Die Donovans 1. Die gefährliche Verlockung - Nora Roberts - E-Book
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Die Donovans 1. Die gefährliche Verlockung E-Book

Nora Roberts

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Beschreibung

Der Donovan-Clan: Eine bezaubernde Familiensaga mit einem Hauch Magie

Der Drehbuchautor Nash glaubt nicht an Magie, und das lässt er die schöne Morgana Donovan auch spüren, als er sie für ein Filmprojekt über Hexen interviewt. Selbst eine Demonstration ihrer geheimnisvollen Künste hält er zunächst für einen Trick. Trotzdem fühlen die beiden eine unheimlich starke Verbindung zueinander, die in einer intensiven Liebesnacht gipfelt. Doch das Spiel der Leidenschaft ist der Beginn von Angst und Vorwürfen. Werden sie einander je vertrauen können?

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Seitenzahl: 316

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Nora Roberts

Die Donovans 1

Die gefährliche Verlockung

Roman

Aus dem Amerikanischenvon Sonja Sajlo-Lucich

Wilhelm Heyne Verlag München

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Die Originalausgabe Captivated ist bei Silhouette Books, Toronto, erschienen.
Die deutsche Erstausgabe ist im MIRA Taschenbuch erschienen.
Wilhelm Heyne Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH Neumarkter Str. 28, 81673 München Copyright © 1992 by Nora Roberts Published by Arrangement with Eleanor Wilder Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2006 by MIRA Taschenbuch in der Cora Verlag GmbH & Co KG, Hamburg Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Syda Productions Satz: Uhl + Massopust, Aalen ISBN: 978-3-641-12059-7 V004
www.penguinrandomhouse.de/nora-roberts

PROLOG

In der Nacht, in der sie geboren wurde, fiel der Hexenbaum. Mit ihrem ersten Atemzug nahm sie den Geschmack in sich auf – den Geschmack von Macht. Und von Bitterkeit. Mit ihrer Geburt war ein weiteres Glied in die Kette eingefügt worden, die seit Jahrhunderten bestand. Eine Kette, oftmals verbrämt mit dem Glanz von Legenden und Mythen, doch kratzte man an der Oberfläche, entdeckte man darunter nichts als die Kraft der Wahrheit.

Es gab andere Orte, andere Welten, in denen der erste Schrei des Babys gefeiert wurde. Weit jenseits der überwältigenden Küste von Monterey, wo die kraftvollen Schreie durch das alte Steinhaus hallten, wurde die Ankunft des neuen Lebens freudig begrüßt. An geheimen Orten, an denen Magie und Zauberei gediehen und in Ehren gehalten wurden – in den dunkelgrünen Hügeln von Irland, in den tiefen Höhlen von Wales, an der felsigen Küste von Britannien.

Und der Baum knorrig und krumm, war ein stilles Opfer.

Denn durch seinen Tod und durch die freiwillig ertragenen Schmerzen einer Mutter war eine neue Hexe geboren worden.

Auch wenn sie die Wahl hatte – ein Geschenk konnte schließlich auch abgelehnt werden –, so würden diese Kräfte doch stets zu dem Kind und zu der Frau, zu der es heranwachsen würde, gehören, so wie die Farbe der Augen oder des Haars.

Noch war sie nur ein Baby, die Augen trübe, die kleinen Fäuste geballt, selbst als ihr Vater glücklich lachte und ihr den ersten Kuss auf die Stirn gab.

Ihre Mutter weinte, als sie das Baby an die Brust legte. Weinte vor Glück und aus Trauer. Denn sie wusste bereits, dass sie nur dieses eine Kind haben würde, dieses eine Zeichen der Liebe zwischen ihr und ihrem Mann.

Sie hatte gesucht, und sie hatte gefunden.

Und während sie ihr Kind leise wiegte, wusste sie, dass es viel zu lehren gab, viele Fehler, die gemacht würden. Sie wusste auch, dass eines Tages ihre Tochter ebenso wie sie suchen würde. Nach Liebe.

Sie hoffte, dass ihr Kind von all den Dingen, die sie ihm beibringen würde, die eine wesentliche Wahrheit verstehen würde.

Dass die wahre Magie im Herzen wohnt.

1. KAPITEL

An der Stelle, wo der Hexenbaum einst seine Äste gen Himmel gereckt hatte, stand jetzt eine Gedenktafel. Die Leute von Monterey und Carmel ehrten die Natur. Touristen kamen oft vorbei und lasen die Worte auf der Tafel, oder sie betrachteten einfach die uralten Bäume und die zerklüftete Küste, an der die Seelöwen sich von der Sonne wärmen ließen.

Anwohner, die sich noch an den Baum erinnern konnten, erwähnten oft, dass er in der Nacht umstürzte, in der Morgana Donovan geboren wurde.

Manche waren überzeugt, es sei ein Zeichen gewesen, andere zuckten nur gleichgültig die Schultern und nannten es Zufall. Den meisten erschien es auf jeden Fall ungewöhnlich. Einig waren sich alle, dass die Geburt einer selbst ernannten Hexe – nur einen Steinwurf von dem berüchtigten Baum entfernt – dem Ort ein besonderes Flair verlieh.

Nash Kirkland amüsierte diese Tatsache, er fand sie interessant. Immerhin verbrachte er einen großen Teil seiner Zeit damit, übernatürliche Phänomene zu studieren. Es war höchst faszinierend, sich mit Vampiren, Werwölfen und anderen Kreaturen der Nacht seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Er würde es gar nicht anders wollen.

Allerdings bedeutete das nicht, dass er an Kobolde und Gnomen glaubte. An Hexen übrigens auch nicht. Männer verwandelten sich nicht in Werwölfe, nur weil Vollmond war, Tote wandelten nicht umher, und Frauen flogen auch nicht auf Besenstielen durch die Nacht. Außer natürlich im Märchen oder auf der Kinoleinwand.

Dort war einfach alles möglich, wie er nur allzu gerne anerkannte.

Er war ein vernünftiger Mann, der um den Wert von Illusionen und die Wichtigkeit fantasievoller Unterhaltung wusste. Und er war Träumer genug, um in Anlehnung an Märchen und Aberglauben Gestalten zu erschaffen, mit denen er das Publikum begeisterte.

