Um Reich und Krone - Philippa Gregory - E-Book
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Um Reich und Krone E-Book

Gregory Philippa

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Beschreibung

Drei Schwestern. Drei Leben. Drei Wege zur Macht. Jane Königin von England für neun Tage, wird die junge Jane Grey von der Halbschwester des Königs Mary in den Tower gesperrt und bezahlt für die Machtgier ihres Vaters auf dem Schafott. Katherine Lerne zu sterben, schreibt Jane an ihre lebensfreudige Schwester Katherine – der die unfruchtbare Königin Mary und dann Königin Elizabeth niemals zugestehen werden, einen Tudor-Sohn zu gebären. Als ihre Schwangerschaft entdeckt wird, steht sie nur noch wenige Schritte von Janes Los entfernt. Mary Missachtet zu Hofe, meidet die kleinwüchsige Mary die misstrauischen Blicke der Königin. Nach dem Schicksal ihrer Schwestern wird ihr nur allzu bewusst, in welcher Gefahr sie schwebt. Was wird geschehen, wenn die Letzte aus dem Geschlecht der Tudors der skrupellosen Königin Elizabeth die Stirn bietet? Der letzte Teil der Tudor-Saga.

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Seitenzahl: 811

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Philippa Gregory

Um Reich und Krone

Das Erbe der Tudors

Historischer Roman

Aus dem Englischen von Anja Schünemann

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Drei Schwestern. Drei Leben. Drei Wege zur Macht.

 

Jane

 

Königin von England für neun Tage, wird die junge Jane Grey von der Halbschwester des Königs, Mary, in den Tower gesperrt und bezahlt für die Machtgier ihres Vaters auf dem Schafott.

 

Katherine

 

Lerne zu sterben, schreibt Jane an ihre lebensfreudige Schwester Katherine – der die unfruchtbare Königin Mary und dann Königin Elizabeth niemals zugestehen werden, einen Tudor-Sohn zu gebären. Als ihre Schwangerschaft entdeckt wird, steht sie nur noch wenige Schritte von Janes Los entfernt.

 

Mary

 

Missachtet zu Hofe, meidet die kleinwüchsige Mary die misstrauischen Blicke der Königin. Nach dem Schicksal ihrer Schwestern wird ihr nur allzu bewusst, in welcher Gefahr sie schwebt. Was wird geschehen, wenn die Letzte aus dem Geschlecht der Tudors der skrupellosen Königin Elizabeth die Stirn bietet?

 

Der letzte Teil der Tudor-Saga.

Über Philippa Gregory

Philippa Gregory, geboren 1954 in Kenia, studierte Geschichte in Brighton und promovierte an der University of Edinburgh über die englische Literatur des 18. Jahrhunderts. Ihre historischen Romane sind weltweit Bestseller und wurden mit Starbesetzung verfilmt, zuletzt «Das Erbe der weißen Rose» in einer aufwendigen Produktion des US-Senders Starz. Außerdem schreibt Philippa Gregory Kinder- und Jugendbücher, Kurzgeschichten, Reiseberichte und Drehbücher und arbeitet als Journalistin für Zeitung, Radio und Fernsehen. Sie lebt mit ihrer Familie in Nordengland.

Für meine Schwester

Erstes Buch

Jane

Bradgate House, Groby,Leicestershire

Frühjahr 1550

Ich liebe meinen Vater, denn ich weiß, dass er niemals sterben wird. Ebenso wie ich. Wir sind von Gott auserwählt und weichen nie von Seinen Wegen ab. Wir haben es nicht nötig, uns unseren Platz im Himmel zu verdienen, indem wir Gott durch Messen und dergleichen bestechen. Wir brauchen nicht Brot zu essen und zu tun, als wäre es Fleisch, nicht Wein zu trinken und ihn Blut zu nennen. Wir wissen, das ist Torheit, eine Falle, in die papistische Narren tappen. Wir verstehen, wie in unserer Zeit immer mehr Menschen verstehen: Wir sind ein für alle Mal errettet. Wir haben nichts zu fürchten, weil wir niemals sterben werden.

Wobei mein Vater durchaus weltlich ist, sündhaft weltlich. Ich wünschte, er würde zulassen, dass ich mit seiner Seele ringe, aber er lacht nur und sagt: «Geh, Jane, und schreibe an unsere Freunde, die Schweizer Reformatoren. Ich schulde ihnen einen Brief – du kannst ihn für mich schreiben.»

Es ist unrecht von ihm, sich einem heiligen Diskurs zu entziehen, aber das ist lediglich die Sünde der Unachtsamkeit – ich weiß, er ist mit Herz und Seele für die wahre Religion. Außerdem darf ich nicht vergessen, dass er mein Vater ist und ich Vater und Mutter Gehorsam schulde – was immer ich im Stillen über sie denke. Gott, der alles sieht, wird dereinst über sie richten. Und Gott hat meinem Vater bereits vergeben; mein Vater ist durch die Gnade errettet.

Ich fürchte, meine Mutter wird dem Höllenfeuer nicht entgehen, und meine Schwester Katherine, die drei Jahre jünger ist als ich, ein Kind von neun Jahren, wird gewiss nach ihrem Tod nicht wiederauferstehen. Sie ist unsäglich albern. Wenn ich eine abergläubische Närrin wäre, würde ich denken, sie sei besessen, so jenseits aller Hoffnung ist sie. Meine jüngste Schwester Mary wurde in die Erbsünde hineingeboren und kann nicht aus ihr herauswachsen. Sie ist winzig, und ich denke, das ist ein Zeichen der Sünde. Sie ist eine hübsche Miniaturausgabe unserer Schwester Katherine, klein wie ein Püppchen. Meine werte Mutter hätte sie als Kind fortgegeben, um uns die Schande zu ersparen, aber mein Vater brachte es nicht übers Herz, und so wächst sie bei uns auf. Dumm ist sie nicht – sie lernt ihre Lektionen gut –, aber sie hat keinen Begriff von der Gnade Gottes; sie gehört nicht zu den Auserwählten wie Vater und ich. Eine wie sie – vom Satan in ihrem Wachstum behindert – sollte ganz besonders nach Erlösung streben. Ich denke, ein fünfjähriges Kind ist noch etwas zu jung, um der Welt abzuschwören; andererseits habe ich selbst schon mit vier Jahren Latein gelernt, und unser Erlöser war im selben Alter wie ich jetzt, als er in den Tempel ging und vor den Gelehrten predigte. Wenn man nicht von der Wiege an die Wege des Herrn lernt, wann soll man dann damit beginnen?

Ich bin wohl die gebildetste junge Frau im ganzen Land, wenn nicht gar in ganz Europa, in der reformierten Religion erzogen, der Liebling der großen Gelehrten und Königin Kateryn Parr. Von meiner Cousine Prinzessin Elizabeth glaube ich nicht, dass sie auf dem Weg zu einer wahren Gelehrten ist, denn viele sind berufen, doch wenige sind auserwählt. Die arme Elizabeth macht nicht den Eindruck, als gehörte sie dazu, und ihre Studien sind sehr weltlich. Sie will klug erscheinen, will ihren Lehrern gefallen und Aufmerksamkeit heischen. Selbst ich muss achtgeben, dass ich nicht der Sünde des Hochmuts verfalle, auch wenn meine Mutter abschätzig sagt, ich solle lieber darauf achten, dass ich mich nicht ganz und gar lächerlich mache. Aber wenn ich ihr erkläre, dass sie sich im Zustand der Sünde befindet, zieht sie mich am Ohr und droht, mich zu schlagen. Ich würde mit Freuden für meinen Glauben Schläge erdulden wie die Heilige Anne Askew, aber ich glaube, es ist gottgefälliger, wenn ich mich entschuldige, knickse und mich an den Esstisch setze. Außerdem gibt es heute Birnenkuchen mit Karamell, meine Leibspeise.

Es ist wirklich nicht leicht, in Bradgate ein strahlendes Licht zu sein. Es ist ein weltliches Haus, und wir sind ein großer Haushalt. Auch das Haus ist groß, ein roter Ziegelbau wie Hampton Court, und es steht in dem riesigen Wald Charnwood. Es steht uns zu, so herrschaftlich zu leben, denn meine Mutter ist die Tochter von Prinzessin Mary, der Lieblingsschwester von Henry VIII. und einstigen Königin von Frankreich, also steht sie in der Thronfolge direkt hinter den Kindern des verstorbenen Königs. Damit sind wir die bedeutendste Familie Englands, und wir vergessen es nie. Wir haben mehr als dreihundert Gefolgsleute allein für uns fünf, einen Stall voller prächtiger Pferde, außerdem Höfe und Dörfer, Flüsse und Seen im Herzen Englands. Wir haben sogar einen eigenen Bären für die Bärenhatz, der in den Stallungen untergebracht ist, eine eigene Bärenhatzarena und einen Ring für Hahnenkämpfe. Wir besitzen die schönsten Ländereien Englands, und ich bin in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass all dieses Land mir gehört, so wie wir zu England gehören.

