte sich Pfarrrektor Gottfried von Freiburg herabgelassen, erst einen Tag später nach Villingen zurückzukehren, und im letzten Augenblick hatten sie den Stadtboten als Fanfarenbläser gewinnen können, was wahrscheinlich noch das Gelungenste war bei diesem Empfang. Allein der saure Wein, den der Schultheiß zum Willkomm hatte liefern lassen – Meister Gerhard und seine Leute mussten ja denken, die Freiburger hätten keinen Funken Ahnung von gutem Wein. Oder wären zu geizig, einen edleren Tropfen aufzutischen.

Bernhard Rindkauf schlug ihm auf die Schulter. «Was schaust du so griesgrämig? Zum Ende hin war es doch noch ein äußerst gemütliches Beisammensein mit den Steinmetzen.»

«Stimmt. So gemütlich, dass die Hälfte unserer Ratsfreunde nach dem Willkomm betrunken war und schleunigst nach Hause musste, anstatt uns hierher zu begleiten. Das ist doch Feigheit vor dem Feind!» Er schnaubte. «Wir vom Neuen Rat sollten endlich aufstehen gegen diese ach so ehrwürdigen Freiburger Rittersprösslinge, die im Alten Rat auf Lebenszeit ihren Hintern platt sitzen und ihre Privilegien pflegen wie zarte Pflänzchen, anstatt sich um das Bürgerwohl zu kümmern.»

«Na und? Wir marschieren jetzt da hinein zu den feinen Herrschaften und geben uns als gewählte Abordnung des Neuen Rats aus. Und dann waschen wir denen gründlich den Kopf.»

«Ulrich hat schon recht», mischte sich Ludwig Ederlin ein, der seine Erlöse aus dem Silberbergbau neuerdings im Kauf von Badstuben anlegte. «Es ist eine Schande, dass aus unseren Reihen einer nach dem andern eingeknickt ist. Schließlich waren wir uns heute Mittag noch alle einig gewesen, dass der Alte Rat uns schlichtweg eins auswischen wollte, indem er den Gerichtstag ausgerechnet für heute Mittag festgesetzt hatte.»

Goldschmied Diethelm nickte. Mit ihm war zu Johanni erstmals ein Handwerker in den Neuen Rat gewählt worden, und er war ein äußerst besonnener Kopf.

«Es geht ja nicht nur darum», sagte er bedächtig, «dass der Schultheiß wie der Alte Rat uns zugesichert haben, diesem uns so wärmstens empfohlenen Baumeister einen gebührenden Empfang zu bereiten, um dann stattdessen klammheimlich einen ach so dringlichen Gerichtstag einzuschieben und uns wie Trottel dastehen zu lassen. Nein, auch das Freiburger Volk hat sich seit Tagen auf die Ankunft der Steinmetze gefreut, wie ich aus meiner Nachbarschaft weiß. Und kaum, dass die Malefizglocke geläutet hatte, waren die Gassen natürlich wie leergefegt. Wegen eines lumpigen Hühnerdiebs. Das riecht mir doch sehr nach Absicht.»

«Mehr noch: Das ist beschämend», pflichtete ihm der alte Cunrat Ätscher bei. «Erst recht, wo es heutigentags alles andere als ein Kinderspiel ist, einen fähigen Baumeister zu verpflichten. Dass man uns eins auswischen wollte, ist nur das eine. Zum Zweiten zeigt uns das, wie wenig diesen feinen Herren die Kirchenerneuerung bedeutet.»

«Recht hast du», bekräftigte Rindkauf. «Keiner von denen würde doch auch nur einen Silberpfennig für Liebfrauen herausrücken.»

Nur Jodokus Loderer schwieg, wie er schon den ganzen Weg von der Bauhütte hierher geschwiegen hatte. Genau wie bei ihrem Rundgang über den Friedhof heute Nachmittag. Ulrich Wohlleb wurde den Eindruck nicht los, dass der Loderer seit längerem schon jeden seiner Schritte mit Argusaugen überwachte, sowohl was sein Tun als Ratsherr wie auch als Handelsmann betraf. Dabei war Letzteres geradezu lächerlich. Schon vor vielen Jahren hatten sie sich gütlich darauf geeinigt, ihre Geschäfte voneinander zu trennen: Wo der Loderer, auf eigenen Wunsch im Übrigen, mit Salz und feinen englischen Tuchen handelte, vertrieb er selbst einfache Grau- und Weißtuche sowie für die jeweiligen Rückfrachten Elsässer und Breisgauer Wein. Loderer hatte sich beim Abstecken ihrer Felder wohl für besonders schlau gehalten, dabei musste er bald einsehen, dass er für seine Ware zwar einen höheren Gewinn erzielen konnte, sie aber in schlechten Jahren der hohen Preise wegen mitunter gar nicht losbekam. Und zum Hoflieferanten des Grafen war er leider noch immer nicht aufgestiegen, ebenso wenig, wie er den heißersehnten Rittertitel verliehen bekommen hätte. Welcher ihm wiederum den Weg in den Alten Rat ebnen könnte, sofern einer der Greise dort das Zeitliche segnen würde.