Seit nunmehr sieben Jahren kannte jeder Horrorfilm-Fan seinen Namen, seit seinem ersten und auf Anhieb erfolgreichen Drehbuch für »Shape Shifter«.

Tatsache war, dass es Nash Kirkland einfach ungeheuren Spaß machte, wenn seine Fantasien auf der Leinwand lebendig wurden. Er genoss es, sich in das kleine Kino an der Ecke zu setzen, bewaffnet mit einer Riesentüte Popcorn und einem Pappbecher Cola, die unterdrückten Entsetzensschreie zu hören und das erschreckte Zusammenzucken seines Sitznachbarn mitzuerleben.

Und es befriedigte ihn ungemein, dass jeder Zuschauer, der für eine Eintrittskarte bezahlt hatte, auch etwas für sein Geld bekam.

Er recherchierte immer sehr sorgfältig. Für das Drehbuch von »Midnight Blood« war er eine Woche lang in Rumänien gewesen. Er hatte einen Mann interviewt, der von sich behauptete, der letzte lebende Abkömmling von Wlad, dem Pfähler, zu sein. Leider konnte der Nachfahre von Graf Dracula weder mit langen Eckzähnen auftrumpfen noch sich in eine Fledermaus verwandeln, dafür aber verfügte er über einen schier unerschöpflichen Schatz an Vampirlegenden.

Es waren diese Erzählungen aus dem Volk, die Nash inspirierten. Daraus spann er dann seine eigene Geschichte.

Er wusste, dass die meisten ihn für ziemlich seltsam hielten. Aber das machte ihm nichts aus. Als er jetzt in den Seventeen Mile Drive einbog, war er überzeugt, ein ganz normaler Mensch zu sein, der mit beiden Beinen fest auf dem Boden stand. Zumindest nach kalifornischem Standard. Es ließ sich ganz gut davon leben, Menschen zu unterhalten und ihnen Gänsehaut zu bereiten. Er hatte seinen Platz in der Gesellschaft gefunden. Er holte die Geister aus dem Keller und verlieh ihnen auf der Leinwand in Technicolor Gestalt, wobei er die ganze Sache meist mit einer Prise Sex und viel hintergründigem Humor würzte.

Nash Kirkland schaffte es, den schwarzen Mann zum Leben zu erwecken. Er war es, der aus dem sanften Dr. Jekyll den hinterlistigen Mr. Hyde machte, er ließ den Fluch der Pharaonen real werden. Und das alles, indem er Worte auf ein Blatt Papier schrieb. Vielleicht war er deshalb zum Zyniker geworden. Sicher, diese Geschichten machten ihm unendlichen Spaß, aber er wusste auch, dass sie nur genau das waren – Geschichten.

Er hatte noch Millionen davon in seinem Kopf herumschwirren. Das war sein Kapital. Um eine gute Geschichte war er nie verlegen.

Er hoffte, dass Morgana Donovan, Montereys Lieblingshexe, ihm dabei helfen würde, die nächste Geschichte Gestalt annehmen zu lassen. In den letzten Wochen, während er Kisten und Kartons in seinem neuen Heim ausgepackt, sich am Golfspiel versucht, als hoffnungslosen Fall wieder aufgegeben und einfach nur den Ausblick von seiner Terrasse genossen hatte, war in ihm das Gefühl gewachsen, dass seine nächste Geschichte von einer Hexe handeln müsse. Falls es so etwas wie Schicksal gab, dann war es diesmal sehr gnädig mit ihm gewesen. Es hatte ihn nur eine kurze Autofahrt von einer wahren Expertin entfernt neue Wurzeln schlagen lassen.

Er pfiff die Melodie aus dem Radio mit und überlegte, wie sie wohl aussehen mochte. Ob sie einen Turban trug und viel klimperndes Gold? Oder vielleicht ganz in wallende schwarze Tücher gekleidet war? Vielleicht war sie auch eine von diesen New-Age-Fanatikern und verstand sich als Medium für die Weisheiten versunkener Welten.

Wie auch immer, er hatte nichts gegen all das einzuwenden. Diese ganzen Verrückten gaben dem Leben ein bisschen Farbe.

Er hatte ganz bewusst vorab keine Informationen über die Hexe eingeholt. Er wollte sich seine eigene Meinung bilden, seiner Fantasie nicht von vornherein Fesseln auferlegen. Er wusste nur, dass Morgana Donovan vor achtundzwanzig Jahren hier in Monterey geboren wurde und einen gut gehenden Laden betrieb, der Menschen bediente, die sich für Kristalle und Kräuter interessierten.

Er bewunderte sie dafür, dass sie in ihrer Heimatstadt geblieben war. Selbst erst weniger als einen Monat in Monterey, fragte er sich, wie er überhaupt je irgendwo anders hatte leben können. Er grinste unwillkürlich. Der Himmel wusste, er hatte schon fast überall gelebt. Er konnte nur seinem Schicksal danken, dass es ihn mit einer Vorstellungsgabe gesegnet hatte, die es ihm ermöglichte, aus dem Großstadtdschungel Los Angeles an dieses wunderschöne Fleckchen Erde hier im Norden Kaliforniens umzusiedeln.

Es war gerade mal Anfang März, aber das Wetter war so angenehm, dass er seinen Jaguar bereits mit offenem Verdeck fahren konnte. Eine frische Brise zauste ihm durch das dunkelblonde Haar, und es roch nach frisch gemähtem Gras. Und nach Meer.

Der Himmel war wolkenlos und strahlend blau, der Wagen schnurrte wie eine kraftvolle, elegante Katze, er hatte sich gerade aus einer Beziehung gelöst, die immer schneller bergab gegangen war, und ein neues Projekt lag vor ihm. Was Nash anging, so war das Leben im Moment einfach perfekt.

Er erblickte den Laden, genau, wie man es ihm beschrieben hatte: an einer Straßenecke, flankiert von einer Boutique und einem Restaurant. Offensichtlich herrschte genügend Betrieb, denn er brauchte eine ganze Weile, bis er einen Parkplatz gefunden hatte, und das ein ziemliches Stück entfernt. Es machte ihm nichts aus, dass er laufen musste. Auf dem Weg kam ihm eine Gruppe Touristen entgegen, die darüber debattierten, wohin sie zum Lunch gehen sollten, eine bleistiftdünne Frau in lachsroter Seide, die zwei Afghanen an der Leine führte, und ein Geschäftsmann, der mit seinem Handy telefonierte.

