Die ewige Prinzessin - Philippa Gregory - E-Book
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Die ewige Prinzessin E-Book

Gregory Philippa

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Beschreibung

Eine Reise vom sonnenhellen Glanz der Alhambra zur düsteren Kühle des englischen Hofes

Katharina von Aragón ist erst 14 Jahre alt, als sie zu Beginn des 16. Jahrhunderts den Thronfolger Englands heiraten muss. Sie verlässt ihr Heimatland Spanien - und damit alles, was sie liebt. Am englischen Hof herrschen spürbar schroffere Sitten. Und Katharina sehnt sie sich zurück nach Badekultur und exotischen Früchten, nach luftigen Gewändern und lauen Sommernächten. Als erste Frau Heinrichs VIII. lernt sie den tyrannischen Herrscher aus nächster Nähe kennen: Als Erste leidet sie unter seinen unzähligen Liebschaften, und als Erste erfährt sie, was es bedeutet, ihm keinen Sohn schenken zu können ...

"Die ewige Prinzessin" ist die Romanvorlage zur Fernsehserie "The Spanish Princess", die Fortsetzungsserie von "The White Princess" und "The White Queen".

"Philippa Gregory vermag es, den historischen Charakteren pralles Leben einzuhauchen, macht sie menschlich und verständlich." Karfunkel

Ein historischer Roman aus der Plantagenet-und-Tudor-Reihe von Bestsellerautorin Philippa Gregory. Ebenfalls bei beHEARTBEAT lieferbar: "Die Hofnärrin", "Der Geliebte der Königin" und "Das Erbe der Königin".

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Seitenzahl: 792

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Inhalt

Cover

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Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Prinzessin von Wales

Granada, 1491

6. Januar 1492

Dogmersfield-Palast, Hampshire, Herbst 1501

London, 14. November 1501

London, Winter 1501

Oxford, Weihnachten 1501

Burg Ludlow, Januar 1502

Burg Ludlow, Frühling 1502

Burg Ludlow, März 1502

Burg Ludlow, 2. April 1502

Sommer 1502 Croydon, Mai 1502

London, Juni 1502

Die wartende Prinzessin

Winter 1503

2. April 1503

Mai 1503

Whitehall, Juni 1503

25. Juni 1503

Wieder Prinzessin

1504

1509

21. April 1509

Greenwich-Palast, 11. Juni 1509

24. Juni 1509

Katharina, Königin von England

Sommer 1509

Herbst 1509

Westminster-Palast, Januar 1510

Frühling 1510

Greenwich-Palast, Mai 1510

Winter 1510

Frühling 1511, 1. Januar 1511

22. Februar 1511

Sommer 1511

Herbst 1511

Frühling 1512

Mai 1512

Sommer 1512

Winter 1512

Frühling 1513

Sommer 1513

10. September 1513

Walsingham, Herbst 1513

Juni 1529, Blackfriars Hall

Anmerkung der Autorin

Eine Bemerkung zu den Gedichten

Anmerkung der Übersetzerin

Fußnote

Weitere Titel der Autorinbei beHEARTBEAT

Das Erbe der Königin

Der Geliebte der Königin

Die Hofnärrin

Über dieses Buch

Eine Reise vom sonnenhellen Glanz der Alhambra zur düsteren Kühle des englischen Hofes

Katharina von Aragón ist erst 14 Jahre alt, als sie zu Beginn des 16. Jahrhunderts den Thronfolger Englands heiraten muss. Sie verlässt ihr Heimatland Spanien – und damit alles, was sie liebt. Am englischen Hof herrschen spürbar schroffere Sitten. Und Katharina sehnt sie sich zurück nach Badekultur und exotischen Früchten, nach luftigen Gewändern und lauen Sommernächten. Als erste Frau Heinrichs VIII. lernt sie den tyrannischen Herrscher aus nächster Nähe kennen: Als Erste leidet sie unter seinen unzähligen Liebschaften, und als Erste erfährt sie, was es bedeutet, ihm keinen Sohn schenken zu können …

Über die Autorin

Philippa Gregory, 1954 in Kenia geboren, studierte Geschichte in Brighton und promovierte an der Universität Edinburgh über englische Literatur des 18. Jahrhunderts. Sie arbeitete als Journalistin und Produzentin für Fernsehen und Radio und verfasste Kinderbücher, Kurzgeschichten, Reiseberichte sowie Drehbücher. Bekannt ist sie aber vor allem für ihre historischen Romane, darunter die Titel der Plantagenet und Tudor Reihe, in denen insbesondere die Rosenkriege und das elisabethanische Zeitalter thematisiert werden. Philippa Gregory lebt mit ihrer Familie in Nordengland.

Homepage der Autorin: http://www.philippagregory.com.

Philippa Gregory

DIE EWIGEPRINZESSIN

Aus dem Englischen vonBarbara Först

beHEARTBEAT

Digitale Neuausgabe

»be« - Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2005 by Philippa Gregory

Titel der englischen Originalausgabe: »The Constant Princess«

Originalverlag: HarperCollins Publishers Ltd., London

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2010/2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Covergestaltung: Maria Seidel, atelier-seidel.de unter Verwendung eines Motives © Richard Jenkins

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-6701-0

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Prinzessinvon Wales

GRANADA, 1491

Ein Schrei erscholl. Flammen züngelten an seidenem Behang. Panische Rufe ertönten, breiteten sich aus von Zelt zu Zelt wie das Feuer, das von einer seidenen Standarte zur nächsten übersprang, Halteseile erklomm und durch Zelteingänge brach. Dann begannen die Pferde vor Angst zu wiehern, und die Männer versuchten sie zu beruhigen, doch die Furcht in ihren Stimmen machte die Tiere nur noch rasender. Bald leuchtete die ganze Ebene im Schein brausender Feuer; Rauch wallte auf, Schreie und Weinen erfüllten die Nacht.

Erschrocken fuhr das kleine Mädchen von seinem Bette auf. Laut rief es nach seiner Mutter. »Sind das die Mauren?«, kreischte die Kleine. »Kommen sie uns holen?«

»Gott schütze uns, sie feuern auf das Lager!«, japste die Amme der Kleinen. »Heilige Mutter Gottes, sie werden mich vergewaltigen, und Euch werden sie auf ihre Krummschwerter spießen!«

»Mutter!«, rief das Kind und sprang aus dem Bett. »Wo ist meine Mutter?«

Mit wehendem Nachthemd stürmte die Kleine hinaus. Nun standen auch die Behänge ihres eigenen Zeltes in Flammen. Alle tausend Zelte des Heerlagers brannten lichterloh. Funken schossen wie feurige Schweife in den Nachthimmel, flogen wie ein Schwarm Glühwürmchen davon und trugen die Verheerung weiter.

»Mutter!«, ertönte der Hilfeschrei des Mädchens.

Da nahten aus den Flammen zwei riesige dunkle Rösser, vor den gleißenden Flammen schwarzen Sagentieren gleich. Von hoch oben, turmeshoch, beugte sich die Mutter des Kindes herab, um zu ihrer bebenden Tochter zu sprechen, deren Kopf eben an die Flanke des Pferdes heranreichte. »Bleibe bei deiner Amme und sei brav!«, befahl die Mutter ohne eine Spur Furcht in der Stimme. »Dein Vater und ich müssen zu den Soldaten sprechen.«

»Lasst mich mitkommen, Mutter! Sie werden mich verbrennen. Lasst mich doch mitkommen! Sonst holen mich die Mauren!« Flehentlich streckte die Kleine der Mutter die Arme entgegen.

Die züngelnden Flammen der Brände spiegelten sich auf dem Brustharnisch der Frau und auf ihren beschlagenen Beinschienen, als wäre sie eine Frau aus Metall, eine Gestalt aus Silber und Gold. Sie beugte sich noch weiter herab. »Wenn ich mich den Soldaten nicht zeige, werden sie desertieren«, sagte sie streng. »Und das willst auch du nicht!«

»Das ist mir gleich!«, heulte die Kleine voller Angst. »Alles ist mir gleich, nur Ihr nicht! Hebt mich aufs Pferd!«

»Das Heer ist wichtiger«, bestimmte die Frau auf dem schwarzen Ross. »Ich muss mit den Soldaten sprechen.«

Sie wendete ihr Pferd. »Ich komme wieder und hole dich«, sagte sie über die Schulter. »Doch nun warte. Ich muss dies tun.«

Hilflos sah das Mädchen zu, wie Vater und Mutter fortritten. »Madre!«, wimmerte es. »Madre! Bitte!« Aber die Frau wandte sich nicht um.

»Wir werden bei lebendigem Leibe verbrennen!«, kreischte nun die Amme Madilla. »Lauft! Lauft und versteckt Euch!«

»Du sei still!«, fuhr das Kind sie plötzlich an. »Wenn sie sogar mich, die Prinzessin von Wales, in einem brennenden Heerlager zurücklassen können, dann hast du, die du eine Moriskin bist, vom Feind doch gar nichts zu befürchten.«

Sie schaute den Pferden nach, die von Zelt zu Zelt trotteten. Wohin die beiden Reiter auch kamen, verstummten die Schreie, und die verängstigten Soldaten fassten neuen Mut. Sie bildeten Reihen, reichten Eimer zum Bewässerungskanal und versuchten, die Brände einzudämmen. Verzweifelt lief der Hauptmann zwischen seinen Mannen umher und stieß sie mit der stumpfen Seite seines Schwertes an, damit sie wieder eine Aufstellung bildeten. Dann ließ er sie eine Verteidigungsformation einnehmen, falls die Mauren das Chaos im Heerlager bemerkt hatten und die Verwirrung nutzen wollten, um einen Ausfall zu machen. Doch kein Maure ließ sich in dieser Nacht blicken. Der Feind hockte hinter seinen hohen Festungsmauern und fragte sich vielleicht, welche Teufeleien die Christen dort unten ausheckten. Zu furchtsam waren die Mauren, um sich in das Inferno zu wagen, das die Christen entzündet hatten: Voller Misstrauen vermuteten sie eine Falle der Ungläubigen.

