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Gregory Philippa

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Beschreibung

Geliebte Schwester. Erbitterte Rivalin. Der mächtige Herzog Richard Neville, Vater der jungen Schwestern Anne und Isabel, schäumt vor Wut. Denn all seinen Einflüsterungen zum Trotz hat der liebesblinde König Edward IV. weit unter seinem Stand geheiratet – die schöne Elizabeth Woodville, eine skandalöse Verbindung. Dabei verdankt Edward den Thron ihm allein, ihm, dem «Königsmacher». Heimlich vermählt Neville seine Töchter mit den nächsten Thronanwärtern, intrigiert, bläst zum Angriff auf das Königshaus – und scheitert. Wie Spielbälle katapultiert sein Machthunger die Schwestern als Thronanwärterinnen in die Höhe oder als Landesverräterinnen in den Abgrund. Mit aller Kraft versuchen Anne und Isabel, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen und den größten Wunsch ihres Vaters zu erfüllen: die englische Krone für einen König aus dem Hause Neville. «‹Dornenschwestern› ist Philippa Gregory in Höchstform.» (Associated Press) «Gregory ist der Superstar des historischen Romans, und ‹Dornenschwestern› zeigt, warum: Diese Autorin bietet ihren Lesern intelligente Unterhaltung und eine Reise in eine bewegte Vergangenheit.» (Historical Novels Review) «Ihre vielen Fans werden die lebendigen Figuren, den üppigen und bewegenden Stil und die faszinierende Geschichte aus Frauenperspektive lieben.» (Library Journal) «Intrigen und Kampf bis zum Tod um Macht und Liebe.» (Los Angeles Times) «Großartige Unterhaltung.» (New York Daily News)

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Philippa Gregory

Dornenschwestern

Historischer Roman

Aus dem Englischen von Elvira Willems

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Geliebte Schwester. Erbitterte Rivalin.

 

Der mächtige Herzog Richard Neville, Vater der jungen Schwestern Anne und Isabel, schäumt vor Wut. Denn all seinen Einflüsterungen zum Trotz hat der liebesblinde König Edward IV. weit unter seinem Stand geheiratet – die schöne Elizabeth Woodville, eine skandalöse Verbindung. Dabei verdankt Edward den Thron ihm allein, ihm, dem «Königsmacher».

 

Heimlich vermählt Neville seine Töchter mit den nächsten Thronanwärtern, intrigiert, bläst zum Angriff auf das Königshaus – und scheitert. Wie Spielbälle katapultiert sein Machthunger die Schwestern als Thronanwärterinnen in die Höhe oder als Landesverräterinnen in den Abgrund. Mit aller Kraft versuchen Anne und Isabel, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen und den größten Wunsch ihres Vaters zu erfüllen: die englische Krone für einen König aus dem Hause Neville.

 

«‹Dornenschwestern› ist Philippa Gregory in Höchstform.» (Associated Press)

 

«Gregory ist der Superstar des historischen Romans, und ‹Dornenschwestern› zeigt, warum: Diese Autorin bietet ihren Lesern intelligente Unterhaltung und eine Reise in eine bewegte Vergangenheit.» (Historical Novels Review)

 

«Ihre vielen Fans werden die lebendigen Figuren, den üppigen und bewegenden Stil und die faszinierende Geschichte aus Frauenperspektive lieben.» (Library Journal)

 

«Intrigen und Kampf bis zum Tod um Macht und Liebe.» (Los Angeles Times)

 

Über Philippa Gregory

Philippa Gregory, geboren 1954 in Kenia, studierte Geschichte in Brighton und promovierte an der University of Edinburgh über die englische Literatur des 18. Jahrhunderts. In den USA und in Großbritannien feiert Gregory seit langem riesige Erfolge als Autorin historischer Romane. Daneben schreibt sie auch Kinderbücher, Kurzgeschichten, Reiseberichte sowie Drehbücher; sie arbeitet als Journalistin für große Zeitungen, Radio und Fernsehen. Philippa Gregory lebt mit ihrer Familie in Nordengland.

 

Weitere Veröffentlichungen:

Die Königin der Weißen Rose

Inhaltsübersicht

WidmungEngland-KarteAnne Nevilles StammbaumDie Häuser York und LancasterTower of London Mai 1465L’Erber, London Juli 1465Barnard Castle, County Durham Herbst 1465Warwick Castle Frühjahr 1468Burg von Calais 11. Juli 1469Burg von Calais 12. Juli 1469Burg von Calais Sommer 1469England Herbst 1469Westminster Palace, London Weihnachten 1469–1470Westminster Palace, London Januar 1470Warwick Castle März 1470Dartmouth, Devon April 1470Auf der Seine, Frankreich Mai 1470Angers, Frankreich Juli 1470Kathedrale von Angers 25. Juli 1470Amboise, Frankreich Winter 1470Paris Weihnachten 1470Harfleur, Frankreich März 1471Harfleur, Frankreich 12. April 1471Cerne Abbey, Weymouth 15. April 1471Tewkesbury, Gloucestershire 4. Mai 1471Worcester Mai 1471Tower of London 21. Mai 1471L’Erber, London Herbst 1471Westminster Palace, London Weihnachten 1471L’Erber, London Februar 1472St. Martin’s, London Februar 1472St. Martin’s, London April 1472St. Martin’s, London Mai 1472Lambeth Palace, London Sommer 1472Windsor Castle September 1472Fotheringhay Castle, Northamptonshire Herbst 1472Windsor Castle Weihnachten 1472Middleham Castle, Yorkshire Frühjahr 1473Middleham Castle, Yorkshire Juni 1473Farleigh Hungerford Castle, Somerset 14. August 1473Baynard’s Castle, London Sommer 1473Middleham Castle, Yorkshire Juli 1474Middleham Castle, Yorkshire Frühjahr 1475London Sommer 1475Baynard’s Castle, London September 1475Middleham Castle, Yorkshire Sommer 1476Westminster Palace, London Herbst 1476Westminster Palace, London Weihnachtstag 1476Westminster Palace, London Januar 1477Baynard’s Castle, London Januar 1477London April 1477Baynard’s Castle, London Mai 1477Middleham Castle, Yorkshire Sommer 1477Middleham Castle, Yorkshire Herbst 1477Westminster Palace, London Weihnachten 1477Westminster Palace, London Januar 1478Baynard’s Castle, London Februar 1478Baynard’s Castle, London März 1478Middleham Castle, Yorkshire Sommer 1482Westminster Palace, London Winter 1482–1483Middleham Castle, Yorkshire April 1483Middleham Castle, Yorkshire Mai 1483Middleham Castle, Yorkshire Juni 1483Baynard’s Castle, London Juni 1483Tower of London Juli 1483Königliche Reise Sommer 1483Middleham Castle, Yorkshire Oktober 1483Middleham Castle, Yorkshire Winter 1483Westminster Palace, London November 1483Greenwich Palace, London März 1484Nottingham Castle März 1484Nottingham Castle Sommer 1484Westminster Palace, London Winter 1484Westminster Palace, London Januar 1485Westminster Palace März 1485Anmerkungen der AutorinLiteraturLeseprobeWestminster Palace, London Herbst 1485

Für Anthony

Tower of London Mai 1465

Meine Mutter schreitet voran – Erbin des großen Vermögens ihrer Familie und Gemahlin des bedeutendsten Untertanen im ganzen Königreich. Als Nächste folgt Isabel, denn sie ist die Älteste. Dann komme ich, als Letzte, ich komme immer als Letzte. Viel kann ich nicht sehen, als wir den prächtigen Thronsaal des Towers of London betreten. Meine Mutter führt meine Schwester vor den Thron, macht einen Knicks und tritt zur Seite. Isabel sinkt tief hinunter, wie man es uns gelehrt hat, denn ein König ist ein König, auch wenn er ein junger Mann ist und mein Vater ihn auf den Thron gesetzt hat. Und seine Frau wird zur Königin gekrönt werden, ungeachtet dessen, was wir von ihr halten. Als ich vortrete, um meinen Knicks zu machen, kann ich zum ersten Mal einen Blick auf die Frau werfen, die zu ehren wir an den Hof gekommen sind.

Es verschlägt mir schier den Atem. Sie ist die schönste Frau, die ich je im Leben gesehen habe. Augenblicklich verstehe ich, warum der König die Armee anhalten ließ, kaum war sein Blick auf sie gefallen, und sie innerhalb weniger Wochen heiratete. Sie hat ein Lächeln, das langsam wächst und erstrahlt wie bei einem Engel. Ich habe Statuen gesehen, die neben ihr plump wirken würden, ich habe gemalte Madonnen gesehen, deren Züge derb wären, verglichen mit ihrer blassen durchscheinenden Schönheit. Ich erhebe mich und starre sie an wie ein erlesenes Bild; ich kann die Augen nicht von ihr lösen. Unter meinem prüfenden Blick erwärmen sich ihre Züge, sie wird rot und schenkt mir ein Lächeln, und ich kann nicht anders, als sie anzustrahlen. Darüber muss sie lachen, als fände sie meine offene Bewunderung amüsant. Dann trifft mich der entrüstete Blick meiner Mutter, und ich trippele an ihre Seite, wo meine Schwester Isabel mürrisch dreinblickt.