Natürlich stehen zwischen meiner Mutter und dem Thron noch die drei Kinder des verstorbenen Königs: Edward, der jetzige König, der wie ich erst zwölf ist und deshalb mit einem Lord President regiert, und dann seine älteren Schwestern, die Prinzessinnen Mary und Elizabeth. Manche Leute zählen die Prinzessinnen nicht als Erbinnen, weil sie beide von ihrem eigenen Vater zu Bastarden erklärt wurden. Sie wären gar nicht in die königliche Familie aufgenommen worden, wäre da nicht meine Lehrerin Kateryn Parr mit ihrer christlichen Nächstenliebe gewesen, die sie an den Hof geholt und dafür gesorgt hat, dass sie anerkannt wurden. Schlimmer noch, Prinzessin Mary (Gott möge ihr vergeben) ist eine erklärte Papistin und Häretikerin, und ich bin als Cousine dennoch verpflichtet, sie zu lieben. Dabei ist es mir zuwider, ihr Haus zu betreten, wo sie die Gebetszeiten der Liturgie einhält, als würde sie im Kloster leben und nicht in einem reformierten Königreich.

Von Elizabeth will ich gar nicht sprechen. Ich hatte viel Umgang mit ihr, als wir beide bei Königin Kateryn und ihrem jungen Gemahl Thomas Seymour lebten. Ich sage nur, Elizabeth sollte sich schämen, und sie wird sich vor Gott für das verantworten müssen, was sie getan hat. Ich habe es selbst gesehen, die Neckerei und das Herumtollen mit dem Mann ihrer Stiefmutter. Sie hat Thomas Seymour, einen großen Mann, verführt und ins Verderben gestürzt. Sie hat sich der Wollust und des Ehebruchs schuldig gemacht – wenn nicht in seinem Bett, so doch in ihrem Herzen. Sie ist so schuldig an seinem Tod, als hätte sie selbst ihn des Verrats bezichtigt und aufs Schafott geführt. Sie wollte, dass er sich selbst als ihren Liebhaber und Mann sah und sie beide als Thronerben. Vielleicht hat sie es nicht ausgesprochen, aber es bedurfte nicht vieler Worte, ihr Verhalten sprach für sich.

Aber – nein, ich urteile nicht. Niemals. Das steht allein Gott zu. Ich muss meine Gedanken rein halten und das Mitleid einer Sünderin für eine andere empfinden. Aber ich bin sicher, sie wird einmal in der Hölle schmoren, weil ihre Gebete um Vergebung ihrer Unkeuschheit, Treulosigkeit und ihres Ehrgeizes zu spät kamen. Gott und ich werden sie dann bedauern und sie ihrer ewigen Strafe überlassen.

Jedenfalls, da Prinzessin Mary und Elizabeth beide für illegitim erklärt wurden und beide offensichtlich als Thronfolgerinnen ungeeignet sind, haben diese Halbschwestern König Edwards einen weniger rechtmäßigen Anspruch auf die Krone als die Tochter von König Henrys Lieblingsschwester Mary: meine Mutter.

Gerade darum wäre es desto wichtiger, dass sie sich mit der reformierten Religion vertraut macht und dem eitlen Putz und Prunk abschwört. Sie sollte üppiges Essen und Trinken meiden, nur mit den keuschesten Damen ihres Haushalts tanzen und nicht den ganzen Tag durchs Land reiten und jagen, als wäre sie ein hungriges wildes Tier. Ich habe solche Angst, dass sie wollüstig ist (die Tudors sind schrecklich wollüstig), ich weiß, dass sie stolz ist (die Tudors sind geborene Tyrannen), und es ist nicht zu übersehen, dass sie Extravaganz und weltlichen Prunk liebt.

Ich sollte sie ermahnen, aber als ich zu meinem Lehrer sage, dass ich meinen Mut zusammennehmen will, um meiner Mutter wenigstens die Sünde des Stolzes, des Zornes, der Völlerei, Wollust und Habgier vorzuhalten, erwidert er besorgt: «Lady Jane, das solltet Ihr lieber nicht tun, wirklich», und ich weiß, er fürchtet sich vor ihr, so wie alle – selbst mein Vater. Das zeigt nur, dass sie sich neben all den anderen Sünden auch über ihre Stellung als Frau erhebt.

Ich würde mich ebenso fürchten wie alle anderen, aber mein Glaube gibt mir Kraft und hält mich aufrecht. Das ist nicht leicht, wenn man dem reformierten Glauben anhängt. Die papistischen Narren haben Dutzende Dinge, die sie ermutigen: die Heiligenbilder in der Kirche, die Nonnen, den Priester, den Chor, den Weihrauch, den Wein, von dem sie sich einreden, er schmecke salzig wie Blut. Aber all das ist eitel und leer. Ich weiß, dass mein Glaube mich aufrecht hält, weil ich, wenn ich in einer kühlen, weiß getünchten Kapelle schweigend niederknie, die Stimme Gottes vernehme, sanft wie die eines liebenden Vaters. Ich lese die Bibel selbst, niemand liest sie mir vor, und dann höre ich das Wort Gottes. Ich bete um Weisheit, und wenn ich spreche, tue ich es in den Worten der Bibel. Ich bin Seine Magd und Seine Stimme – und darum ist es so großes Unrecht von meiner Mutter, mich zu schelten: «Um Gottes willen, geh hinaus mit deinem langen Gesicht, geh auf die Jagd, bevor ich dich persönlich aus der Bibliothek vertreibe!»

Großes Unrecht. Ich bete, Gott möge ihr vergeben, wie ich es tue. Aber ich weiß, Er wird die Beleidigung gegen mich, Seine Magd, nicht vergessen; ebenso wenig wie ich. Ich nehme ein Pferd aus den Stallungen, aber ich reite nicht zur Jagd. Stattdessen reite ich mit meiner Schwester Katherine aus, von einem Stallknecht begleitet. Wir können in jede beliebige Richtung den ganzen Tag reiten, ohne unser Land zu verlassen. Wir traben durch Wiesen, an üppigen grünen Feldern vorbei und durch Furten, wo die Pferde vom klaren Wasser trinken können. Wir sind gesegnet, wir sind Kinder des englischen Königsgeschlechts, und am glücklichsten sind wir im ländlichen England.

 

Heute ist meine Mutter aus irgendeinem Grund strahlender Laune, und ich wurde angewiesen, mein neues Kleid aus tiefrotem Samt anzuziehen, das letzte Woche aus London gekommen ist, mit einer edlen schwarzen Haube und Ärmeln, denn wir erwarten Gäste zum Essen. Von unserem Kämmerer habe ich erfahren, dass es sich um den ehemaligen Lordprotektor Edward Seymour Duke of Somerset handelt. Er saß wegen Verrats im Tower, doch nun wurde er entlassen und kehrt in den Kronrat zurück. Wir leben in gefährlichen Zeiten.

«Er bringt seinen Sohn mit», fügt der Kämmerer hinzu und erdreistet sich, mir zuzuzwinkern, als wäre ich ein leichtsinniges Mädchen, das über diese Mitteilung in närrische Begeisterung ausbrechen würde.

«Ach, wie aufregend!», sagt meine leichtsinnige Schwester Katherine.

Ich seufze geduldig und kündige an, in meinem Zimmer zu lesen, bis es Zeit ist, mich umzukleiden. Wenn ich meine Tür schließe, wird Katherine hoffentlich verstehen, dass ich allein sein will.

Meine Hoffnung erfüllt sich nicht.

Gleich darauf klopft es an der Tür, sie steckt den Kopf herein und fragt: «Oh, studierst du?», als täte ich jemals etwas anderes.

«Gewiss, das war meine Absicht, als ich meine Tür schloss.»

Sie ist taub für Ironie. «Was glaubst du, wozu der Duke of Somerset herkommt?», fragt sie und tritt unaufgefordert ins Zimmer, gefolgt von Mary.

«Hast du etwa diesen abscheulichen Affen bei dir?», falle ich ihr ins Wort, als ich ihn auf ihrer Schulter entdecke.

Sie schaut empört drein. «Natürlich. Mr. Nozzle begleitet mich überallhin. Außer wenn ich den armen Bären besuche, vor dem hat er Angst.»

«Aber hier darf er nicht herein, er wird meine Papiere in Unordnung bringen.»

«Nein, er wird ganz brav auf meinem Schoß sitzen.»

«Bring ihn hinaus.»

«Nein.»

«Ich befehle es.»

«Du hast mir gar nichts zu befehlen.»

«Ich bin die Älteste, und dies ist mein Zimmer …»

«Ich bin die Hübscheste und besuche dich aus reiner Höflichkeit.»

Wir tauschen finstere Blicke. Dann zeigt sie mir die silberne Kette um den dürren Hals des Äffchens. «Jane, bitte! Ich halte ihn auch gut fest», verspricht sie.

«Ich kann ihn für dich halten!», bietet Mary an, und nun streiten die beiden darum, wer den Affen hält, der eigentlich gar nicht hier sein dürfte.

«Ach, verschwindet doch!», sage ich gereizt. «Alle beide.»

Aber stattdessen hebt Katherine Mary auf einen Stuhl, von wo mich das Kind, nicht größer als eine Puppe, anstrahlt.

«Sitz gerade», ermahnt Katherine sie, und Mary strafft die Schultern und richtet sich auf.

«Nein! Ihr sollt gehen!»

«Erst will ich dich etwas fragen.» Katherine ist glücklich, weil sie wie immer ihren Willen durchgesetzt hat. Sie ist absurd hübsch und ungefähr so vernünftig wie Mr. Nozzle.

«Also gut», erwidere ich streng. «Stell deine Frage und dann geh.»

Sie holt tief Luft. «Was glaubst du, wozu der Duke of Somerset herkommt?»

«Ich habe keine Ahnung.»

«Aber ich weiß es. Du hältst dich doch für so besonders schlau, also warum weißt du es nicht?»

«Ich will es gar nicht wissen», entgegne ich.