Das fünfjährige Mädchen sah, wie die Entschlossenheit der Mutter sogar das Feuer besiegte, wie ihr Glaube an den Erfolg die Notlage bezwang. Die Kleine ließ sich auf einer kostbaren Truhe nieder, wickelte das Nachthemd um die bloßen Füße und wartete darauf, dass wieder Ruhe und Frieden im Lager einkehrten.

Als die Mutter zu ihrer Tochter zurückkehrte, fand sie das kleine Mädchen trockenen Auges und gefasst vor.

»Catalina, bist du wohlauf?« Isabella von Spanien saß ab und wandte sich an ihre jüngste, ihre Lieblingstochter. Sie unterdrückte das Verlangen, auf die Knie zu sinken und das kleine Mädchen in ihre Arme zu schließen. Ein verzärteltes Kind konnte nie zu einer Kriegerin des Glaubens werden, und einer Prinzessin stand es nicht an, Schwäche zu zeigen.

Das Kind war ebenso eisern wie seine Mutter. »Jetzt geht es mir gut«, erwiderte Catalina.

»Du hast keine Angst gehabt?«

»Überhaupt nicht.«

Die Frau nickte zufrieden. »Das ist gut«, sagte sie. »Das ist die Art, die ich von einer Prinzessin von Spanien erwarte.«

Und von einer Prinzessin von Wales«, fügte die Tochter hinzu.

***

Ich bin das kleine, fünf Jahre alte Mädchen, das mit bleichem Gesicht und schreckgeweiteten Augen auf einer Truhe kauert, das sich kein Zittern erlaubt und sich auf die Lippen beißt, um einen neuerlichen Schrei zu unterdrücken. Ich bin das kleine Mädchen, das in einem Heerlager empfangen wurde, gezeugt von Eltern, die sowohl Gegner als auch Liebende sind; geboren in einem stillen Moment, in einer Kampfpause mitten in einem Winter der sintflutartigen Überschwemmungen; aufgezogen von einer starken Frau in schimmernder Rüstung. Meine gesamte Kindheit verbrachte ich auf Feldzügen, ich war dazu bestimmt, um meinen Platz in der Welt zu kämpfen, meinen Glauben zu verteidigen, meine Heilige Schrift gegen die eines anderen Volkes. Ich wurde geboren, um für meinen Namen, meinen Glauben und meinen Thron zu kämpfen. Ich bin Catalina, Prinzessin von Spanien, Tochter der beiden mächtigsten Herrscher der Welt: Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragón. Ihre Namen sind gefürchtet von Kairo bis Bagdad und Konstantinopel bis nach Indien und darüber hinaus, gefürchtet von den Mauren in allen ihren Nationen: Osmanen, Indern, Chinesen. Sie alle sind unsere Gegner, unsere Bewunderer und unsere Feinde bis in den Tod. Im Namen Gottes und mit dem Segen des Papstes verteidigen meine Eltern den wahren Glauben gegen die Macht des Islam. Sie sind die tapfersten Kreuzritter der Christenheit und zugleich die mächtigsten Könige Spaniens - und ich bin ihre jüngste Tochter, Catalina, Prinzessin von Wales, und eines Tages werde ich Königin von England sein.

Seit meinem dritten Geburtstag bin ich mit Prinz Arthur, dem Sohn König Heinrichs von England, verlobt, und sobald ich fünfzehn Jahre alt bin, werde ich auf einem wunderschönen Schiff unter meiner flatternden Standarte in sein Land reisen, und dort werde ich seine Ehefrau und Königin. Sein Land ist reich und fruchtbar, dort sprudeln Quellen und Bäche, die Früchte reifen und die Blumen duften … dieses wird mein Reich sein, und ich werde mich darum kümmern. Unsere Verlobung ist schon vor meiner Geburt festgelegt worden, und ich habe meine Bestimmung stets gekannt. Obwohl es mir leidtut, meine Mutter und meine Heimat zu verlassen, bin ich doch zur Königin bestimmt worden, und ich kenne meine Pflicht.

Ich bin ein Kind von Gewissheiten. Ich weiß, dass ich eines Tages Königin von England sein werde, weil es Gottes Wille ist und der Wunsch meiner Mutter. Und wie jeder in meiner Welt glaube ich, dass Gott und meine Mutter stets der gleichen Meinung sind und dass nichts ihrem Willen entgegenstehen kann.

***

Am Morgen war das Heerlager vor Granada eine dumpfige Masse aus schwelenden Behängen, zerstörten Zelten und Bergen verkohlter Gerätschaften - vernichtet durch eine einzige Kerze, die unbeaufsichtigt gebrannt hatte. Der Armee blieb keine Möglichkeit außer dem Rückzug. Im Vollgefühl seiner Macht war das spanische Heer ausgezogen, um das letzte große Reich der Mauren in Spanien zu belagern, und nun hatte ein Brand alle Hoffnungen zunichte gemacht. Man würde sich zurückziehen müssen, um sich wieder neu zu formieren.

»Nein, wir treten nicht den Rückzug an«, bestimmte Isabella von Spanien.

Die Hauptleute, die zu einer Notbesprechung unter einem angesengten Vorzelt zusammengerufen worden waren, schlugen nach den Fliegen, die sich in großen Schwärmen an den Trümmern des Feldlagers gütlich taten.

»Eure Majestät, in dieser Jahreszeit bleibt uns nur der Rückzug«, wagte einer der Befehlshaber anzumerken. »Es ist keine Sache der Ehre oder des Kampfesmutes. Wir haben keine Zelte, wir haben keinen Unterschlupf mehr. Ein furchtbares Pech, gewiss, doch uns bleibt nur der Rückzug. Wir werden uns wiederum mit allem Nötigen versehen müssen, erst dann können wir die Belagerung fortsetzen. Euer Gemahl …«, er nickte zu dem dunklen, wohlgestalteten Manne hinüber, der ein wenig abseits stand und lauschte, »… weiß dies. Wir alle wissen es. Wir werden die Belagerung fortsetzen, wir geben uns nicht geschlagen. Aber ein guter Feldherr weiß, wann die Zeit zum Rückzug gekommen ist.«

Die Männer nickten beifällig. Schon der gesunde Menschenverstand sprach dafür, dass man nichts anderes tun konnte, als die Belagerung von Granada für den Winter aufzuheben. Die Entscheidungsschlacht war unumgänglich, alles steuerte seit sieben langen Jahrhunderten darauf zu. Jahr für Jahr hatten die christlichen Könige ihr Gebiet auf Kosten der Mauren vergrößert. Jede Schlacht hatte das Maurenreich von Al-Andalus ein wenig weiter nach Süden gedrängt. Ob bis zum endgültigen Sieg ein weiteres Jahr verging, spielte keine Rolle. Das kleine Mädchen, mit dem Rücken an einem klammen Zeltpfosten lehnend, der nach feuchter Asche roch, schaute in das gelassene Gesicht der Mutter. Aufregung lag dieser fern.

»Es geht sehr wohl um Stolz«, berichtigte sie den Befehlshaber. »Unser Feind weiß um die Bedeutung dieser Eigenschaft. Wenn wir in unseren versengten Kleidern davonkriechen, werden die Mauren uns auslachen, bis sie zu Al-Yanna auffahren, ihrem Garten Eden. Das allein kann ich schon nicht dulden. Wichtiger jedoch ist: Gott wünscht, dass wir gegen die Mauren kämpfen; es ist Sein Wille, dass wir vorrücken. Es ist nicht Gottes Wille, dass wir uns zurückziehen. Also müssen wir vorrücken.«

Der Vater des Kindes zeigte ein spöttisches Lächeln, widersprach seiner Frau jedoch nicht. Als die Hauptleute ihn fragend anschauten, tat er das Problem mit einer Handbewegung ab. »Die Königin hat recht«, sagte er. »Die Königin hat immer recht.«

»Aber wir haben keine Zelte, wir haben kein Lager mehr!«

Er gab die Frage an seine Gattin weiter. »Was denkt Ihr?«

»Wir werden eines bauen«, entschied sie.

»Eure Majestät, wir haben das Land im Umkreis von Meilen verwüstet. Wir könnten nicht einmal mehr einen Kamiz für die Prinzessin von Wales nähen. Wir haben keine Tuche mehr, kein Stück Zeltbahn. Es gibt kein Wasser in der Nähe und keine Feldfrüchte. Wir selbst haben das Wasser abgeleitet und die Ernte untergepflügt. Wir haben das Land verwüstet und nun keinen Nachschub mehr!«

»Dann werden wir eben ein Heerlager aus Steinen errichten. Steine haben wir doch, soweit ich weiß?«

Der König lachte kurz, dann tarnte er seine Heiterkeit mit einem Räuspern. »Wir sind von einer trockenen Steinwüste umgeben, meine Liebe«, bemerkte er. »Wenn es uns an einem nicht mangelt, dann an Steinen.«

»Dann werden wir kein Lager erbauen, sondern eine steinerne Stadt!«

»Das ist unmöglich!«

Isabella wandte sich an ihren Gemahl. »Wir machen es möglich«, sagte sie. »Es ist Gottes Wille und der meine.«

Ferdinand nickte. »Dann wird es getan.« Er warf ihr ein rasches, vertrauliches Lächeln zu. »Es ist meine Pflicht, dafür zu sorgen, dass Gottes Wille erfüllt wird, und es ist mir eine Freude, den Euren zu vollziehen.

