Die O'Haras 3. Hinter dunklen Spiegeln - Nora Roberts - E-Book

Die O'Haras 3. Hinter dunklen Spiegeln E-Book

Nora Roberts

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Beschreibung

"Das aufregende Leben und Lieben der faszinierenden O’Haras wird jeden Romance-Fan begeistern!" Romantic Times

Carrie O’Hara hat gerade in Hollywood Fuß gefasst, als ein Albtraum beginnt: Die Schauspielerin wird von einem Verehrer tyrannisiert, mit Briefen, anonymen Anrufen und kleinen Geschenken. Sie wendet sie sich an Privatdetektiv Kirk Doran. Der ist attraktiv, erfahren - und fest entschlossen, seinen Schützling nicht mehr aus den Augen zu lassen. Sie verbringt nun jede Minute mit dem Ermittler. Können sich die beiden gegen ihre wachsenden Gefühle wehren? Carrie muss lernen, ihrem Herzen zu folgen, so gefährlich das auch sein mag.

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Nora Roberts

Die O’Haras 3

Hinter dunklen Spiegeln

Roman

Aus dem Amerikanischen von Anne Pohlmann

Wilhelm Heyne Verlag München

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Die Originalausgabe Skin Deep ist bei Silhouette Books, Toronto, erschienen.
Die deutsche Erstausgabe ist im MIRA Taschenbuch erschienen.
Wilhelm Heyne Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH Neumarkter Str. 28, 81673 München Copyright © 1988 by Nora Roberts Published by Arrangement with Eleanor Wilder Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2008 by MIRA Taschenbuch in der Cora Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung eines Fotos von Thinkstock Satz: Uhl + Massopust, Aalen ISBN: 978-3-641-12057-3 V003
www.penguinrandomhouse.de/nora-roberts

PROLOG

»Ich weiß nicht, was wir mit dem Mädchen machen sollen.« Frank O’Hara fuhr sich noch einmal mit der Puderquaste übers Kinn, damit es gleich auf der Bühne nicht glänzte. »Ach Molly, du machst dir zu viele Sorgen.«

»Sorgen?« Molly mühte sich mit dem Reißverschluss ihres Kleides ab, blieb aber in der Garderobentür stehen, um den Gang im Auge behalten zu können. »Frank, wir haben vier Kinder, und ich liebe sie alle. Doch Carrie bringt nichts als Ärger.«

»Du bist dem Mädchen gegenüber zu hart.«

»Weil du nicht hart genug bist.«

Auflachend drehte sich Frank um und nahm seine Frau in die Arme. Gut zwanzig Jahre Ehe hatten seine Gefühle für Molly um nichts schwächen können – auch wenn sie die Mutter seines zwanzigjährigen Sohnes und seiner drei Teenie-Töchter war. »Molly, mein Schatz, Carrie ist ein wunderschönes, junges Mädchen.«

»Und sie weiß es.« Unruhig behielt Molly über Franks Schultern die Tür am Ende des Korridors im Auge. Wo blieb das Mädchen? In fünfzehn Minuten mussten sie auf die Bühne.

Bei der Geburt ihrer drei Töchter, die nur um Minuten auseinanderlagen, hatte sie nicht im Traum daran gedacht, dass die älteste ihr mehr Sorgen als die beiden anderen zusammen bereiten würde.

»Gerade wegen ihres Aussehens kommen die Schwierigkeiten«, fuhr Molly halblaut fort. »Wenn ein Mädchen wie Carrie aussieht, müssen ihr die Jungen einfach in Scharen nachlaufen.«

»Sie weiß mit den Jungen umzugehen.«

»Das bereitet mir zusätzliche Sorge. Sie weiß zu gut mit ihnen umzugehen. Sie ist erst sechzehn, Frank.«

»Und wie alt warst du, als du und ich …«

»Das war etwas anderes«, unterbrach Molly ihn, musste aber sofort über das eindeutige Grinsen ihres Mannes lachen. Sie wischte etwas Puder von seinen Rockaufschlägen. »Sie könnte nicht das Glück haben, einen Mann wie dich kennenzulernen.«

»Und was ist das für eine Art von Mann?«

Sie ließ die Hände auf seinen Schultern liegen und sah ihn an. Sein Gesicht war schmal und mittlerweile von Fältchen gezeichnet, doch die Augen waren immer noch die des wortgewandten jungen Mannes, der ihr den Kopf verdreht hatte. Auch wenn er ihr nie den Mond auf einem silbernen Tablett gebracht hatte, wie einmal von ihm versprochen, waren sie doch Lebenspartner im wahrsten Sinne des Wortes geworden – in Freud und Leid, durch dick und dünn. Und es hatte viel Dünnes gegeben. Mehr als die Hälfte ihres Lebens hatte sie mit diesem Mann verbracht, und doch gelang es ihm immer noch, sie zu bezaubern.

»Ein lieber Mann.« Sie küsste ihn auf den Mund. Doch beim Geräusch der ins Schloss fallenden Tür entzog sich Molly ihrem Mann.

