DIE TERRANAUTEN: KOSMISCHES LABYRINTH - Andreas Weiler - E-Book

DIE TERRANAUTEN: KOSMISCHES LABYRINTH E-Book

Andreas Weiler

0,0
5,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

David terGorden, einer der Führer der Terranauten, befindet sich auf einer Suche durch ferne Galaxien und Dimensionen: Er muss andere Symbionten der Urbäume finden, denn nur mit ihrer Hilfe kann er eine intergalaktische Katastrophe verhindern. Doch seine Suche droht zu scheitern, als er in das kosmische Labyrinth des magischen Universums gerät...   DIE TERRANAUTEN – konzipiert von Thomas R. P. Mielke und Rolf W. Liersch und verfasst von einem Team aus Spitzen-Autoren – erschien in den Jahren von 1979 bis 81 mit 99 Heften und von 1981 bis 87 mit 18 Taschenbüchern im Bastei Verlag. Der Apex-Verlag veröffentlicht die legendäre Science-Fiction-Serie als durchgesehene Neuausgabe.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



 

 

 

 

Andreas Weiler

 

 

DIE TERRANAUTEN:

Kosmisches Labyrinth

 

 

 

Science-Fiction-Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

KOSMISCHES LABYRINTH 

Prolog 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Epilog 

 

Das Buch

 

David terGorden, einer der Führer der Terranauten, befindet sich auf einer Suche durch ferne Galaxien und Dimensionen: Er muss andere Symbionten der Urbäume finden, denn nur mit ihrer Hilfe kann er eine intergalaktische Katastrophe verhindern. Doch seine Suche droht zu scheitern, als er in das kosmische Labyrinth des magischen Universums gerät...

 

DIE TERRANAUTEN – konzipiert von Thomas R. P. Mielke und Rolf W. Liersch und verfasst von einem Team aus Spitzen-Autoren – erschien in den Jahren von 1979 bis 81 mit 99 Heften und von 1981 bis 87 mit 18 Taschenbüchern im Bastei Verlag. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht die legendäre Science-Fiction-Serie als durchgesehene Neuausgabe.

  KOSMISCHES LABYRINTH

 

 

 

 

 

 

  Prolog

 

 

Das erste Licht des Morgens war ein perlender Glanz, der durch die noch dichte Wolkendecke tropfte. Wind kam auf und flüsterte über das Schlafende Land. Hier und dort waren die Wohnkokons noch still, die silbernen Schließfäden noch fest verankert. Jene, die sich im warmen Innern befanden, träumten noch... von Zeiten, die längst vergangen waren, andere von denen, die noch kommen mochten. Sanfte Blitze sickerten aus den auseinandertreibenden Wolkengebirgen hervor und neigten sich dem Schlafenden Land entgegen.

»Kommt!«, rief die Geschichtenerzählerin der Schar Kinder zu. Die Umarmerin blieb an einer Kokonkolonie stehen und winkte mit ihren halbtransparenten Armen. »Kommt nur. Es ist dies die Zeit der Regenbogen. Und die Zeit der Geschichten.«

Die Kinder blickten empor zu den schwebenden Blitzen, und ihre Augen waren groß und staunend. Fast scheu folgten sie der Umarmerin an den Kuben der Bioheime vorbei. Sie waren leise, denn sie wollten die Schläfer nicht stören. Die Geschichtenerzählerin leitete sie zu einer kegelförmigen Anhöhe, die aus der Mitte des Dorfes wuchs. Berg der Kinder wurde diese Erhebung genannt, und als die Jungen und Mädchen zusammen mit einigen Extrasolaren die Borkenstufen emporkletterten, erfasste sie eine sonderbare Unruhe.

Oben raffte die Geschichtenerzählerin ihr langes, weißes Gewand und wandte das schmale Gesicht dem lauen Wind zu. Ein purpurner Haarschopf flatterte wie ein Banner; unten im Dorf öffneten sich die ersten Wohnkokons. Irgendwo war leises Summen, gemurmelte Melodien, die nicht nur von menschlichen Lippen formuliert wurden.