***

Das vom Feuer besiegte Heer widmete sich nun den Elementen Erde und Wasser. Wie Sklaven schufteten die Männer in der Hitze der Sonne und in der Kälte der Nacht. Auf den einstigen Feldern des Triumphes plagten sie sich nun wie Bauern. Von jedem Soldaten, ob Kavallerieoffizier oder General, ob hoher Adeliger oder Cousin des Königs, wurde erwartet, tagsüber in der Hitze zu schuften und sich des Nachts auf den kalten, harten Boden zu betten. Die Mauren, welche das mühselige Unterfangen von den hohen, uneinnehmbaren Zinnen ihrer roten Burg auf dem Hügel oberhalb Granadas betrachteten, mussten zugeben, dass die Christen Mut besaßen. Niemand konnte ihre Entschlossenheit bezweifeln. Und dennoch waren sie zum Scheitern verurteilt. Denn keine Macht der Welt konnte die rote Burg von Granada einnehmen, in zwei Jahrhunderten war diese Festung nicht gefallen. Sie thronte hoch oben auf einem Felsvorsprung über einer weiten baumlosen Ebene. Ein Überraschungsangriff konnte ihr nichts anhaben. Fast unsichtbar ging der rote Fels, der sich aus der Ebene erhob, in die roten Mauern der Burg über, und keine Sturmleiter konnte die Hügelkuppe erreichen, kein Stoßtrupp aus eigener Kraft die steilen Felswände erklimmen.

Ein Verräter hätte den Christen behilflich sein können - doch welcher Maure hätte freiwillig sein Volk verlassen, welches über riesige Lande herrschte und einem starken Glauben anhing, um zu den tollwütigen, verrückten Christen überzulaufen, deren Könige lediglich über ein paar Hektar karges Gebirgsland in Europa herrschten und hoffnungslos untereinander zerstritten waren? Wer sollte Al-Yanna, den Garten, verlassen wollen, Inbegriff des Paradieses und beheimatet in der Alhambra, um in den rauen Burgen und Festungen Kastiliens und Aragóns zuhausen?

Verstärkung konnten die Mauren aus Afrika erhalten, sie hatten Verwandte und Verbündete von Marokko bis zum Senegal. Unterstützung würde aus Bagdad kommen, aus Konstantinopel. Granada mochte klein erscheinen im Vergleich zu den Eroberungen Ferdinands und Isabellas, aber hinter Granada stand das mächtigste Reich der Welt - das Reich des Propheten, gelobt sei sein Name.

Doch es geschah das Unglaubliche: Tag um Tag, Woche um Woche, langsam, aber stetig, im Kampf gegen die heiße Sonne des Vorfrühlings und die Kälte der Nacht, schafften die Christen das Unmögliche. Zuerst wurde eine Kapelle erbaut, rund wie eine Moschee, da die einheimischen Maurer diese Form am schnellsten bauen konnten, dann ein kleines Haus mit flachem Dach und Innenhof für König Ferdinand, Königin Isabella und ihre Familie: den Infanten, den kostbaren Sohn und Thronerben, die drei älteren Mädchen Isabel, Maria und Juana und Catalina, das Nesthäkchen. Die Königin verlangte nichts weiter als ein Dach und Wände, sie war schon seit Jahren auf dem Feldzug, sie erwartete keinen Luxus. Danach baute man rund um das Königshaus ein Dutzend steinerne Hütten, in denen der Hochadel widerwillig Quartier bezog. Als Nächstes wurden, auf ausdrücklichen Befehl der Königin, Ställe für die Pferde gebaut sowie Lager für Schießpulver und wertvolle Munition, für deren Ankauf aus Venedig Isabella ihren kostbaren Schmuck versetzt hatte … und dann, erst dann, wurden Unterkünfte für die Mannschaften gebaut, Küchen und Speicher angelegt. Und ehe man sich's versah, war dies eine kleine Stadt geworden, eine Stadt aus Stein, wo vordem ein Lager aus Zelten gestanden hatte. Niemand hätte geglaubt, dass es vollbracht werden könnte, doch nun war es getan. Sie nannten die Stadt Santa Fe, und wieder einmal hatte Isabella über ein missliches Geschick triumphiert. Die schicksalhafte Belagerung Granadas durch die entschlossenen, verrückten Christenkönige wurde fortgesetzt.

***

Catalina Prinzessin von Wales stieß auf einen der hohen Adeligen im vertraulichen Gespräch mit seinen Freunden. »Was beredet Ihr da, Don Hernando?«, fragte sie mit dem altklugen Selbstvertrauen einer Fünfjährigen, die sich nie weit von der Seite ihrer Mutter entfernt hatte und deren Vater ihr kaum einen Wunsch zu versagen vermochte.

»Nichts, Infantin«, erwiderte Hernando Perez del Pulgar mit einem Lächeln, das ihr bedeutete, sie dürfe ruhig weiterfragen.

»Doch, das tut Ihr.«

»Es ist ein Geheimnis.«

»Ich verrate es nicht.«

»Oh! Prinzessin! Ihr würdet es doch verraten. Es ist ein so großes Geheimnis! Viel zu groß für ein kleines Mädchen.«

»Ich tu's nicht! Wirklich! Ich schweige wie ein Grab.« Catalina dachte kurz nach. »Ich schwöre es auf Wales.«

»Auf Wales? Auf Euer eigenes Land?«

»Auf England?«

»Auf England? Auf Euer Erbe?«

Sie nickte. »Auf Wales und auf England und auch auf Spanien.«

»Nun gut. Wenn Ihr solch ein geheiligtes Versprechen gebt, dann werde ich es Euch sagen. Schwört mir aber, dass Ihr es nicht Eurer Mutter verratet?«

Catalina nickte mit großen blauen Augen.

»Wir haben vor, in die Alhambra einzudringen. Ich weiß von einem Tor, einem kleinen Seitentor, das kaum bewacht wird. Dort können wir uns Einlass verschaffen. Wir werden eindringen und dann - was werden wir dann wohl tun?«

Die Kleine schüttelte heftig den Kopf, sodass ihr kastanienbrauner Zopf unter dem Schleier hin und her schwang wie die Rute eines Welpen.

»Wir werden beten, in der Moschee der Feinde. Und ich hinterlasse ihnen ein Ave Maria, das ich mit meinem Dolch auf den Boden hefte. Was haltet Ihr davon?«

Catalina war zu jung, um zu begreifen, dass die Männer im Begriff waren, in den sicheren Tod zu gehen. Sie hatte keine Ahnung von Wachposten, die jedes Tor bewachten, sie wusste nichts vom gnadenlosen Ingrimm der Mauren. Aufgeregt leuchteten ihre Augen. »Das habt Ihr vor?«

»Ist es nicht ein toller Plan?«

»Wann geht Ihr dorthin?«

»Heute Nacht! Noch in dieser Nacht!«

»Ich werde kein Auge zutun, bis Ihr zurückkehrt!«

»Ihr müsst für mich beten und Euch dann zur Ruhe begeben, Prinzessin, und dann werde ich selber am Morgen kommen und Euch und Eurer Mutter alles berichten.«

Catalina schwor erneut, dass sie kein Auge zutun werde. Dann lag sie tatsächlich wach, machte sich ganz steif auf ihrem kleinen Feldbett, während ihre Amme den Teppich vor der Tür anbrachte. Doch gegen ihren Willen fielen ihr langsam die Augen zu, bis die Wimpern auf den runden Wangen ruhten, die kleinen, plumpen Hände sich entspannten. Catalina schlief.

Doch Don Hernando kam nicht am Morgen, wie er versprochen hatte. Sein Pferd stand nicht im Stall, und auch seine Freunde waren nicht da. Zum ersten Mal in seinem Leben ahnte das kleine Mädchen etwas von der Gefahr, in die er sich begeben hatte - eine tödliche Gefahr, und nur um des Ruhmes willen, der einer Ballade wert war.

»Wo ist er?«, wollte Catalina wissen. »Wo ist Hernando?«

Das Schweigen ihrer Amme Madilla war Warnung genug.

»Er kommt doch?«, fragte sie, plötzlich von Zweifeln befallen. »Er kommt doch wieder?«

***

Langsam dämmert es mir, dass er vielleicht nicht zurückkommt, dass das Leben nicht wie eine Ballade ist, in der stets die eitle Hoffnung triumphiert und ein schöner Mann niemals in der Blüte seiner Jugend stirbt. Aber wenn Don Hernando scheitern kann und sterben, kann dann auch Vater sterben? Oder meine Mutter? Kann auch ich sterben, sogar ich? Die kleine Catalina, Infantin von Spanien und Prinzessin von Wales?

Ich knie in dem geweihten Rundbau der neu errichteten Kapelle, aber ich bete nicht. Ich zerbreche mir den Kopf über diese seltsame Welt, die sich mir unversehens eröffnet. Wenn wir für die gerechte Sache kämpfen - und dessen bin ich mir sicher -, wenn also diese schönen jungen Männer für die gerechte Sache kämpfen, und wenn wir und unsere gerechte Sache unter dem besonderen Schutze Gottes stehen: Wie können wir jemals scheitern?

Aber sollte ich da etwas falsch verstanden haben, dann ist es möglich, dass wir doch scheitern können und sterblich sind. Selbst der hübsche Hernando Perez del Pulgar und seine lachenden Freunde, selbst meine Mutter und mein Vater können scheitern. Wenn Hernando sterben kann, dann kann dies auch Mutter und Vater zustoßen. Und wenn dies so ist, welche Sicherheit ist dann in der Welt? Wenn madre sterben kann wie ein gemeiner Soldat, wie ein Maultier, das einen Bagagewagen zieht - und ich habe Männer und Maultiere sterben sehen -, wie kann dann die Welt weiter existieren? Wo ist dann Gott?