»Nun fall nicht gleich über sie her, Molly.« Frank hielt seine Frau am Arm fest. »Dann verschließt sie sich doch nur. Außerdem ist sie jetzt ja da.«

Verdrießlich sah Molly ihrer Tochter Carrie entgegen, die einen leuchtend roten Pullover und eine eng anliegende schwarze Hose trug, die die Linien ihres jugendlich aufblühenden Körpers betonten. Die frische Luft hatte Farbe auf ihre Wangen gebracht, wodurch die schon jetzt fast elegante Linie ihrer Wangenknochen noch unterstrichen wurde. Ihre Augen waren von einem sehr, sehr tiefen Blau und blickten kess und selbstbewusst.

»Carrie.«

Mit dem ihr eigenen Gespür für ein wirkungsvolles Sich-in-Szene-Setzen drehte sich Carrie vor der Garderobe, die sie mit ihren Schwestern teilte, um. »Mom.« Ein kleines Lächeln lag um ihre Mundwinkel, das sich vertiefte, als ihr Vater ihr über die Schulter ihrer Mutter zuzwinkerte. Sie wusste, auf Dad konnte sie immer zählen. »Ich weiß, ich bin etwas spät, aber ich schaffe es ja noch. Michael hat mich seinen Wagen fahren lassen«, fügte sie begeistert hinzu.

»Den tollen kleinen roten Flitzer?« begann Frank und hüstelte dann, als er Mollys missbilligenden Blick bemerkte.

»Carrie, du hast deinen Führerschein erst seit ein paar Wochen.« Wie hasste Molly solch tadelnde Zurechtweisungen. Sie wusste, wie es war, wenn man sechzehn war. Und weil sie es wusste, musste sie auf der Hut sein. »Dein Vater und ich halten dich noch nicht für erfahren genug, um einen Wagen zu fahren, wenn nicht einer von uns dabei ist. Und außerdem«, fuhr sie fort, bevor Carrie Widerspruch anmelden konnte, »ist es dumm, sich ans Steuer eines fremden Wagens zu setzen.«

»Wir waren auf den Landstraßen.« Carrie trat auf sie zu und küsste ihre Mutter auf beide Wangen. »Mach dir nicht so viele Sorgen. Ich brauche etwas Spaß, sonst gehe ich ein wie eine Primel.«

Da Molly ihre Tochter zu gut kannte, ließ sie sich nicht erweichen. »Carrie, du bist noch zu jung, um mit irgendeinem Jungen auszufahren.«

»Michael ist kein Junge. Er ist einundzwanzig.«

»Was meine Meinung nur noch bestärkt.«

»Er ist ein Anmacher«, bemerkte Terence ruhig, der sich ihnen näherte. Er zog nur eine Braue hoch, als Carrie sich mit funkelnden Augen zu ihm umdrehte. »Und wenn ich herausbekomme, dass er dich anfasst, dann wird er sein blaues Wunder erleben.«

»Das geht dich nichts an.« Es war eine Sache, von ihrer Mutter zurechtgewiesen zu werden, doch etwas ganz anderes, wenn sie es sich von ihrem Bruder anhören musste. »Ich bin sechzehn, nicht sechs, und ich habe es satt, bevormundet zu werden.«

Beim Anblick der beiden spürte Frank Stolz in sich aufsteigen. Die beiden waren die Hitzköpfe der Familie, und er liebte sie von ganzem Herzen. »In Ordnung, in Ordnung.« Beschwichtigend stellte er sich zwischen die beiden. »Das hat alles Zeit bis später. Jetzt muss Carrie sich umziehen. Zehn Minuten, Prinzesschen«, sagte er halblaut zu ihr. »Und nicht trödeln. Komm, Molly, wir wollen die Leute draußen in Stimmung bringen.«

Molly warf Carrie einen Blick zu, der ihr zu verstehen gab, dass die Angelegenheit noch nicht erledigt war. »Du verstehst hoffentlich, dass wir ein Recht haben, uns Sorgen um dich zu machen.«

»Vielleicht.« Carries Kinn war noch entschlossen vorgestreckt. »Aber du brauchst es nicht. Ich kann schon seit einer Weile auf mich selbst aufpassen.«

Mit einem kleinen Seufzer folgte Molly ihrem Mann zu der kleinen Bühne, wo sie sich den Lebensunterhalt für den Rest der Woche verdienen würden.

Alles andere als besänftigt, musterte Carrie ihren Bruder erneut. »Ich entscheide, wer mich anfasst, Terence. Vergiss das nicht.«

»Pass lieber auf, dass dein Freund mit dem tollen Wagen sich anständig benimmt. Es sei denn, es gefällt dir, wenn er beide Arme in Gips hat.«

»Ach, geh zum Teufel.«

»Möglich«, entgegnete er leichthin und zog sie dann leicht am Haar. »Ich werde dir dann den Weg zeigen, mein liebes Schwesterchen.«

Weil sie am liebsten gelacht hätte, riss Carrie die Tür auf und warf sie ihrem Bruder vor der Nase zu.

Maddy, die Alana beim Zuknöpfen ihres Kostüms half, blickte auf. »Hast du dich doch noch entschlossen zu kommen?«

»Fang du jetzt bitte nicht auch noch davon an.« Carrie nahm ihr Kostüm, das gleiche wie das ihrer Schwestern, von der Garderobenstange.

»Fällt mir nicht im Traum ein – obwohl es sich eben vom Flur her ganz interessant angehört hat.«

»Wenn sie sich wegen mir doch endlich nicht mehr so anstellen würden.« Carrie zog ihren Pullover über den Kopf.