«Du weißt ja nur das Zeug, das in Büchern steht.»

Die Ausdrucksweise eines unwissenden Kindes. «In der Tat, ich weiß ‹das Zeug, das in Büchern steht›», wiederhole ich ihre Worte, «aber wenn ich weltliche Dinge erfahren wollte, würde ich meinen Vater fragen, und er würde mir die Wahrheit sagen. Ich würde nicht herumschleichen und meine Eltern und die Diener belauschen.»

Sie springt auf mein großes, hölzernes Bett und lehnt sich in die Kissen, als richtete sie sich darauf ein, länger zu bleiben. Der Affe macht es sich neben ihr bequem und fährt sich mit seinen kleinen Fingern durchs Fell.

«Hat er etwa Flöhe?»

«Ach ja», antwortet sie gleichmütig. «Aber keine Läuse.»

«Nimm ihn von meinem Bett!»

Stattdessen nimmt sie ihn auf den Schoß. «Jetzt hab dich nicht so. Es gibt nämlich aufregende Neuigkeiten: Sie kommen, um über deine Verlobung zu sprechen!», verkündet sie. «So! Ich dachte mir, dass du ganz aus dem Häuschen sein würdest.»

Ich bin ganz und gar nicht aus dem Häuschen, sondern halte ruhig den Finger an der Stelle im Buch, wo ich gerade gelesen habe. «Woher hast du das?»

«Alle wissen es», erwidert sie, was mich in der Annahme bestätigt, dass es sich um den Tratsch der Dienerschaft handelt. «Ach, was für ein Glück du hast! Ich glaube, Ned Seymour ist der attraktivste Mann der Welt.»

«Mag sein, aber dir gefällt doch alles, was Hosen trägt.»

«Er hat so freundliche Augen.»

«Natürlich besitzt er Augen, aber die können keine Gefühle haben, nur Sehkraft.»

«Und ein wundervolles Lächeln.»

«Ich nehme an, er lächelt wie alle anderen, aber ich habe mir nie die Mühe gemacht, mich zu vergewissern.»

«Und er kann wunderbar reiten und hat schöne Kleider und ist der Sohn des mächtigsten Mannes in England. Es gibt keine vornehmere Familie als die Seymours. Und keine reichere. Sie sind reicher als wir. Und sogar näher am Thron.»

Ich denke im Stillen, dass seine vornehme Familie Thomas Seymour nichts geholfen hat, als er vor nur einem Jahr wegen Elizabeth enthauptet wurde, und nicht einmal sein älterer Bruder konnte ihn retten. Dann fiel der Bruder, der Lordprotektor selbst, in Ungnade, und jetzt versucht er, wieder an die Macht zu kommen.

«Der attraktive Sohn des Lordprotektors», haucht sie.

Wieder einmal bringt sie Dinge durcheinander. «Er ist nicht mehr Lordprotektor, sein Amt wurde abgeschafft», korrigiere ich sie. «Der Rat wird vom Lord President John Dudley geleitet. Wenn du eine Allianz mit der neuen mächtigsten Familie des Landes anstrebst, dann sind es die Dudleys.»

«Aber er ist immer noch der Onkel des Königs, und Ned ist Earl of Hertford.»

«Edward Seymour», korrigiere ich sie erneut.

«Meinetwegen, ob nun Edward oder Ned, wen kümmert das?»

«Und alle sagen also, dass ich mit ihm verlobt werden soll?», erkundige ich mich.

«Ja», antwortet sie schlicht. «Und wenn du heiratest, musst du wieder von zu Hause fortgehen. Ich werde dich vermissen, auch wenn du dich immer über meine Dummheit beklagst. Als du bei Königin Kateryn gelebt hast, habe ich dich auch vermisst. Ehrlich gesagt war ich ganz froh, als sie starb – auch wenn sie mir natürlich leidtat –, weil ich hoffte, dass du dann wieder hier wohnst.»

«Geh nicht, Jane», jammert Mary plötzlich, auch wenn sie von unserem Gespräch sicher kaum etwas verstanden hat.

Ich bin gerührt, auch wenn in der Bibel steht, ein Jünger müsse sein Haus und seine Familie verlassen, um das Evangelium zu verbreiten. «Wenn Gott mich in eine hohe Stellung in der Welt beruft, dann muss ich dem Ruf folgen», erkläre ich. «Unser Cousin König Edward führt einen gottgefälligen Hof, und ich werde mit Freuden dort leben und ein Vorbild für die sein, die zu mir aufblicken. Wenn du einmal an der Reihe bist, werde ich dir zeigen, wie du dich zu verhalten hast. Allerdings werde ich dich und die kleine Mary auch vermissen.»

«Und Mr. Nozzle auch?», fragt Katherine hoffnungsvoll, krabbelt vom Bett und hält ihn mir vors Gesicht.

Ich schiebe ihre Hände sanft beiseite. «Nein.»

«Also, wenn ich einmal heirate, dann hoffe ich, mein Mann sieht so gut aus wie Ned Seymour», sagt sie. «Und ich hätte auch nichts dagegen, Countess of Hertford zu werden.»

Mir wird bewusst, dass dies mein neuer Name und Titel sein wird, und wenn Neds Vater einmal stirbt, wird Ned der Duke of Somerset und ich eine Herzogin. «Gottes Wille geschehe», sage ich, während ich an die Erdbeerblätter an der Krone einer Herzogin denke und an schwere, weiche Hermelinkragen. «Für dich wie für mich.»

«Amen», antwortet sie verträumt, als dächte sie noch immer an Ned Seymours Lächeln. «Amen.»

«Ich bezweifle aber sehr, dass Gott dich zur Herzogin machen wird», betone ich.

Sie schaut mich mit großen blauen Augen an, und ihre Haut, ebenso blass wie meine, färbt sich rosig. «Bete für mich», sagt sie treuherzig. «Du bist so fromm, du kannst Gott gewiss dazu bringen, mir einen Herzog zum Mann zu geben. Und bitte Ihn auch darum, dass er gut aussieht.»

 

Katherine hatte nicht unrecht; ich muss zugeben, dass Ned Seymour so charmant ist wie alle Seymours. Er erinnert mich an seinen Onkel Thomas, den gütigsten Mann, den ich je kannte. Er war der Gemahl meiner Mentorin Kateryn Parr, bis Elizabeth ihr Glück zerstörte. Ned hat braunes Haar und braune Augen. Mir ist nie zuvor aufgefallen, dass es freundliche Augen sind, aber meine Schwester hat recht, er strahlt Warmherzigkeit aus und hat ein unwiderstehliches Lächeln. Ich hoffe, dahinter verbirgt er keine sündhaften Gedanken. Er wurde am Hof erzogen, als Gesellschafter für meinen Cousin, den König. Daher kennen wir uns, wir sind zusammen ausgeritten und haben gemeinsam tanzen gelernt, sogar gemeinsam studiert. Ich würde ihn als Freund bezeichnen, sofern es in der Schlangengrube des Königshofes überhaupt Freunde gibt. Er ist ein eifriger Anhänger der reformierten Religion, auch das haben wir gemeinsam, und hinter seiner unbeschwerten Art steckt ein ernsthafter, nachdenklicher Geist. Mein Cousin König Edward ist gelehrt und ernst wie ich, sodass wir gern zusammen lesen. Aber Ned Seymour bringt uns beide zum Lachen. Er macht niemals derbe Späße – solche Leute duldet der König nicht um sich –, sondern ist geistreich und hat ein einnehmendes Wesen, das ihn überall beliebt macht.

Ich sitze mit den Damen meiner Mutter an der Tafel, er bei den Männern seines Vaters. Unsere Eltern haben ihre Plätze an der hohen Tafel auf der Estrade, von wo sie auf uns herunterschauen. Als ich sehe, wie meine Mutter stolz das Kinn reckt, denke ich daran, dass die Letzten die Ersten sein werden und die Ersten die Letzten, und wenn ich einmal Herzogin werde, sind wir ebenbürtig, und sie darf mich nie wieder anschreien.

Als die Tische fortgeräumt werden, spielen die Musiker zum Tanz auf, und ich muss mit den Damen meiner Mutter und mit meiner Schwester Katherine tanzen. Natürlich schwingt Katherine ihren Rock und hebt ihn zu hoch, um ihre hübschen Schuhe zu zeigen. Und die ganze Zeit schaut sie lächelnd zu dem Tisch auf der Estrade, wo Ned jetzt hinter dem Stuhl seines Vaters steht. Leider muss ich erwähnen, dass er uns zuzwinkert. Ich denke, er meint uns beide und nicht allein Katherine. Es gefällt mir, dass er uns beim Tanz zusieht – aber dass er zwinkert, schmälert meine hohe Meinung von ihm.

Dann tanzen alle, und meine Mutter befiehlt mir, mit ihm zu tanzen. Alle sagen, dass wir ein hübsches Paar abgeben, auch wenn er einen ganzen Kopf größer ist als ich. Ich bin sehr klein und blass; wir Grey-Mädchen sind alle nicht besonders groß, aber ich bin froh, dass ich zierlich bin und nicht so ein stämmiges Ding wie Prinzessin Elizabeth.

«Du tanzt wunderschön», sagt Ned zu mir, als wir beieinanderstehen und warten, bis ein anderes Paar die Figur getanzt hat. «Weißt du, warum mein Vater und ich hier sind?»

Dann trennt uns der Tanz, sodass ich Zeit habe, mir eine würdevolle Antwort zu überlegen.