«Du hast sie angeglotzt wie eine Schwachsinnige», zischt sie. «Blamierst uns alle miteinander. Was würde Vater sagen?»

Der König tritt vor und küsst meine Mutter voller Wärme auf beide Wangen.

«Habt Ihr von meinem lieben Freund gehört, Eurem Lord?», fragt er sie.

«Arbeitet fleißig in Euren Diensten», antwortet sie prompt, denn Vater versäumt das Bankett heute Abend und die ganzen Feierlichkeiten, weil er sich mit dem König von Frankreich und dem Herzog von Burgund trifft. Er kommt mit diesen mächtigen Männern der Christenheit zusammen als Erster unter Gleichen, um Frieden mit ihnen zu schließen, jetzt, da der schlafende König geschlagen wurde und wir die neuen Herrscher von England sind. Mein Vater ist ein großer Mann, er vertritt den neuen König und ganz England.

Der König, der neue König – unser König –, deutet eine spöttische Verneigung vor Isabel an und tätschelt mir die Wange. Er kennt uns, seit wir kleine Mädchen waren – zu klein, um an solchen Banketten teilzunehmen – und er ein Junge in der Obhut unseres Vaters. Inzwischen sieht meine Mutter sich um, als wären wir zu Hause in der Burg von Calais und als suchte sie nach etwas, was die Diener falsch gemacht haben. Ich weiß, dass sie darauf brennt, eine Nachlässigkeit zu entdecken, von der sie später meinem Vater berichten kann, Beweis dafür, dass diese wunderschöne Königin ihrer Position nicht gewachsen ist. Ihr mürrischer Gesichtsausdruck lässt mich vermuten, dass sie nicht fündig wird.

Niemand mag die Königin, und auch ich sollte sie nicht bewundern. Es sollte uns gleichgültig sein, dass sie Isabel und mich freundlich anlächelt, dass sie sich von ihrem prächtigen Stuhl erhebt, vortritt und die Hand meiner Mutter ergreift. Wir sind alle fest entschlossen, sie nicht zu mögen. Mein Vater hat für den König die Heirat mit einer französischen Prinzessin geplant, eine ausgezeichnete Partie. Mein Vater hat den Boden bereitet und den Ehevertrag entworfen, er hat die Menschen, die die Franzosen hassen, davon überzeugt, dass es eine gute Sache für ihr Land sei, Calais zu sichern, ja, dass wir womöglich sogar Bordeaux wieder unter unseren Einfluss bringen könnten. Doch dann sagte Edward, der neue König, der herzerweichend gutaussehende und bezaubernde neue König, unser lieber Edward, der für meinem Vater wie ein jüngerer Bruder und für uns fast so etwas wie ein lieber Onkel ist, so beiläufig, als bestellte er sein Abendessen, er sei schon verheiratet und man könne nichts dagegen tun. Schon verheiratet? Ja, und zwar mit ihr.

Jeder weiß, dass die heimliche Heirat ohne den Rat meines Vaters ein schwerer Fehler war. Noch nie zuvor in dem langen triumphalen Feldzug, der das Haus York der Schande entrissen hat, den schlafenden König und die böse Königin um Vergebung bitten zu müssen, und zum Sieg und auf den Thron von England führte, hat er so etwas getan. Mein Vater war an Edwards Seite, hat ihn beraten und angeleitet, hat jeden seiner Schritte diktiert. Stets hat mein Vater entschieden, was das Beste für ihn war. Er ist ein junger Mann und jetzt schon König und verdankt meinem Vater alles. Wenn mein Vater sich nicht seiner Sache angenommen und ihm beigebracht hätte, wie man eine Armee anführt, wenn mein Vater nicht seinen Kampf für ihn gekämpft hätte, säße er nicht auf dem Thron. Mein Vater hat sein Leben aufs Spiel gesetzt, zuerst für Edwards Vater und dann für Edward. Und just in dem Augenblick, da der schlafende König und die böse Königin geflohen waren und Edward zum König gekrönt wurde und alles für immer hätte wunderbar sein können, hat er sie heimlich zur Frau genommen.

Sie soll uns zum Abendessen führen, und die Hofdamen stellen sich sorgsam hinter ihr auf. Es gibt eine festgelegte Rangordnung, und es ist äußerst wichtig, sie einzuhalten. Ich bin fast neun Jahre alt, alt genug, um das zu begreifen. Schon als kleines Mädchen im Schulzimmer hat man mich die Rangordnung gelehrt. Da sie morgen gekrönt wird, geht sie voran. Von jetzt an wird sie in England immer die Erste sein. Sie wird den Rest ihres Lebens vor meiner Mutter gehen, und das behagt meiner Mutter nicht besonders. Als Nächste müsste ihr die Mutter des Königs folgen, doch sie ist nicht hier. Sie hat die schöne Elizabeth Woodville zu ihrer Feindin erklärt und geschworen, der Krönung einer einfachen Frau nicht beizuwohnen. Alle wissen um die Unstimmigkeiten in der königlichen Familie, und die Schwestern des Königs schließen sich ohne die Aufsicht ihrer Mutter dem Zug an. Sie wirken recht verloren ohne die schöne Herzogin Cecily, die den Weg weist, und als der König den leeren Platz seiner Mutter bemerkt, verblasst für einen Augenblick sein selbstbewusstes Lächeln. Es ist mir ein Rätsel, wie er es wagen kann, sich der Herzogin zu widersetzen. Sie ist genauso furchterregend wie meine Mutter, sie ist die Tante meines Vaters, jeder gehorcht ihr. Der König muss die neue Königin wirklich sehr lieben, sonst würde er sich nicht seiner Mutter widersetzen.

Die Mutter der Königin ist anwesend. So einen Augenblick des Triumphes lässt sie sich auf keinen Fall entgehen. Sie nimmt ihren Platz ein, hinter ihr reiht sich ihre Armee von Söhnen und Töchtern auf, und an ihrer Seite geht ihr gutaussehender Gemahl, Sir Richard Woodville. Er ist Baron Rivers, und alle flüstern sich im Scherz zu, die Flüsse seien wahrlich im Steigen begriffen. Ehrlich, es gibt unglaublich viele von ihnen. Elizabeth ist die älteste Tochter, und hinter ihrer Mutter folgen die sieben Schwestern und fünf Brüder. Ich starre den schönen jungen Mann John Woodville an, an der Seite seine neue Frau. Er sieht wie ein Junge aus, der seine Großmutter begleitet. Er wurde in die Ehe mit der Witwe des Duke of Norfolk, meiner Großtante Catherine Neville, gezwungen. Es ist eine Schande, das sagt auch mein Vater. Meine werte Großtante ist uralt, eine vermögende Greisin, sie ist fast siebzig. Nur wenige Menschen sind je so einer alten Frau begegnet, John Woodville ist ein junger Mann von zwanzig Jahren. Meine Mutter sagt, so wird es von nun an sein: Wenn man die Tochter einer Frau, die einer Hexe gleicht, auf den Thron von England setzt, ist mit finsteren Machenschaften zu rechnen. Wenn man eine raffgierige Person krönt, wird sie alles an sich reißen.

Ich löse den Blick von dem müden, faltigen Gesicht meiner Großtante und konzentriere mich auf meine Pflicht. Ich gehe neben Isabel hinter meiner Mutter und achte darauf, nicht auf ihre Schleppe zu treten. Ich bin ja erst acht. Isabel, die dreizehn ist, seufzt, als sie sieht, dass ich nach unten blicke und mit den Füßen scharre, um die Zehen unter den reichen Brokat zu schieben, damit mir auch ja kein Fehler unterläuft. Und dann blickt Jacquetta, die Mutter der Königin, die Mutter der raffgierigen Person, sich nach ihren Kindern um und bemerkt, dass ich am rechten Platz bin, dass ich alles richtig gemacht habe. Sie blickt sich um, als sorgte sie sich um mich, und als sie mich sieht, hinter meiner Mutter, neben Isabel, schenkt sie mir ein Lächeln so bezaubernd wie das ihrer Tochter, ein Lächeln nur für mich. Dann wendet sie sich wieder nach vorn, nimmt den Arm ihres gutaussehenden Gemahls und folgt ihrer Tochter in diesem Augenblick ihres höchsten Triumphes.

Nachdem wir mitten durch die große Halle an Hunderten von Menschen vorbeigeschritten sind, die beim Anblick der wunderschönen neuen Königin jubeln, und uns gesetzt haben, sehe ich wieder zu den Erwachsenen am hohen Tisch. Ich bin nicht die Einzige, die die neue Königin anstarrt. Sie zieht alle Aufmerksamkeit auf sich. Sie hat wunderschöne schrägstehende graue Augen, und wenn sie lächelt, senkt sie den Blick, als lachte sie im Stillen über ein köstliches Geheimnis. Edward, der König, hat sie zu seiner Rechten platziert, und während er ihr etwas ins Ohr flüstert, beugt sie sich so nah zu ihm, als wollten sie sich küssen. Es ist sehr schockierend und ungehörig, doch die Mutter der neuen Königin bedenkt ihre Tochter mit einem Lächeln, als sei sie glücklich, dass die beiden jung und verliebt sind. Sie scheint sich nicht zu schämen.