Vom Kinderberg hatte man eine hervorragende Aussicht über das nun erwachende Land: das Dorf mit seinen nahezu fünfhundert Heimstätten, die Gemeinschaftskuben, in denen Menschen und Extrasolare die Beendigung eines Tagwerkes feiern mochten; weiter im Osten, in Richtung der aufgehenden Tri-Sonne, die Doppelpilze der Umarmungs-Gesellschaft, Symbole der Freundschaft und der Liebe, die sich an die Stummen Grate schmiegten, den Rücken eines aufragenden Gebirges; nördlich davon lagen die Brutkammern, die von den Bioingenieuren erst vor wenigen Wochen fertiggestellt worden waren. Hier begann neu, was einst ein Ende gefunden hatte, während des Zweiten Kataklysmus. Das Licht der Hoffnung – noch flackerte es sanft und matt und trüb, noch war es eine Flamme, die leicht erlöschen konnte... aber sie wuchs und wurde heller. Neu-Sarym stand erst am Anfang der Entwicklung. Neu-Sarym würde leben. Es waren Fehler gemacht worden, aber sie hatten auch neue Erfahrungen induziert, und die Vergangenheit, der Untergang Saryms, war ein Lehrbuch, das Konsequenzen deutlich machte und neue Wege aufzeigte.

Nein, dachte Mirhna die Geschichtenerzählerin, es ist nicht zu Ende. Es beginnt erst. Und diesmal wird niemand den Wandel zurückdrängen können. Diesmal nicht. Diese Kinder hier sind ebenso ein Symbol der Hoffnung wie die Doppelpilze der Umarmungs-Gesellschaft. Vielleicht werden sie einst Neu-Sarym verlassen und eine neue Heimat finden in und auf den Wandernden Welten der Terranauten; dann werden sie wie Sporen sein, die davonsegeln, umschmeichelt von Ewiger Nacht und den Melodien des Sonnenwindes, mit Botschaften auf den Lippen und in den Gedanken, mit Freundschaft in den Herzen. Sie werden Bande knüpfen zwischen den Sternen, Bande, die niemand mehr zerreißen kann. Oh ja, sie werden die Brückenbauer einer Zukunft sein, die ihre Wurzeln hat in interstellarer Harmonie, in einer Gemeinschaft der Lebendigkeit, die keine Zerstörungen mehr kennt.

Die bioelektronische Produktivzisterne am westlichen Rand des Dorfes begann zu summen, und der Wind trug das Raunen und Flüstern auch hinauf zum Kinderberg. Mirhna wandte sich um.

»Seht!«, rief ein kleiner Extrasolarer und deutete mit einer zierlichen Hand empor. »Es ist soweit. Die Regenbogen...«

Köpfe hoben sich. Blicke tranken den farbigen Schimmer, der nun vom Himmel gleißte. Es waren Stege aus Gold und Silber, seidene Schleier aus Grün und Scharlach. Die Krillkolonien an der Grenze zur Kälte und zur Ewigen Nacht begannen nun wieder ihre Wanderung. Wind und Lichtdruck bliesen sie davon, mit ausgefahrenen Zartsegeln.

Regenbogenzeit.

Zeit der Legenden und Geschichten. Zeit der Wachen Träume und Besinnung. Zeit des Nachdenkens und der Einsicht dessen, was geschehen war und von der Zukunft gebracht werden mochte. Die Zeit der Kinder.

Die Geschichtenerzählerin spürte die Unruhe unter denen, die ihr anvertraut worden waren. Es war Neugier. Aber es war auch Respekt vor einer Vergangenheit, die noch so viele Rätsel für sie bereithielt.

»Erzählst du uns nun eine Geschichte, Mirhna?« Die Stimme des Mädchens klang dünn, und es fröstelte.

Mirhna nickte. »Ja, ihr werdet eine Geschichte hören.« Sie kniete sich nieder und legte beide Hände auf die narbige Borke des Kinderberges. Gedanken durchflossen ihren Körper und konzentrierten sich an den halbtransparenten Fingerkuppen. Auswüchse in der Borke bildeten sich; Bitteraromen wurden vom Wind fortgetragen. Bald wich die Kühle des Morgens und machte einer Wärme Platz, die der Kinderberg im Innern seiner verzweigten Kapillarsysteme erzeugte.

»Ja, ich erzähle euch nun eine Geschichte«, sagte Mirhna. »Setzt euch, Kinder.« Sie projizierte erste Bilder in die erwartungsvollen Gedanken.

»Die Geschichte handelt von Freud und Leid, von dem Bemühen eines Mannes, das Chaos abzuwenden von der Menschheit und den anderen Welten des gleißenden Rades, das ihr als Milchstraße kennt.«

»Wie heißt dieser Mann?«, fragte einer der Extrasolaren.

»Er hieß David terGorden. Er lebte vor vielen, vielen Jahren – und wer weiß, vielleicht lebt er auch heute noch, mitten unter uns...«

Die Kinder sahen sich an. Sie nahmen die Gedankenbilder Mirhnas bereitwillig auf. Ihre Gehirne waren wie Schwämme mit dem Bedürfnis, sich vollzusaugen.