»Sieh es doch einmal so herum«, entgegnete Maddy. »Sie sind so damit beschäftigt, sich wegen dir anzustellen, dass sie sich kaum einmal Alana und mich vornehmen können.«

»Ihr steht also in meiner Schuld.«

»Mom hat sich wirklich Sorgen gemacht«, warf Alana ein.

Carrie spürte jetzt doch ein kleines Schuldgefühl. »Das braucht sie nicht. Mit mir ist alles in Ordnung, und ich habe meinen Spaß gehabt.«

»Hat er dich wirklich seinen Wagen fahren lassen?«, fragte Maddy interessiert und nahm die Bürste, um Carrie beim Frisieren zu helfen.

»Ja. Ich habe mich gefühlt wie … Ich weiß auch nicht. Irgendwie wichtig.« Sie sah sich in dem kleinen, fensterlosen Raum mit seinem Betonboden und schäbigen Wänden um. »Wisst ihr, ich will einfach nicht immer in einem Loch wie diesem stecken.«

»Jetzt klingst du ganz wie Dad.« Lächelnd rückte Alana ihr die Schminkdöschen zurecht.

»Nein.« Aus jahrelanger Erfahrung heraus trug sich Carrie schnell ihr Make-up auf. »Eines Tages werde ich eine Garderobe haben, die dreimal so groß ist. Ganz in Weiß, mit einem Teppich, der so dick ist, dass man bis zu den Knöcheln einsinkt.«

»Ich hätte es lieber farbig«, entgegnete Maddy und ließ sich einen Moment lang von der Träumerei anstecken. »Farben über Farben.«

»Weiß«, betonte Carrie. Sie erhob sich rasch vom Schminktisch, um sich ihr Kostüm anzuziehen. »Und an der Tür ist ein Stern. Ich werde in einer Limousine fahren und habe einen Sportwagen, neben dem der von Michael wie ein Spielzeug aussieht.« Ihre Augen waren ganz dunkel geworden, während sie das Kostüm überzog, das schon unzählige Male geflickt worden war. »Und ein Haus mit einem Riesengarten, und einen gekachelten Pool.«

Weil der Hang zum Träumen ihnen vererbt worden war, spann Alana das Bild weiter aus, während sie Carries Kostüm hinten zuknöpfte. »Wenn du ins Restaurant gehst, erkennt der Besitzer dich sofort und gibt dir den besten Tisch und eine Flasche Champagner auf Kosten des Hauses.«

»Du bist den Fotografen gegenüber immer freundlich.« Maddy gab Carrie ihre Ohrringe. »Und verweigerst nie ein Autogramm.«

»Natürlich.« Carrie befestigte die Glasklips an ihren Ohren und träumte von Diamanten. »Es gibt im Haus zwei riesige Prunkzimmer für meine beiden Schwestern. Abends sitzen wir zusammen und essen Kaviar.«

»Lieber Pizza«, verbesserte Maddy sie.

»Pizza und Kaviar«, warf Alana ein.

Lachend legte Carrie die Arme um die Taillen ihrer Schwestern. »Wir werden es weit bringen. Wir werden uns einen Namen machen.«

»Das haben wir doch schon«, entgegnete Alana. »›Die O’Hara-Drillinge‹.«

Carrie betrachtete ihr Spiegelbild. »Und den wird niemand jemals vergessen«, sagte sie leise.

1. KAPITEL

Das Haus war riesig und weiß. Durch die Terrassentür, die Carrie unverschlossen gelassen hatte, kam ein Luftzug und der Duft des Gartens herein. Hinten auf dem Rasen war ein kunstvoller Marmorspringbrunnen, den Caroline – kurz Carrie genannt – aber kaum einmal anstellte, wenn sie allein war. In seiner Nähe erstreckte sich der Pool, achteckig, an den sich der überdachte Innenhof und daneben ein kleineres, ebenfalls weißes Gebäude anschlossen. Hinter einer Baumgruppe war ein Tennisplatz angelegt, doch es war schon Wochen her, dass Carrie Zeit oder Lust für ein Spiel gehabt hatte.

Das ganze Anwesen war von einer Mauer in doppelter Mannshöhe umgeben, die Carrie abwechselnd das Gefühl von Sicherheit oder von Eingesperrtsein vermittelte. Doch im Innern des Hauses, mit seinen hohen Räumen und kühlen weißen Wänden, vergaß sie häufig die Mauer und die Alarmanlage und das elektronisch überwachte Eingangstor. Das war der Preis, den sie für den Ruhm zahlte, nach dem sie immer gestrebt hatte.

Die Personalwohnungen lagen im Westflügel, dort rührte sich jetzt noch niemand. Die Morgendämmerung war kaum angebrochen, und Carrie war allein. Manchmal war ihr der Sinn danach.

Als sie das Haar unter einen Hut steckte, überprüfte sie das Ergebnis nicht im Spiegel. Das weite Hemd und die flachen Schuhe waren nach den Gesichtspunkten von Bequemlichkeit und nicht Eleganz ausgewählt worden. Das Gesicht, das schon die Herzen vieler Männer gebrochen und den Neid vieler Frauen erregt hatte, blieb ungeschminkt. Carrie verbarg es unter der breiten Hutkrempe und einer riesigen Sonnenbrille. Als sie nach ihrer Tasche griff, die, wie sie hoffte, alles enthielt, was sie während des Tages brauchen würde, summte die Wechselsprechanlage neben der Tür.

Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. Viertel vor sechs. Dann drückte sie den Knopf. »Auf die Minute pünktlich.«

»Guten Morgen, Miss O’Hara.«

»Guten Morgen, Robert. Ich bin sofort unten.« Nachdem sie den Schalter gedrückt hatte, der das Eingangstor entsicherte, ging Carrie die Treppe mit Mahagonigeländer hinunter, über der ein Kronleuchter hing, dessen Kristallschliff in der Dämmrigkeit nichts von dem funkelnden Lichtspiel zeigte. Das Haus war der Rahmen für den Star, der zu werden sie keine Mühe gescheut hatte. Und doch erschien ihr manchmal alles noch wie ein Traum, den sie nur mit Anstrengung und Geschicklichkeit aufrechterhalten konnte. Andererseits hatte sie im Leben immer gearbeitet und fühlte sich auch berechtigt, die Früchte ihrer Arbeit zu genießen.

Als sie auf die Eingangstür zuging, läutete das Telefon. Carrie eilte zurück ins Arbeitszimmer und nahm den Hörer ab. »Hallo.« Automatisch nahm sie einen Stift, um sich, wenn nötig, eine Notiz machen zu können.

»Ich würde dich jetzt gern sehen.« Der ihr bekannte heisere Flüsterton ließ ihre Handflächen feucht werden. Der Stift fiel ihr aus der Hand. »Warum hast du deine Nummer ändern lassen? Du hast doch keine Angst vor mir? Du brauchst keine Angst zu haben, Carrie. Ich will dir nichts tun. Ich will dich nur berühren. Nur berühren. Ziehst du dich gerade an? Bist du …«

Mit einem verzweifelten Aufschrei warf Carrie den Hörer auf die Gabel. Ihre Atemzüge schienen in dem großen, leeren Haus widerzuhallen. Es begann also wieder …

Minuten später bemerkte ihr Fahrer nur, dass sie ihn nicht mit dem sonst üblichen koketten Lächeln begrüßte, bevor sie hinten in die Limousine stieg. Mit geschlossenen Augen legte Carrie den Kopf zurück und zwang sich zur Ruhe. In wenigen Stunden würde sie vor der Kamera stehen und alles geben müssen. Das war ihr Beruf. Das war ihr Leben. Sie durfte nicht zulassen, dass das durch irgendetwas störend beeinflusst wurde … selbst wenn es die Angst vor einem heiseren Flüstern am Telefon oder anonymen Briefen war.

Als die Limousine auf das Studiogelände fuhr, hatte sich Carrie wieder unter Kontrolle. Hier sollte sie sich doch sicher fühlen können. Hier konnte sie sich ganz in die Arbeit stürzen, die immer noch große Faszination auf sie ausübte. Im Innern der vielen großen Gebäude wurde Zauber gestaltet, und sie war ein Teil davon. Selbst das Hässliche war hier nur Schein. Mord, Körperverletzung und Leidenschaft, alles konnte vorgetäuscht werden. Fantasieland, so nannte ihre Schwester Maddy es, und das war nur zu wahr. Aber, dachte Carrie lächelnd, man muss schon wie ein Ochse ackern, um die Fantasie Wirklichkeit werden zu lassen.

Um halb sieben saß Carrie in der Maske, und um sieben wurde ihr Haar zurechtgemacht. Sie waren erst seit einer Woche in den Dreharbeiten, und alles war noch frisch und neu. Während die Friseuse aus ihrem Haar die Mähne machte, die die Rolle heute erforderte, überlas Carrie noch einmal ihren Text.

»Eine unglaubliche Fülle«, meinte die Friseuse halblaut, während sie Carries Haar fönte. »Und diese Farbe.« Sie beugte sich vor, um im Spiegel das Ergebnis ihrer Arbeit zu prüfen. »Selbst ich konnte lange nicht glauben, dass sie echt sind.«

»Das kommt von meiner Großmutter väterlicherseits.« Carrie drehte den Kopf, um ihr linkes Profil zu überprüfen. »In dieser Szene bin ich zwanzig, Margo. Ob man mir das abnimmt?«

Lachend trat die resolute Rothaarige zurück. »Das sollte die geringste Sorge sein. Es ist nur zu schade, dass sie Regen über unser Kunstwerk gießen.« Sie drückte noch ein letztes Mal die Frisur zurecht.

»Sie sagen es.« Carrie erhob sich. »Danke, Margo.« Sie hatte kaum zwei Schritte gemacht, als ihr Assistent auftauchte. Carrie hatte ihn eingestellt, weil er jung und eifrig war und keinen Ehrgeiz hatte, Schauspieler zu werden. »Wollen Sie mich antreiben, Larry?«

Larry Washington errötete und geriet ins Stammeln, wie immer während der ersten fünf Minuten in Carries Gegenwart. Er war obenrum ziemlich gut gebaut, frisch aus dem College und hatte ein Gedächtnis, dem keine Kleinigkeit verloren ging. Im Augenblick war sein größter Wunsch, einen Mercedes zu besitzen. »Oh, Sie wissen doch, dass ich das nie tun würde, Miss O’Hara.«

Carrie tätschelte ihm die Schulter, was seinen Blutdruck ansteigen ließ. »Jemand muss das tun, Larry. Würden Sie bitte dem Regieassistenten Bescheid sagen, dass ich in meiner Garderobe bin, bis alles zur Probe bereit ist?«

Gemeinsam verließen sie den Raum. Carrie nickte den Männern zu, die letzte Hand an die Kulisse für die erste Szene legten, einen Bahnhof, komplett mit Gleisen, Waggons und einem Eisenbahndepot. Dort würde sie sich verzweifelt von ihrem Liebhaber verabschieden.