Nash liebte Kalifornien.

Vor dem Laden blieb er stehen und las den Namenszug auf dem Schaufenster. »WICCA« stand dort, mehr nicht. Er lächelte in sich hinein. Das alte englische Wort für »Hexe«. Automatisch fielen ihm alte, buckelige Frauen ein, die durch Dörfer reisten, Beschwörungen murmelten und Warzen wegzauberten.

Szene außen, Tag, dachte er. Düsterer, wolkenverhangener Himmel, Wind mit Sturmböen. In einem kleinen, heruntergekommenen Dorf. Zerfallene Zäune und geschlossene Fensterläden. Eine kleine, runzlige Frau huscht über einen Feldweg, einen offensichtlich schweren, großen Korb am Arm, mit einem Tuch abgedeckt. Ein riesiger schwarzer Rabe stößt einen Schrei aus, lässt sich flügelschlagend auf einem Zaunpfosten nieder. Vogel und Frau starren einander einen Moment lang an. Aus der Ferne ertönt ein lang gezogener, verzweifelter Schrei.

Das Bild verschwand, als jemand aus dem Laden kam und Nash leicht anrempelte. Eine leise Stimme murmelte eine Entschuldigung.

Nash nickte nur. Eigentlich ganz gut, dass dieser Jemand ihn unterbrochen hatte. Es war nie gut, ohne den Experten zu weit mit der Geschichte vorzupreschen. Im Moment hatte er nur vor, sich ihre Waren anzusehen.

Die Auslagen im Schaufenster waren beeindruckend und bewiesen einen Hang zu dramatischer Eleganz, wie er feststellte. Dunkelblauer Samt ergoss sich wie fließendes Wasser über verschieden hohe und breite Ständer mit Kristallen, die in der Sonne funkelten wie Edelsteine. Rosé und aquamarinblau, andere glasklar, wiederum andere purpurrot oder fast schwarz, angehäuft und geformt zu Zauberstäben, kleinen Burgen oder surrealistischen Städtchen.

Nash wippte auf den Absätzen und schürzte die Lippen. Er konnte sich gut vorstellen, dass die Auslage die Leute faszinierte – die Farben, die Formen, das Glitzern. Die Tatsache, dass tatsächlich jemand daran glaubte, einem Stück Stein würden geheimnisvolle Kräfte innewohnen, war nur ein weiterer Grund, um sich über das menschliche Wesen zu wundern. Aber hübsch war es auf jeden Fall.

Vielleicht bewahrte sie ja die Kessel im hinteren Teil des Ladens auf.

Er gluckste bei der Vorstellung, warf noch einen Blick auf das Schaufenster und öffnete die Ladentür. Vielleicht würde er ja etwas für sich selbst kaufen. Einen Briefbeschwerer vielleicht oder einen Sonnenfänger, einen Kristall, den man an die Decke vors Fenster hängte, damit er das Farbprisma auf die Zimmerwände warf. Ja, vielleicht würde er das tun – wenn sie keine Wolfszähne oder Drachenschuppen vorrätig hatte.

Der Laden war zum Bersten voll. Selbst schuld, dachte er bei sich. Das kam davon, wenn man am Samstagvormittag vorbeischaute. Aber immerhin würde ihm das erlauben, sich in Ruhe umzusehen und herauszufinden, wie eine Hexe im zwanzigsten Jahrhundert ein Geschäft führte.

Die Auslagen im Laden waren genauso aufwändig dekoriert wie im Schaufenster. Verschiedene Steine, manche aufgeschnitten und mit einem kristallenen Innenleben, schmückten die Regale, daneben ausgefallen geformte kleine Fläschchen mit farbigen Etiketten. Nash war regelrecht enttäuscht, als er sah, dass es sich dabei um Badeessenzen aus Kräutern handelte. Er hatte stark gehofft, wenigstens einen Liebestrank darunter zu finden.

Überall Kräuter- und Pflanzenpotpourris, verschiedene Teemischungen, Duftkerzen und Kristalle in allen Formen und Farben. Interessanter Schmuck war in einer Glasvitrine ausgestellt. Kunstwerke, Bilder, Statuen, Skulpturen, alles so geschickt präsentiert, dass dieser Laden eigentlich als Galerie bezeichnet werden müsste.

Da das Ungewöhnliche Nash schon immer gefesselt hatte, wandte er sich einer Tischlampe aus gehämmertem Zinn zu – ein Drache mit ausgebreiteten Flügeln und leuchtend roten Augen.

Und dann sah er sie. Ein Blick genügte, und er war sicher, dass so eine moderne Hexe aussehen musste. Die ernst aussehende Blondine war mit zwei Kunden beschäftigt, die sich wohl für die verschiedenen Kristalle auf dem Tisch interessierten. Ihre grazile Gestalt steckte in einem hautengen schwarzen Overall, lange Ohrringe baumelten ihr bis auf die Schultern, und an jedem ihrer Finger, die in tödlich wirkenden, rot lackierten Nägeln ausliefen, trug sie einen Ring.

»Interessant, nicht wahr?«

»Hm?« Bei der rauchigen Stimme drehte Nash sich um. Und vergaß die moderne Hexe drüben am anderen Ende des Ladens augenblicklich. Stattdessen ertrank er fast in einem Paar kobaltblauer Augen. »Wie bitte?«

»Der Drache.« Sie fuhr mit den Fingern über das Zinn. »Ich habe mich gerade gefragt, ob ich ihn mit nach Hause nehmen soll.« Sie lächelte, und Nash sah, dass ihre Lippen voll und weich und ohne Lippenstift waren. »Mögen Sie Drachen?«

»Ich bin verrückt nach ihnen«, entschied er schlagfertig. »Kaufen Sie hier oft etwas?«

»Ständig.« Sie schob sich das Haar zurück. Es war schwarz wie die Nacht und fiel ihr in sanften Wellen bis auf die Hüften. Nash versuchte sich Stück für Stück ein Bild von ihr zu machen. Die Haut, weiß schimmernd wie Elfenbein, passte hervorragend zu dem dunklen Haar. Die großen Augen blickten klar und waren von dichten Wimpern umrandet, die Nase gerade und zierlich. Sie war fast genauso groß wie er und dazu gertenschlank. Das schlichte blaue Kleid, das sie trug, zeugte von Stil und sicherem Geschmack und brachte die fraulichen Rundungen bestens zur Geltung.