«Nein, du denn?», ist alles, was mir einfällt.

Er nimmt meine Hände, als wir zwischen den Reihen der anderen Tänzer hindurchtanzen. Dann bleiben wir stehen und bilden ein Tor, und er lächelt mir zu, während die anderen sich darunter hindurchducken. «Sie wollen, dass wir heiraten», sagt er fröhlich. «Es ist beschlossene Sache.»

Wir stehen uns gegenüber, während ein weiteres Paar durch die Gasse tanzt, und so kann er meine Reaktion beobachten. Ich spüre, wie ich erröte, und bemühe mich, nicht zu strahlen wie ein dummes, verliebtes Mädchen. «Das sollte ich von meinem Vater erfahren, nicht von dir», sage ich steif.

«Wirst du dich freuen, wenn er es dir mitteilt?»

Ich senke den Blick, damit er mir nicht ansieht, was ich denke. «Ich bin durch Gottes Gebot verpflichtet, meinem Vater zu gehorchen», erwidere ich.

«Und wirst du ihm freudig gehorchen und mich heiraten?»

«Durchaus.»

 

Meine Eltern geruhen, mich als Letzte einzuweihen. Erst am nächsten Tag werde ich in die Räume meiner Mutter gerufen, als Edward und sein Vater schon im Aufbruch sind.

Ich knie vor meinen Eltern nieder, und meine Mutter gibt dem Diener einen Wink, die Tür zu schließen.

«Du wirst Edward Seymour heiraten», verkündet meine Mutter forsch. «Du bist ihm versprochen, aber noch nicht förmlich verlobt. Wir müssen erst abwarten, ob sein Vater seinen Sitz im Kronrat wiedererlangt, sich mit John Dudley arrangiert, der jetzt an der Macht ist, und wieder ein mächtiger Mann wird.»

«Es sei denn, es gäbe noch diese andere Möglichkeit …», wirft mein Vater mit einem vielsagenden Blick zu meiner Mutter ein.

«Nein, er wird sicher eine ausländische Prinzessin heiraten», wehrt meine Mutter ab.

Mir ist klar, dass sie von König Edward sprechen, der öffentlich verkündet hat, er werde eine Prinzessin mit königlicher Mitgift heiraten. Ich habe nie etwas anderes erwartet, auch wenn manche sagen, ich würde eine wunderbare Königin abgeben, könnte ein strahlendes Licht für die reformierte Religion sein und die Religionsreform in diesem Land vorantreiben, die noch immer furchtbar halbherzig ist. Ich halte den Kopf gesenkt und schweige.

«Aber sie passen so gut zusammen», argumentiert mein Vater. «Beide sind so gelehrsam, beide so fromm. Und unsere Jane wäre eine rechtmäßige Erbin von Kateryn Parr. Wir haben sie dazu erzogen; Königin Kateryn hat sie dazu ausgebildet.»

Ich spüre den forschenden Blick meiner Mutter, schaue jedoch nicht auf. «Sie würde den Hof in ein Kloster verwandeln!», sagt sie lachend.

«Ein Licht für die Welt», erwidert mein Vater ernst.

«Ich glaube nicht, dass es jemals dazu kommt. Wie auch immer, Lady Jane, solange wir dir nicht etwas anderes mitteilen, darfst du dich als zukünftige Ehefrau von Edward Seymour betrachten.»

Mein Vater fasst mich am Arm und hilft mir auf. «Du wirst Herzogin werden, wenn nicht etwas noch Besseres», verspricht er. «Möchtest du nicht wissen, was noch besser sein könnte? Wie wäre es mit dem Thron von England?»

Ich schüttele den Kopf. «Ich richte meinen Blick auf eine himmlische Krone», erwidere ich und ignoriere das vulgäre spöttische Schnauben meiner Mutter.

Suffolk Place,London

Frühjahr 1553

Gut, dass ich nicht mein Herz daran gehängt habe, den attraktiven Ned Seymour zu heiraten. Der Wiederaufstieg seines Vaters zur Macht ist von kurzer Dauer und endet mit seinem Tod: Er wurde der Verschwörung gegen John Dudley überführt und als Verräter hingerichtet. Damit hat die Familie ihr Oberhaupt verloren und ist erneut ruiniert. Seine Witwe Anne Stanhope, die für ihren Stolz berühmt ist und sich einmal sogar erkühnt hat, sich beim Gang zur Tafel vor meine Mentorin Königin Kateryn zu drängen, ist im Tower inhaftiert. Ned kommt nicht mehr an den Hof. Ich hatte Glück, der Ehe mit diesem jungen Mann zu entgehen, der als Sohn eines Verräters in Schande gefallen ist – so freundlich seine Augen auch blicken mögen.

Ein ebensolches Glück ist es, dass ich mich nie vom Ehrgeiz meines Vaters habe anstecken lassen, auch wenn sämtliche reformierten Geistlichen und sämtliche protestantischen Gläubigen in England wünschen, ich möge den König heiraten und ein Königreich von Pilgern zu unserer himmlischen Heimat führen. Nicht dass mein Cousin König Edward das sagen würde – er erklärt nach wie vor, er wolle eine Prinzessin aus dem Ausland heiraten; aber natürlich darf es keine papistische Prinzessin sein. Von allen protestantischen Mädchen bin ich die Geeignetste, unserer gemeinsamen Religion hingegeben, seine Kindheitsfreundin und Tochter einer Prinzessin von Blutes wegen.

Wohlweislich hat mein Vater befohlen, dass ich in der Königsdisziplin Rhetorik unterrichtet werde und neben Latein und Griechisch auch Arabisch und Hebräisch lerne. Sollte ich jemals zur Krone berufen werden, so werde ich bereit sein. Ich habe mit Königin Kateryn Parr zusammengelebt; ich weiß, dass eine Frau eine Gelehrte und Königin sein kann. Ich bin sogar besser vorbereitet, als sie es war. Aber ich werde nicht der Sünde verfallen, nach der Krone zu streben.

Die Halbschwestern des Königs folgen leider weder in der Gelehrsamkeit noch in der religiösen Hingabe meinem Beispiel. Sie setzen alles daran, ihre Stellung am Hof und in den Augen der Welt zu erhalten, nicht aber ihr Ansehen vor dem Herrn. Prinzessin Mary ist überzeugte Papistin, und Gott allein weiß, was Elizabeth glaubt. Die andere direkte Thronerbin, Mary von Schottland, ist Papistin und wächst in sündhaftem Luxus am französischen Hof auf, und Margaret Douglas, die Tochter meiner Großtante Margaret, hat einen Schotten geheiratet und lebt zurückgezogen in Yorkshire. Angeblich ist auch sie Papistin.

Trotz allem ist Prinzessin Mary dem Thron am nächsten, und wir müssen sie mit Hochachtung behandeln, ganz gleich, was wir von ihren religiösen Überzeugungen halten. Meine eigene Mutter und John Dudleys Gemahlin reiten in Prinzessin Marys Gefolge, als sie mit großem Prunk in London Einzug hält, wie um alle daran zu erinnern, dass sie die Erbin des Königs ist und sie alle beste Freunde sind.

Ich bin die Einzige aus unserer Familie, die sich weigert, prächtig gekleidet in Marys Gefolge zu reiten. Ich werde mich nicht mit einer reichbestickten Haube schmücken. Doch sie schickt mir Kleider, als hoffte sie, meine Liebe als Cousine zu erkaufen. Ich teile ihrer Zofe Anne Wharton mit, dass ich es nicht ertragen könnte, wenn ein eitles Ding wie Prinzessin Elizabeth dafür gerühmt würde, sich bescheidener zu kleiden als ich. Ich werde nichts anderes als äußerst schlichte Kleidung tragen. Es soll nur eine Theologin königlichen Blutes in England geben, eine Erbin der Reformerkönigin Kateryn Parr, eine Jungfrau, die die reformierte Kirche anführt, und das werde ich sein.

Damit endet die Liebe zwischen uns zwei Cousinen. Ich glaube sowieso nicht, dass Prinzessin Mary mich noch besonders mochte, seit ich einmal die riesige kristallene Monstranz auf dem Altar ihrer Kapelle beleidigt habe, in der die Oblaten für die Messe aufbewahrt werden, indem ich ihre Zofe fragte, warum sie davor knickste. Ich wollte mit ihrer Seele ringen – sie in einen heiligen Diskurs verwickeln, in dem sie erklärt hätte, dass sie als Papistin glaube, das Brot sei wahrhaftig der Leib Christi, und ich ihr daraufhin zu der Einsicht verholfen hätte, dass die Worte Christi nicht wörtlich zu verstehen sind und Er nicht wollte, dass Seine Jünger das Brot für irgendetwas anderes als eben Brot hielten.

Doch leider antwortete Anne Wharton nicht wie erwartet, sondern sagte nur, sie knickse vor Ihm, der uns alle erschaffen habe – eine ganz und gar unsinnige Erwiderung.

«Wie das?», fragte ich, ein wenig aus dem Konzept gebracht. «Wie kann Er, der uns alle erschaffen hat, dort drin sein, und der Bäcker hat Ihn erschaffen?»

Die Worte kamen nicht so heraus, wie ich sie mir zurechtgelegt hatte, und Gott möge mir vergeben, dass ich nicht argumentierte, wie ich es in meinen Rhetorikstunden gelernt habe, und meine Aussage auf dreierlei Wegen belegte. Was ich in meinem Zimmer so gut konnte, gelang mir in der papistischen Kapelle zu Beaulieu gar nicht, was daran liegen muss, dass der Teufel mit den Seinen ist und Anne Wharton unter seinem Huf steht.