»Es ist eine lange Geschichte«, fuhr die Umarmerin fort. »Und eigentlich begann sie zu einer Zeit, als unsere Welt noch gar nicht existierte, in einem Universum vor dem Großen Knall...«

»Du meinst das Universum der Uralten?«, fragte das Mädchen, das zuvor gefröstelt hatte. Seine großen Augen waren wie Bernstein, die Haare weiß wie frisch gefallener Schnee. Seine Gedanken waren kräftig und erfüllt von einem fast unstillbaren Wissensdurst. Vielleicht, dachte Mirhna, wird sie auch einmal eine Geschichtenerzählerin. Ihr Geist ist kräftig genug, und bestimmt wird sie auch in der Lage sein, Bilder zu projizieren und damit eine Geschichte zu einem fast realen Erlebnis zu machen.

»Ja«, sagte die Umarmerin. »Ich freue mich, dass ihr euch daran erinnert.« Sie hob den Kopf. Weit oben am Himmel flössen die Regenbogen ineinander. »Das Universum der Uralten... Es war ein Kosmos, der sich völlig von dem unsrigen unterscheidet. Es war eine Welt der Pflanzen – und ausschließlich der Pflanzen. Es war eine Welt der Harmonie – doch die Harmonie hielt nicht ewig an. Es kam zu Entropiekatastrophen – und der Raum selbst deformierte und stürzte in sich zusammen. Die Uralten sahen den Untergang ihres Universums bald voraus. Sie konnten ihn nicht mehr abwenden, und deshalb versuchten sie, in der neuen Welt, die aus der Asche der alten entstehen würde, den Keim des Weiterlebens zu säen. Sie schufen atomare Sporen, die geimpft waren mit einer bestimmten genetischen Botschaft. Auch in der Zweiten Welt sollten Pflanzen die sterile Öde mit Grün überziehen.«

Die Kinder nickten. Einige hatten die Augen geschlossen und betrachteten die Bilder, die Mirhna in ihren Gedanken formte. Unten im Dorf öffneten sich Kokons. Menschen und Extrasolare begannen ihr Tagwerk und winkten.

»Doch nicht alle diese atomaren Sporen überstanden den Zusammenbruch des Universums der Uralten. Einige gingen unter in dem Feuer des Urknalls, der unseren Kosmos schuf. Naturgesetzlichkeiten veränderten sich, da die atomaren Informationsgefüge der Uraltensporen nicht exakt blieben. So kam es, dass in unserer Welt Leben entstand, das es zuvor nicht gegeben hatte. Fleischliches Leben, das anderes Leben zerstörte, um seine eigene Existenz zu erhalten, karnivores Leben. Und dieses karnivore Leben wusste nichts von der Welt der Uralten. Es ahnte nichts von der Katastrophe, die jenen anderen Kosmos heimgesucht hatte, während sich die Pflanzen in Demut übten. Aus den intakten Sporen der Uralten entwickelten sich die Weltenbäume, und die Weltenbäume wiederum schufen die Lange Reihe. Dies war die Antwort auf die Entropiekataklysmen, die die Erste Welt zerstört hatten. Die Lange Reihe war eine kosmosweite Waffe gegen solche Katastrophen, die das Gefüge der Raum-Zeit zerstören. Lenker wurden mit der Pflege dieser – organischen – Waffe beauftragt, und sie nahmen ihre Pflicht über Äonen wahr.«

Ihre Worte klangen nun düster, und einige der Kinder erschauerten.

»Der karnivore Lebensstrang, dem auch wir angehören, ahnte von all dem nichts. Er verfolgte seine eigene Entwicklung, Er raubte und zerstörte und vernichtete, um sich selbst zu erhalten und seinen Einflussbereich auszudehnen. Er wandte sich von seiner Umwelt ab, ohne zu ahnen, dass dies bereits einmal geschehen war – und ein ganzes Universum dem Untergang hatte anheimfallen lassen. Es kam zu lokal begrenzten Entropiekatastrophen. Die Lange Reihe wurde eingesetzt und bannte diese Zerstörungsherde. Doch die Waffe der Uralten war eigentlich nur für einen einmaligen Einsatz vorgesehen. Und es gab viele karnivore Völker, die nichts ahnten von den Lehren der Vergangenheit, die versuchten, Lichtjahrschluchten mit Energien zu überbrücken, die die Entropie beschleunigten und Raum-Zeit-Deformierung verursachten. Immer öfter musste die Waffe der Uralten zum Einsatz gebracht werden, und dadurch begannen erste Kettenglieder der Langen Reihe instabil zu werden und schließlich gar ganz auszufallen. Entstandene Zonen aus Entropiebeschleunigung konnten nun kaum noch isoliert und unschädlich gemacht werden.«

Die Kinder schwiegen. Ihre Mienen waren ernst, manche traurig und bekümmert. Sie hatten diese Geschichte bereits gehört, aber die Bilder waren nach wie vor eindringlich, die Botschaft unmissverständlich.