Etwas an ihr war … verwirrend, gestand er sich ein, auch wenn er nicht hätte sagen können, was genau es war. Dazu war er viel zu sehr damit beschäftigt zu genießen, was er sah.

Wieder verzog sie die Lippen zu einem Lächeln. Ein wissendes wie auch amüsiertes Lächeln. »Waren Sie schon öfter hier im ›Wicca‹?«

»Nein, aber ich muss sagen, es gibt tolle Sachen hier.«

»Interessieren Sie sich für Kristalle?«

»Ich könnte mich vielleicht dafür erwärmen.« Er nahm einen großen Amethyst zur Hand. »Leider bin ich in Geologie in der Schule durchgefallen.«

»Ich glaube nicht, dass man hier Noten verteilt.« Sie deutete auf den Stein, den er hielt. »Wenn Sie mit Ihrem inneren Selbst in Kontakt treten wollen, müssen Sie den Stein in die linke Hand nehmen.«

»So?« Er tat ihr den Gefallen, aber er sagte ihr nicht, dass er nichts fühlte – außer der Freude zu beobachten, wie der Saum ihres Kleides ihre Knie umspielte. »Also, wenn Sie sozusagen eine Stammkundin hier sind, könnten Sie mich ja vielleicht der Hexe vorstellen.«

Mit einer hochgezogenen Augenbraue folgte sie seinem Blick zu der zierlichen Blondine, die gerade etwas für ihre Kunden einpackte. »Sie suchen eine Hexe?«

»So könnte man es wohl sagen, ja.«

Ihre wunderbaren blauen Augen richteten sich wieder auf Nash. »Sie sehen nicht aus wie ein Mann, der einen Liebeszauber nötig hat.«

Er grinste. »Danke. Aber um genau zu sein … ich benötige Informationen. Ich schreibe Filmdrehbücher, und ich habe vor, eine Geschichte über Hexen in den neunziger Jahren zu schreiben. Sie wissen schon, Geheimbünde, Sex, Opferdarbringungen … solche Sachen.«

»Ah.« Als sie den Kopf neigte, blinkten durchsichtige Kristalltropfen an ihren Ohren auf. »Junge Frauen, die unter wolkenverhangenem Himmel nackt auf einer Lichtung tanzen und dann Liebestränke bei Vollmond brauen, um ihre ahnungslosen Opfer zu verführen.«

»Ja, so was in der Art.« Er lehnte sich ein wenig näher zu ihr und stellte fest, dass sie kühl und frisch roch wie ein Wald bei Mondlicht. »Ist diese Morgana wirklich davon überzeugt, dass sie eine Hexe ist?«

»Sie weiß, was sie ist, Mr. …?«

»Kirkland. Nash Kirkland.«

Ihr Lachen klang tief und ehrlich erfreut. »Aber natürlich. Ich kenne und schätze Ihre Arbeit. Am besten hat mir ›Midnight Blood‹ gefallen. Sie haben Ihren Vampir mit einer Menge Esprit und Einfühlungsvermögen ausgestattet, ohne die Tradition zu verletzen.«

»Selbst für Untote gibt es mehr als Friedhofserde und Sargdeckel.«

»Ja, wahrscheinlich. Und eine Hexe rührt nicht nur Zaubertränke in ihrem Kessel.«

»Genau. Deshalb will ich ja auch ein Interview mit ihr. Sie muss eine äußerst intelligente Lady sein, um das Ganze durchzuziehen.«

»Durchziehen?«, wiederholte sie, während sie sich bückte, um eine große weiße Katze aufzuheben, die um ihre Beine strich.

»Ja, immerhin genießt sie einen ausgezeichneten Ruf. Ich habe in L. A. von ihr gehört. Die Leute erzählen seltsame Geschichten.«

»Das glaube ich gern.« Sie streichelte der Katze über den Kopf. Nash sah sich jetzt von zwei Augenpaaren gefangen – einem kobaltblauen und einem bernsteinfarbenen. »Aber Sie selbst glauben nicht an diese Kraft, oder?«

»Ich glaube, dass ich eine verdammt gute Story daraus machen kann.« Er legte all seinen Charme in sein Lächeln. »Also? Legen Sie ein gutes Wort bei der Hexe für mich ein?«

Sie musterte ihn genauer. Ein Zyniker, entschied sie. Noch dazu einer, der sich seiner selbst viel zu sicher war. Bisher schien das Leben Nash Kirkland auf Rosen gebettet zu haben. Nun, es wurde Zeit, dass er ein paar Dornen zu spüren bekam.

»Das wird nicht nötig sein.« Sie streckte ihm ihre Hand hin, eine schlanke Hand mit langen Fingern, nur ein einzelner silberner Ring als Schmuck. Er nahm die dargebotene Hand automatisch und stieß unwillkürlich die Luft aus, als ihm ein elektrischer Schlag durch den Arm zuckte. Sie lächelte nur.

»Sie haben Ihre Hexe bereits gefunden.«

Statische Elektrizität, sagte Nash sich einen Moment später, während Morgana die Frage eines Kunden beantwortete. Schließlich hielt sie die Katze und hatte die ganze Zeit das Fell gestreichelt – daher der Schlag.

Trotzdem spreizte er unauffällig die Finger und ballte sie wieder zur Faust.

Ihre Hexe, hatte sie gesagt. Er war sich nicht ganz sicher, ob ihm dieses Pronomen gefiel. Es machte die Dinge ein wenig zu … zu intim. Nicht, dass sie nicht umwerfend aussah. Aber wie sie ihn angelächelt hatte, als er zusammengezuckt war, machte ihn nervös. Jetzt wusste er auch, was an ihr so verwirrend war.