***

Dann kam die Stunde, zu der Catalinas Mutter Audienz für Bittsteller und Freunde hielt, und plötzlich tauchte er wieder auf, in seinen besten Kleidern, mit gekämmtem Bart und leuchtenden Augen, und sprudelte seine Geschichte hervor: Wie sie sich als Araber verkleidet hatten, um in der Dunkelheit als Stadtbewohner durchzugehen, wie sie durch das Seitentor hineingeschlichen und zur Moschee hinaufgeeilt waren, wie sie niedergekniet und ein Ave Maria heruntergerasselt hatten und das Gebet auf einem Papier mit einem Dolch in den Boden gestoßen hatten, wie sie dann von den Wachen überrascht worden waren und sich den Rückzug erkämpft hatten, mit blitzender Klinge im Mondlicht die enge Straße hinunter zu dem Tor, das sie wenige Augenblicke zuvor aufgebrochen hatten, und wie sie in die schützende Nacht geflohen waren, bevor der Feind begriffen hatte, was sich abspielte. Keinen einzigen Kratzer hatten sie abbekommen, keinen Mann verloren. Es war ein Triumph - und für die Maurenherrscher ein Schlag ins Gesicht.

Es war ein hervorragender Streich, wenn man es schaffte, ein christliches Gebet mitten in eine ihrer Moscheen zu schmuggeln. Es war eine ausgeklügelte Bosheit. Die Königin war hoch erfreut, der König ebenso, und die Prinzessin und ihre Schwestern staunten ihren Ritter Hernando Perez del Pulgar an, als wäre er ein Held aus den Ritterromanen, ein Recke aus König Artus' Tafelrunde. Catalina klatschte in die Hände, als sie seine Geschichte vernahm, und wollte sie wieder und wieder hören. Doch tief innen erinnerte sie sich sehr wohl an den eisigen Schauder und die Furcht, er werde nie mehr zurückkehren.

Nun erwartete man die Antwort der Mauren. Sie mussten diese Schmach tilgen. Der Feind würde das eigenmächtige Vorgehen Perez del Pulgars und seiner Mannen als Herausforderung begreifen und musste dementsprechend reagieren. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.

Es geschah, als die Königin und ihre Kinder in Zubia weilten, einem Dorf in der Nähe Granadas, das Ihrer Majestät einen guten Blick auf die unbezwingbaren Mauern der Festung gewährte. Nur von einer kleinen Garde begleitet, waren sie dorthin geritten. Plötzlich sprengte ihnen der Anführer der Garde auf dem Dorfplatz entgegen und rief, die Mauren hätten die Tore ihrer roten Burg geöffnet und schickten ihr gesamtes Heer zum Angriff aus. Es blieb keine Zeit, um zum Feldlager zurückzukehren. Die Königin und ihre Kinder waren den schnellen Araberhengsten der Mauren hoffnungslos unterlegen, und es gab kein Versteck, in dem man sich verschanzen konnte.

In verzweifelter Hast erklomm Königin Isabella mit der kleinen Prinzessin an der Hand das flache Dach des nächsten Hauses; die älteren Schwestern folgten. »Ich muss es sehen!«, rief sie.

»Madre! Ihr tut mir weh!«

»Ruhig, Kind. Wir müssen sehen, was sie vorhaben.«

»Kommen sie uns jetzt holen?«, greinte das Kind und schlug sich die Patschhand vor den Mund.

»Vielleicht. Ich muss sie beobachten.«

Es war jedoch nur ein maurischer Stoßtrupp, nicht das gesamte Heer. Angeführt wurde er vom tapfersten Ritter der Mauren, einem wahren Hünen, schwarz wie Ebenholz. Unter seinem Helm lächelte er siegesgewiss. Er thronte auf einem riesigen schwarzen Ross, das die Zähne fletschte wie ein tollwütiger Hund.

»Madre, wer ist dieser Mann?«, flüsterte die Prinzessin ihrer Mutter zu, als sie ihn von dem erhöhten Platz auf dem Dach erblickte.

»Er ist ein Maure mit Namen Yarfe, und ich fürchte, er hat es auf deinen Freund Hernando abgesehen.«

»Sein Pferd sieht so Furcht einflößend aus, als ob es beißen wollte.«

»Er hat ihm die Lippen abgeschnitten, damit es die Zähne fletscht. Aber wir lassen uns von solchen Dingen keine Angst einjagen. Wir sind keine ängstlichen Kinder.«

»Sollten wir nicht fliehen?«, bettelte das verängstigte Kind.

Die Mutter hatte die Augen auf das Pferd geheftet und hörte das Flüstern ihrer Tochter nicht einmal.

»Ihr lasst doch nicht zu, dass sie Hernando wehtun, nicht wahr? Madre?«

»Hernando hat Yarfe herausgefordert. Yarfe nimmt die Herausforderung an. Wir werden kämpfen müssen«, erwiderte die Königin ruhig. »Yarfe ist ein Ritter, ein Mann von Ehre. Er muss sich einer Herausforderung stellen.«

»Wie kann er ein Mann von Ehre sein, wenn er ein Ketzer ist? Ein Maure?«

»Es sind höchst ehrenhafte Männer, Catalina, auch wenn es Ungläubige sind. Und dieser Yarfe ist ihr Held.«

»Was werdet Ihr tun? Wie können wir uns retten? Dieser Mann ist ja so groß wie ein Riese!«

»Ich werde beten«, erwiderte Isabella. »Und mein Ritter Garallosco de la Vega wird Hernando rächen.«

Ruhig, als befände sie sich in ihrer Hauskapelle in Córdoba, kniete Isabella auf dem Dach des kleinen Hauses nieder und bedeutete ihren Töchtern, das Gleiche zu tun. Mürrisch ließ sich Catalinas Schwester Juana auf die Knie nieder, und die beiden Älteren, Isabel und Maria, folgten ihrem Beispiel. Während sie betete, linste Catalina zwischen ihren verschränkten Fingern hindurch und sah, dass Maria vor Angst zitterte und dass Isabel in ihrer Trauerkleidung vor Entsetzen kreidebleich geworden war.

»Heiliger Vater im Himmel, wir bitten dich, breite deine schützende Hand über uns und unser Heer.« Königin Isabella schaute zu dem strahlend blauen Himmel auf. »Wir beten für den Sieg deines Ritters, Garallosco de la Vega, in dieser Stunde seiner Prüfung.«

»Amen«, sagten die Töchter und folgten dann dem Blick der Mutter, der auf ihre kleine Garde gerichtet war, die sich unter Schweigen formierte.

»Aber wenn Gott ihn doch beschützt …«, begann Catalina.

»Sei still«, wehrte ihre Mutter sanft ab. »Lass ihn sein Werk verrichten, lass Gott das Seine tun und mich das Meine.« Sie schloss die Augen und betete stumm.

Catalina wandte sich an ihre älteste Schwester und zupfte sie am Ärmel. »Isabel, wenn Gott ihn beschützt, wie kann er dann in Gefahr schweben?«

Isabel schaute auf die kleine Schwester herab. »Gott ebnet nicht die Wege für die, welche er liebt«, flüsterte sie mit rauer Stimme. »Stattdessen schickt er ihnen Mühsal. Jene, die Gott am meisten liebt, müssen am meisten leiden. Ich weiß das, weil ich den einzigen Mann verloren habe, den ich jemals lieben kann. Du weißt es auch. Denke an Hiob, Catalina.«

»Aber wie sollen wir dann siegen?«, wollte das kleine Mädchen wissen. »Wenn Gott madre liebt, wird er dann nicht ihr die schlimmste Mühsal schicken? Und wie sollen wir dann jemals gewinnen?«

»Pst«, machte ihre Mutter. »Seid still und schaut. Schaut und betet mit Inbrunst.«

Ihre kleine Leibwache und der maurische Stoßtrupp hatten nun voreinander Stellung bezogen, waren zum Kampf bereit. Da ritt Yarfe auf seinem schwarzen Streitross vor. Etwas Weißes, das an den glänzenden schwarzen Schweif des Pferdes gebunden war, streifte über den Boden, und die Soldaten in der ersten Reihe schnappten nach Luft, als sie es erkannten. Es war das Ave Maria, das Hernando auf den Fußboden der Moschee geheftet hatte. Der Maure hatte es als wohlberechnete Beleidigung an den Schweif seines Rosses gebunden. Nun ritt er auf dem mächtigen Tier vor den Reihen der Christen langsam auf und ab und grinste über ihre Zornesbekundungen.

»Ketzer«, flüsterte Königin Isabella. »Ein Verdammter, der zur Hölle fahren wird. Gott erschlage ihn und geißele ihn für seine Sünden.«

Der Ritter der Königin, de la Vega, wendete sein Pferd und ritt auf das kleine Haus zu. Er hielt neben dem Olivenbaum und nahm den Helm ab, schaute zu seiner Herrin und den Prinzessinnen empor. Seine dunklen Locken glänzten vor Schweiß, doch in seinen dunklen Augen loderte der Zorn. »Euer Gnaden, gestattet Ihr, dass ich die Herausforderung annehme?«

»Ja«, erwiderte die Königin, ohne mit der Wimper zu zucken. »Reitet mit Gott, Garallosco de la Vega.«

»Dieser große Mann wird ihn töten«, sagte Catalina und zupfte am langen Ärmel der Mutter. »Sagt ihm, dass er es nicht wagen soll! Yarfe ist viel größer als er. Er wird de la Vega umbringen!«

»Es geschehe nach Gottes Willen«, behauptete Isabella und schloss erneut die Augen im stillen Gebet.