Sie sind eine sehr schöne Familie. Niemand kann leugnen, dass sie so schön sind, als fließe durch ihre Adern wahrhaft blaues Blut. Und es sind so viele! An unserem Tisch – als wären sie von königlichem Geblüt und hätten das Recht, bei uns, den Töchtern einer Gräfin, zu sitzen – hocken sechs Nachkömmlinge der Familie Rivers und die beiden Söhne aus der ersten Ehe der neuen Königin. Mürrisch betrachtet Isabel die vier anmutigen Schwestern der künftigen Königin – die jüngste, Katherine Woodville, ist erst sieben, die älteste, Martha, fünfzehn Jahre alt. Diese vier Mädchen brauchen alle einen Gemahl, eine Mitgift und ein Vermögen, und in England ist es schwierig, in diesen Tagen an einen Gemahl, eine Mitgift, ein Vermögen zu kommen, nach dem Krieg zwischen den rivalisierenden Häusern Lancaster und York, der zehn Jahre angedauert und vielen Männern das Leben gekostet hat. Man wird diese Mädchen mit uns vergleichen, sie sind unsere Rivalinnen. Es scheint, als würde der Hof überflutet von neuen, klaren Profilen, Haut so strahlend wie frisch geprägte Münzen, lachenden Stimmen und erlesenen Manieren. Als wäre ein Stamm schöner junger Fremder einmarschiert, als wären Statuen zum Leben erwacht und tanzten unter uns, wie Vögel, die vom Himmel herabgeflogen sind, um zu singen, oder wie Fische, die aus dem Meer springen. Meine Mutter ist rot vor Verärgerung, sie hat ein zorn-gerötetes Gesicht wie eine Bäckersfrau. Neben ihr strahlt die Königin wie ein heiterer Engel, den Kopf unablässig ihrem jungen Gemahl zugeneigt, die Lippen leicht geöffnet, als atmete sie ihn ein wie einen kühlen Lufthauch.

Das vornehme Abendessen ist aufregend für mich, denn an einem Ende unseres Tisches sitzt der Bruder des Königs, George, und am anderen Ende sein jüngster Bruder Richard. Die Mutter der Königin, Jacquetta, schenkt unserem Tisch mit den jungen Leuten ein warmes Lächeln. Vermutlich hat es ihr gefallen, uns Kinder zusammenzusetzen und uns die Ehre zuteilwerden zu lassen, George am Kopfende unseres Tisches zu platzieren. Isabel zappelt wie ein geschorenes Schaf, weil sie zwei Herzöge von königlichem Geblüt auf einmal neben sich hat. Sie weiß nicht, wohin sie schauen soll, und sie ist begierig, sie zu beeindrucken. Doch viel schlimmer ist, dass die beiden ältesten Rivers-Mädchen, Martha und Eleanor Woodville, Isabel mühelos überstrahlen. Sie besitzen das erlesene Aussehen dieser schönen Familie, und sie sind selbstbewusst und lächeln. Isabel bemüht sich zu sehr, und ich bin wie immer ängstlich unter dem kritischen Blick meiner Mutter. Doch die Rivers-Mädchen benehmen sich, als feierten sie ein fröhliches Ereignis; sie wollen sich vergnügen und erwarten keine Schelte. Sie sind selbstbewusste, vergnügungssüchtige Mädchen. Natürlich ziehen die jungen Herzöge sie uns vor. George kennt uns sein ganzes Leben lang, für ihn sind wir keine fremden Schönheiten. Richard ist noch in der Obhut meines Vaters als sein Mündel; wenn wir in England sind, wohnt er mit einem halben Dutzend anderer Jungen bei uns. Richard sieht uns drei Mal am Tag. Natürlich hat er nur Augen für Martha Woodville, die hübsch herausgeputzt ist, frisch am Hof und eine Schönheit wie ihre Schwester, die neue Königin. Doch ich bin verstimmt, dass er mich ignoriert.

George ist blond und groß und sieht mit seinen fünfzehn Jahren so gut aus wie sein älterer Bruder, der König.

«Das ist gewiss das erste Mal, dass du im Tower zu Abend isst, Anne, nicht wahr?», fragt er. Und ich erschrecke und bin ganz aufgeregt, dass er überhaupt Notiz von mir nimmt, mein rotes Gesicht brennt, doch ich antworte vernehmlich: «Ja.»

Richard am anderen Ende des Tisches ist ein Jahr jünger als Isabel und nicht größer als sie, doch nun, da sein Bruder König von England ist, wirkt er viel stattlicher. Sonst lächelt er immer, er hat so freundliche Augen, doch jetzt, beim Krönungsessen seiner Schwägerin, zeigt er sich von seiner besten Seite, ist formell und schweigsam. Isabel versucht, mit ihm Konversation zu betreiben, und bringt die Sprache auf Reitpferde, sie fragt ihn, ob er sich an unser kleines Pony in Middleham Castle erinnert. Lächelnd fragt sie ihn, ob es nicht lustig gewesen sei, als Pepper mit ihm durchging und ihn abwarf. Richard, der in seinem Stolz schon immer empfindlich war wie ein Kampfhahn, wendet sich an Martha Woodville und sagt, er erinnere sich nicht. Isabel tut so, als wären wir die allerbesten Freunde, dabei war er doch nur einer von zahlreichen Mündeln, mit denen wir jagten und zusammen zu Mittag aßen, damals, als wir ungestört in England lebten. Isabel möchte die Rivers-Mädchen davon überzeugen, dass wir eine große glückliche Familie sind und sie unerwünschte Eindringlinge, doch in Wirklichkeit waren wir die Warwick-Mädchen in der Obhut unserer Mutter, und die York-Jungen ritten mit Vater aus.

Isabel kann Grimassen schneiden, so viel sie will, mich bringt sie nicht dazu, dass ich mich unbehaglich fühle. Uns steht viel eher das Recht zu, an diesem Tisch zu sitzen, viel eher als den schönen Rivers-Mädchen. Wir sind die reichsten Erbinnen in ganz England, und mein Vater herrscht über den Ärmelkanal zwischen Calais und der englischen Küste. Wir entstammen dem großen Geschlecht der Nevilles, Hüter des Nordens von England; in unseren Adern fließt königliches Blut. Mein Vater war Richards Vormund und Mentor und Ratgeber des Königs, und wir sind den anderen hier in der Halle ebenbürtig, reicher gar als der König und von weit vornehmerer Geburt als die neue Königin. Ich kann als Gleichgestellte zu jedem königlichen Herzog des Hauses York sprechen, denn ohne meinen Vater hätte ihr Haus die Kriege verloren, und wir würden weiterhin vom Hause Lancaster regiert, und George, so ansprechend und prinzlich er auch ist, wäre der Bruder eines Niemands und der Sohn eines Verräters.

Es ist ein ausgedehntes Mahl, doch das Krönungsmahl morgen Mittag wird noch länger dauern. Heute Abend werden zweiunddreißig Gänge aufgetragen, und die Königin schickt einige besondere Gerichte an unseren Tisch, um uns mit ihrer Aufmerksamkeit zu ehren. George steht auf und verneigt sich vor ihr, um sich zu bedanken, und dann tut er uns allen von der silbernen Platte auf. Er sieht, dass ich ihn beobachte, und bedenkt mich mit einem Zwinkern und einem Extralöffel Soße. Ab und zu wirft meine Mutter einen raschen Blick herüber – wie ein Leuchtturm, dessen Licht über das dunkle Meer huscht. Jedes Mal, wenn ich ihren harten Blick auf mir spüre, hebe ich den Kopf und lächele sie an. Ich bin mir sicher, dass sie nichts an mir auszusetzen hat. Ich halte eine der neuen Gabeln in der Hand, und in meinem Ärmel steckt eine Serviette, als wäre ich eine französische Dame und durchaus vertraut mit diesen neuen Moden. Ich habe mit Wasser verdünnten Wein in dem Glas zu meiner Rechten, und ich esse, wie es mir beigebracht wurde: anmutig und ohne Hast. Wenn George, ein Herzog von königlichem Geblüt, mich seiner Aufmerksamkeiten für würdig befindet, wüsste ich weder, was dagegen spricht, noch, warum jemand überrascht darüber sein sollte. Für mich ist es gewiss keine Überraschung.

Solange wir anlässlich der Krönung der Königin als Gäste des Königs im Tower residieren, teile ich mir in der Nacht ein Bett mit Isabel, genau wie schon mein ganzes Leben zu Hause in Calais. Ich werde eine Stunde vor ihr nach oben geschickt, doch ich bin viel zu aufgeregt, um zu schlafen. Nachdem ich meine Gebete gesprochen habe, liege ich in meinem Bett und lausche der Musik, die von unten aus der Halle heraufklingt. Sie tanzen noch; der König und seine Gemahlin tanzen für ihr Leben gern. Wenn er ihre Hand nimmt, kann man sehen, dass er sich im Zaum halten muss, um sie nicht noch näher an sich zu ziehen. Sie senkt den Blick, und wenn sie aufschaut, betrachtet er sie mit glühenden Augen, und sie schenkt ihm ein kleines Lächeln voller Versprechungen.