Macht. Oh nein, nicht diese Art von Macht, versicherte er sich selbst, während er zusah, wie sie getrocknete Kräuter bündelte. Es war die Macht, die manchen schönen Frauen einfach angeboren zu sein schien – eine ursprüngliche Sexualität und ein geradezu erschreckendes Selbstbewusstsein. Er hatte sich nie für den Typ Mann gehalten, der durch die Willenskraft einer Frau eingeschüchtert wurde, allerdings musste er sich eingestehen, dass anschmiegsame, nachgiebige Frauen wesentlich weniger anstrengend waren.

Nun, wie auch immer. Sein Interesse an ihr war beruflicher Natur. Nicht nur, wie er in Gedanken anfügte. Ein Mann müsste schon jahrelang im Grab liegen, um Morgana Donovan anzusehen und seine Gedanken auf einer rein professionellen Ebene halten zu können. Aber Nash war ziemlich sicher, dass er Job und Privates voneinander trennen konnte.

Er wartete, bis sie mit dem Kunden fertig war, setzte ein zerknirschtes Lächeln auf und ging zu ihr an die Kasse. »Ich frage mich, ob Sie wohl eine geeignete Beschwörung parat haben, die mich wieder aus dem Fettnäpfchen herausholt.«

»Ich denke, das schaffen Sie auch allein.« Normalerweise hätte sie ihn längst sich selbst überlassen, aber es musste einen Grund geben, weshalb sie ihn am anderen Ende des Ladens erspäht und sich von ihm angezogen gefühlt hatte. Morgana glaubte nicht an Zufälle. Außerdem, ein Mann mit so sanften braunen Augen konnte kein kompletter Idiot sein. »Ich fürchte, Sie kommen zu einer unpassenden Zeit, Nash. Wir haben heute hier sehr viel Betrieb.«

»Sie machen um sechs Uhr zu. Vielleicht könnte ich dann zurückkommen? Ich lade Sie zu einem Drink ein. Oder zum Dinner?«

Ihr erster Impuls war abzulehnen. Sie hätte es vorgezogen, erst zu meditieren oder ihre Kristallkugel zu befragen. Doch bevor sie etwas sagen konnte, sprang die weiße Katze leichtfüßig auf den Tresen. Nash streckte die Hand aus und kraulte das Tier hinter den Ohren. Und anstatt auszuweichen oder beleidigt zu fauchen, wie es sonst bei Fremden ihre Art war, begann die weiße Katze zu schnurren und schmiegte sich an Nashs Hand. Ihre bernsteinfarbenen Augen wurden zu schmalen Schlitzen, aus denen sie Morgana unverwandt anstarrte.

»Luna scheint mit Ihnen einverstanden zu sein«, murmelte Morgana. »Na schön, sechs Uhr also.« Die Katze schnurrte lauter. »Dann werde ich entscheiden, was ich mit Ihnen mache.«

»Bestens.« Nash strich Luna noch einmal über den Rücken und verließ den Laden.

Mit gerunzelter Stirn sah Morgana auf die Katze hinab. »Ich kann nur hoffen, dass du weißt, was du tust.«

Luna verlagerte ihr nicht unerhebliches Gewicht und begann sich seelenruhig zu putzen.

Morgana blieb danach keine Zeit, noch länger über Nash nachzudenken. Sicher, da sie mit ihrer impulsiveren Seite eigentlich immer im Clinch lag, hätte sie eine ruhige Stunde vorgezogen, in der sie ihre Vorgehensweise genau hätte überlegen können. Tatsache jedoch war, dass die Ladentür kaum stillstand und die vielen Kunden ihre ganze Aufmerksamkeit beanspruchten. So beruhigte sie sich mit dem Gedanken, dass ihr ein vorwitziger Geschichtenerzähler mit treuen Hundeaugen wohl kaum Schwierigkeiten machen würde.

»Puh.« Mindy, die vollbusige Blondine, die Nash so bewundert hatte, ließ sich hinter der Theke auf einen Hocker fallen. »Seit Weihnachten waren nicht mehr so viele Leute auf einmal im Laden.« Sie zog einen Kaugummistreifen aus der Hosentasche und grinste. »Hast du vielleicht eine Geldformel gemurmelt?«

Morgana baute ein kleines Schloss aus Glassteinen zusammen, bevor sie antwortete. »Die Sterne stehen günstig fürs Geschäft. Außerdem ist die neue Schaufensterdekoration einfach umwerfend.« Sie lächelte. »Geh nach Hause, Mindy. Ich räum auf und schließ ab.«

»Das musst du mir nicht zweimal sagen.« Sie glitt vom Hocker und streckte sich ausgiebig. Dann hob sie die Augenbrauen. »Oh Mann, schau dir das an. Groß, gebräunt und unheimlich appetitlich anzusehen.«

Morgana folgte Mindys Blick und erkannte Nash draußen auf der Straße vor dem Schaufenster. Diesmal hatte er mehr Glück mit einem Parkplatz gehabt und stieg direkt vor dem Laden aus seinem Wagen.

»Immer mit der Ruhe, Mädchen.« Morgana lachte leise. »Männer wie der da brechen Herzen, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden.«

»Ach, das ist okay. Mein Herz war schon seit Tagen nicht mehr gebrochen. Sehen wir uns das doch mal genauer an …« Innerhalb von Sekundenbruchteilen hatte Mindy eine genaue Einschätzung parat. »Knapp eins neunzig, achtzig wunderbar muskulöse Kilo. Der lässige Typ, vielleicht ein bisschen zu intellektuell. Ist gerne im Freien, übertreibt es aber nicht. Ein paar sonnengebleichte Strähnchen, die Haut in genau dem richtigen Braunton. Gute Gesichtsknochen, wird also im Alter nicht einfallen. Augen wie ein junger Hund, und dann dieser Wahnsinnsmund …«

»Glücklicherweise weiß ich, dass du mehr von Männern hältst als von jungen Hunden.«

Kichernd frischte Mindy mit den Fingern ihre Frisur auf. »Oh ja, allerdings. Ich kenne den Unterschied.« Als die Tür aufging, stellte Mindy sich in Pose. »Hallo, Sie Hübscher. Sie wollen also ein bisschen Magie erleben?«

Immer bereit, einer freundlichen Frau entgegenzukommen, schenkte Nash ihr ein fröhliches Grinsen. »Was können Sie denn empfehlen?«

»Nun jaaa …« Das Wort hörte sich an wie Lunas Schnurren.