»Mutter! Euer Majestät! Er ist ein Riese. Er wird unseren Ritter töten!«

Die Mutter schlug die blauen Augen auf. Sie sah das kleine Gesicht ihrer Tochter vor Angst verzerrt; nun füllten sich die Augen des Mädchens mit Tränen. »Es wird geschehen, wie es Gott gefällt«, wiederholte sie mit fester Stimme. »Du musst den festen Glauben haben, dass du nach Gottes Willen handelst. Manchmal wirst du nicht verstehen, manchmal wirst du zweifeln, aber wenn du nach Gottes Willen handelst, kannst du nicht fehlgehen, kannst du nichts Falsches tun. Denke immer daran, Catalina! Ob wir diese Herausforderung gewinnen oder verlieren, spielt keine Rolle. Wir sind die Soldaten Christi. Du bist eine Kriegerin Christi. Ob wir leben oder sterben, spielt keine Rolle, sondern nur, ob wir im Glauben sterben. Dieser Kampf ist Gottes Kampf. Er wird uns den Sieg schicken, wenn nicht heute, dann morgen. Und welcher Mann heute auch gewinnen mag, wir zweifeln nicht daran, dass Gott gewinnt und dass am Ende wir gewinnen werden.«

»Aber de la Vega …«, begann Catalina erneut, und ihre dicke Unterlippe zitterte.

»Vielleicht gefällt es Gott, ihn am heutigen Tage zu sich zu nehmen«, gab ihre Mutter mit fester Stimme Antwort. »Wir sollten für ihn beten.«

Juana schnitt ihrer kleinen Schwester eine Grimasse, doch als die Mutter wieder kniete, reichten die beiden Mädchen einander tröstend die Hände. Neben ihnen knieten Isabel und Maria. Alle vier spähten aus zusammengekniffenen Augen auf die Ebene hinaus, wo das rotbraune Schlachtross de la Vegas vor den spanischen Reihen tänzelte, während der Rappe des Mauren stolz vor den Sarazenen paradierte.

Die Königin hielt die Augen geschlossen, bis sie ihr Gebet beendet hatte. Sie horchte nicht einmal auf das Gebrüll, als die beiden Streiter ihre Plätze einnahmen, die Visiere herunterklappten und ihre Lanzen fester packten.

Catalina sprang auf und beugte sich über die niedrige Brüstung, um den spanischen Ritter besser sehen zu können. Donnernd galoppierte sein Pferd auf den Gegner zu, sodass man die wirbelnden Beine kaum sah. Der Aufprall der Lanzen auf den Harnischen war noch auf dem Dach zu hören. Beide Männer wurden durch den Stoß aus dem Sattel gehoben, ihre Lanzen zerbarsten, die Rüstungen trugen Beulen davon. Dieser Zusammenstoß glich in nichts dem rituellen Lanzenkampf bei einem ritterlichen Turnier. Hier handelte es sich um einen wilden Aufprall, der dem Gegner den Hals brechen oder das Herz durchbohren sollte.

»Er liegt auf dem Boden! Er ist tot!«, rief Catalina.

»Er ist benommen«, stellte ihre Mutter richtig. »Sieh nur, er steht schon wieder auf!«

Taumelnd kam der spanische Recke auf die Beine. Der starke Schlag vor die Brust ließ ihn schwanken wie einen Betrunkenen. Der maurische Hüne war bereits auf den Beinen, hatte Helm und Brustharnisch beiseitegeworfen und drang mit gezogenem Krummschwert auf den Christen ein. Die scharfe Schneide blitzte in der Sonne. Auch de la Vega zog nun seine Waffe. Mit einem gewaltigen Krachen trafen die Schwerter aufeinander, dann versuchten die Männer, ihre Stellung zu halten und den Gegner niederzuwerfen. Schwerfällig bewegten sie sich im Kreis, wankend unter der Nachwirkung des Sturzes. Es konnte jedoch kein Zweifel bestehen, dass der Maure der Stärkere war. Langsam gab de la Vega dem Druck seines Widersachers nach. Er versuchte, zurückzuweichen und sich freizukämpfen, aber das Gewicht des Mauren drückte ihn nieder, und er stolperte und fiel. Sogleich war der schwarze Ritter über ihm und drückte ihn vollends zu Boden. Nutzlos umklammerte de la Vegas Hand sein Langschwert, er vermochte es nicht mehr zu heben. Der Maure brachte sein Krummschwert an die Kehle seines Opfers, bereit, den tödlichen Hieb auszuführen. Sein Gesicht war eine schwarze Maske, die Zähne gebleckt. Plötzlich stieß er einen lauten Schrei aus und ließ von seinem Gegner ab. De la Vega rollte sich herum, kam taumelnd auf Hände und Knie.

Der Maure lag gefällt am Boden. Nutzlos zupften seine Hände an der Brust, sein großes Schwert hatte er fallen lassen. In de la Vegas linker Hand war ein blutbefleckter Kurzdolch zu sehen, eine geheime Waffe, in einem verzweifelten Gegenstoß eingesetzt. Mit schier übermenschlicher Anstrengung kam der Maure wieder auf die Beine, wandte dem Christen seinen Rücken zu und taumelte zu seinem Trupp. »Ich bin verloren«, sagte er zu den Mannen, die sich beeilten, ihn aufzufangen. »Wir haben verloren.«

Auf ein geheimes Signal öffneten sich die großen Tore der roten Burg, und Soldaten strömten heraus. Juana sprang auf. »Madre, wir müssen fliehen!«, schrie sie. »Sie kommen. Sie kommen zu Tausenden!«

Doch Isabella erhob sich nicht, auch dann nicht, als ihre Tochter über das Dach eilte und die Treppe hinablief. »Juana, komm zurück!«, befahl sie mit einer Stimme wie ein Peitschenhieb. »Betet, meine Töchter.«

Sie erhob sich und ging zur Brüstung. Zuerst schaute sie auf die Ebene, wo ihr Heer sich sammelte, wo die Offiziere die Soldaten in Angriffsformation brachten, während die Mauren in Furcht erregender Zahl aus ihrer Festung strömten. Dann schaute sie auf Juana hinunter, die sich voller Angst hinter einer Mauer verbarg, nicht wissend, ob sie nun zu ihrem Pferd oder zurück zur Mutter laufen sollte.

Isabella, die ihre Tochter liebte, gab keine weiteren Ermahnungen. Stattdessen wandte sie sich den anderen Mädchen zu und kniete bei ihnen nieder. »Lasst uns beten«, sagte sie und schloss die Augen.

***

»Sie hat nicht einmal hingeschaut!«, wiederholte Juana ungläubig am Abend, als sie in ihrem Zimmer waren, sich die Hände wuschen und ihre schmutzigen Kleider auszogen. Endlich war Juanas tränenüberströmtes Gesicht reingewaschen. »Da hocken wir mitten in einer Schlacht, und sie macht einfach die Augen zu!«

»Sie wusste, dass es mehr nützen würde, Gott um Beistand anzuflehen, als schreiend umherzulaufen«, sagte Isabel spitz. »Und unserem Heer machte es großen Mut, zu sehen, wie sie für alle sichtbar auf dem Dach kniete.«

»Und was, wenn sie von einem Pfeil oder einem Speer getroffen worden wäre?«

»Wurde sie aber nicht. Und wir auch nicht. Und wir haben die Schlacht gewonnen. Und du, Juana, hast dich wie eine halb verrückte Bäuerin aufgeführt. Ich habe mich deiner geschämt. Ich weiß nicht, was in dich gefahren ist. Bist du verrückt oder einfach nur boshaft?«

»Ach, wen kümmert schon, was du denkst, du törichte Witwe!«

6. JANUAR 1492

Mit jedem Tag wurden die Mauren verzagter. Das Scharmützel der Königin sollte ihre letzte Schlacht sein. Ihr tapferster Ritter war tot, ihre Stadt umzingelt, und sie hungerten in dem Lande, das ihre Väter fruchtbar gemacht hatten. Und schlimmer noch: Die versprochene Unterstützung aus Afrika blieb aus, die Osmanen hatten zwar Freundschaft geschworen, doch kein Janitschare ließ sich blicken, denn ihr König hatte allen Mut verloren, weil sein Sohn von den Christen als Geisel gehalten wurde. Die Herrscher Spaniens, Isabella und Ferdinand, die die gesamte Macht der Christenheit hinter sich wussten, hatten der maurischen Welt den Krieg angesagt, und der Kreuzzug der Christen gewann mit jedem weiteren Sieg an Stärke. Wenige Tage nach dem Zweikampf der beiden Recken willigte Boabdil, der König von Granada, in den Friedensvertrag ein, und wieder ein paar Tage später schritt er mit großem und dennoch anmutigem Zeremoniell, wie es für die Mauren Spaniens typisch war, durch die eisernen Tore der Stadt und überreichte dem König und der Königin von Spanien die Schlüssel zur Alhambra feierlich auf einem seidenen Kissen.

Granada und die rote Burg, die schützend über der Stadt auf dem Hügel thronte, sowie der prächtige Palast, der sich in ihr verbarg - die Alhambra - wurden an Ferdinand und Isabella übergeben.