Ich kann nicht umhin, mich zu fragen, ob der alte König, der schlafende König, heute Nacht wach ist, irgendwo im wilden Norden Englands. Ein schrecklicher Gedanke, er tief im Schlaf versunken und in seinen Träumen doch wissend, dass sie tanzen und ein neuer König und eine neue Königin sich selbst die Krone aufgesetzt und seinen Platz eingenommen haben, und dass morgen eine neue Königin die Krone seiner Frau tragen wird. Vater sagt, ich habe nichts zu fürchten, die böse Königin ist nach Frankreich geflohen, wo sie keine Hilfe von ihren französischen Freunden erhalten wird. Vater trifft sich persönlich mit dem König von Frankreich, um dafür zu sorgen, dass er unser Freund wird und die böse Königin von seiner Seite keine Unterstützung bekommt. Sie ist unsere Feindin, sie ist die Feindin des Friedens in England. Vater wird dafür sorgen, dass sie in Frankreich kein Zuhause findet und in England nicht den Thron besteigen kann. Inzwischen wird der schlafende König ohne seine Frau, ohne seinen Sohn, behaglich in einer kleinen Burg irgendwo nahe der schottischen Grenze sein Leben in einem Dämmerschlaf verbringen – wie eine Biene den Winter in einem Vorhang. Mein Vater sagt, er wird schlafen und sie wird lodern vor Zorn, bis sie beide alt geworden sind und sterben, und ich habe wirklich nichts zu fürchten. Mein Vater hat den schlafenden König furchtlos vom Thron geholt und seine Krone König Edward auf den Kopf gesetzt, also muss es stimmen. Mein Vater ist der Schreckensherrschaft der bösen Königin entgegengetreten, einer Wölfin, schlimmer als die Wölfe von Frankreich, und hat sie geschlagen. Doch ich denke nicht gern an den alten König Henry, auf dessen geschlossene Augenlider das Mondlicht fällt, während die Männer, die ihn vertrieben haben, in der großen Halle tanzen, die einst die seine war. Ich denke nicht gern an die böse Königin, weit fort in Frankreich. Sie schwört, Rache an uns zu nehmen, und verflucht unser Glück und droht, hierher in ihr Zuhause zurückzukehren.

Als Isabel schließlich kommt, knie ich auf dem schmalen Fenstersims, um den Mond zu betrachten, der sein Licht über den Fluss ergießt, und denke an den im Mondlicht träumenden König.

«Du solltest längst schlafen», sagt sie herrisch.

«Sie kann uns nichts tun, oder?»

«Die böse Königin?» Isabel weiß augenblicklich, dass ich von Königin Margarete von Anjou spreche, die uns beide während unserer Kindheit in Angst und Schrecken versetzt hat. «Nein. Sie ist besiegt, Vater hat sie in Towton vernichtend geschlagen. Sie ist fortgelaufen. Sie kann nicht zurückkommen.»

«Bist du dir auch ganz sicher?»

Isabel legt mir den Arm um die Schultern. «Du weißt, dass ich mir sicher bin. Du weißt, dass wir in Sicherheit sind. Der umnachtete König schläft, und die böse Königin ist besiegt. Das ist nur eine Ausrede, um wach zu bleiben, wo du eigentlich schlafen solltest.»

Gehorsam drehe ich mich um, setze mich im Bett auf und ziehe die Laken bis zum Kinn. «Ich werde schlafen. War es nicht wunderbar?»

«Nicht besonders.»

«Findest du sie nicht wunderschön?»

«Wen?», fragt sie, als wüsste sie nicht, wen ich meine, als wäre es nicht für jeden offensichtlich, wer heute Abend die schönste Frau in England ist.

«Die neue Königin, Königin Elizabeth.»

«Also, ich finde sie nicht besonders majestätisch», sagt sie und versucht sich am herablassenden Tonfall unserer Mutter. «Ich weiß nicht, wie sie die Krönung, das Turnier und den Wettkampf meistern will – sie ist schließlich nur die Witwe eines Landedelmannes und die Tochter von niemand. Woher soll sie wissen, wie man sich zu benehmen hat?»

«Warum? Wie würdest du dich denn benehmen?», frage ich in dem Versuch, das Gespräch noch ein wenig in die Länge zu ziehen. Isabel weiß so viel mehr als ich. Sie ist fünf Jahre älter und der Liebling unserer Eltern, und sie hat Aussichten auf eine glanzvolle Ehe. Sie ist fast eine Frau, während ich bloß ein Kind bin. Und jetzt sieht sie sogar auf die Königin herab!

«Ich würde mich mit sehr viel mehr Würde benehmen als sie. Ich würde nicht mit dem König flüstern und mich erniedrigen. Ich würde keine Gerichte an die Tische senden und den Leuten winken. Ich würde nicht meine Brüder und Schwestern an den Hof schleppen. Ich wäre sehr viel zurückhaltender und kühler. Ich würde nicht jeden anlächeln und mich vor niemandem verneigen. Ich wäre eine wahre Königin, eine Königin aus Eis, ohne Familie oder Freunde.»

Fasziniert von diesem Bild, bin ich schon wieder halb aus dem Bett. Ich ziehe die Pelzdecke von unserem Nachtlager und halte sie ihr hin.

«Wie? Wie wärst du? Zeig es mir, Izzy!»

Sie legt sich die Decke wie einen Umhang um die Schultern, wirft den Kopf nach hinten, richtet sich zu ihrer ganzen Größe von einem Meter siebenunddreißig auf und schreitet durch die kleine Kammer, den Kopf hochgereckt, und bedenkt eingebildete Höflinge mit einem unterkühlten Nicken.

«So», sagt sie. «Comme ça, elegant und unfreundlich.»

Ich springe aus dem Bett, schnappe mir einen Schal, werfe ihn mir über den Kopf und folge ihr, ahme ihr Nicken nach rechts und links nach und sehe dabei so majestätisch aus wie Isabel.

«Wie geht es Euch?», sage ich zu einem leeren Stuhl und verharre, als würde ich mir die Bitte anhören. «Nein, keineswegs. Ich kann Euch nicht helfen, es tut mir schrecklich leid, diesen Posten habe ich schon meiner Schwester gegeben.»

«Meinem Vater, Lord Rivers», fügt Izzy hinzu.

«Meinem Bruder Anthony, er ist so ansprechend.»

«Meinem Bruder John, und ein Vermögen meinen Schwestern. Für Euch ist nichts übrig. Ich habe eine große Familie», sagt Isabel, die neue Königin, in ihrer überheblich gedehnten Sprechweise. «Und sie brauchen alle ein Dach über dem Kopf. Ein prächtiges Dach.»

«Alle», fahre ich fort. «Dutzende. Habt Ihr gesehen, wie viele mir in die große Halle gefolgt sind? Wo soll ich nur Titel und Grundbesitz für sie alle finden?»

Wir stolzieren im Kreis herum, und wenn wir aneinander vorbeikommen, neigen wir den Kopf mit formvollendeter Gleichgültigkeit. «Und wer seid Ihr?», frage ich kalt.

«Ich bin die Königin von England», sagt Isabel und ändert unvermittelt das Spiel. «Ich bin Königin Isabel von England und Frankreich, frisch verheiratet mit König Edward. Er hat sich wegen meiner Schönheit in mich verliebt. Er ist vollkommen verrückt nach mir und vergisst darüber seine Freunde und seine Pflichten. Wir haben heimlich geheiratet, und jetzt werde ich zur Königin gekrönt.»

«Nein, nein, ich wollte Königin von England sein», sage ich, lasse den Schal fallen und fahre zu ihr herum. «Ich bin Königin Anne von England. Ich bin die Königin von England. König Edward hat mich auserwählt.»

«Niemals, du bist die Jüngste.»

«Hat er doch! Hat er doch!» Ich spüre, wie Zorn in mir aufsteigt, und ich weiß, dass ich unser Spiel verderbe, aber ich ertrage es nicht, ihr schon wieder den Vorrang zu lassen, nicht einmal bei einem Spiel in unserem Schlafgemach.

«Wir können nicht beide Königin von England sein», versucht sie mich zur Vernunft zu bringen. «Du bist die Königin von Frankreich, du kannst die Königin von Frankreich sein. Frankreich ist recht schön.»

«England! Ich bin die Königin von England. Ich hasse Frankreich!»

«Also, das geht nicht», versetzt sie kategorisch. «Ich bin die Ältere und darf zuerst wählen, ich bin die Königin von England, und Edward liebt mich.»

Ich bin sprachlos vor Zorn, dass sie alles für sich beansprucht, plötzlich ihr Alter ausspielt, dass wir nicht mehr fröhlich spielen, sondern zu Rivalinnen werden. Zornesröte im Gesicht und heiße Tränen in den Augen stampfe ich mit dem Fuß auf.

«England! Ich bin Königin!»

«Du verdirbst immer alles, weil du so kindisch bist», erklärt sie und wendet sich ab. Da geht die Tür auf, und Margaret kommt herein.

«Zeit, dass Ihr beide schlaft, Myladys. Gütiger Himmel! Was habt Ihr denn mit der Bettdecke angestellt?»