Ich ging zurück in mein Zimmer, um meine Rede noch einmal vor dem Spiegel zu proben. Ich sah mein blasses Gesicht, mein bronzefarbenes Haar, meine feinen Züge und die leichten Sommersprossen auf meiner Nase, die wohl leider meine zarte Schönheit zunichtemachen. Mit großer Überzeugungskraft spielte ich beide Rollen: Ich strahlte wie ein Engel, wenn ich um die Seele der imaginären Anne Wharton rang. Doch die reale Anne Wharton war unmöglich zu überzeugen.

Überhaupt finde ich es sehr schwierig, Menschen zu bekehren; sie sind einfach so dumm. Es ist schwer, Sünder in die Gnade Gottes zu erheben. Und während ich hier meine Argumente übte, ging Anne Wharton zu Prinzessin Mary, um ihr zu hinterbringen, was ich gesagt hatte, und nun weiß die Prinzessin leider, dass ich eine entschiedene Gegnerin ihres Glaubens bin. Schade, früher war sie immer so gütig zu mir. Und nun soll mein herausragender Glaube ein Makel sein! Noch etwas, das ich werde vergeben müssen.

Gewiss hat sie den Vorfall weder vergeben noch vergessen, und entsprechend unbehaglich folge ich meiner Mutter und reite in Prinzessin Marys Gefolge, aber wenigstens ist Prinzessin Elizabeth noch schlimmer dran. Seit der schändlichen Vorfälle mit Thomas Seymour kann sie nicht einmal mehr an den Hof kommen. Ich an ihrer Stelle würde vor Scham vergehen. Alle wissen, dass sie beinahe seine Geliebte war, und nach dem Tod seiner Frau gab er zu, er habe Elizabeth heiraten und die Krone an sich bringen wollen. Gott schütze England vor einer maßlosen Frau wie Elizabeth! Gott schütze England vor einer papistischen Königin wie Mary! Gott helfe England, wenn Edward sterben sollte, ohne einen Sohn zu hinterlassen, und das Land die Wahl hätte zwischen der Papistin, der Koketten, der französischen Prinzessin und meiner Mutter!

Prinzessin Mary bleibt nicht lange. Der Palast ihres Bruders ist kein glücklicher Hof. König Edward leidet an einem hartnäckigen Husten, ich höre seinen rasselnden Atem, wenn ich neben ihm sitze und ihm Platon vorlese, einen Philosophen, den wir beide lieben. Edward ermüdet schnell und muss ruhen. Ich sehe das heimliche Lächeln meines Vaters, als er bemerkt, dass ich dem König von England griechische Texte vorgelesen habe, aber alle anderen sind nur in Sorge, weil Edward so krank aussieht.

Edward ist noch in der Lage, an der Eröffnungssitzung des Parlaments teilzunehmen, doch wenig später muss er das Bett hüten. Die Berater und Rechtsgelehrten gehen in seinem Schlafgemach ein und aus, und das Gerücht kommt auf, er wolle die Thronfolge regeln und sein Testament machen. Dabei ist er doch erst fünfzehn wie ich – ich kann nicht glauben, dass er wirklich ein Testament aufsetzt. Er ist zu jung, sich auf den Tod vorzubereiten. Gewiss wird er im Sommer wie immer auf Rundreise gehen, und das warme Wetter wird seinen Husten lösen, sodass er wieder gesund wird? Und er wird eine reiche Prinzessin vom Festland heiraten und einen Sohn bekommen, und all die Überlegungen, wer welche Erbin unterstützen würde, werden hinfällig. Und ich werde mit seiner Gemahlin Freundschaft schließen und eine vornehme Dame am Hof sein, vielleicht eine Herzogin. Ich könnte Ned Seymour trotz der Schande seines Vaters heiraten. Vielleicht erhält er den Titel zurück; ich kann immer noch eine berühmte gelehrte Herzogin sein und ein Licht vor den Unwürdigen.

Greenwich Palace

Frühjahr 1553

Der Hof zieht nach Greenwich um. Alle lieben diesen Palast, der flussabwärts vom Lärm und Gestank Londons liegt, mit einem golden glänzenden Kai, der zweimal täglich von der Flut überspült wird. Der Ort könnte ein Abbild des Himmelreichs sein, würde nicht das Göttliche fast gänzlich fehlen. Vater und ich fahren in der königlichen Barkasse mit, doch Edward, in Pelze gehüllt, lehnt sich zitternd in die Kissen zurück, und als die Kanonen vom Tower dröhnen und die vor Anker liegenden Schiffe ihre Geschütze abfeuern, zuckt er zusammen und wendet sein blasses Gesicht ab.

«Er wird doch wieder genesen?», frage ich meinen Vater leise. «Er scheint furchtbar krank, aber im Sommer wird er sich doch wieder erholen?»

Mein Vater schüttelt mit düsterer Miene den Kopf. «Er hat sein Testament gemacht», sagt er, und seine Stimme bebt vor Aufregung. «Er hat seinen Erben ernannt.»

«Muss der Thron nicht an die älteste Prinzessin fallen?»

«Gewiss, eigentlich wäre Prinzessin Mary die Nächste. Aber wie kann sie Königin werden, wenn sie dem Bischof von Rom den Gehorsam gelobt hat? Sicher würde sie einen Papisten vom Kontinent heiraten und ihn über uns stellen. Nein, der König hat das Richtige getan, er hat Gottes Willen gehorcht und sie aus der Thronfolge ausgeschlossen – wie sein Vater es einst tat.»

«Kann denn der König nach dem Gesetz seinen Erben selbst bestimmen?», frage ich.

«Selbstverständlich, da der Thron doch ihm gehört», erwidert mein Vater leise, sodass der zitternde Junge in den Pelzen ihn nicht hören kann, aber sein scharfer Unterton gibt mir zu verstehen, dass er keinen Widerspruch duldet. Diese Argumente wurden am gesamten Hof gründlich einstudiert. «Die Krone ist das Eigentum des Königs, und ein Mann muss über sein Eigentum frei verfügen können. Jeder Mann hat das Recht, seinen Erben selbst zu wählen; auch Henry VIII. hat seine Erben bestimmt. Und was das Wichtigste ist: Ein junger Mann wie Edward, der in der reformierten Religion erzogen wurde und nie einen papistischen Gedanken hatte, wird seinen Thron nicht einer Dienerin Roms vererben. Das wäre ihm unerträglich – und John Dudley wird es verhindern.»

«Wer wird dann den Thron erben?» Ich ahne bereits die Antwort.

«Der König und seine Berater ziehen die nächste Person in der Erbfolge vor, die der reformierten Religion angehört und dem Land wahrscheinlich einen männlichen Erben schenken kann.»

Es lastet wie ein Fluch auf dieser Familie: Die Tudors brauchen männliche Thronerben, aber diese sind außerordentlich schwer zu bekommen. Von König Henrys sechs Ehefrauen hat nur eine ihm einen lebenden Sohn geschenkt, Edward. Henrys ältere Schwester Margaret hatte ebenfalls nur einen einzigen Sohn, James, der wiederum eine Tochter hatte: Königin Mary von Schottland, die in Frankreich lebt und mit dem Dauphin verheiratet ist. Außerdem hatte Margaret eine Tochter von einem schottischen Lord, die jedoch katholisch und zudem wahrscheinlich illegitim ist: meine Cousine Margaret Douglas. Deren Sohn Henry Stuart zählt somit kaum. König Henrys Lieblingsschwester, Königin Mary, war meine Großmutter, und der König hat sie in die Erbfolge eingesetzt; aber sie hat alle ihre Kinder bis auf meine Mutter verloren. Mutter hat nur uns drei Töchter und wird sicher kein weiteres Kind bekommen. Für Prinzessin Elizabeth ist bislang keine Verlobung geplant – wer würde auch einen königlichen Bastard von ungewisser Abstammung und mit solch geringer Mitgift heiraten? Prinzessin Mary wurde fast jedem Herrscher in Europa zu irgendeinem Zeitpunkt versprochen, doch jedes Mal wurde das Versprechen wieder zurückgezogen. Somit hat keine von uns Aussicht auf einen Tudorsohn.

«Aber keine von uns Cousinen erwartet ein Kind», stelle ich fest. «Es gibt keinen männlichen Erben. Keine von uns fünf möglichen Erbinnen ist auch nur verlobt, geschweige denn verheiratet.»

«Und deshalb sollst du es werden», erwidert er energisch.

«Verheiratet?»

«Umgehend.»

«Wirklich?»

«Ihr alle.»

«Die Prinzessinnen Mary und Elizabeth auch?»

«Nein. Du, Katherine und Mary.»

Greenwich Palace

Frühjahr 1553

Katherine ist mir ganz und gar keine Hilfe in meinem Versuch, uns gegen diesen überstürzten Plan zu verteidigen. Als meine werte Mutter sie zu einem Besuch an den Hof beordert, ist Katherine ganz hingerissen von den Gemächern, den Dienern, den Speisen und ihren Kleidern. Sie zieht Mr. Nozzle ein Jäckchen in Tudorgrün an und kauft von dem Geld, das sie für Bänder bekommen hat, einen kleinen, schneeweißen Kater. Natürlich nennt sie ihn «Ribbon» – Band – und schleppt ihn in der Tasche ihres Mantels mit sich herum. Sie bedauert lediglich, dass sie sich von den Pferden in Bradgate und von dem Bären trennen musste. Sie hatte gehofft, den Bären mit Güte zu zähmen, damit er ein Tanzbär werden könnte und nicht mehr zu kämpfen bräuchte. Über die plötzliche Aussicht auf die Ehe ist sie nicht erschrocken, wie es einer Jungfrau geziemt, sondern völlig begeistert.