»Mindy, Mr. Kirkland ist kein Kunde.« Morganas Stimme klang sanft und amüsiert. Es gab nur wenig, das unterhaltender war als Mindys Flirts mit attraktiven Männern. »Wir haben einen Termin.«

»Vielleicht beim nächsten Mal«, sagte Nash zu Mindy.

»Wann immer Sie wollen«, hauchte Mindy, warf Nash einen letzten verführerischen Blick zu und verschwand zur Tür hinaus.

»Ich wette, sie jagt die Umsatzzahlen nach oben«, meinte Nash grinsend.

»Ja, genauso wie den Blutdruck aller männlichen Kunden. Wie ist es um Ihren bestellt?«

Das Grinsen wurde sofort breiter. »Haben Sie zufällig eine Sauerstoffmaske da?«

»Tut mir leid, der Sauerstoff ist gerade ausgegangen.« Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. »Warum setzen Sie sich nicht ein paar Minuten? Ich muss noch … Mist!«

»Wie bitte?«

»Ich hätte das ›Geschlossen‹-Schild schneller anbringen sollen«, murmelte Morgana, dann lächelte sie, als die Tür geöffnet wurde. »Hallo, Mrs. Littleton.«

»Morgana.« Die Frau, die jetzt in den Laden strömte, stieß einen erleichterten Seufzer aus.

Nash schätzte sie auf irgendwo zwischen sechzig und siebzig, und »strömen« war die richtige Beschreibung. Die alte Dame war gebaut wie ein Kreuzfahrtschiff, mit massivem Bug. Bunte Schals umflatterten sie wie wehende Fahnen. Ihr Haar war leuchtend rot gefärbt und krauste sich um ein rundes Gesicht, kräftiges Smaragdgrün umrandete die Augen, während der Mund in tiefem Korallenrot erstrahlte. Sie streckte beide Hände vor – zahlreiche Ringe schmückten die Finger – und griff nach Morgana.

»Ich habe es nicht früher geschafft. Ich musste erst noch einen jungen Polizisten schelten, der mir doch tatsächlich einen Strafzettel geben wollte. Man stelle sich vor, der Junge ist noch nicht einmal alt genug, dass ihm ein Bart wächst, aber er will mir etwas von Verkehrsregeln erzählen«, brummelte sie empört. »Ich hoffe, Sie haben noch eine Minute Zeit für mich?«

»Aber natürlich.« Morgana konnte nichts dagegen tun, sie mochte die alte Dame einfach.

»Ach, Sie sind ein Schatz. Sie ist doch ein Schatz, nicht wahr?«, wandte sich Mrs. Littleton an Nash.

»Dem kann ich nur zustimmen.«

Mrs. Littleton strahlte. Unter dem Klimpern von vielen Ketten und Armreifen wandte sie sich ihm jetzt ganz zu. »Sie sind Schütze, nicht wahr?«

»Äh …« Rasch berichtigte Nash in Gedanken sein Geburtsdatum, um der alten Dame einen Gefallen zu tun. »Stimmt. Woher wussten Sie das?«

Sie atmete schwer aus, und ihr ausladender Busen hob und senkte sich. »Mit aller Bescheidenheit darf ich von mir behaupten, eine ausgezeichnete Menschenkennerin zu sein. Ich werde Sie wirklich nur einen Moment von Ihrer Verabredung abhalten.«

»Es ist keine Verabredung«, berichtigte Morgana. »Also, Mrs. Littleton, was kann ich für Sie tun?«

»Ach, es handelt sich nur um einen winzigen Gefallen.« Mrs. Littletons Augen begannen zu funkeln, und Morgana unterdrückte gerade noch einen Seufzer. »Es geht um meine Großnichte. Bald ist doch der Abschlussball, und da ist dieser süße Junge in ihrem Geometriekurs …«

Dieses Mal würde sie hart bleiben, schwor Morgana sich. Hart wie Stein. Sie nahm Mrs. Littleton beim Arm und zog sie ein Stück von Nash weg. »Ich habe Ihnen bereits erklärt, dass ich das nicht mache.«

Mrs. Littleton klimperte mit den falschen Wimpern. »Ich weiß, dass Sie so etwas normalerweise«, sie zog das Wort lang, »nicht machen. Aber in diesem Fall ist es wirklich etwas ganz Besonderes.«

»Das ist es immer.« Sie warf Nash, der unauffällig näher gekommen war, einen argwöhnischen Blick zu und zog Mrs. Littleton noch weiter in den Laden hinein. »Ich bin sicher, Ihre Nichte ist ein ganz entzückendes Mädchen, aber eine Verabredung für ihren Abschlussball zu arrangieren wäre leichtfertig – solche Dinge haben immer Nachwirkungen. Nein«, fügte sie sofort an, als Mrs. Littleton protestieren wollte. »So etwas zu arrangieren bedeutet, etwas zu verändern, das nicht verändert werden sollte. Es könnte ihr ganzes Leben beeinflussen.«

»Es ist doch nur dieser eine Abend.«

»Wenn man das Schicksal für einen Moment verändert, ist es durchaus möglich, dass Jahrhunderte einen anderen Gang nehmen.« Bei Mrs. Littletons enttäuschtem Gesicht kam Morgana sich mies und schäbig wie ein Geizkragen vor, der einem hungernden Mann ein Stück Brot verweigerte. »Ich weiß, wie sehr Sie sich eine besondere Nacht für Ihre Nichte wünschen, aber man darf nicht mit dem Schicksal spielen.«

»Sie ist doch so schüchtern«, seufzte Mrs. Littleton. Ihr Gehör war noch scharf genug, der Hauch von Schwäche in Morganas Stimme war ihr nicht entgangen. »Und sie denkt, sie sei nicht hübsch genug. Aber sie ist hübsch. Sehen Sie nur.« Bevor Morgana etwas erwidern konnte, hatte Mrs. Littleton bereits ein Foto ihrer Nichte hervorgezogen.