«Isabel lässt mich nicht …», setze ich an. «Sie ist gemein …»

«Genug», sagt Margaret barsch. «Ins Bett. Ihr könnt es mir auch morgen erzählen.»

«Sie gibt mir nie etwas ab!» Ich schlucke salzige Tränen hinunter. «Nie. Wir haben gespielt, aber dann …»

Isabel lacht kurz, als nähme sie meinen Kummer nicht ernst, und tauscht einen Blick mit Margaret, wie um zu sagen, dass die Kleine schon wieder einen Wutanfall hat. Das ist zu viel für mich. Wimmernd werfe ich mich bäuchlings aufs Bett. Niemandem liegt etwas an mir, niemand begreift, dass wir zusammen gespielt haben, als gleichberechtigte Schwestern, bis Isabel etwas für sich beansprucht hat, worauf sie kein Recht hatte. Sie sollte wissen, dass sie teilen muss. Es ist nicht richtig, dass ich immer als Letzte komme.

«Es ist nicht richtig!», sage ich geknickt. «Es ist mir gegenüber nicht gerecht!»

Isabel wendet Margaret den Rücken zu, die die Bänder ihres Kleids aufschnürt und es so tief hält, dass Isabel heraussteigen kann, herablassend, wie die Königin, die sie eben noch gespielt hat. Margaret legt das Kleid über einen Stuhl, damit es am Morgen ausgebürstet werden kann, und Isabel zieht sich ein Nachthemd über den Kopf und lässt sich von Margaret die Haare kämmen und flechten.

Ich hebe mein gerötetes Gesicht vom Kissen. Isabel sieht meine großen traurigen Augen und sagt barsch: «Du solltest sowieso schlafen. Du weinst immer, wenn du müde bist. Man hätte dir gar nicht erlauben sollen, am Abendessen teilzunehmen.» Sie sieht Margaret an, eine erwachsene Frau von zwanzig Jahren. «Margaret, sag es ihr.»

«Schlaft, Lady Anne», sagt Margaret freundlich. «Es gibt keinen Grund, noch Theater zu machen.» Ich rolle mich auf die Seite und kehre das Gesicht zur Wand. Margaret sollte nicht so zu mir sprechen, sie ist die Kammerzofe meiner Mutter und unsere Halbschwester und sollte netter zu mir sein. Niemand behandelt mich mit dem geringsten Respekt, und meine Schwester hasst mich. Die Seile des Betts knarren, als Isabel sich zu mir legt. Niemand ermahnt sie, ihre Gebete zu sprechen, obwohl sie gewiss in die Hölle kommt. «Gute Nacht», sagt Margaret. «Schlaft gut. Gott segne Euch.» Dann pustet sie die Kerze aus und verlässt das Zimmer.

Wir bleiben allein im Licht des Kaminfeuers zurück. Isabel zieht die Bettdecke auf ihre Seite, und ich liege still da.

Sie flüstert voller Bosheit: «Du kannst die ganze Nacht plärren, wenn du willst, aber ich werde trotzdem Königin von England und du nicht.»

«Ich bin eine Neville!», piepse ich.

«Margaret ist auch eine Neville», hält Isabel dagegen. «Aber illegitim, Vater hat sie als Bastard anerkannt. Also dient sie als Kammerzofe, und sie wird einen respektablen Mann heiraten, während ich mindestens mit einem wohlhabenden Herzog vermählt werde. Wenn ich es recht bedenke, dann bist du wahrscheinlich auch illegitim, und dann musst du meine Kammerzofe sein.»

Ein Schluchzen steigt in meiner Kehle auf, doch ich presse mir beide Hände auf den Mund. Ich gewähre ihr nicht die Befriedigung, mich weinen zu hören. Ich unterdrücke meine Schluchzer. Wenn ich es könnte, würde ich aufhören zu atmen. Dann müsste sie meinem Vater schreiben und ihm berichten, dass ich kalt und tot bin, und es würde ihr leidtun, dass ich wegen ihrer Unfreundlichkeit erstickt bin, und mein Vater – der heute Abend weit fort ist – würde ihr Vorwürfe machen, weil er sein kleines Mädchen verloren hat, das er mehr geliebt hat als alle anderen. Jedenfalls sollte er mich mehr lieben als alle anderen. Jedenfalls wünsche ich mir das.

L’Erber, London Juli 1465

Ich weiß, dass etwas Außergewöhnliches geschieht, denn Vater, der zurück in England ist, in unserem prächtigen Haus in London, lässt seine Wache im Hof antreten und seinen Standartenträger, und die Edelleute seines Haushalts bringen ihre Pferde aus den Ställen und reihen sich auf. Unser Haus ist so herrschaftlich wie ein königlicher Palast. Mein Vater hat über dreihundert Männer unter Waffen, die seine Livree tragen, und nur der König befehligt mehr Diener. Mancher sagt, unsere Männer seien besser ausgebildet und disziplinierter als die des Königs; besser ernährt und ausgerüstet sind sie auf jeden Fall.

Ich warte an der Tür zum Hof, durch die Vater herauskommen wird, dann sieht er mich vielleicht und erzählt mir, was los ist. Isabel ist oben im Zimmer und bekommt Unterricht, und ich gehe sie nicht holen. Dieses eine Mal kann Isabel meinetwegen die ganze Aufregung verpassen. Ich höre die Reitstiefel meines Vaters auf den Steinstufen, wende mich um und sinke in einen Knicks, um seinen Segen zu empfangen, doch zu meiner Verärgerung ist meine Mutter bei ihm, und ihre Hofdamen folgen ihr, darunter auch Isabel. Sie streckt mir die Zunge raus und grinst.

«Und hier ist mein kleines Mädchen. Willst du dabei sein, wenn ich hinausreite?» Mein Vater legt mir zum Segen behutsam die Hand auf den Kopf und beugt sich hinunter, um mir ins Gesicht zu sehen. Er ist so groß und eindrucksvoll. Als kleines Mädchen dachte ich, seine Brust sei aus Eisen, denn ich sah ihn immer nur in Rüstung. Jetzt lächelt er mich an, und seine dunkelbraunen Augen schimmern unter dem glänzend polierten Helm. Sein dichter brauner Bart ist ordentlich gestutzt – das Ebenbild eines mutigen Soldaten, eines kriegerischen Gottes.

«Ja, werter Vater», sage ich. «Gehst du fort?»

«Ich habe heute eine Aufgabe zu bewältigen», erwidert er ernst. «Weißt du, was?»

Ich schüttele den Kopf.

«Wer ist unser größter Feind?»

Das ist leicht. «Die böse Königin.»

«Ganz recht, und ich wünschte, ich hätte sie in meiner Gewalt. Aber wer ist unser zweitschlimmster Feind und ihr Gemahl?»

«Der schlafende König», antworte ich.

Er lacht. «So nennst du sie? Die böse Königin und den schlafenden König? Recht so. Du bist eine junge Dame von großer Klugheit.» Ich werfe Isabel, die mich für dumm hält, einen herausfordernden Blick zu. «Und was glaubst du», fährt mein Vater fort, «wer wurde an uns verraten und gefangen genommen, wie ich es vorausgesehen habe, und in Fesseln nach London gebracht?»

«Der schlafende König?»

«Ja», sagt er. «Und ich reite mit meinen Männern, um ihn durch die Straßen von London in den Tower zu bringen, und dort wird er bleiben und für immer unser Gefangener sein.»

Hoch ragt er über mir auf, und ich blicke zu ihm, doch ich wage nicht zu sprechen.

«Was ist?»

«Kann ich mitkommen?»

Wieder lacht er. «Du bist mutig wie ein kleiner Ritter, du hättest ein Junge werden sollen. Nein, du kannst nicht mitkommen. Aber wenn ich ihn im Tower festgesetzt habe, darfst du manchmal zum Toreingang hineinschauen, und du wirst sehen, dass du nichts mehr von ihm zu fürchten hast. Ich habe den König in meinem Gewahrsam, und ohne ihn kann die Königin, seine Gemahlin, nichts tun.»

«Aber dann sind ja zwei Könige in London.» Isabel hat ihr intelligentes Gesicht aufgesetzt, und jetzt tritt sie vor und tut so, als wäre sie interessiert.

Er schüttelt den Kopf. «Nein. Nur einer. Edward. Der König, den ich auf den Thron gesetzt habe. Er ist der rechtmäßige König, außerdem haben wir den Sieg errungen.»

«Wie wirst du ihn herbringen?», fragt meine Mutter. «Gewiss wollen viele ihn vorbeiziehen sehen.»

«Gefesselt», antwortet mein Vater knapp. «Auf einem Pferd, die Füße unter dem Bauch gebunden. Er hat gegenüber dem neuen König von England und gegenüber mir gegen das Gesetz verstoßen. Sie sollen ihn ruhig so sehen.»

Meine Mutter stößt ein leises Keuchen aus angesichts dieser Respektlosigkeit. Darüber muss mein Vater lachen.

«Er hat in den Hügeln des Nordens im Freien geschlafen», sagt er. «Er wird nicht aussehen wie ein König. Er hat nicht gelebt wie ein großer Lord, sondern wie ein Gesetzloser. Hiermit bereiten wir der Schande ein Ende.»