»Ich wollte Sie noch an Ihr Interview erinnern. Der Reporter vom ›Star Gaze‹ kommt Punkt halb eins. Dean von der Öffentlichkeitsarbeit lässt fragen, ob er dabei sein soll.«

»Nein, das geht schon in Ordnung. Ich kann mit Reportern umgehen. Würden Sie mir bitte Obst, Sandwiches und Kaffee besorgen? Nein, besser Eistee. Das Interview werde ich in meiner Garderobe geben.«

»In Ordnung, Miss O’Hara.« Gewissenhaft notierte Larry alles in seinem Notizbuch. »Noch etwas?«

An der Tür ihrer Garderobe blieb sie stehen. »Wie lange arbeiten Sie jetzt schon für mich, Larry?«

»Etwas über drei Monate, Miss O’Hara.«

»Ich denke, Sie sollten mich allmählich Carrie nennen.« Sie lächelte über seine erstaunte Freudensmiene und betrat ihre Garderobe.

Zielstrebig durchquerte sie den Raum und ging in das kleinere Ankleidezimmer, das sich an ihn anschloss. Ihre Zeit war begrenzt, und sie wollte sie nicht vertrödeln. Sie wechselte ihre eigenen Sachen gegen die Jeans und den Pullover aus, die sie in der ersten Szene tragen würde.

Sie stellte eine kämpferische zwanzigjährige Kunststudentin dar, am Ende ihrer ersten Liebe. Carrie nahm sich wieder das Textbuch vor. Es war gut und solide. Die Rolle gab ihr die Möglichkeit, eine Bandbreite vieler Gefühle auszudrücken, die ihr ganzes Talent in Anspruch nehmen würde. Es war eine Herausforderung, und sie würde sie annehmen.

Als sie »Strangers« gelesen hatte, hatte sie sich sofort in die Rolle der Hailey hineinversetzen können, der jungen Künstlerin, die von dem einen Mann betrogen und von dem anderen gequält wurde – der jungen Frau, die am Ende Erfolg hatte, doch in der Liebe verlor. Carrie verstand Hailey. Sie kannte Betrogenwerden. Und, dachte sie, als sie sich in dem eleganten kleinen Ankleideraum umsah, ich kenne Erfolg und den Preis, der dafür gezahlt werden muss.

Obwohl sie ihren Text kannte, nahm sie das Textbuch mit, als sie in den Empfangsraum zurückging. Mit Glück hatte sie noch Zeit für eine schnelle Tasse Kaffee, bevor sie mit der ersten Szene beginnen würden. Während der Dreharbeiten für einen Film konnte Carrie problemlos von Kaffee, einem kleinen Imbiss und wieder Kaffee leben. Die Arbeit an ihrer Rolle sättigte sie. Auch fürs Einkaufen, einen Sprung in den Pool oder eine Massage war kaum Zeit, bis ein Film abgedreht war. Das waren die Belohnungen nach erfolgreicher Arbeit.

Als Carrie sich setzen wollte, fiel ihr Blick auf eine Vase mit leuchtend roten Rosen. Wahrscheinlich von einem vom Produktionsteam, dachte sie, während sie hinüberging, um die beiliegende Karte zu lesen. Kaum hatte sie sie aus dem Umschlag genommen, fiel sie ihr auch schon aus der Hand und auf den Boden.

Ich beobachte Dich immer. Immer.

Es klopfte an der Tür, und sie zuckte zusammen. Süß und schwer lag der Duft der Rosen im Raum. Carrie starrte die Tür an und spürte zum ersten Mal wirkliche Angst.

»Miss O’Hara … Carrie, ich bin’s, Larry. Ich bringe Ihren Kaffee.«

Sie rannte zur Tür und riss sie auf. »Larry …«

»Er ist schwarz, wie Sie … Was ist los?«

»Ich …« Sie brach ab. Beherrschung, ermahnte sie sich verzweifelt. Sie könnte alles verlieren, wenn sie ihre Selbstbeherrschung verlor. »Larry, wissen Sie etwas über diese Blumen?« Sie zeigte nach hinten, aber sah sich nicht um.

»Die Rosen? Eine der Lieferantinnen hat sie gefunden, als sie das Frühstück gebracht hat. Da Ihr Name dranstand, habe ich sie hereingebracht. Ich weiß doch, wie sehr Sie Rosen mögen.«

»Schaffen Sie sie weg.«

»Aber …«

»Bitte.« Sie verließ ihre Garderobe. Menschen. Sie brauchte viele Menschen um sich. »Schaffen Sie sie weg, Larry.«

»Natürlich.« Er starrte ihr nach. »Sofort.«

Es war Zeit zum Arbeiten, und nichts durfte sich dem störend entgegenstellen – auch nicht einige Angst einjagende Worte auf einer Karte. Für ihr Image von Glanz und Eleganz hatte Carrie hart gearbeitet. Ebenso hart hatte sie dafür gearbeitet, nicht den Ruf einer launischen Diva zu bekommen. Sie war immer pünktlich und kannte ihren Text. Und wenn eine Szene zehnmal gedreht werden musste, dann musste sie eben zehnmal gedreht werden. Daran erinnerte sie sich, als sie sich ihrem Filmpartner Sean Carter und der Regisseurin näherte.