Sie wollte sich das Foto nicht ansehen, und doch senkte sie die Augen auf das Konterfei des hübschen Teenagers. Dieser melancholische Blick gab ihr dann den Rest.

Drachenblut und Höllenfeuer! Morgana fluchte still. Warum nur musste sie bei den ersten zarten Gefühlen junger Menschen immer schwach werden! »Ich kann aber für nichts garantieren, nur vorschlagen.«

»Oh, das würde schon genügen.« Mrs. Littleton holte ein weiteres Bild hervor, offensichtlich aus dem Jahrbuch der Highschool herausgeschnitten. »Das ist Matthew. Ein hübscher Name, nicht wahr? Matthew Brody und Jessie Littleton. Sie fangen doch bald an, oder? Der Ball ist am ersten Samstag im Mai.«

»Wenn es so sein soll, wird es auch geschehen.« Morgana ließ die beiden Fotos in ihrer Tasche verschwinden.

»Ach, Sie sind einfach wunderbar.« Strahlend küsste Mrs. Littleton Morgana auf die Wange. »Jetzt will ich Sie aber nicht weiter aufhalten. Ich komme am Montag wieder vorbei.«

»Ein schönes Wochenende.« Verärgert über sich selbst, sah Morgana Mrs. Littleton nach.

»Hätte sie Ihnen nicht ein Silberstück dafür geben müssen?«

Beim Klang von Nashs Stimme wandte Morgana den Kopf. Ihre Augen blitzten wütend. »Ich bereichere mich nicht durch die Macht.«

Er zuckte nur die Schultern und kam auf sie zu. »Ich sage es wirklich nicht gern, aber die alte Dame hat Sie nach allen Regeln der Kunst um den Finger gewickelt.«

Ein Hauch von Rot überzog ihre Wangen. Wenn sie etwas mehr hasste als schwach zu werden, dann war es schwach werden vor Zeugen. »Darüber bin ich mir im Klaren.«

Er hob die Hand und rieb mit dem Daumen den Lippenstift von ihrer Wange, den Mrs. Littletons Kuss dort hinterlassen hatte. »Ich dachte immer, Hexen seien knallhart. Aber da habe ich mich wohl getäuscht.«

»Ich habe nun mal eine Schwäche für Exzentriker und gute Seelen. Und Sie sind kein Schütze.«

Nur unwillig sah er ein, dass es keine Notwendigkeit mehr gab, ihre Wange zu berühren. Ihre Haut fühlte sich weich und kühl an wie Seide. »Bin ich nicht? Was denn dann?«

»Zwilling.«

Er zog eine Augenbraue hoch und steckte die Hände in die Hosentaschen. »Gut geraten.«

Dass er sich unwohl fühlte, versöhnte sie ein wenig. »Mit Raten hat das nicht viel zu tun. Aber da Sie nett genug waren, Mrs. Littletons Gefühle nicht zu verletzen, werde ich meinen Ärger nicht an Ihnen auslassen. Warum kommen Sie nicht mit nach hinten durch? Ich werde uns einen Tee brauen.« Als sie sein Gesicht sah, musste sie lachen. »Na schön, ich kann Ihnen auch ein Glas Wein anbieten, wenn Ihnen das lieber ist.«

»Ja, das ist besser.«

Er folgte ihr durch die Tür hinter dem Verkaufstresen in einen Raum, der als Lager, Büro und Küche diente. Obwohl nicht groß, schien der Raum doch nicht überladen. An zwei Wänden waren Regale angebracht, auf denen sich Kisten und Bücher stapelten. Auf einem Schreibtisch aus Kirschholz stand eine Messinglampe in Form einer Meerjungfrau, ein Telefon, ein Stapel Unterlagen, beschwert mit einem Glasstein, in dem sich das Licht brach, wartete darauf, bearbeitet zu werden.

Dahinter stand ein kleiner Kühlschrank, ein Zwei-Platten-Kocher und ein kleiner Bistro-Tisch mit zwei Stühlen. Auf der Fensterbank des großen Fensters wuchsen in Tontöpfen verschiedene Kräuter. Nash roch … er war sich nicht sicher … Salbei vielleicht … und Oregano. Und Lavendel. Auf jeden Fall duftete es angenehm.

Morgana nahm zwei durchsichtige Kelche von dem Regal über der Spüle. »Setzen Sie sich. Ich kann Ihnen zwar nicht sehr viel Zeit widmen, aber zumindest können Sie es sich gemütlich machen.« Sie nahm eine Flasche mit einem langen Hals aus dem Kühlschrank und füllte die Gläser mit einer goldenen Flüssigkeit.

»Kein Etikett?«

»Es ist mein eigenes Rezept.« Lächelnd nippte sie an ihrem Kelch. »Keine Angst, es ist kein einziges Molchauge drin.«

Eigentlich hatte er lachen sollen, aber die Art, wie sie ihn über den Rand ihres Glases hinweg musterte, machte ihn irgendwie unruhig. Aber er hatte noch nie eine Herausforderung abgelehnt. Also trank er einen Schluck. Der Wein war kühl, nur leicht süß und ungemein samtig. »Schmeckt gut.«

»Danke.« Sie nahm auf dem anderen Stuhl Platz. »Ich habe noch nicht entschieden, ob ich Ihnen helfen werde oder nicht. Aber Ihr Handwerk interessiert mich, vor allem, da Sie doch jetzt vorhaben, meines als Thema zu bearbeiten.«

»Sie mögen also Filme, Morgana.« Das war immerhin ein erster Schritt.