Nach Wohllebs Dafürhalten war Jodokus Loderer ein Blender und voller Geltungsdrang. In der Vorstadt unterhielt er teure Rösser wie ein Edelmann, behängte sein Weib mit Goldschmuck und richtete ein Festbankett nach dem anderen aus. Warum er seinen angeblichen Reichtum ausgerechnet ihm, Ulrich Wohlleb, immer wieder unter die Nase reiben musste, blieb ihm ein Rätsel. Er würde das genau beobachten und wachsam sein. Er selbst hütete sich, seine geschäftlichen Erfolge offenzulegen und mit seinem Besitz zu protzen. Sein Großvater, Johans der Tucher, hatte das erste kleine Familienvermögen einst hart erarbeitet, bis er am Ende den Beinamen Wohlleb erhielt. Und von seinem Vater, Johans dem Jüngeren, hatte er gelernt, sich niemals an den Reichen und Edelfreien zu messen, sondern Schritt für Schritt den eigenen Weg zu gehen. Mochte Loderer auch über seine Handelsware die Nase rümpfen: Tuche für den gemeinen Mann gingen immer, und Wein gesoffen wurde erst recht in schlechten Zeiten. Und jeden größeren Gewinn hatte er in die Silbergruben am Gewann Schauinsland gesteckt, was sich inzwischen mehr als bezahlt machte.

Sie waren vor dem rot getünchten Wirtshaus angekommen, und Wohlleb blickte von einem zum andern. Da keiner Anstalten machte, die Tür zu öffnen, fasste er nach der Klinke.

«Na gut, da es mein Einfall war hierherzukommen, gehe ich voraus. Was ist eigentlich mit dir, Jodokus? Hat es dir die Sprache verschlagen?»

Loderer kniff die Augen zusammen. «Passt es dir etwa nicht, dass ich mitgekommen bin? Dann kann ich ja ebenso gut verschwinden.»

«Jetzt sei nicht kindisch, Loderer.» Der alte Cunrat schob ihn durch die geöffnete Tür hinein. «Es ist gut, dass du dabei bist.»

Der Rote Bär war keine gemeine Schankstube, in der Gesellen und Taglöhner nach dem Garaus-Läuten ihren Feierabend genossen, sondern die beste Schildwirtschaft der Stadt. Billiger Tresterwein kam hier nicht auf den Tisch, die warmen Speisen waren durchweg gut und reichhaltig. Dank seiner Lage nahe dem Obertor und den großen Stallungen im Hinterhof war der Rote Bär beliebt bei Reisenden wie auch den vornehmen Geschlechtern der Stadt. Zumal Hanmann, der hünenhafte, breitschultrige Wirt, Straßengesindel erst gar nicht über die Schwelle ließ, ebenso wenig wie Schlupfhuren oder Bettler.

Schon kam er ihnen durch die gut beleuchtete Gaststube entgegengeeilt.

«Einen schönen guten Abend, Ihr Herren. Einen kleinen Tisch beim Ausschank hätte ich noch frei.»

«Danke, Hanmann.» Wohlleb nickte freundlich. «Dann bringt uns bitte einen großen Krug von Eurem Hauswein. Gegessen haben wir bereits.»

Loderer schob sich an ihm vorbei. «Habt Ihr noch von dem guten roten Burgunder aus der letzten Lieferung?»

«Ja, das Fass ist noch halb voll. Der kostet aber das Doppelte.»

«Dann bringt uns hiervon», beschied Loderer mit selbstgefälligem Lächeln. «Der Krug geht selbstverständlich auf mein Kerbholz.»

«Nun denn», murmelte Wohlleb, «ein Dank dem großzügigen Spender.»

Er wandte sich an den Wirt. «Sind die Herren vom Alten Rat noch in der Kellerstube versammelt?»

«Ja, die sind eben mit dem Essen fertig geworden.»

«Dann wollen wir ihnen einen kurzen Besuch abstatten. Stellt uns den Wein nur schon auf den Tisch. Und ein wenig helles Brot dazu.»

«Sehr gerne.»