«Und alle werden sehen, dass du ihn zurückbringst, glorreich wie ein König», bemerkt meine Mutter.

Mein Vater lacht wieder, blickt in den Hof zu seinen Männern, die so elegant gekleidet und so gut bewaffnet sind wie eine königliche Leibgarde, und nickt anerkennend, als seine Standarte mit dem Bär und dem abgeästeten Baumstamm entrollt wird. Ich schaue zu ihm auf, geblendet von seiner Größe und seiner machtvollen Aura.

«Ja, ich bringe den König von England ins Gefängnis», bekräftigt er. Er tätschelt mir die Wange, schenkt meiner Mutter ein Lächeln und schreitet in den Hof. Der Stallbursche steht am Aufsitzblock mit seinem Lieblingspferd bereit; es heißt Midnight wegen seiner dunklen glänzenden Flanken. Mein Vater schwingt sich in den Sattel, wendet sich zu seinen Männern um und erteilt mit erhobener Hand den Befehl zum Ausrücken. Midnight scharrt begierig mit den Hufen, als könnte er sich kaum bremsen. Mit der einen Hand hält mein Vater die Zügel straff und streichelt ihm mit der anderen über den Hals.

«Guter Junge», sagt er. «Heute widmen wir uns einer gewichtigen Aufgabe, heute bringen wir zu Ende, was wir in Towton nicht vollenden konnten, und das war ein wirklich großer Tag für dich wie für mich.»

Und dann ruft er: «Abmarsch!», setzt sich an die Spitze und reitet mit seinen Männern aus dem Hof hinaus, durch den Steinbogen. In den Straßen von London, in Islington, treffen sie die Wache, die den schlafenden König unter Arrest genommen hat, damit er dem Land nie wieder Albträume bereitet.

Barnard Castle, County Durham Herbst 1465

Isabel und ich werden in Vaters Privatgemächer gerufen. Wir sind im Norden, in Barnard Castle. Ich mag die Burg sehr, die auf einer Felswand so hoch über dem Tees steht, dass ich von meinem Schlafzimmerfenster einen Stein in den schäumenden Fluss tief unter mir plumpsen lassen kann. Es ist eine kleine Burg mit hohen Mauern, umgeben von einem Burggraben und einer grauen äußeren Steinmauer. Dahinter drängt sich schutzsuchend die kleine Stadt an den Wall. Die Leute sinken auf die Knie, wenn wir vorbeireiten. Mutter sagt, unsere Familie, die Nevilles, sei für die Menschen im Norden wie Götter. Wir sind ihnen durch Eide verpflichtet, die bis in den Anbeginn der Zeit zurückreichen, als es Teufel gab und Seeschlangen und einen großen Wurm und wir schworen, die Menschen vor all diesen Kreaturen zu beschützen, und auch vor den Schotten.

Mein Vater ist hier, um Recht zu sprechen, und während er in der großen Halle sitzt, Streitereien schlichtet und Gesuche anhört, ist es Isabel und mir und den Mündeln meines Vaters am Nachmittag erlaubt auszureiten. Wir gehen mit unseren Falken in den großen Mooren, die sich viele Meilen bis hinauf nach Schottland erstrecken, auf die Jagd nach Fasanen und Moorhühnern. Richard und die anderen Jungen werden am Vormittag von ihren Lehrern unterrichtet, doch nach dem Mittagessen dürfen sie mit uns hinaus. Die Jungen sind die Söhne von Adligen, wie etwa Francis Lovell, einige sind die Söhne großer Männer des Nordens, die froh sind über einen Platz im Haushalt meines Vaters, einige sind Cousins und entferntere Verwandte, die ein oder zwei Jahre bei uns bleiben, um zu lernen, wie man herrscht und führt. Robert Brackenbury, unser Nachbar, weicht Richard nicht von der Seite wie ein kleiner Edelknecht seinem Ritter. Richard ist natürlich mein Liebling, schließlich ist er jetzt Bruder des Königs von England. Er ist nicht größer als Isabel, aber unglaublich tapfer, und im Geheimen bewundere ich ihn. Er ist schlank, hat dunkles Haar, und er ist fest entschlossen, ein großer Ritter zu werden. Er kennt alle Geschichten über Camelot und das Rittertum, und manchmal liest er sie mir vor, als wären sie Berichte über wahre Begebenheiten.

Dann sagt er so ernst zu mir, dass ich nicht an ihm zweifeln kann: «Es gibt nichts Wichtigeres auf der Welt als die Ehre eines Ritters, Anne. Ich würde lieber sterben, als Schande über mich zu bringen.»

Er reitet sein Pony wie bei einem Kavallerieangriff. Er will unbedingt so groß und stark werden wie seine beiden älteren Brüder und bemüht sich nach Kräften, der Beste unter den Mündeln meines Vaters zu sein. Ich verstehe das gut, denn ich weiß, wie es ist, in einer rivalisierenden Familie immer den letzten Platz einzunehmen. Doch ich sage ihm nie, dass ich ihn verstehe. Er besitzt einen starken, reizbaren nordischen Stolz und würde mich hassen, wenn ich es ausspräche. Und auch ich könnte sein Mitgefühl nicht ertragen, weil ich jünger bin als Isabel und nicht so schön, weil ich ein Mädchen bin, wo doch alle auf einen Sohn und Erben gehofft haben. Manche Dinge verschweigt man besser: Richard und ich wissen, dass wir von Größe träumen und dass niemand je von diesen Träumen wissen darf.

Als wir im Schulzimmer der Griechischlektion von den Jungen beiwohnen, überbringt Margaret uns die Nachricht, dass wir unverzüglich zu unserem Vater kommen sollen. Isabel und ich erschrecken. Vater schickt nie nach uns.

«Ich nicht?», fragt Richard.

«Ihr nicht, Euer Gnaden», erwidert Margaret.

Richard grinst Isabel an. «Ach so», sagt er und nimmt wie wir an, dass wir bei etwas erwischt wurden. «Vielleicht bekommt ihr Schläge.»

Wenn wir im Norden sind, werden wir gewöhnlich in Ruhe gelassen und sehen Vater und Mutter nur beim Abendessen. Mein Vater hat viel zu tun. Bis vor einem Jahr musste er um die verbleibenden nördlichen Burgen kämpfen, die dem schlafenden König die Stellung hielten. Wenn meine Mutter hierher auf unsere Burgen im Norden kommt, ist sie stets fest entschlossen, alles zu richten, was in ihrer Abwesenheit schiefgegangen ist. Wenn mein werter Vater uns zu sehen wünscht, stecken wir wahrscheinlich in Schwierigkeiten. Was haben wir bloß falsch gemacht?

Als wir in sein Gemach kommen, sitzt mein Vater am Tisch auf seinem prächtigen Stuhl, groß wie ein Thron. Sein Schreiber legt ihm ein Schriftstück nach dem anderen vor, und mein Vater hat eine Feder in der Hand und versieht jedes mit einem W – für den Earl of Warwick, den höchsten seiner vielen Titel. Ein anderer Schreiber beugt sich mit einer Kerze in der einen und Siegelwachs in der anderen Hand vor und tropft rotes Wachs in einer hübschen Pfütze auf das Dokument, und mein Vater drückt seinen Ring hinein, um es zu siegeln. Es ist wie Zauberei, mittels derer er seine Wünsche wahr werden lässt. Wir warten an der Tür, dass er uns bemerkt. Wie wunderbar, ein Mann zu sein und seine Initiale unter einen Befehl zu setzen und zu wissen, dass ihm augenblicklich Folge geleistet wird. Ich würde den ganzen Tag Befehle erteilen, aus purem Vergnügen.

Als der Schreiber die Papiere fortnimmt, blickt mein Vater auf, sieht uns und deutet eine kleine Verneigung an. Wir treten vor und knicksen, wie es uns geziemt, und mein Vater hebt die Hand zum Segen. Dann schiebt er seinen Stuhl nach hinten und ruft uns zu sich. Er streckt die Hand nach mir aus, und als ich näher trete, tätschelt er mir den Kopf, wie wenn ich Midnight wäre, sein Pferd. Dies ist kein besonders schönes Gefühl, denn er hat eine schwere Hand, und ich trage eine Haube aus steifem Goldgewebe, die bei jeder Berührung zerdrückt wird. Isabel bittet er nicht vorzutreten. Bestimmt steht sie unbeholfen da und beobachtet uns. Lächelnd wende ich mich um, weil die Hand unseres Vaters auf mir ruht und ich diejenige bin, die sich an seinen Stuhl lehnt, und tue so, als fühlte ich mich wohl und wäre nicht erschrocken über diese Gunstbezeigung.

«Seid ihr gute Mädchen und lernt fleißig?», fragt er unvermittelt.