«Ich werde heiraten? Dem Himmel sei Dank! Wen denn?»

«Henry Lord Herbert», antworte ich knapp. «Den Sohn des Earl of Pembroke.»

Sie bekommt ganz rosige Wangen. «Ach, er ist so ein attraktiver Mann!», haucht sie. «Und so jung, in unserem Alter, kein Tattergreis.» Auf ihrem Finger hockt ein kleiner Vogel, dem sie jetzt einen Kuss auf den Schnabel gibt. «Ich werde heiraten!», teilt sie ihm mit. «Einen gutaussehenden jungen Lord!» Das Vögelchen zwitschert, als hätte es sie verstanden, und sie setzt es sich auf die Schulter, von wo es mich mit schiefgelegtem Köpfchen anschaut. Seine Augen glänzen ebenso wie die meiner Schwester.

«Ja», sage ich gleichmütig. «Er sieht recht gut aus.»

«Und er ist gottgefällig», betont sie, um mich aufzuheitern. «Er ist Kateryn Parrs Neffe. Du musst ihn doch mögen.»

«Ja, in der Tat.»

«Wie glücklich wir sein werden!» Sie dreht vor Freude eine kleine Pirouette. Das Vögelchen flattert und klammert sich fest. «Und ich werde Gräfin!»

«Ja», entgegne ich trocken. «Und sein Vater schließt ein festes Bündnis mit unserem Vater und mit John Dudley Duke of Northumberland.»

Über so etwas macht sie sich keine Gedanken: dass die drei mächtigsten Männer im Land, die drei größten Verfechter des reformierten Glaubens, sich zusammenschließen und ihre Kinder untereinander verheiraten, um sich gegen Verrat abzusichern. Sie trauen einander so wenig, sind so wenig fest in ihrem gemeinsamen Glauben, dass sie ihre Kinder benutzen, um ihr Bündnis zu besiegeln, wie Abraham mit Isaak auf den Berg stieg, um ihn Gott zu opfern.

«Oh, aber wen heiratest du eigentlich?» Katherine hält in ihrem selbstverliebten Tänzchen inne. «Bleibt es bei Seymour?» Dann schnappt sie nach Luft. «Oder ist es etwa der König? Sag nicht, du heiratest den König und wirst Königin Jane?»

Ich schüttele den Kopf und werfe einen raschen Blick zur Tür. «Still. Das alles geschieht, weil der König so krank ist. Sie hoffen, dass bald eine von uns einen Sohn vorzuweisen hat, damit er diesen Jungen zu seinem Erben ernennen kann. Darum sollen wir beide so rasch heiraten.»

«Ich könnte die Mutter des Königs von England werden?», stößt sie hervor. «Wenn ich vor dir einen Sohn bekomme?»

«Vielleicht.»

Sie schlägt die Hände zusammen und lacht entzückt. «Also, wen heiratest du?»

«Guildford Dudley», sage ich kurz angebunden.

Meine Schwester erstarrt. «Nun also doch nicht Ned Seymour? Sie haben es sich anders überlegt, und du bekommst den jungen Dudley? Den großen, blonden?»

«Eben den.»

«Das Muttersöhnchen?»

«Ja, Guildford.»

«Das ist aber ein Abstieg», frohlockt sie. «Das gefällt dir bestimmt nicht. Den zweitjüngsten Sohn eines erst kürzlich ernannten Herzogs? Durch ihn kommst du sicher nicht zu einer Krone mit Erdbeerblättern!»

Ich würde sie am liebsten ohrfeigen. «Es geht nicht darum, was mir gefällt oder nicht gefällt», erkläre ich mit fester Stimme. «Es ist Vaters Wunsch, eine Verbindung mit dem Lord President des Kronrats zu knüpfen. Vater ist entschlossen, uns umgehend zu verheiraten, damit er dem König bald seinen Erben vorzeigen kann, der in der reformierten Religion erzogen wird. Selbst die kleine Mary wird verlobt – mit Arthur Grey, dem Sohn des Baron of Wilton.»

Katherine stößt einen Schrei aus. «Der hässliche, narbengesichtige Baron?»

«Ja.»

«Aber Mary ist erst acht! Und Arthur ist bestimmt schon zwanzig!»

«Er ist siebzehn», korrigiere ich düster. «Aber so oder so ist Mary noch viel zu jung, um zu heiraten. Und viel zu klein, und sie hat ein verkrümmtes Rückgrat; ich glaube nicht, dass sie jemals ein Kind zur Welt bringen kann. Es ist alles gänzlich verkehrt. Sie ist zu klein, du bist zu jung, und ich bin bereits Ned Seymour versprochen. Unsere Eltern haben einander ihr Wort gegeben. Ich weiß nicht, wie aus einer dieser Ehen etwas werden soll. Es kann nicht Gottes Wille sein. Wir müssen gemeinsam versuchen, unsere Eltern umzustimmen.»

«Ich nicht!», widerspricht sie. «Ich werde mich nicht unserer werten Mutter widersetzen. Wenn ich Mr. Nozzle mitnehmen darf, dann begleite ich dich zu dem Gespräch mit ihr; aber ich kann mich nicht allein gegen sie stellen.»

«Es geht darum, dass sie dich nicht mit einem Fremden verheiraten. Dass sie dich überhaupt nicht verheiraten, solange du noch ein Kind bist», rufe ich aus.

«Oh, ich habe nichts dagegen, Herbert zu heiraten», beteuert sie. «Ich bin nicht zu jung. Ihr anderen könnt euch ja von mir aus weigern, aber ich will heiraten.»

«Keine von uns kann heiraten», entscheide ich.

Sie schmollt. «Ach, Jane, verdirb nicht alles! Bitte!» Sie fasst meine Hände, und der Vogel zwitschert aufmunternd.

«Ich werde beten. Ich muss Gott gehorchen.»

«Aber was, wenn Gott deiner Meinung ist?», jammert sie. «Wann will Er jemals irgendetwas Schönes für uns?»

«Dann muss ich Vater meine Bedenken mitteilen.»

 

Als er mich nicht allein empfängt, ahne ich bereits, dass ich kein Gehör finden werde. Er fürchtet meine Redegewandtheit: «Ach, um Himmels willen, lass sie nicht reden und reden», sagt meine Mutter immer.

Ich betrete das königliche Empfangszimmer wie Daniel die Löwengrube. König Edward hat sich in seine Privatgemächer zurückgezogen; hier draußen nimmt das Hofleben seinen Fortgang, als wäre alles in Ordnung. Der Marquess of Northampton, William Parr, und seine Frau Elizabeth nicken mir mit seltsam wissendem Lächeln zu – wahrscheinlich sind sie im Bilde. Ich deute einen Knicks an und fühle mich noch unbehaglicher.

Meine Mutter und mein Vater sitzen beim Kartenspiel mit Sir William Cavendish und seiner Frau Elizabeth, Tante Bess, die eine gute Freundin meiner Mutter ist. Der Tisch steht im Fenstererker, abseits von dem geschäftigen Treiben. Als ich durch die Menge auf sie zukomme, blicken meine Eltern auf. Ich bemerke, dass Leute mir Platz machen. Die Nachricht von meiner Verlobung mit dem Sohn des Lord President muss sich bereits herumgesprochen haben, und mein Ansehen ist entsprechend gestiegen. Alle behandeln die Dudleys mit Hochachtung. Auch wenn die Familie erst kürzlich aufgestiegen ist, verstehen sie sich doch offenbar darauf, Macht zu erlangen und zu bewahren.

«Zwei», sagt meine Mutter, legt eine Karte ab und macht mit der freien Hand beiläufig eine segnende Geste über meinem Kopf, als ich vor ihr knickse.

Tante Bess schenkt mir ein herzliches Lächeln. Ich bin einer ihrer Lieblinge, und sie versteht, dass eine junge Frau ihren eigenen Weg in der Welt finden muss.

«Ich habe eine Königin», sagt mein Vater und zeigt sein Blatt.

Meine Mutter lacht. «Und vielleicht zählen Königinnen ja doch etwas!» Dann wendet sie sich an mich und fragt recht freundlich: «Was gibt es, Jane? Willst du auch einmal dein Glück versuchen? Setzt du deine Halskette ein?»

«Zieh sie nicht auf», mischt sich mein Vater hastig ein, als ich den Mund öffne, um der Sünde des Glücksspiels abzuschwören. «Was ist, Kind, was möchtest du?»

«Ich würde dich gern sprechen.» Und mit einem Blick zu meiner Mutter füge ich hinzu: «Allein.»

«Du kannst hier sprechen», entscheidet sie. «Komm näher.»

Sir William und seine Gemahlin gehen diskret ein wenig beiseite, wobei die Dame ihre Karten mitnimmt, um das sündige Spiel nach der Unterbrechung unverzüglich fortsetzen zu können. Mein Vater gibt den Musikern ein Zeichen zu spielen, und ein halbes Dutzend Damen formieren sich zum Tanz. Sogleich verbeugen sich die Herren und nehmen ebenfalls Aufstellung, und im Lärm des Tanzes kann niemand hören, wie ich sage: «Mein Herr Vater, werte Mutter, ich glaube, ich kann mich nicht mit Guildford Dudley verloben. Ich habe gebetet und bin zu der Einsicht gelangt, dass es nicht geht.»