Im Gänsemarsch stapften sie die steile Treppe hinunter zur Gewölbestube, Wohlleb voraus. Der Gasthof zum Roten Bären, den es schon zu Zeiten der Zähringer Herzöge gab, war gleich dreifach unterkellert, und bereits Hanmanns Vorväter hatten den obersten Keller als Wirtsstube eingerichtet.

Dort saßen sie nun also an der Tafel unter der hohen Gewölbedecke beisammen, die Reichsten und Mächtigsten der Freiburger Bürger. Männer, die sich Ritter und Herren nannten, ein eigenes Siegel führten und überall im Breisgau standesgemäße Lehen mit Herrschaftsrechten besaßen. Ihr Vermögen bezogen sie nicht aus Handel oder Handwerk, sondern aus ländlicher Grundrente, Geldgeschäften und dem Eisenerz- und Silberbergbau. Und alle pflegten sie einen engen Umgang mit der Grafenfamilie.

Die meisten von ihnen kannte Wohlleb mehr oder minder gut: Da waren die Snewlins, die Brüder Kotz, der alte Fasser, dessen Vater das Kloster Adelhausen gestiftet hatte, Ritter Johannes Reinbot, der aufbrausende Ritter Konrad Kolman, die beiden Greise Rudolf Küchlin und Rudolf Turner. Ferner saßen da die aus dem Umland zugezogenen Ritter und Edelfreie, die man indessen in der Stadt nur selten zu Gesicht bekam, wie die Herren von Falkenstein, Offnadingen, Krozingen, Munzingen, Endingen und Tusslingen. Allein von den Snewlins hatten vier Männer einen Ratssitz auf Lebenszeit inne: die beiden Brüder Johann und Konrad, deren Vetter Konrad Snewlin im Hof sowie dessen ältester Sohn Dietrich, der erst kürzlich für seinen verstorbenen Oheim Hermann nachgerückt war. Diese uralte Freiburger Sippe spann ihr Netz immer weiter und verleibte sich zwischen Ortenau und Basel einen Fronhof nach dem anderen ein.

Wohlleb läutete das Glöckchen am Treppenabsatz, mit dem man den Wirt oder das Schankmädchen herbeirufen konnte, und sofort wandten sich ihnen sämtliche Gesichter zu.

«Sieh da!», rief Dietrich von Tusslingen, Ratsherr und zugleich gräflicher Schultheiß. Wohlbeleibt, im pelzverbrämten Umhang und mit schwerer Silberkette vor der Brust thronte er am Kopfende der Tafel. «Die Herren von den Nachgehenden Vierundzwanzigern. Tagt Ihr jetzt nicht mehr im Wirtshaus Zur Krone, sondern hier bei uns? Und wart Ihr nicht schon mal mehr?»

Allein die Bezeichnung nachgehend drückte deutlich seine Geringschätzung aus. So hatte man sie vor über zwanzig Jahren genannt, nachdem die Bürger dem Grafen einen jährlich gewählten Ausschuss abgerungen hatten, der die Herrschaft des alten Magistrats kontrollieren sollte. Inzwischen war der Neue Rat, wie sie sich selbst längst nannten, dem Alten Rat fast gleichberechtigt zur Seite gestellt, nur mit ihnen gemeinsam durften wichtige Beschlüsse, die die Belange der Bürgerschaft betrafen, gefasst werden. Leider wurde der Schultheiß, als Gerichtsherr und höchster Amtsträger der Stadt, noch immer vom Grafen vorgeschlagen und von diesen ergrauten Herrschaften bestätigt, doch eines Tages, das wusste Wohlleb genau, würde ein von ihnen gewählter Bürgermeister das Sagen haben, und kein Ratsherr auf Lebenszeit würde mehr die Bürgerschaft vertreten.

Wohlleb verzog die Lippen zu einem spöttischen Lächeln. «Bislang dachte ich immer, dass der Rote Bär dem Hanmann gehört und nicht dem Alten Rat.»

«Warum so unlustig heute, werter Ulrich Wohlleb?» Dietrich von Tusslingen strich sich über das schüttere, mit Öl nach hinten gekämmte Lockenhaar. «Setzt Euch zu uns und trinkt mit uns.»

Der alte Cunrat Ätscher trat neben ihn. «Was wir Euch zu sagen haben, dauert keinen Becher Wein, Schultheiß. Welcher Teufel hat Euch geritten, ausgerechnet heute über einen läppischen Hühnerdiebstahl Gericht zu halten?»

«Ganz einfach: Der Kerl wurde gestern Abend auf frischer Tat ertappt, und da es nicht sein erster Diebstahl dieser Art war, musste ein Exempel statuiert werden.»