Wir nicken. Wir sind unleugbar gute Mädchen und lernen jeden Vormittag mit unserem Lehrer – am Montag Logik, am Dienstag Grammatik, am Mittwoch Rhetorik, am Donnerstag Französisch und Latein und am Freitag Musik und Tanz. Der Freitag ist natürlich der schönste Tag der Woche. Die Jungen haben ihren Lehrer für Griechisch und bekommen Unterricht bei einem Waffenmeister, lernen das Tjosten und wie man ein Breitschwert führt. Richard ist ein guter Schüler und arbeitet hart an seiner Kampfkunst. Isabel ist mir in ihren Studien weit voraus und hat nur noch ein Jahr Unterricht, bis sie fünfzehn ist. Sie sagt, in Mädchenköpfe geht Rhetorik nicht hinein und dass ich dann ganz allein auf mich gestellt bin und sie mich erst wieder hinauslassen, wenn ich am Ende des Übungsbuches angekommen bin. Die Aussicht, ohne Isabel im Schulzimmer gefangen zu sein, ist so trostlos. Und während die Hand meines Vaters schwer auf meiner Schulter ruht und er mir freundlich gesinnt zu sein scheint, überlege ich, ihn vielleicht zu fragen, ob ich nicht auch auf den Unterricht verzichten kann. Ich blicke in sein ernstes Gesicht und denke: Besser nicht.

«Ich habe nach euch geschickt, weil die Königin darum gebeten hat, dass ihr beide euch ihrem Haushalt anschließt», sagt er.

Isabel schnappt vor Aufregung nach Luft, und ihr rundes Gesicht wird rosa wie eine reife Himbeere.

«Wir?», frage ich verwundert.

«Es ist eine Ehre, die euch wegen eurer Stellung in der Welt als meine Töchter zuteilwird, aber auch wegen eures Betragens bei Hofe. Sie hat gesagt, dass du, Anne, bei ihrer Krönung besonders bezaubernd warst.»

Bei dem Wort «bezaubernd» kann ich einen Augenblick lang an nichts anderes mehr denken. Die Königin von England, auch wenn sie Königin Elizabeth ist und nur eine Elizabeth Woodville war, mehr oder weniger ein Niemand, findet mich bezaubernd. Und sie hat meinem Vater gesagt, dass ich bezaubernd bin. Mir schwillt die Brust vor Stolz, und ich wende mich meinem imposanten Vater zu und schenke ihm ein, wie ich hoffe, bezauberndes Lächeln.

«Sie findet ganz zu Recht, dass ihr eine Zierde für ihre Gemächer wärt», sagt er.

Ich konzentriere mich auf das Wort «Zierde». Was die Königin damit wohl meint? Dass wir ihre Gemächer schmücken sollen, damit sie hübsch aussehen – wie Wandteppiche, die man über schlecht getünchte Wände hängt? Müssen wir die ganze Zeit reglos am selben Platz stehen? Soll ich eine Art Vase sein? Mein Vater lacht über mein verdutztes Gesicht und nickt Isabel zu. «Sag deiner kleinen Schwester, was sie tun muss.»

«Sie meint als Kammerfräulein», zischt sie mir zu.

«Oh.»

«Was sagt ihr?», fragt mein Vater.

Was Isabel denkt, kann er leicht erkennen, denn sie atmet flach vor lauter Aufregung, und ihre blauen Augen funkeln. «Ich wäre entzückt», antwortet sie und sucht nach Worten. «Es ist eine Ehre. Eine Ehre, die ich nicht erwartet hatte … Ich nehme sie an.»

Er sieht mich an.

«Und du, Kleine? Meine kleine Maus? Bist du begeistert wie deine Schwester? Willst du auch unbedingt der neuen Königin dienen? Möchtest du sie umschwärmen wie die Motten das Licht?»

Sein warnender Unterton macht deutlich, dass dies die falsche Antwort wäre, obwohl ich mich an die Königin erinnere wie ein geblendeter Altardiener an den Anblick einer Festtagsikone. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als dieser Schönheit als Kammerfräulein zu dienen. Und sie mag mich. Ihre Mutter hat mich angelächelt, sie selbst fand mich bezaubernd. Ich könnte platzen vor Stolz, dass sie mich mag, und jubeln, dass sie mich ausgewählt hat. Doch ich bin vorsichtig.

«Was immer du für das Beste hältst, werter Vater», sage ich. Ich senke kurz den Blick auf meine Füße und schaue dann in seine dunklen Augen. «Mögen wir sie jetzt?»

Er lacht kurz auf. «Gott schütze uns! Was für ein Klatsch ist dir denn zu Ohren gekommen? Natürlich lieben und ehren wir sie. Sie ist unsere Königin, die Gemahlin unseres Königs. Unter allen Prinzessinnen der Welt war sie seine erste Wahl. Stell dir das nur vor! Von allen wohlgeborenen Damen in der ganzen Christenheit, die er hätte heiraten können … und doch hat er sie gewählt.» In seinem Tonfall schwingt etwas Hartes und Spöttisches mit. Hinter seinen treuen Worten vernehme ich etwas anderes: einen Hauch von dem, was mir entgegenschlägt, wenn Isabel mich piesackt. «Du bist ein dummes Kind, so etwas zu fragen», sagt er. «Wir haben ihr alle die Treue geschworen. Du selbst hast ihr bei ihrer Krönung die Treue geschworen.»

Isabel nickt mir zu, wie um den Tadel meines Vaters zu bekräftigen. «Sie ist zu jung, um das zu verstehen», versichert sie ihm über meinen Kopf hinweg. «Sie versteht gar nichts.»

Mein hitziges Gemüt lodert auf. «Der König hat doch nicht das getan, was Vater ihm geraten hat! Als Vater ihn auf den Thron gesetzt hat! Vater hätte im Kampf für Edward gegen die böse Königin und den schlafenden König sterben können!»

Darüber muss er wieder lachen. «Aus dem Munde der Unmündigen, in der Tat!» Dann zuckt er die Achseln. «Sei’s drum, ihr geht nicht. Keine von euch wird an den Hof gehen, um unter der Königin zu dienen. Ihr geht mit eurer Mutter nach Warwick Castle. Alles, was ihr wissen müsst, um einen vornehmen Palast zu führen, könnt ihr von ihr lernen. Ich glaube nicht, dass Ihre Gnaden die Königin euch etwas beibringen kann, was eure Mutter nicht seit Kindertagen weiß. Wir waren mit dem Königshaus verwandt, als die Königin noch im Obstgarten von Groby Hall Äpfel gepflückt hat. Eure Mutter ist eine geborene Beauchamp, sie hat in die Familie Neville eingeheiratet, sie weiß alles über das Dasein einer großen Lady von England – gewiss mehr als Elizabeth Woodville», fügt er hinzu.

«Aber Vater …» Isabel ist so betrübt, dass sie es sich nicht verkneifen kann. «Sollten wir der Königin nicht dienen, wenn sie nach uns fragt? Soll ich nicht wenigstens gehen? Anne ist zu jung, aber sollte ich nicht an den Hof gehen?»

Er sieht sie an, als hätte er nur Verachtung für ihre Sehnsucht übrig, sich mitten im Zentrum des Geschehens zu tummeln, am Hof der Königin, im Herzen des Königreiches, wo sie den König jeden Tag sieht, in den königlichen Palästen lebt, wunderschöne Kleider trägt. Dieser Hof ist gerade erst an die Macht gekommen und feiert ausgelassen seinen Triumph. Die Räume sind voller Musik, an den Wänden hängen die schönsten Tapisserien.

«Anne mag jung sein, doch sie urteilt mit einer Reife, die dir fehlt», sagt er kalt. «Widersetzt du dich mir?»

Sie sinkt in einen Knicks und senkt den Kopf. «Nein, werter Vater. Niemals. Natürlich nicht.»

«Ihr könnt gehen», sagt er, als wäre er unser überdrüssig. Wir huschen aus dem Zimmer wie Mäuse, die den Atem einer Katze auf ihren kleinen pelzigen Rücken gespürt haben. Als die Tür sich hinter uns geschlossen hat und wir außer Hörweite in seinem Audienzzimmer stehen, nicke ich Isabel zu und sage: «Siehst du! Ich hatte recht. Wir mögen die Königin nicht.»

Warwick Castle Frühjahr 1468

Wir mögen die Königin nicht. Schon in den ersten Jahren ihrer Ehe ermuntert sie ihren Gemahl, sich gegen meinen Vater zu wenden, seinen ältesten und besten Freund, den Mann, der ihn zum König gemacht und ihm ein Königreich verschafft hat. Sie nehmen meinem Onkel George das Große Siegel weg und entlassen ihn aus seinem wichtigen Amt als Hoher Lordkanzler, meinen Vater schicken sie als Abgesandten nach Frankreich. Sie treiben ein falsches Spiel mit ihm und schließen hinter seinem Rücken mit dem rivalisierenden Burgund ein Abkommen. Mein Vater ist wütend auf den König und macht die Königin und ihre Familie dafür verantwortlich, weil sie zugunsten ihrer burgundischen Verwandten gegen seine ureigenen Interessen verstoßen. Zu allem Überfluss will König Edward seine Schwester Margaret mit dem Herzog von Burgund verheiraten. Die ganze Arbeit meines Vaters mit der Großmacht Frankreich ist zunichtegemacht durch diese plötzliche Freundschaft mit dem Feind. Edward verscherzt es sich mit Frankreich, und die Bemühungen meines Vaters, freundschaftliche Bande zu knüpfen, waren vergebens.