«Aber warum denn nicht?», fragt meine Mutter, die mit ihren Gedanken noch immer bei dem Kartenspiel ist und nach einem Blick auf ihr Blatt ein paar Münzen über den Tisch schiebt.

«Ich bin bereits versprochen», sage ich entschieden.

Mein Vater schaut mich an. «Nein, das bist du nicht.»

«Ich glaube doch», widerspreche ich. «Wir hatten alle vereinbart, dass ich Ned Seymour heirate. Es gab ein mündliches Versprechen.»

«Aber nichts Schriftliches», stellt meine Mutter fest. An meinen Vater gewandt, fährt sie fort: «Ich habe dir doch gesagt, dass sie sich anstellen würde.»

«Ein gesprochenes Wort ist so verbindlich wie ein geschriebenes», sage ich zu meinem Vater, dessen Wort als reformierter Christ bindend wie ein Eid sein muss. «Wir hatten eine Vereinbarung. Du hast sie geschlossen. Ned hat auf Veranlassung seines Vaters mit mir gesprochen; ich habe eingewilligt.»

Meine Mutter horcht auf. «Hast du ihm etwa dein Wort gegeben?»

«Ich sagte: ‹Durchaus.›»

Sie lacht laut auf, und mein Vater steht vom Tisch auf, hakt mich unter und zieht mich beiseite. «Nun hör mir einmal zu», beginnt er in mildem Ton. «Wir haben über die Möglichkeit einer Verlobung gesprochen. Aber es hing davon ab, ob Seymour seine Macht wiedererlangen würde, das war allen klar. Meine Mädchen heiraten nur zum Vorteil der Familie.

Und nun hat sich die Lage geändert. Seymour ist tot, seine Frau noch immer wegen Verrats inhaftiert, und sein Sohn hat sein Erbe verloren. Eine Verbindung mit ihnen wäre wertlos. Ein kluges Mädchen wie du muss doch verstehen, dass jetzt John Dudley die Fäden zieht. Der König wird nicht alt werden. So traurig es ist, wir müssen den Tatsachen ins Auge blicken. Er wird den Thron derjenigen protestantischen Cousine hinterlassen, die einen Sohn hat, der einmal seinen Platz einnehmen kann. Das wird eine von euch sein, und sie wird in der Zwischenzeit Königin-Regentin, bis ihr Sohn alt genug ist. Verstehst du?»

«Was ist mit Elizabeth?», frage ich, sosehr es mir widerstrebt, sie ins Gespräch zu bringen. «Sie gehört der reformierten Religion an. Und sie ist die nächste Verwandte.»

«Sie kommt nicht in Frage. Es gibt keine Heiratspläne für sie, und ganz gewiss wird sie ihren Gemahl nicht selbst wählen dürfen nach der Angelegenheit mit Thomas Seymour. Ich denke, sie hat uns allen gezeigt, dass sie alles andere als eine weise Jungfrau ist.» Mein Vater gestattet sich ein spöttisches Kichern. «Was wir brauchen, ist ein männlicher Stammhalter für die Tudors. Der König – Gott segne ihn – hofft, lange genug zu leben, um noch mit anzusehen, wie sein Erbe in einer reformierten Kirche getauft wird. Wir hatten nicht mit dieser Entwicklung gerechnet, wir waren nicht darauf vorbereitet, aber es geht ihm nicht gut, und er wünscht, dass diese Angelegenheit umgehend geregelt wird. Du kannst dazu beitragen. Es wäre ein gottgefälliges Werk, ihm Seelenfrieden zu schenken. Du heiratest Guildford Dudley, bekommst einen Sohn, und der König hat die Gewissheit, dass da zwei junge Menschen sind, die im reformierten Glauben erzogen wurden, mit zwei erfahrenen Vätern, die sie beraten können, und einem Sohn in der Wiege, der ihm einmal auf den Thron folgen wird. Verstehst du?»

«Aber ich habe Ned Seymour mein Wort gegeben», beharre ich. «Und du auch.»

«Vergiss das», wehrt er ab. «Kein Wort mehr davon. Du musst eine gehorsame Tochter sein, Jane, sonst werde ich dich zum Gehorsam zwingen.»

Meine Mutter, die das Warten leid ist, tritt neben ihn.

Ich nehme all meinen Mut zusammen. «Bitte verzeiht mir», sage ich, an beide gerichtet. «Aber ich habe um Einsicht gebetet und bin zu der Überzeugung gelangt, dass ich nicht heiraten kann, solange ich nicht von meinem Versprechen an den ehemaligen Earl of Hertford entbunden wurde. Auch wenn es keine förmlichen Gelübde gab – Gott sieht und hört alles, und ich kann nicht einfach so tun, als hätte ich es nie gesagt.» Den Tränen nahe über meine eigene Auflehnung, blicke ich von meinem verunsicherten Vater zu meiner Mutter, deren Miene versteinert ist.

«Du kannst dich nicht weigern», sagt sie tonlos. «Wir sind deine Eltern, wir werden dich zwingen.»

Durham House,London

Mai 1553

Sie hat natürlich recht. Und wie um die Wichtigkeit der Familie Dudley hervorzuheben, werde ich in ihren großen Londoner Palast Durham House eingeladen, wo meine Hochzeit stattfinden soll. Es wird eine Dreifachhochzeit mit drei Bräuten: mir, meiner Schwester Katherine und der Tochter der Dudleys, die ebenfalls Katherine heißt und Henry Hastings, den achtzehnjährigen Sohn des Earl of Huntingdon, heiraten soll. Meine kleine Schwester Mary wird vorerst nur öffentlich verlobt. Alle scheinen höchst zufrieden, dabei müssten sie doch ebenso wie ich erkennen, dass hier die Mächtigen Englands ein Bündnis mit dem Blut ihrer Kinder unterzeichnen. Ich frage mich, ob ich die Einzige bin, die zu Gott um Einsicht betet, warum diese drei Männer sich einander so unbedingt versichern müssen. Welche Gefahr fürchten sie, wenn sie sich nicht durch Eheschließungen aneinander binden? Warum müssen wir alle sechs in einer einzigen Zeremonie getraut werden? Meine Schwester Katherine findet es zu ihrem Vorteil, da sie zweifellos die Hübscheste unter uns drei Bräuten ist. Das ist ihre einzige Sorge.

Täglich treffen Kleider aus dem königlichen Gewandschatz ein, wir bekommen Schmuck aus der königlichen Schatzkammer geliehen und kostbare Edelsteine geschenkt. Der König ist zu krank, um zur Hochzeit zu kommen, aber er schickt uns Ballen edler Stoffe: zartes, silbrig schwarzes Tuch, mit Rosen bestickt; Gewebe in Purpur und Weiß; Gold- und Silberbrokat; eine Verbrämung für meine Haube mit dreizehn Diamanten im Tafelschliff; siebzehn wunderbare Perlen; einen goldenen Gürtel.

Der Turnierplatz wird hergerichtet, und die Köche bereiten tagelang das große Bankett vor. Aus dem Brunnen im Hof der Kathedrale wird Wein strömen, Hunderte werden in ihren besten Kleidern an den Tischen sitzen, um Dutzende Gänge zu verspeisen, und Tausende werden zusehen. Ich werde im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen, als Tudorerbin, gewandet wie eine Prinzessin, und einen jungen Dudley heiraten.

«Das ist das Himmelreich», schwärmt Katherine und hält sich ein Halstuch aus violetter Seide an die gerötete Wange.

«Nein, das ist es nicht», widerspreche ich, «und es ist ketzerisch, so etwas zu sagen.»

«Es ist so wunderbar wie Ostern», sagt Mary mit vollem Mund, weil sie gerade Gebäck in sich hineinstopft.

«Es hat nichts mit dir zu tun», erkläre ich. «Du wirst verlobt, nicht verheiratet. Das ist keine Entschuldigung für Völlerei, und steh gerade.»

Gehorsam nimmt sie Haltung an, während Katherine, in Silberbrokat gehüllt, kostbare Spitze wie einen Schleier auf dem Kopf, herumwirbelt, denn wir warten gerade auf die Schneiderinnen. «Für Eitelkeit gibt es ebenfalls keine Entschuldigung», bemerke ich missbilligend.

«Ich bin schon halb in ihn verliebt», plappert Katherine. «Gestern ist er zu mir gekommen, um mir eine goldene Kette zu schenken, und beim Abschied hat er meine Hand gedrückt. Was denkst du, was er damit sagen wollte?»

«Meine Mutter hat auch meine Hand gedrückt», versetze ich und zeige ihr die blauen Flecken an meinem Handgelenk. «Sie sagt, das ist auch Liebe.»

«Das ist mütterliche Liebe», bestätigt Katherine.

Mary betrachtet die blauen Flecken ernsthaft. Jede von uns wurde irgendwann einmal von unserer Mutter, unseren Kinderfrauen, unseren Erzieherinnen und unserem Vater geschlagen. Nur mein Lehrer John Aylmer hat mich nie gezüchtigt, obwohl er das Recht dazu hatte. Wahrscheinlich habe ich deshalb eine solche Liebe zur Gelehrsamkeit entwickelt.

«Es ist das Beste, was uns passieren konnte.» Mary plappert nach, was ihr eingeredet wurde. «Damit stehen wir in der Thronfolge.»

«Es ist wohl kaum das Beste für dich», belehre ich sie. «Du wirst niemals den zukünftigen König Englands gebären.»