Ludwig Ederlin reckte den Hals. «Das Ganze hätte auch bis morgen Zeit gehabt, wo der Säu-Jecklin sogleich gestanden hatte und sicher im Turm festsaß. Obendrein haltet Ihr Eure Rechtstage gemeinhin zu Marktzeiten ab und nicht am Nachmittag. Indem Ihr uns beim Empfang der Steinmetzbrüder habt im Regen stehen lassen, wolltet Ihr uns vom Neuen Rat doch nur herabwürdigen!»

«Ach herrje.» Dietrich Snewlin hatte sich schwankend erhoben. «Nehmt Ihr das etwa wieder mal persönlich? Wie empfindlich Ihr doch allesamt seid.»

Wohlleb überhörte dessen Bemerkung, zumal der junge Snewlin seiner undeutlichen Aussprache nach schon reichlich dem Wein zugesprochen hatte.

«Kann es sein», wandte er sich stattdessen an den Schultheißen, «dass Euch der Kirchenbau von Herzen gleichgültig ist? Die Häuser vor dem Kirchturm hätten längst abgerissen werden sollen, um einen Lagerplatz zu schaffen, und die Hütten für die Steinmetze sind in einem erbarmungswürdigen Zustand.»

«Im Grunde», pflichtete Goldschmied Diethelm ihm bei, «könnten die Straßburger geradewegs in ihre Heimat zurückkehren, weil nichts vorbereitet ist.»

Dietrich von Tusslingen zuckte die Schultern. «Der Abriss ist Sache der gräflichen Burgmannen, so war es vereinbart. Ihr wisst selbst, dass von den hiesigen Maurern derzeit alle Mann an der Stadtbefestigung arbeiten. Und der Herr Graf ist nun mal außer Landes.»

Wohlleb schüttelte missbilligend den Kopf. «Aber Ihr als Schultheiß und rechte Hand des Grafen hättet darauf dringen können, dass der Abriss geschieht, noch bevor der Graf zu seinem Bruder reist. Wie stehen wir jetzt da vor dem Baumeister?»

Erschrocken zuckte er zusammen, als Ritter Konrad Kolman die Faust auf die Tischplatte krachen ließ. «Kreuzdonnerwetter! Müssen wir uns jetzt von diesen Emporkömmlingen Vorhaltungen machen lassen? Das schlägt doch dem Fass den Boden aus!»

Kolmans Gesicht hatte eine puterrote Färbung angenommen.

«Ganz ruhig, Ritter Konrad.» Loderer war mit drei Schritten bei ihm und tätschelte ihm die Schulter. «Niemand von uns will Euch Vorhaltungen machen.»

Was für ein elender Speichellecker, dachte sich Wohlleb.

Derweil hatte sich der Schultheiß erhoben.

«Uns ist der Kirchenbau keineswegs einerlei. Ganz im Gegenteil: Dieser Viehhirte hat heute nämlich nicht nur seine verdienten zehn Rutenstreiche bekommen, sondern wird ab morgen früh für die Fabrica im Schellenwerk knechten. Und als Zeichen meines guten Willens werde ich morgen die Maurer vom Festungsbau abziehen, damit der Abriss beginnen kann. Und jetzt, mit Verlaub, lasst uns in Ruhe unseren wohlverdienten Feierabend genießen. Alles Weitere können wir auch morgen in der Ratskanzlei besprechen.»

Kapitel 3

Ende September 1270, zwei Wochen nach Ankunft der Steinmetze

Odilia griff nach dem Reisigbesen und fegte schwungvoll die lichte, mit zwei Fenstern versehene Stube ihrer Wohnung aus. Endlich ging es voran! Sie freute sich darüber allein schon deshalb, weil ihr Mann seit einigen Tagen wieder zu seiner alten Tatkraft zurückgefunden hatte. War er doch in der ersten Woche morgens voller Missmut erwacht und abends ebenso übellaunig zu Bett gegangen. Bis ihr irgendwann einmal beim Abendessen der Kragen geplatzt war.

«Dafür, dass du kein freundliches Wort mehr an mich oder deine Leute richtest, hab ich in Straßburg fürwahr nicht meine Schneiderwerkstatt aufgegeben und meine Lehrtochter fortgeschickt. Es ist ja kaum noch auszuhalten mit dir.»