»Unter anderem. Mir gefallen die verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten menschlicher Vorstellungskraft.«

»Dann …«

»Aber«, unterbrach sie ihn, »ich bin mir nicht sicher, ob ich meine persönliche Geschichte in Hollywood sehen will.«

»Darüber können wir ja reden.« Er lächelte, und erneut überkam sie das Gefühl, dass er eine Energie ausstrahlte, die man nicht außer Acht lassen durfte. Während sie noch darüber nachdachte, sprang Luna auf den Tisch. Nash bemerkte, dass die Katze einen runden Kristall an einem Halsband trug. »Sehen Sie, Morgana, ich maße mir hier kein Urteil an. Ich will nicht die Welt verändern, ich will nur einen Film machen.«

»Warum ausgerechnet Horror und Okkultismus?«

»Warum?« Er zuckte die Schultern. Er fühlte sich nie wohl dabei, wenn die Leute ihn aufforderten, es zu analysieren. »Ich weiß es nicht. Vielleicht, weil ich will, dass die Leute den lausigen Tag im Büro vergessen, sobald sie den ersten Schreckensschrei gehört haben.« Seine Augen funkelten humorvoll. »Oder vielleicht deshalb, weil ich zum ersten Mal bei einem Mädchen weitergekommen bin, als sie mir bei Carpenters ›Halloween‹ im Kino fast auf den Schoß kroch.«

Morgana nahm noch einen Schluck Wein und überlegte. Vielleicht, aber auch nur vielleicht, lag hinter dieser selbstzufriedenen Fassade doch eine empfindsame Seele. Talent war da ganz sicher, und auch ein gewisser Charme war nicht zu leugnen. Es störte sie, dass sie sich … irgendwie von ihm gedrängt fühlte. Dazu gedrängt zuzustimmen.

Nun, sie würde genau das tun, was sie wollte. Und wenn sie Nein sagte, dann hieß das auch nein. Aber erst würde sie das noch genauer ausloten.

»Erzählen Sie mir etwas von Ihrer Story.«

Nash witterte seine Chance und legte los. »Ich habe noch keine Story. Keine richtige zumindest. Und genau da kommen Sie ins Bild. Ich habe gern eine fundierte Basis. Natürlich kann ich viele Informationen aus Büchern bekommen«, er hob seine Hände, »und ich habe auch schon einiges gesammelt, schließlich überschneiden sich viele Gebiete des Okkulten. Aber ich will den persönlichen Blickwinkel. Ich will wissen, wie Sie zur Magie, zur Hexerei gekommen sind. Nehmen Sie an Zeremonien teil? Welche Insignien bevorzugen Sie?«

Morgana strich nachdenklich mit dem Finger über den Rand ihres Kelches. »Ich fürchte, Sie beginnen mit einem falschen Eindruck. Bei Ihnen hört sich das so an, als wäre ich einem Verein beigetreten.«

»Bund, Club, Verein … eine Gruppe Gleichgesinnter.«

»Ich gehöre keinem Bund an. Ich ziehe es vor, allein zu arbeiten.«

Interessiert beugte er sich vor. »Und wieso?«

»Es gibt Gruppen, die ernst zu nehmen sind, andere sind es nicht. Dann gibt es auch noch solche, die sich an Dingen versuchen, die besser unter Verschluss gehalten werden sollten.«

»Schwarze Magie.«

»Nennen Sie es, wie Sie wollen.«

»Und Sie sind eine gute, eine weiße Hexe.«

»Sie lieben es, alles zu etikettieren, nicht wahr?« Mit einer ungeduldigen Bewegung nahm sie ihr Weinglas auf. Es machte ihr nichts aus, über ihre Kräfte zu reden, aber sie erwartete, dass man ihr mit Respekt begegnete. »Wir alle werden mit bestimmten Kräften geboren, Nash. Ihr Talent ist es, unterhaltsame Geschichten zu erzählen. Und auf Frauen zu wirken.« Sie lächelte leicht. »Ich bin sicher, Sie wissen um diese Kräfte und benutzen sie. So wie ich meine einsetze.«

»Was sind Ihre Kräfte?«

Sie ließ sich Zeit. Setzte das Glas ab, blickte auf und sah ihm direkt in die Augen. Unter diesem Blick kam er sich vor wie ein Trottel, weil er überhaupt gefragt hatte. Da war sie, die Macht – eine Macht, die einen Mann in die Knie zwingen konnte.

»Sie würden gern eine kleine Demonstration sehen, nicht wahr?« Ein leichter Anflug von Ungeduld lag in ihrer Stimme.

Er schaffte es irgendwie, Luft zu holen und das abzuschütteln, was ihn überkommen hatte. Eine Art Trance – wenn er denn an so etwas wie Trance glauben würde. »Mit Vergnügen.« Es konnte sein, dass er sich hier auf dünnes Eis begab, aber ihn ritt der Teufel.

Ärger trieb einen Hauch Rot in ihr Gesicht, dass ihre Wangen schimmerten wie ein Pfirsich. »Was hatten Sie sich denn vorgestellt? Blitze, die aus Fingern schießen? Soll ich den Wind beschwören oder den Mond vom Himmel fallen lassen?«

»Die Entscheidung überlasse ich ganz Ihnen.«

Der Mann hat wirklich Nerven!, dachte sie, als sie sich erhob. Die Kraft rauschte heiß durch ihre Adern. Es würde ihm nur recht geschehen, wenn sie …

»Morgana.«

Sie wirbelte herum, Zorn versprühend. Mit Mühe zwang sie sich dazu, sich zu entspannen.

»Ana.«

Nash hätte nicht sagen können, weshalb er das Gefühl hatte, gerade ganz knapp einer Katastrophe entkommen zu sein. Er wusste nur, dass er für einen Moment so von Morgana gefangen gewesen war, dass er noch nicht einmal ein Erdbeben bemerkt hätte. Sie hatte ihn in ihren Bann gezogen, und jetzt konnte er nur ein wenig benommen auf die schlanke blonde Frau starren, die in der Tür aufgetaucht war.

Sie war sehr hübsch und, obwohl einen Kopf kleiner als Morgana, strahlte sie eine seltsame, ruhige Kraft aus. Ihre Augen waren von einem sanften Grau, ihr Blick lag jetzt unverwandt auf Morgana. Sie trug einen Karton unter dem Arm, voll mit blühenden Kräuterpflanzen.

»Du hattest das Schild nicht aufgehängt, deshalb bin ich vorne reingekommen.«

»Lass mich dir den Karton abnehmen.« Die beiden Frauen tauschten Botschaften aus, Nash wusste es, auch ohne ein Wort zu hören. »Ana, das ist Nash Kirkland. Nash, meine Cousine Anastasia.«

»Entschuldigt, wenn ich euch störe.« Ihre Stimme war ebenso sanft und beruhigend wie ihr Blick.

»Nein, du störst nicht«, sagte Morgana, während Nash sich erhob. »Wir sind sowieso fertig.«