»Wie schaffst du es nur, immer auszusehen, als wärst du gerade einem Modejournal entschlüpft?« Sean selbst hatte gerade seinen schweren Kopf von der letzten Nacht mit vier Aspirin und drei Tassen Kaffee behandelt und die Schatten unter den Augen mit Schminke verdeckt. Trotz allem schaffte er es, jugendlich, gesund und gut auszusehen – der Traum eines jeden romantischen Mädchens.

Carrie strich ihm über die Wange. »Darling, weil es so ist.«

»Was für eine Frau.« Da das Aspirin ihm seine Lebensgeister zurückgegeben hatte, ergriff Sean Carrie und beugte sie mit einer dramatischen Geste zurück. »Eine Frage, Rothschild«, fragte er die Regisseurin, während sich seine Lippen Millimeter über Carries befanden. »Wie kann ein Mann mit klarem Verstand eine Frau wie diese verlassen?«

»Du, beziehungsweise Brad«, verbesserte Mary Rothschild im Hinblick auf Seans Rolle im Film, »bist auch nicht gerade ein Mann mit klarem Verstand.«

»Du bist ein richtig mieser Kerl«, erinnerte Carrie Sean.

Sean löste sich von Carrie. »So etwas konnte ich seit fünf Jahren nicht mehr spielen. Ich glaube, ich habe dem Autor noch gar nicht richtig dafür gedankt.«

»Das kannst du auch später noch«, wehrte die Regisseurin ab. »Er ist dort drüben.«

Carrie warf einen Blick zu dem großen, nervösen Mann hinüber, der kettenrauchend am Rande der Kulisse stand. Sie war ihm bisher erst einige Male begegnet, wobei er sich nie zu etwas anderem geäußert hatte, was nicht direkt mit seinem Drehbuch und dessen Figuren zu tun hatte. Sie lächelte unverbindlich, aber freundlich zu ihm hinüber, bevor sie sich wieder der Regisseurin zuwandte.

Während Rothschild die Szene umriss, verbannte Carrie alle anderen Gedanken. Jetzt zählten nur noch der Liebeskummer und die Hoffnung, die ihre Rolle von ihr verlangte, als ihr Freund wegfuhr.

»Ich finde, ich sollte dein Gesicht berühren.« Carrie legte eine Hand an Seans Wange und sah ihm während dieser Geste innig in die Augen.

»Und dann umfasse ich dein Handgelenk.« Sean führte es aus und hob dann ihre Hand an seine Lippen.

»Ich werde auf dich warten und so weiter und so weiter.« Carrie deutete ihren Text an, während einer der Techniker mit lautem Geklapper ein Tor aufstellte. Sie seufzte gepresst und schmiegte ihre Wange an Seans. »Und dann umarme ich dich.«

»Lass es uns so versuchen.« Sean umfasste mit liebevoller Geste ihre Schulter und sah ihr einen Augenblick lang tief in die Augen, bis er ihre Mundwinkel zärtlich kitzelnd küsste.

»O Brad, bitte, nicht. Sonst küsse ich dich, bis dir die Luft ausbleibt.«

Sean grinste lausbübisch. »Nur zu.«

»Also, fangen wir an.« Rothschild hob die Hand. Weibliche Regisseure waren immer noch eher die Ausnahme als die Regel, weshalb sie sich und ihrem Team Hundertfünfzigprozentiges abverlangen mussten. »Ich will, dass es richtig brodelt, wenn ihr zu dem Kuss kommt«, wies sie ihre zwei Hauptdarsteller an. »Dir müssen die Tränen kommen, Carrie. Vergiss nicht, tief in deinem Herzen weißt du, dass er nicht zurückkehrt.«

»Ich bin eben ein mieser Kerl«, bemerkte Sean honigsüß.

»Plätze einnehmen.«

Statisten nahmen ihre Positionen ein. Ein paar Männer vom Kamerateam unterhielten sich weiter über ein Pokerspiel.

»Ruhe.« Rothschild selbst suchte sich ihren Platz, der ihr den besten Blickwinkel für Carries Auftritt bot. »Los geht’s, Herrschaften, wir haben keine Zeit zu verlieren.«

Carrie eilte auf den Bahnsteig und sah sich erregt um, während Gruppen von Menschen um sie herumgingen. Ihre Miene spiegelte alles wider, ihre Verzweiflung, das letzte Aufflackern von Hoffnung, den Traum vom Glück, den sie noch nicht aufgeben wollte. Ein Unwetter – dank der Spezialeffekte – zog auf. Zuckende Blitze und rollender Donner. Und dann sah sie Brad. Sie rief seinen Namen und bahnte sich ihren Weg durch die Menge zu ihm.