«Ist das denn ein Wunder?», hatte er zurückgeblafft. «Die besten Steinmetze und Bildhauer hab ich von Straßburg hergebracht, und was machen wir tagein, tagaus? Wir schuften als Mauerreißer und schleppen Steine und Schutt, nicht anders als die hiesigen Taglöhner und gräflichen Knechte oder dieser arme Teufel von Jecklin. Und die Werkstätten, in denen meine Männer arbeiten und nächtigen, sind grad mal bessere Schweinekoben. Weißt du, was mir auch missfällt? Dass du dich im Schaffnerhaus als Küchenmagd verdingst. Als Frau des Baumeisters!»

«Ach! Dann hattest du also gedacht, dass ich hier in Freiburg die Hände in den Schoß lege? Am Morgen mal ein Stündchen über den Markt schlendern, um irgendwann am Nachmittag die Wohnung auszukehren und das bisschen Abendessen für uns zwei zu kochen? Dass ich also den halben Tag über die Zeit totschlage? Du weißt genau, dass ich das nicht kann, und du weißt auch, dass mir die hiesigen Schneider nicht erlauben, mein Handwerk auszuüben. Nicht als Zugereiste und erst recht nicht als Weib.»

«Dann mach’s halt wie andere Ehefrauen auch, schaff dir meinetwegen Federvieh und ein Mastschwein an und bleib bei der Haushaltung.»

«Was in aller Welt soll ich denn haushalten, lieber Mann, wo du den ganzen Tag auf der Hütte arbeitest und dort sogar zu Morgen und zu Mittag isst? Oder ist es meine Schuld, dass wir mit keiner Kinderschar gesegnet sind? Nein, das ist Gottes Wille, das hast du mir selbst immer wieder gesagt.»

Damit hatte sie ihn zum Schweigen und ihr unerquickliches Gezänk zu Ende gebracht.

Für sie beide war es ein schwerer Schlag gewesen, als sie schon bald nach ihrer Hochzeit eine Totgeburt erlitten hatte und dabei selbst ums Haar verblutet wäre. Die heilkundige Nachbarin, die ihr damals zur Seite stand, hatte ihr prophezeit, dass sie nie wieder Kinder gebären würde. Ein Jahr später war ihr Vater, bei dem sie das Schneiderhandwerk gelernt hatte, in Frieden entschlafen. Gerhard und sie waren von der Wohnung der Straßburger Münsterbauhütte in ihr Elternhaus umgezogen, wo sie die väterliche Werkstatt übernommen hatte. Noch lange Zeit hatten sie auf Kinder gehofft, doch mittlerweile war sie Anfang dreißig und nie wieder guter Hoffnung gewesen. Sie hatten sich beide dreingefunden. Gerhard, der bald schon vom Bildhauermeister zum Gesellensprecher und Vertreter des Werkmeisters aufgestiegen war, ging ganz in der Baukunst auf, und sie selbst hatte mit ihrer Schneiderei, die ihr viel Anerkennung und einen recht guten Verdienst einbrachte, alle Hände voll zu tun gehabt.

Ja, manchmal vermisste sie ihre kleine Werkstatt schon sehr. Aber ein Weib musste eben zurückstecken hinter den Absichten des Mannes, daran gab es nichts zu rütteln. Dass Gerhard sie jetzt aber als Magd schmähte, wo sie sich auf der Bauhütte lediglich nützlich machen wollte, fand sie zutiefst ungerecht. War sie es nicht gewesen, die die vor sich hin darbende Versorgung der Werkleute erst auf Trab gebracht hatte?

Zwar gab es im Schaffnerhaus eine geräumige Küche, gleich hinter der riesigen Eingangshalle, in der bei Schlechtwetter die Steinmetze ihre Mahlzeiten einnehmen durften, doch war seit zehn Jahren dort nicht mehr für so viele Menschen gekocht worden. Die langjährige Köchin namens Mechthild und deren Magd Kathi, welche die Arbeit nicht gerade erfunden hatte, hatten sich zuletzt lediglich um Pater Benedikt und dessen Gäste kümmern müssen. Und ab und an um Handwerksleute, die an der Kirche oder den anderen Gebäuden der Pfarrei etwas auszubessern hatten. Dementsprechend schlecht ausgestattet war die Küche auch. Doch dank Pater Benedikts wohlwollender Unterstützung hatte Odilia neue Töpfe, Schüsseln und Kochgerätschaften anschaffen dürfen und darauf gedrungen, dass die Werkleute und Taglöhner mit drei warmen Mahlzeiten am Tag und morgens wie mittags mit frischem Brot versorgt wurden.

So war die Arbeit im Schaffnerhaus zu ihrer neuen Aufgabe geworden. Jeden Morgen, wenn Gerhard und seine Leute draußen an der langgestreckten Tafel ihren warmen Milchbrei