Gewandet in die kostbaren Seidentuche des besiegten Feindes, angetan mit Turbanen und Pantoffeln, prächtig wie die Kalifen hielt die königlich spanische Familie ihren Einzug in Granada. An diesem Nachmittag schritt Catalina Prinzessin von Wales mit ihren Eltern den gewundenen, steilen, schattigen Weg hinauf, der zum schönsten Palast Europas führte. In dieser Nacht ruhte sie in dem kostbar gefliesten Frauengemach und erwachte zum Klang plätschernden Wassers in Marmorbrunnen. Ihr träumte, sie wäre eine Maurenprinzessin, geboren für ein Leben in Reichtum und Schönheit, doch gleichzeitig auch eine Prinzessin von England.

***

Und dies ist mein Leben, wie ich es seit dem Tage unseres Sieges geführt habe. Ich wurde geboren als Kind des Krieges, ich folgte dem Heer von Belagerung zu nachfolgender Schlacht, ich sah Dinge, die kein Kind sehen sollte, ertrug tagtäglich Dinge, die Erwachsene in Angst versetzen. Ich schritt vorbei an verwesenden Leichen, da niemand Zeit gehabt hatte, die Gefallenen zu begraben. Ich ritt hinter Maultieren, die man mit Peitschenhieben über blutbefleckte Leichname treiben musste, damit sie die Kanonen meines Vaters über die hohen Pässe der Sierra brachten. Ich sah, wie meine Mutter einen Mann ohrfeigte, der vor Erschöpfung in Tränen ausgebrochen war. Ich hörte kleine Kinder weinen, deren Eltern man als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt hatte … Doch in dem Augenblick, als wir uns in bestickte Seide hüllten und in die rote Burg von Granada einzogen, der darin verborgenen weißen Perle der Alhambra entgegen - in jenem Augenblick vollzog sich meine Wandlung zu einer wahren Prinzessin.

Ich wurde das kleine Mädchen, das im schönsten Palast der Christenheit aufwuchs, geschützt durch eine uneinnehmbare Festung. Ich wurde ein Mädchen voll unerschütterlichen Vertrauens zu Gott, der uns den Sieg beschert hatte, und zu meinem Schicksal als sein geliebtes Kind und Lieblingstochter meiner Mutter.

Die Alhambra bewies mir ein für alle Mal, dass ich einzigartig und von Gott auserwählt war, so wie meine Mutter. Ich war Gottes auserwähltes Kind, das im schönsten Palast der Christenheit aufwuchs, und ich war zu noch Höherem berufen.

***

Prächtig wie Sultane, angeführt von den Offizieren und gefolgt von der königlichen Leibgarde, zog die spanische Königsfamilie durch den mächtigen Vierecksturm, genannt das Tor der Gerechtigkeit, in die Burg ein. Als der Schatten des ersten Turmbogens auf Isabellas nach oben gerichtetes Antlitz fiel, bliesen die Trompeter eine trotzige Fanfare, als ob sie wie Joshua vor den Mauern Jerichos die letzten Geister der Ungläubigen vertreiben wollten. Und sogleich ertönte ein Echo, ein zitternder Seufzer jener Menschen, die sich in dem Torweg an die goldenen Mauern drückten: die halb verschleierten Frauen in ihren langen Gewändern und die schweigenden, stolzen Männer, die aufmerksam ihre Eroberer anblickten. Catalina blickte über das Meer von Köpfen hinweg und entdeckte auf den schimmernden Wänden die geschwungenen Zeichen der arabischen Schrift.

»Was bedeuten sie?«, fragte sie ihre Amme Madilla.

Mit zusammengekniffenen Augen studierte die Frau die Mauern. »Ich weiß es nicht«, erwiderte sie mürrisch. Stets verleugnete sie ihre maurischen Wurzeln und tat, als wisse sie nichts über die Mauren und deren Lebensweise, obwohl sie als Maurin geboren und aufgewachsen war und - laut Juana - nur aus Gründen der Bequemlichkeit konvertiert war.

»Sag es uns, oder wir zwicken dich«, drängte Juana mit Engelsstimme.

Die junge Frau blickte die Schwestern finster an. »Es heißt: ›Gebe Gott, dass die Gerechtigkeit des Islam in diesen Mauern siege.‹«

Catalina verharrte einen Moment. Sie hatte aus den Worten den stolzen Klang der Gewissheit vernommen, den sie von ihrer Mutter kannte.

»Nun, Gott hat es nicht gegeben«, sagte Juana schlau. »Allah hat die Alhambra verlassen, und Isabella ist eingezogen. Und würdet ihr Mauren Isabella so gut kennen wie wir, dann wüsstet ihr, dass nun die größte Macht einzieht, während die geringere Macht diese Feste verlassen muss.«

»Gott schütze die Königin«, sagte Madilla rasch. »Ich kenne Königin Isabella durchaus.«

Während sie sprach, schwangen langsam die großen Torflügel auf; diese waren aus schwarzem Holz, mit schwarzen Nägeln beschlagen und wurden in schwarzen gehämmerten Angeln geschwenkt. Unter dem Klang einer weiteren Fanfare schritten der König und die Königin in den inneren Hof.

Wie in einem sorgfältig einstudierten Tanz teilten sich die Soldaten der Leibgarde innerhalb der Stadtmauern, die eine Hälfte schwenkte nach links, die andere nach rechts. Sie suchten alles ab, um sicherzustellen, dass kein zurückgebliebener maurischer Soldat einen letzten Hinterhalt plante. Die riesige Feste, die Alcazaba, die wie der Bug eines Schiffes zur Ebene von Granada vorstieß, lag zu ihrer Linken, und dorthinein strömten die Soldaten, liefen über den Paradeplatz, an den Mauern entlang, die Türme hinauf und wieder hinunter. Endlich schaute Königin Isabella zum Himmel auf, beschattete die Augen mit ihrer Hand, an der maurische Goldarmbänder klirrten, und lachte laut auf, als sie das Banner des heiligen Jakobus und das silberne Kreuz an den Masten erblickte, wo vordem die Fahne des Halbmondes geflattert hatte.

Dann wandte sie sich den Hausdienern des Schlosses zu, die schleppenden Schrittes und mit gesenkten Köpfen herbeikamen, angeführt vom Großwesir, dessen beträchtliche Körpergröße von seinem flatternden Gewand noch betont wurde. Seine stechenden schwarzen Augen bohrten sich in Isabellas, glitten über König Ferdinand und die königliche Familie, den Prinzen und die vier Prinzessinnen. Der König und der Prinz waren so reich gekleidet wie Sultane, sie trugen üppig bestickte Tuniken über ihren Hosen, während die Königin und die Prinzessinnen die traditionelle Kamiz-Bluse aus feinster Seide trugen, dazu weiße leinene Hosen und Schleier, die von Goldnetzen gehalten wurden.

»Eure königlichen Hoheiten, es ist mir eine Ehre und Pflicht, Euch im Alhambra-Palast willkommen zu heißen«, sagte der Großwesir, als sei es die alltäglichste Sache der Welt, den schönsten aller Paläste an bewaffnete Eindringlinge zu übergeben.

Die Königin und ihr Gemahl tauschten einen Blick. »Ihr könnt uns nun hineinführen«, sagte sie.

Der Großwesir verneigte sich und ging ihnen voraus. Die Königin sah ihre Kinder an. »Nun kommt, Mädchen«, sagte sie und setzte sich in Bewegung. Der Weg führte durch die Gärten, die den Palast umgaben, ein paar Stufen hinunter und schließlich zu einer unscheinbaren Tür.

»Ist dies der Haupteingang?« Isabella zögerte vor der kleinen Tür in der Mauer.

Wieder verneigte sich der Großwesir. »Ja, Euer Hoheit, das ist er.«

Isabella sagte nichts darauf, aber Catalina sah, wie sie ein wenig geringschätzig die Augenbrauen hochzog. Dann traten sie ein.

***

Doch diese kleine Tür ist wie ein Schlüsselloch zu einer ganzen Reihe von Schatzkästchen, die sich nacheinander dem Betrachter öffnen. Der Mann führt uns hindurch wie ein Sklave, der die Türen einer Schatzkammer aufschließt. Schon die Namen der Zimmer sind ein Gedicht: das Goldene Zimmer, der Myrtenhof, der Saal der Botschafter, der Löwenhof, der Saal der Zwei Schwestern. Wir werden Wochen brauchen, bis wir uns in diesen kostbar gefliesten Gemächern zurechtfinden. Und die Wasserspiele werden uns noch länger in Staunen versetzen: Über Marmorrinnen strömt das Wasser in die Zimmer und zu weißen Marmorbrunnen, in denen stets das frischeste, sauberste Wasser aus den Bergen sprudelt. Und niemals werde ich es satt bekommen, durch das weiße Gipsmaßwerk der Fenster auf die Ebene zu blicken, auf die Berge, den blauen Himmel und die goldenen Hügel. Jedes Fenster ist wie der Rahmen eines Bildes, sie sind so angelegt, dass man stehen bleibt, schaut und staunt. Jedes Fenster ähnelt einer filigranen Weißstickerei oder dem Meisterwerk eines Zuckerbäckers.

Wir haben uns in den Haremsgemächern eingerichtet, weil sie für mich und meine drei Schwestern am bequemsten sind. An den kühlen Abenden zünden die Haremsdienerinnen die Kohlenpfannen an und streuen duftende Kräuter aus. Wir fühlen uns wie Sultansfrauen, die schon lange abgeschirmt in diesen Zimmern leben. Schon immer haben wir daheim maurische Kleidung getragen und zuweilen auch zu festlichen Anlässen, deshalb ist uns das Rascheln von Seide und das leise Klatschen von Pantoffelsohlen auf Marmorböden vertraut. Doch nun bekommen wir unsere Unterrichtsstunden in den ehemaligen Räumen der Sklavinnen und lustwandeln in Gärten, die zum Ergötzen der Lieblingsfrauen des Sultans angelegt wurden. Wir essen ihre Früchte, wir schlemmen ihre Sorbets, wir binden ihre Blumen zu Kränzen und setzen sie auf unser Haupt, und wir laufen durch ihre Alleen, auf denen morgens schwer der süße Duft von Rosen und Geißblatt lastet.