Die Szene wurde dreimal wiederholt, bis Rothschild nichts mehr anzumerken hatte und die Szene aufgenommen werden konnte. Carries Make-up und Frisur wurden erneuert. Als die Klappe ging, war sie bereit.

Während des Vormittags wurde Bild für Bild die erste Szene vervollkommnet, Carries Suche, ihre Unruhe, das Vorbeieilen der Menschen, ihre Begegnung mit Brad. Immer wieder wurden dieselben Bewegungen, dieselben Worte wiederholt, die Kamera manchmal nicht mehr als dreißig Zentimeter von ihr entfernt.

Schließlich gab Rothschild das Zeichen für den Regen. Die Sprinkleranlage ließ einen Sprühregen über Carrie niedergehen, während sie Brad anblickte. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und mit bebender Stimme bat sie ihn, sie nicht zu verlassen. Nass und fröstelnd wiederholten sie bis zur Mittagspause das Bild, das später auf dem Bildschirm nur wenige Minuten zu sehen sein würde.

In ihrer Garderobe zog Carrie die Kleider der Hailey aus und übergab sie der Assistentin der Kostümbildnerin zum Trocknen. Die Rosen waren weg, doch Carrie glaubte, sie noch riechen zu können. Als Larry kam, um ihr die Ankunft des Reporters mitzuteilen, bat sie ihn um fünf Minuten Aufschub und schickte ihn hinaus.

Ich habe es zu lange hinausgezögert, redete sie sich zu, als sie den Telefonhörer abnahm. Es würde nicht aufhören, und sie war an einem Punkt angelangt, wo sie einfach nicht mehr konnte.

»Burns-Agentur.«

»Ich möchte Matt sprechen.«

»Entschuldigung, Mr. Burns ist in einer Besprechung. Ich …«

»Hier spricht Caroline O’Hara. Ich muss Matt sofort sprechen.«

»Aber natürlich, Miss O’Hara.«

Ein kleines Lächeln konnte Carrie nicht unterdrücken, als die Telefonistin so schnell ihren Tonfall änderte. Während sie wartete, suchte sie in der Schublade nach der Packung Zigaretten, die sie dort immer für Ausnahmesituationen aufbewahrte.

»Carrie, was ist los?«

»Ich muss dich sehen. Heute Abend.«

»Schätzchen, ich habe bis über die Ohren zu tun. Verschieben wir es doch auf morgen.«

»Heute Abend.« Ein Anklang ihrer Panik brach durch. Carrie zündete sich eine Zigarette an und inhalierte tief. »Es ist wichtig. Ich brauche Hilfe.« Langsam blies sie den Rauch aus. »Ich brauche wirklich deine Hilfe, Matt.«

Er hatte noch nie Angst aus ihrer Stimme herausgehört, und so zweifelte er nicht an der Bedeutsamkeit ihres Anliegens. »Dann komme ich um – sagen wir, acht Uhr? Aber worum dreht es sich denn überhaupt?«

»Acht ist gut. Ich kann dir am Telefon nichts Näheres sagen.« Sie fand ein wenig zu ihrer inneren Ruhe zurück, jetzt, wo sie den ersten Schritt machte und endlich etwas unternahm. Und so fiel es ihr kurz darauf auch nicht schwer, den Reporter mit einem reizenden Lächeln hereinzubitten.

»Zum Teufel! Warum hast du mir vorher nichts davon erzählt?« Matt Burns schritt in Carries weiträumigem Wohnzimmer mit einem für ihn ungewöhnlichen Gefühl von Hilflosigkeit auf und ab. In zwölf Jahren hatte er sich vom Boten zum Assistenten und zum bedeutenden Filmagenten hochgearbeitet, wohin er nicht gelangt wäre, wenn er sich nicht in jeder beliebigen Situation richtig zu verhalten gewusst hätte. Doch jetzt hatte er das Gefühl, ein Hornissennest in der Hand zu halten und nicht zu wissen, wohin er es werfen sollte. »Verdammt, Carrie, wie lange geht das schon so?«

»Der erste Anruf kam vor ungefähr sechs Wochen.« Carrie saß auf ihrem niedrigen graphitfarbenen Sofa und trank ein Glas Mineralwasser. Ebenso wie Matt verabscheute auch sie das Gefühl von Hilflosigkeit. Noch mehr missfiel ihr, einen anderen Menschen um Rat wegen eines persönlichen Problems zu bitten.

»Matt, die ersten Briefe, die ersten Anrufe schienen harmlos zu sein.« Die Eiswürfel klickten gegen das Glas, als sie es abstellte und gleich wieder hob. »In allen Magazinen, auf jedem Bildschirm ist mein Gesicht zu sehen, da errege ich natürlich Aufmerksamkeit – und nicht immer angenehme. Ich habe gedacht, wenn ich kein Aufhebens um die Geschichte mache, würde sie aufhören.«

»Aber sie hat nicht aufgehört.«

»Nein.« Sie sah auf ihr Glas hinunter und erinnerte sich an die Worte auf der Karte. Ich beobachte Dich immer. Immer. »Nein, sie ist schlimmer geworden.« Sie zuckte die Schultern im Versuch, ihm – und sich – vorzumachen, dass alles halb so schlimm sei. »Ich habe meine Telefonnummer ändern lassen. Und eine Zeit lang hatte ich Ruhe.«

»Du hättest es mir sagen müssen.«

»Du bist mein Agent, nicht meine Mutter.«

»Ich bin dein Freund«, erinnerte er sie.