Und was für Ehen die Königin schmiedet, um ihre Familie ganz nach oben zu bringen! Kaum ist sie gekrönt, verheiratet sie fast alle hochgeborenen wohlhabenden jungen Männer in England mit ihren unzähligen Schwestern. Der junge Henry Stafford, der Duke of Buckingham, den meine Eltern für mich ausgewählt hatten, wird von ihr in die Ehe mit ihrer Schwester Katherine gedrängt – dem kleinen Mädchen, das beim Krönungsmahl an unserem Tisch saß. Dieses Kind, geboren und aufgewachsen in einem Landhaus in Grafton, wird Herzogin. Obwohl die beiden nicht älter sind als ich, verheiratet die Königin sie miteinander, zieht sie in ihrem Haushalt als ihre Mündel groß und nutzt das Stafford-Vermögen zu ihrem eigenen Vorteil. Meine Mutter sagt, dass die stolzen Staffords ihr das nie verzeihen werden – und wir auch nicht. Der kleine Henry ist so kränklich, als hätte ihn jemand vergiftet. Er kann seine Abkunft bis zu den Königen von England zurückverfolgen, und er wird mit der kleinen Katherine Woodville verheiratet und bekommt einen gewöhnlichen Gutsherrn zum Schwiegervater.

Ihre Brüder verheiratet sie mit allen, die Geld besitzen oder einen Titel. Ihr gutaussehender Bruder Anthony bekommt eine Gemahlin, deren Titel ihn zum Baron Scales macht; doch uns schlägt die Königin keine Heirat vor. Es ist, als hätten wir in dem Augenblick für sie aufgehört zu existieren, da Vater ablehnte, uns an ihren Hof zu schicken. Sie sucht weder Isabel noch mir einen passenden Gemahl. Meine Mutter bemerkt meinem Vater gegenüber, dass wir uns niemals zu einem von den Rivers herabgelassen hätten – mögen sie sich auch noch so hoch hinaufschwingen –, doch das alles bedeutet, dass für mich noch keine Heirat arrangiert ist, obwohl ich im Juni zwölf werde, und für Isabel ist es noch schlimmer als Kammerfräulein in Mutters Gefolge und weit und breit kein Heiratskandidat in Sicht, obwohl sie schon sechzehn ist. Da meine Mutter, kaum der Wiege entwachsen, verlobt und schon mit vierzehn verheiratet war, wird Isabel mit jedem Tag ungeduldiger und hat immer mehr das Gefühl, im Wettrennen zum Altar das Nachsehen zu haben. Es ist, als wären wir unsichtbar geworden, wie Mädchen in einem Märchen, die unter einem Fluch leiden, während Königin Elizabeth ihre Schwestern und Cousinen mit sämtlichen wohlhabenden jungen Adligen Englands verheiratet.

«Vielleicht heiratest du einen ausländischen Prinzen», versuche ich Isabel zu trösten. «Wenn wir zurück nach Hause nach Calais gehen, sucht Vater dir einen französischen Prinzen. Sie planen gewiss so etwas für uns.»

Wir sind im Frauengemach in Warwick Castle und sollen eigentlich zeichnen. Isabel hat eine hübsche Skizze der Landschaft draußen vor dem Fenster vor sich und ich eine Kritzelei, die einen Strauß Primeln darstellen soll, frisch gepflückt an den Ufern des Avon, daneben Richards Laute.

«Was bist du nur für eine Närrin», sagt sie vernichtend. «Was soll uns denn ein französischer Prinz nützen? Wir brauchen eine Verbindung zum Thron von England. Der neue König sitzt auf dem Thron, und seine Frau gebiert ihm nichts als Mädchen. Wir müssen in der Thronfolge sein. Wir müssen versuchen, Einfluss zu nehmen. Du bist so dumm wie eine Gänsemagd.»

Ich brause nicht einmal auf angesichts dieser Beleidigung. «Warum brauchen wir eine Verbindung zum Thron von England?»

«Unser Vater hat das Haus York nicht auf den Thron von England gebracht, um ihnen zu dienen», erklärt sie mir. «Unser Vater hat die Yorks auf den Thron gesetzt, um sie zu befehligen. Vater wollte in England die Fäden ziehen. Edward war ihm wie ein jüngerer Bruder, Vater wollte sein Herr sein. Das weiß doch jeder.»

Ich nicht.

Ich dachte, mein Vater hätte für die Yorks gekämpft, weil sie die rechtmäßigen Erben wären, weil Königin Margarete von Anjou eine böse Frau und der König in tiefem Schlaf versunken ist.

«Doch jetzt, da König Edward nur noch von seiner Gemahlin und ihrer Familie beraten wird, brauchen wir Zugang zu diesem Familienkreis, um ihn zu regieren», sagt sie. «Falls Mutter es arrangieren kann, werden wir beide seine Brüder heiraten, die königlichen Herzöge.»

Ich merke, dass ich rot werde. «Du meinst, ich soll Richard heiraten?»

«Du magst ihn doch nicht etwa!» Sie lacht laut auf. «Er hat so dunkles Haar und olivbraune Haut und komische …»

«Er ist stark», sage ich aufs Geratewohl. «Er kann phantastisch reiten. Und er ist tapfer und …»

«Wenn du einen Reiter zum Gemahl willst, warum nimmst du dann nicht John, den Stallburschen?»

«Aber bist du dir sicher, dass sie eine Ehe arrangieren? Wann werde ich heiraten?»

«Vater ist fest entschlossen.» Sie senkt die Stimme zu einem Flüstern. «Aber sie wird bestimmt versuchen, es zu verhindern. Sie will die Brüder des Königs gewiss innerhalb ihrer Familie und ihres Freundeskreises vermählen. Sie will uns nicht am Hof, wo wir sie bloßstellen und allen zeigen könnten, wie sich eine wahrlich große englische Familie benimmt. Sie hat die ganze Zeit nichts anderes im Sinn, als den König von Vater zu entfremden, weil sie weiß, dass Vater ihm die Wahrheit sagt und ihm gute Ratschläge gibt, die sich gegen sie richten.»

«Hat Vater den König um Erlaubnis gebeten? Dass wir heiraten können?»

«Er will es tun, während er am Hof ist», sagt sie. «Kann sein, dass er es jetzt gerade tut, heute, in diesem Augenblick. Und dann werden wir uns beide verloben! Und zwar mit den Brüdern des Königs von England. Wir werden königliche Herzoginnen. Dann nehmen wir einen höheren Rang ein als die Mutter der Königin, Jacquetta, und die Mutter des Königs, Herzogin Cecily. Wir werden die ersten Ladys von England sein, direkt nach der Königin.»

Ich starre sie mit offenem Mund an.

«Wer sonst kommt denn dafür in Frage?», will sie wissen. «Bedenke, wer unser Vater ist. Natürlich sollten wir die mächtigsten Ladys von England sein.»

«Und wenn König Edward keinen Sohn hat», sage ich langsam, laut nachdenkend, «und stirbt, dann wird sein Bruder George König.»

Isabel umarmt mich vor Verzückung. «Ja! Genau! George, Duke of Clarence.» Sie lacht vor Freude. «Er wird König von England, und ich werde Königin.»

Ich verharre, von Ehrfurcht ergriffen bei dem Gedanken, dass meine Schwester Königin wird.

«Königin Isabel.»

Sie nickt. «Ich fand immer schon, dass das gut klingt.»

«Izzy, du wirst ganz nach oben kommen!»

«Ich weiß», sagt sie. «Und du bist als Herzogin immer an meiner Seite. Du wirst meine Erste Hofdame. Wir werden die herrlichsten Kleider tragen!»

«Aber wenn du lange lebst und auch keine Söhne bekommst und George stirbt, ist Richard der Nächste in der Thronfolge, und ich bin die nächste Königin: Königin Anne.»

Augenblicklich verblasst ihr Lächeln. «Nein, das ist nicht sehr wahrscheinlich.»

In eisigem Schweigen kehrt mein Vater vom Hof zurück. In der großen Halle von Warwick Castle wird das Abendessen aufgetragen, und Hunderte von Männern setzen sich hin, um zu speisen. Die Halle ist erfüllt vom Klappern der Teller, von Bechern, die aneinandergestoßen werden, und dem Kratzen von Messern auf Holztellern, doch am hohen Tisch sitzt mein Vater und blickt finster drein, und wir essen in vollkommenem Schweigen.

Meine Mutter zu seiner Rechten hat den Blick auf den Tisch der Hofdamen gerichtet, damit ihr ja kein Anzeichen von schlechtem Benehmen entgeht. Aufmerksam und still sitzt Richard zu seiner Linken. Neben meiner Mutter Isabel, stumm vor Angst, und ich komme wie gewohnt als Letzte. Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich muss jemanden finden, der es mir erzählt.

Ich bekomme unsere Halbschwester Margaret zu fassen. Sie mag ja Vaters Bastard sein, doch er hat sie von Geburt an anerkannt, Mutter ist für ihre Erziehung aufgekommen, und sie gehört als getreue Vertraute zu ihren Hofdamen. Sie ist mit einem von Vaters Pächtern verheiratet, Sir Richard Huddlestone, und auch wenn sie eine erwachsene Frau von dreiundzwanzig Jahren ist und immer alles weiß, wird sie es mir – im Gegensatz zu den anderen – erzählen.

«Margaret, was ist passiert?»