Wir baden im Schweißbad, im Hamam; stocksteif stehen wir da, während die Dienerinnen uns mit schäumender Blumenseife waschen. Dann gießen sie Krug um Krug warmes Wasser über uns aus, von Kopf bis Fuß, um die Seife abzuwaschen. Wir werden mit Rosenöl gesalbt, in weiche Tücher gehüllt und liegen halb trunken vor sinnlichem Vergnügen auf dem warmen Marmortisch, der den größten Teil des Bades einnimmt. Über uns wölbt sich die goldene Decke, deren sternenförmige Öffnungen blendende Sonnenstrahlen in die schattige Friedlichkeit dieses Ortes einlassen. Ein Mädchen pedikürt unsere Füße, während ein anderes sich den Händen widmet, die Nägel feilt und zierliche Henna-Ornamente aufmalt. Wir lassen uns von der alten Frau die Augenbrauen zupfen und die Wimpern färben. Wir werden bedient, als wären wir Sultaninnen, wir genießen zur selben Zeit die Reichtümer Spaniens und den Luxus des Orients. Gern geben wir uns den Freuden dieses Palastes hin. Wir sind seine Gefangenen, wir unterwerfen uns dem sinnlichen Vergnügen - wir, die sogenannten Sieger.

Selbst Isabel, die vor Trauer um ihren verstorbenen Gemahl fast versteinert war, beginnt wieder zu lächeln. Selbst Juana, die meist so mürrisch ist, findet ihren Frieden. Und ich werde das Schoßkind des Hofes, der Liebling der Gärtner, die mich Pfirsiche pflücken lassen, der Liebling des Harems, wo man mir das Tanzen und das Singen beibringt, und nicht zuletzt der Liebling der Küche, wo man mich bei der Zubereitung der süßen Kuchen und der arabischen Honig- und Mandelgerichte zuschauen lässt.

Mein Vater empfängt ausländische Gesandte im Saal der Botschafter und führt sie, gemächlich wie ein Sultan, zu Gesprächen ins Badehaus. Meine Mutter sitzt mit untergeschlagenen Beinen auf dem Thron der Nasriden, die generationenlang hier geherrscht haben. Ihre bloßen Füße stecken in weichen Lederpantoffeln, die reichen Falten des Kamiz umspielen ihren Körper. Aufmerksam lauscht sie den Gesandten des Papstes - und das in einem Gemach mit bunt gekachelten Wänden und heidnischem Licht! Doch so ist sie es gewöhnt, wuchs sie doch im Alcazar von Sevilla auf, der auch ein maurischer Palast ist.

Wir lustwandeln in ihren Gärten, baden in ihrem Hamam, laufen in ihren duftenden Lederpantoffeln und leben ein Leben, das kultivierter und luxuriöser ist als alles, wovon man in Paris oder London oder Rom nur träumen kann. Wir leben in Anmut. Wir leben so, wie wir es immer wollten: wie die Mauren. Unsere christlichen Glaubensbrüder hüten Ziegen in den Bergen, beten an Hügelgräbern zur Heiligen Jungfrau, werden von Aberglauben und Krankheiten geplagt, fristen ihr Dasein in Schmutzigkeit und sterben jung. Wir hingegen lernen von maurischen Gelehrten, nehmen bei Krankheit maurische Ärzte in Anspruch, studieren die Sterne am Himmel, denen sie Namen gegeben haben, zählen mit ihren Zahlen, die mit der magischen Null beginnen, essen ihre süßesten Früchte und erfreuen uns an ihren Wasserspielen. Wir genießen ihre Architektur, spüren in jedem Winkel des Palastes, dass wir inmitten von Schönheit leben. Und nun ist es dazu gekommen, dass ihre Macht sogar für unsere Sicherheit sorgt, denn die Alcazaba ist, wieder einmal, uneinnehmbar. Wir erlernen ihre Dichtkunst, wir lachen über ihre Scherze, wir erfreuen uns an ihren Gärten, ihren Früchten, wir baden in den Wassern, welche sie zum Fließen brachten. Wir mögen die Sieger sein, sie aber haben uns beigebracht, wie man herrscht. Manchmal denke ich, dass wir im Grunde die Barbaren sind, so wie jene Menschen, die nach den Römern oder den Griechen kamen: Zwar eroberten sie die Reiche jener, aber sie saßen auf dem Thron wie Affen; sie spielten mit der Schönheit, vermochten sie jedoch nicht zu verstehen.

Immerhin ändern wir unseren Glauben nicht. Jeder Palastdiener muss dem wahren Glauben ein Lippenbekenntnis ablegen. Der Muezzin darf nicht mehr zum Gebet in die Moschee rufen, meine Mutter duldet es nicht. Und jeder, der diesem Gebot nicht folgen mag, kann entweder nach Afrika gehen oder konvertieren - oder aber er wird dem Feuer der Inquisition überantwortet. Unsere Kriegsbeute ist das Leben in diesem Luxus, doch es macht uns nicht dekadent. Wir vergessen nie, dass wir unseren Sieg der Waffengewalt und dem Willen Gottes verdanken. Wir haben dem armen König Boabdil feierlich versprochen, dass sein Volk, die Muslime, unter unserer Herrschaft ebenso friedlich und wohlbehalten leben wird wie vordem die Christen unter der seinen. Wir haben ihnen convivencia versprochen - ein friedliches Zusammenleben der Kulturen -, und sie glauben, dass wir ein Spanien erschaffen, in dem jeder, ob Maure oder Jude oder Christ, in Ruhe und Würde leben kann, da wir alle »Menschen des heiligen Wortes« sind. Der Irrtum Boabdils war, dass er diesem Waffenstillstand vertraute, und wir - wie sich bald herausstellen soll - tun dies eben nicht.

Denn binnen drei Monaten haben wir unser Wort gebrochen. Wir haben die Juden vertrieben und drohen nun den Muslimen. Jeder soll sich zum wahren Glauben bekehren. Falls auch nur der Schatten eines Zweifels an seiner Läuterung besteht, wird er der heiligen Inquisition vorgeführt. Dies ist der einzige Weg, um eine Nation zu bilden: Indem man ein Bekenntnis zur Staatsreligion erhebt. Es ist der einzige Weg, um aus der großen Vielfalt, aus der Al-Andalus bestand, ein Volk zu machen. Meine Mutter lässt im Ratssaal eine Kapelle errichten und betet nun dort, wo es einst in wunderschönen arabischen Lettern hieß: »Tritt ein und bitte. Scheue dich nicht, Gerechtigkeit zu fordern, denn hier wirst du sie erlangen«, zu einem strengeren, weniger toleranten Gott als Allah, und niemand sucht mehr in diesen Räumen nach Gerechtigkeit.

Doch nichts kann den Charakter dieses Palastes ändern. Nicht einmal das Stampfen der schweren Füße unserer Soldaten kann den jahrhundertealten Frieden erschüttern. Ich lasse mir von Madilla die Bedeutung der geschwungenen Schriftzeichen erklären, die in jedem Zimmer zu finden sind, und mein Lieblingsspruch ist nicht das Versprechen von Gerechtigkeit, sondern sind die Sätze in der Halle der Zwei Schwestern. Dort steht: »Habt Ihr jemals so einen schönen Garten gesehen?« Und die Antwort lautet: »Wir haben niemals einen Garten gesehen, der reichere oder süßere Früchte geboten hätte.«

Die Alhambra ist im Grunde kein Palast wie jener, den wir in Córdoba oder Toledo besaßen. Sie ist weder Burg noch Festung. Die Alhambra sollte vor allem ein Garten sein, mit daran anschließenden luxuriösen Gemächern, damit das Leben anmute wie unter freiem Himmel. So wurde dieser Palast geschaffen: als eine Zimmerflucht von Höfen, in denen Blumen wie auch Menschen glücklich sein können. Die Alhambra ist ein Wahrheit gewordener Traum von Schönheit: Mauern, Kacheln, Säulen, die in Blumen übergehen, in Kletterpflanzen, Früchte und Kräuter. Die Mauren glauben, dass ein Garten das Paradies auf Erden darstellt, und sie haben über die Jahrhunderte ein Vermögen ausgegeben, um diesen »Al-Yanna« zu erschaffen: ein Wort, das sowohl Garten, geheimer Ort als auch Paradies bedeutet.

Ich habe diesen Ort geliebt. Schon als kleines Kind wusste ich, dass er außergewöhnlich ist, dass ich nirgendwo etwas Lieblicheres finden würde. Und schon als Kind ahnte ich, dass meines Bleibens hier nicht sein würde. Es war Gottes Wille und der Wille meiner Mutter, dass ich Al-Yanna verließ, meinen geheimen Ort, meinen Garten, mein Paradies. Dies war mein Schicksal: dass ich schon im Alter von sechs Jahren den schönsten Ort auf der Welt kennenlernte und ihn im Alter von fünfzehn Jahren verlassen musste, heimwehkrank wie Boabdil - als sollte es mir im Leben nicht vergönnt sein, für längere Zeit Glück und Frieden zu erfahren.