»Ich weiß.« Sie nahm seine Hand. Echte Freundschaft gab es selten in der Welt, die sie für sich gewählt hatte. »Darum habe ich dich auch angerufen, bevor ich unüberlegte Schritte mache. Ich bin eigentlich keine hysterische Frau.«

Er musste lachen, löste dann seine Hand aus ihrer, um sich noch einen Drink einzugießen. »Alles andere als das, wenn ich darüber nachdenke.«

»Diese Rosen … Mir war klar, dass ich etwas unternehmen musste, ich wusste nur nicht, was.«

»Das Was ist, die Polizei zu verständigen.«

»Auf keinen Fall.« Sie hob einen Finger, als er Einwände erheben wollte. »Matt, du weißt ebenso gut wie ich, was dann passiert. Wir verständigen die Polizei, und sofort bekommt die Presse Wind davon. Schlagzeile: ›Caroline O’Hara – von geheimnisvollem Bewunderer verfolgt. Flüstern durchs Telefon. Verzweifelte Liebesbriefe.‹« Sie fuhr sich durchs Haar. »Wir könnten das vielleicht durch Humor entkräften, wir könnten es sogar als Publicity nutzen. Aber es würde nicht lang dauern, bis andere Überdrehte ebenfalls auf den Gedanken kommen, mir Fanpost zu schicken. Vielleicht sogar vor dem Eingangstor kampieren. Ich bezweifle, dass ich mehr als einen von ihnen zur gleichen Zeit verkraften kann.«

»Und wenn er gewalttätig wird?«

»Meinst du, daran hätte ich nicht selbst gedacht?« Sie bediente sich mit einer von seinen französischen Zigaretten und wartete, bis er ihr Feuer gab.

»Du brauchst Schutz.«

»Vielleicht.« Hastig inhalierte sie. »Vielleicht muss ich mich wirklich dazu durchringen. Aber ich bin mitten in einem Film. Es würde bemerkt und natürlich geredet werden.« Ihr gelang ein kleines Lächeln. »Meine Affären und mein erotisches Image sind eine Sache. Aber mein Leben – wie es wirklich ist – eine andere. Also keine Polizei, Matt, wenigstens nicht jetzt. Es muss eine andere Möglichkeit geben.«

Er nahm einen Zug von seiner Zigarette und blies nachdenklich den Rauch aus. Er hatte Carries Karriere von Anfang an begleitet, von den Shampoo-Werbespots bis zu den Spielfilmen, und es war selten, sehr selten gewesen, dass sie ihn einmal wegen einer persönlichen Sache um Rat gefragt hatte. In all den Jahren hatte selbst er selten hinter ihr Image blicken können, das sie beide geschaffen hatten.

»Ich denke, ich kenne eine. Vertraust du mir?«

»Habe ich das nicht immer?«

»Warte einen Moment. Ich muss telefonieren.«

Carrie lehnte sich zurück und schloss die Augen. Vielleicht maß sie dem Ganzen zu viel Bedeutung bei. Vielleicht verhielt sie sich lächerlich überdreht wegen eines Fans, der in seiner Bewunderung einige Schritte zu weit gegangen war.

Ich beobachte Dich … beobachte Dich …

Nein. Carrie sprang auf und schritt im Zimmer auf und ab. Ihr gefiel es, beobachtet zu werden – auf dem Bildschirm. Sie nahm es hin, fotografiert zu werden, wenn sie sich in einem Club, bei einer Party oder Premiere sehen ließ. Aber das hier war … beängstigend, gestand sie sich schließlich ein. Als würde sie gerade jetzt jemand durchs Fenster beobachten. Der Gedanke ließ sie sich nervös umdrehen. Natürlich war niemand da. Sie hatte das elektronisch überwachte Tor, die Mauern, die Sicherheitsanlage. Aber sie konnte sich nicht vierundzwanzig Stunden täglich in ihrem Haus verschließen.

Vor dem antiken Spiegel über dem weißen Marmorkamin blieb sie stehen. Dort war ihr Gesicht, ein Gesicht, das als einzigartig schön, sogar herzlos schön bezeichnet wurde. Sie selbst nahm es als glücklichen Zufall, diese Kombination eines perlmuttfarbenen Teints mit den tiefblauen Augen und den hohen Wangenknochen. Der klassisch ovale Schnitt, die vollen sinnlichen Lippen und das üppige silberblonde Haar … Ihr Gesicht war nicht ihr Verdienst. Sie war damit geboren worden. Aber für den Rest hatte sie arbeiten müssen. Hart arbeiten.

Seit sie laufen konnte, war sie aufgetreten, war mit ihrer Familie durchs Land gezogen, von einem Club und Provinztheater zum nächsten. Sie hatte ihren Beitrag geleistet, schon lange bevor sie mit neunzehn nach Hollywood gekommen war – entschlossen, nicht mit einem sternenverhangenen Blick. Sie hatte kleine Rollen bekommen und verloren, sie hatte für Shampoos und Parfums in eindeutig sexistischen, oft dummen Werbespots geworben. Als sie ihre erste Chance bekam, war sie ohne Wenn und Aber bereit gewesen, den Männer mordenden Vamp zu spielen.

»Er kommt sofort.«