Sie errötet ein wenig. «Ich bin ein Mädchen wie andere», verteidigt sie sich. «Mein Herz ist so groß wie deins, und ich bin sicher, dass ich einmal groß werde.»

Marys unerschütterlicher Mut erweicht mich immer wieder. Ich breite die Arme aus, und sie wirft sich hinein.

«Ohnehin müssen wir uns fügen», sage ich über ihren blonden Kopf hinweg.

«Liebst du ihn denn gar nicht?», flüstert Katherine.

«Ich werde ihn lieben, wenn wir verheiratet sind», sage ich kalt. «Wenn ich es vor Gott gelobt habe, dann muss ich ihn lieben.»

 

Meine Schwestern sind von dem Traugottesdienst enttäuscht: Sie hatten gehofft, er würde auf Latein gehalten, mit feierlichen, unverständlichen Gelübden, lauter Musik und Trompeten, mit großem Ornat, in Weihwasser ertränkt und in Weihrauch erstickt. Stattdessen ist er von der schlichten Aufrichtigkeit meiner Religion geprägt, und ich bin zutiefst froh, dass die Dudleys eine gottgefällige Familie sind, die sich der reformierten Religion zugewandt hat, sobald der König seinem Volk die Bibel gab und die Prediger die Botschaft verbreiteten. Die Reinheit unserer Hochzeitszeremonie ist ein lebendiger Vorwurf an die papistische Prinzessin Mary, die demonstrativ nicht erscheint – weder zur Trauung noch zu der folgenden zweitägigen, aufwendigen Feier. Unsere Cousine Margaret Douglas wurde gar nicht erst eingeladen. Sie hält sich derzeit in Schottland auf, wo sie den Niemand besucht, den sie ihren Vater nennt. John Dudley hat ihr persönlich die Erlaubnis dazu erteilt – ich nehme an, er wollte sie aus dem Weg haben.

Ich bin gegen meinen ausdrücklichen Wunsch nicht schlicht gekleidet, wie es einer Protestantin geziemt, sondern trage königlichen Purpur mit einem Übergewand aus Goldbrokat, bestickt mit Diamanten und Perlen. Mein kastanienbraunes Haar fällt mir über die Schultern bis zur Taille. Dies wird das letzte Mal sein, dass ich es offen trage wie eine Jungfrau. Ich bin bei weitem die prächtigste Braut, und Katherine mit ihrem goldenen Haar und ihrem Kleid aus Silberbrokat ist bei weitem die schönste. Aber ich neide ihr die Freude darüber nicht. Wenn sie auch nur einen Funken Verstand besäße, wüsste sie, dass das nichts als weltlicher Tand ist.

Es gibt Tänze und ein Turnier, Maskenspiele und Musik. Die Dudleys laden ihren gesamten Haushalt zu den Feierlichkeiten ein und öffnen die Pforten ihres prächtigen Hauses, sodass jedermann uns in unserer Erhabenheit bestaunen kann. Die Feiern nehmen kein Ende, und die Freude wird nur durch eine Katastrophe mit dem Essen getrübt. Ein Gericht ist verdorben, sodass zahlreiche Gäste anschließend an Übelkeit oder Durchfall leiden. Außerdem müssen viele, die am ersten Tag zu reichlich gegessen und getrunken haben, sich am zweiten Tag entschuldigen lassen. Lady Dudley, meine neue Schwiegermutter, ist zutiefst beschämt darüber, dass sie den halben Tag vor Leibschmerzen stöhnend in ihrem Gemach zubringen muss. Ich glaube nicht, dass das ein Zeichen ist, denn Gott spricht durch Sein heiliges Wort zu uns, nicht durch die Sterne, durch Krankheiten oder Unwetter. Aber ich denke schon, es sollte meinen Eltern eine gehörige Lehre sein, dass meine Hochzeit den Gästen den Magen umgedreht hat – so, wie auch mir selbst davon übel geworden ist.

Wir sind eine ungleiche Gruppe. Der Verlobte meiner kleinwüchsigen Schwester Mary, Arthur Grey of Wilton, überragt sie bei weitem. Er ist bereits ein junger Mann, viel zu alt, um Mary ein Spielgefährte zu sein, sie viel zu jung, um ihm eine Ehefrau zu sein, und wahrscheinlich wird sie es ihm nie sein können. Gewiss verachtet er sie insgeheim. Ich danke Gott dafür, dass sie noch ein paar Jahre im Elternhaus bleiben darf. Ich nehme an, es wird gar nicht zu der Heirat kommen.

Meine neue Schwägerin, Katherine Dudley, ist ein eitles Ding. Sie wurde mit Henry Hastings verheiratet, einem Gelehrten und Höfling. Er schaut mit nachsichtigem Lächeln zu, wie seine kleine Braut herumspringt, aber die Geduld wird ihm wohl bald vergehen. Und der Gemahl meiner Schwester Katherine, Henry Lord Herbert, der fünfzehnjährige Sohn des Earl of Pembroke, spricht während der gesamten zwei Tage mit niemandem ein Wort. Er ist totenblass und so schwach, dass er sich kaum auf den Beinen halten kann. Es heißt, man habe ihn vom Sterbebett hochgezerrt, obwohl er beteuert habe, er sei nicht in der Lage, vor den Altar zu treten. Ich hoffe, er macht meine Schwester nicht zur Witwe, noch bevor sie eine richtige Ehefrau ist. Gewiss können sie die Ehe nicht vollziehen, da sie so jung und er so krank ist, und so bleibt ihr der Leidensweg erspart, der mir auferlegt wurde. Ich bin die Einzige von uns, die sowohl Braut als auch Ehefrau sein muss, in Taten wie in Worten.

«Ich verstehe nicht, warum du so ein langes Gesicht machst», sagt meine törichte Schwester Katherine. «Du wusstest doch, was auf dich zukommt. Für mich wäre es genauso, wenn er nicht krank wäre.»

«Für mich auch», stimmt Mary ein.

«Für dich wäre es nicht genauso», widerspreche ich Mary.

«Ich wüsste nicht, warum nicht», versetzt sie stur.

Ich bin zu erschöpft, um mit ihr zu diskutieren. «Und du bist noch zu jung», sage ich zu Katherine.

«Nein, bin ich nicht», entgegnet sie. «Und du sowieso nicht.» Sie zupft an dem Kopftuch, das mein Haar bedeckt zum Zeichen, dass ich jetzt eine verheiratete Frau bin. «Komm, du wirst als Erste ins Brautgemach geführt. Du Glückliche.»

Ich fühle mich in ungerechter Weise gezwungen, als meine Mutter, meine neue Schwiegermutter und all ihre Damen an der Tür erscheinen und mich ins Brautgemach geleiten, zusehen, wie meine Damen mich entkleiden, und mich dann plötzlich mit meinem neuen Gemahl allein lassen.

Nicht dass ich etwas gegen ihn hätte, überhaupt nicht. Er ist ein gutaussehender junger Mann, blond, mit offenem Gesichtsausdruck und strahlend blauen Augen. Er ist so groß, dass ich ihm kaum bis zu den Schultern reiche und den Kopf in den Nacken legen muss, um zu ihm aufzuschauen, aber trotz seiner Größe ist er leichtfüßig – er soll ein guter Tänzer sein, ein guter Reiter, er jagt, nimmt an Turnieren teil, wie es ihm ansteht. Er ist in einem gottesfürchtigen Haus aufgewachsen und ist sehr belesen. Wenn wir nicht verheiratet wären, könnte ich nichts weiter gegen ihn sagen, als dass er sich in allen Dingen nach seiner Mutter richtet. Ohne ihre Zustimmung macht er nicht einmal den Mund auf.

Er war nicht meine Wahl, und ich fürchte, dass ich im Angesicht Gottes nicht frei war, ihn zu heiraten. Aber da wir nun einmal verheiratet sind, darf ich überhaupt nichts mehr gegen ihn sagen. Er wurde mir übergeordnet, wie Adam der Eva übergeordnet wurde. Als gottesfürchtige Ehefrau muss ich ihm gehorsam sein, ganz gleich, was ich von seinem Urteil halte.

Unsere Hochzeitsnacht ist so peinlich und schmerzhaft, wie ich erwartet hatte. Ich denke nicht einmal, dass es besser gewesen wäre, wenn ich Edward Seymour geheiratet hätte, auch wenn er vielleicht nicht so unsicher gewesen wäre wie Guildford und ich mir bei ihm nicht so töricht vorgekommen wäre, weil ich nicht wusste, was zu tun war. In keinem meiner Bücher steht etwas über die Liebe, außer im ganz abstrakten Sinne. In keinem meiner Bücher steht etwas über den Schmerz, außer dem Schmerz der Sünde. Und keines meiner Bücher hat mich davor gewarnt, was das Schlimmste ist: die Schmach, dass ein völlig Fremder sich abmüht, etwas mit mir zu tun, von dem keiner von uns weiß, wie genau es zu geschehen hat, und mir die Schuld gibt, wenn es schiefgeht. Ich wusste nicht einmal, dass etwas nicht stimmte, außer dass es am Anfang weh tat und nachher ekelhaft war. Er ist nicht von Verlangen oder Zuneigung getrieben und ich ebenso wenig. Ich warte, bis er eingeschlafen ist, dann stehe ich auf und bete um die Kraft, das hier zu ertragen, wie ich alles andere in diesem Jammertal ertragen muss, an dem Platz, an den Er mich gestellt hat.