DOGMERSFIELD-PALAST, HAMPSHIRE, HERBST 1501

»Ich sage, Ihr dürft nicht herein! Und wenn Ihr der englische König höchstpersönlich wäret, kämt Ihr nicht herein.«

»Ich bin der König von England«, erwiderte Heinrich Tudor ohne einen Funken Humor. »Und entweder kommt sie jetzt heraus, oder ich gehe verflucht noch mal mit meinem Sohn hinein!«

»Die Infantin hat dem König bereits Nachricht geschickt, dass sie ihn nicht empfangen kann«, sagte die Duenna, die Anstandsdame der spanischen Prinzessin, mit vernichtendem Blick. »Die Adeligen ihres Hofes haben Seine Majestät bereits aufgesucht und ihm eröffnet, dass sich die Prinzessin gemäß unseren Traditionen vor der Hochzeit zurückgezogen hat. Glaubt Ihr etwa, der König von England würde sich erfrechen, sie aufzusuchen, wo die Infantin doch abgelehnt hat, ihn zu empfangen? Was für ein Mann würde denn so etwas tun?«

»Genau der hier«, erwiderte er und streckte ihr zur Erklärung seinen Finger mit dem großen goldenen Ring entgegen. In diesem Augenblick eilte Graf de Cabra in die Halle und erkannte sogleich den hageren, vierzigjährigen Mann, welcher der Duenna der Infantin mit geballter Faust drohte. Hinter ihm duckten sich ein paar erschrockene Diener.

»Der König!«, keuchte de Cabra entsetzt. Im selben Augenblick erkannte auch die Duenna das neue Emblem Englands, die vereinten Rosen der Häuser Lancaster und York, und wich erschrocken zurück. Der Graf verneigte sich vor dem König.

»Er ist der König!«, zischte er der Duenna mit gedämpfter Stimme zu. Die Anstandsdame keuchte entsetzt und sank in einen tiefen Knicks.

»Steht auf«, befahl der Herrscher. »Und holt sie.«

»Aber sie ist eine spanische Prinzessin, Euer Gnaden«, wandte die Frau ein und erhob sich mit tief gesenktem Kopf. »Sie muss die Tage vor der Hochzeit in Abgeschiedenheit verbringen. Ihr dürft sie vor der Hochzeit nicht sehen. Das ist unsere Tradition. Ihre Höflinge haben es Euch doch erklärt …«

»Das ist Eure Tradition. Nicht die meine. Und da sie in meinem Lande und nach meinen Gesetzen meine Schwiegertochter wird, muss sie sich unserer Tradition beugen.«

»Sie ist sehr behütet erzogen worden und ist sehr bescheiden und hält auf Anstand …«

»Dann wird es sie überaus schockieren, einen zornigen Mann in ihrem Schlafgemach vorzufinden. Madam, ich schlage vor, dass Ihr sie unverzüglich weckt.«

»Das werde ich nicht tun, Euer Gnaden. Ich nehme meine Befehle ausschließlich von Spaniens Königin entgegen, und diese hat mir aufgetragen, dass der Infantin stets angemessener Respekt bezeugt wird und dass sie sich stets nach den Regeln des Anstands …«

»Madam, Ihr könnt Eure Tagesbefehle von mir erhalten - oder auch den Marschbefehl, es ist mir gleich. Nun schickt das Mädel schon heraus, oder ich schwöre bei meiner Krone, dass ich ihre Kammer betrete, und wenn ich sie nackt im Bette sehe, dann ist sie nicht die erste Frau, die ich in solchem Zustand antreffe. Aber in letzterem Falle sollte sie lieber hübsch sein.«

Die spanische Duenna erbleichte ob dieser Beleidigung.

»Ihr könnt wählen«, sagte der König mit steinerner Miene.

»Ich kann die Infantin nicht holen«, entgegnete sie trotzig.

»Mein Gott! Es reicht! Sagt ihr, ich käme sofort hinein.«

Sie trippelte zurück wie eine scheue Kuh, das Gesicht weiß vor Empörung. Heinrich gewährte ihr ein paar Augenblicke, dann ließ er es darauf ankommen und stolzierte in die Kammer.

Diese wurde nur von Kerzen und dem Feuer im Kamin erleuchtet. Die Bettdecke war zurückgeschlagen, als wäre das Mädchen hastig aufgestanden. Plötzlich wurde Heinrich die Intimität der Situation bewusst: ihre Schlafkammer, die noch warmen Laken, ihr Geruch in dem abgeschlossenen Gemach. Dann erst schaute er die spanische Infantin an. Sie stand neben ihrem Bett, eine kleine weiße Hand ruhte am geschnitzten Bettpfosten. Über ihre Schultern hatte sie einen dunkelblauen Umhang geworfen, und durch einen Schlitz blitzte ihr weißes Nachthemd mit dem kostbaren Spitzensaum. Ihr volles kastanienbraunes Haar, für die Nacht zum Zopf geflochten, hing über ihren Rücken, doch ihr Gesicht war vollkommen hinter einer hastig übergeworfenen dunklen Spitzenmantilla verborgen.

Doña Elvira stellte sich zwischen das junge Mädchen und den König. »Dies ist die Infantin«, mahnte sie. »Sie wird bis zu ihrer Hochzeit verschleiert sein.«

»Nicht, wenn ich für sie bezahlt habe«, sagte Heinrich Tudor bitter. »Ich will die Ware vorher in Augenschein nehmen, wenn Ihr erlaubt.«

Er trat einen Schritt vor. Die verzweifelte Duenna war kurz davor, auf die Knie zu fallen. »Ihre Sittsamkeit erlaubt nicht …«

»Hat sie vielleicht einen Schönheitsfehler?«, fragte er und gab damit seiner größten Furcht Ausdruck. »Womöglich Pockennarben, die mir verschwiegen wurden?«

»Nein! Ich versichere es.«

Stumm streckte das Mädchen eine weiße Hand aus und hob den Spitzensaum seines Schleiers. Die Duenna wollte schon protestieren, konnte jedoch die Prinzessin nicht vom Lüften des Schleiers abhalten. Sie schlug ihn vollends zurück. Ihre klaren blauen Augen blickten unverwandt in das zornige, faltige Gesicht Heinrich Tudors. Und der König weidete sich an ihrem Anblick und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.

Denn die Infantin war eine vollendete Schönheit: Sie besaß ein weiches, rundes Gesicht, eine gerade, lange Nase und einen anziehenden Schmollmund mit vollen Lippen. Sie reckte das Kinn, wie er sehr wohl sah, und ihr Blick war herausfordernd. Sie war keine furchtsame Jungfrau, die eine Entführung fürchtete, sondern eine mutige Prinzessin, die selbst in diesem äußerst peinlichen Moment ihre Würde bewahrte.

Er verneigte sich. »Ich bin Heinrich Tudor, König von England.«

Sie machte einen Knicks.

Er trat auf sie zu und merkte, dass sie den Impuls unterdrückte, vor ihm zurückzuweichen. Er umfasste ihre Schultern und küsste sie erst auf die eine Wange, dann auf die andere. Der Duft ihres Haares und der warme, weibliche Geruch ihres Körpers wehten ihn an, und er spürte das plötzliche Aufflammen des Begehrens in seinen Lenden, das Pochen seiner Schläfen. Rasch trat er einen Schritt zurück und ließ ihre Schultern los.

»Ich heiße Euch in England willkommen«, sagte er. Dann räusperte er sich. »Ihr müsst mir meine Ungeduld vergeben. Auch mein Sohn wird Euch nun seine Aufwartung machen.«

»Ich bitte um Vergebung«, erwiderte sie eisig und in ausgezeichnetem Französisch. »Ich erfuhr erst vor wenigen Augenblicken, dass Euer Gnaden auf der Ehre dieses unerwarteten Besuches bestand.«

Heinrich erschrak ein wenig vor ihrem unbeugsamen Temperament. »Ich habe das Recht …«

Sie bewegte die Schultern in einer vollkommenen spanischen Geste. »Natürlich. Ihr besitzt jedes Recht an mir.«

Bei diesen zweideutigen, herausfordernden Worten wurde er sich erneut der unziemlichen Nähe zu ihr bewusst: der Enge ihrer Kammer, des Himmelbettes mit den schweren Vorhängen, der einladend zurückgeschlagenen Decke, des Kissens, auf dem noch der Abdruck ihres Kopfes zu sehen war. Die Szenerie war der Schauplatz einer Entführung, nicht der einer schicklichen Begrüßung durch den König. Wieder spürte er das verborgene Pochen der Begierde.

»Ich erwarte Euch draußen«, sagte er abrupt, als sei es ihre Schuld, dass er die Vorstellung nicht loswerden konnte, wie es wohl sein müsste, diese reife kleine Schönheit zu besitzen, die er gekauft hatte. Was wäre, wenn er sie für sich selbst gekauft hätte anstatt für seinen Sohn?

»Es wird mir eine Ehre sein«, sagte sie kalt.

Er verfügte sich eilig aus dem Gemach und stieß fast mit Prinz Arthur zusammen, der beklommen vor der Tür kauerte.

»Dummkopf!«, herrschte er seinen Sohn an.

Prinz Arthur, bleich und nervös, strich sich den blonden Pony aus der Stirn, blieb stocksteif stehen und sagte kein Wort.

»Ich werde diese Duenna so bald wie möglich heimschicken«, bemerkte der König. »Und den Rest der Dienerschaft auch. Es geht nicht an, dass sie in England ein kleines Spanien errichtet. Das Volk wird es nicht hinnehmen, und ich erst recht nicht!«

»Die Leute haben aber nichts dagegen. Das Landvolk scheint die Prinzessin zu lieben«, deutete Arthur zaghaft an. »Ihre Begleiterin sagt …«

»Das kommt daher, weil sie einen dämlichen Hut trägt. Das kommt, weil sie fremdartig ist: spanisch, ungewohnt. Weil sie jung ist und« - er stockte - »hübsch.«

»Ja?«, keuchte der Junge. »Ich meine: Ist sie wirklich hübsch?«