»Auch die Menschheit ahnte nichts von den Uralten, die einst einen anderen Kosmos mit Leben erfüllt hatten. Sie hielt sich für einmalig, und sie strebte nach den Sternen. Zunächst wurden die Raumschiffe nur von Treibern gesteuert, PSI-begabten Männern und Frauen, die dazu in der Lage waren, sich mit einer Mistel des Urbaums Yggdrasil im Weltraum II zu orientieren, jenem Medium, das nur Entsetzen und geistige Umnachtung verursacht für die Menschen, die nicht mit den Gedanken sprechen können. Lordoberst Max von Valdec, Diktator des Sternenreiches der Menschheit und Eigentümer des Kaiser-Konzerns, versuchte dann im Jahre 2500 Alter Zeitrechnung, die Treiber durch Technik zu ersetzen. Raumschiffe wurden fortan mit Kaiserkraft angetrieben. Doch diese Kraft beschleunigte Entropie. Sie brachte jenes langsame Verderben, dem die Erste Welt erlegen war. Valdec verfolgte die Treiber, ließ sie umbringen, durch Operationen ihrer PSI-Fähigkeiten berauben. Die Terranauten, eine geheime Organisation der Treiber, nahm unter der Führung von David terGorden, Asen-Ger und Llewellyn 709 den Kampf gegen das Regime des Lordoberst, gegen das Konzil der Konzerne und die Kaiserkraft auf.«

Die Geschichtenerzählerin lächelte sanft. »Ihr wisst es alle: Der Kampf der Terranauten war schließlich erfolgreich. Und mit Hilfe einiger Kettenglieder der Langen Reihe – dem Alten Wald, dem Konnexkristall, den Kosmischen Sporen und Weltenbäumen – gelang es auch, die Zonen aus Entropiebeschleunigung, die sich aufgrund der Verwendung von Kaiserkraft bereits gebildet hatten, zu isolieren. Dadurch«, Mirhna hob die Stimme, »war die Gefahr jedoch noch nicht endgültig beseitigt. Die Lange Reihe musste wieder zusammengefügt werden, um diese Raum-Deformierungen endgültig zu beseitigen. David terGorden war ein Erbe der Macht. Er war kein normaler Mensch, denn in seinen Adern floss auch die Lymphflüssigkeit Yggdrasils, des Weltenbaumes der Erde. Erst durch den Alten Wald und die Lenker erfuhr er, dass er ein Spektrum war: einer von neun Erben der Macht, die, wenn sie sich zusammenschlossen, die Lange Reihe wieder zusammenfügen konnten.«

»Und so«, ließ sich das Mädchen vernehmen, das vielleicht ebenfalls die Gabe zur Geschichtenerzählerin besaß, »machte sich David terGorden auf eine lange Reise. Er kannte seine Aufgabe: Er musste die anderen acht Spektren finden, die anderen acht Erben der Macht. Er musste sich mit ihnen vereinen, mit Hilfe des Konnexkristalls, der auch sein Wegweiser war.«

»Ja«, bestätigte Mirhna mit einem Nicken. Ihre transparente Haut schimmerte im Lichte der Tri-Sonne. »David terGorden machte sich auf zu einer Reise, die ihn weit über die Grenzen dieser Sterneninsel hinausführte. Und während er fort war, begannen die Terranauten, die über Valdec, die Grauen Garden und das Konzil der Konzerne gesiegt hatten, mit der Umgestaltung unseres Lebens. Sie formten die Grüne Erde. Sie formten andere Welten nach dem Muster des pflanzlichen Lebens, nach dem Muster der Harmonie mit der Umwelt. Niemand von ihnen wusste, wo sich David terGorden aufhielt. Niemand wusste, ob er überhaupt noch lebte.«

»Ist das alles nicht nur eine Legende?«, fragte ein kleiner Extrasolarer skeptisch. Seine Sprechmembranen kratzten, als er seinem Zweifel Ausdruck verlieh.

»Eine Legende?«, wiederholte Mirhna sanft. »Nein, es ist keine Legende, junger Freund. Es ist die Wahrheit. Viele Jahre sind inzwischen vergangen. Damals... damals war alles anders. Selbst damals, als allen Menschen die Gefahr der Entropiebeschleunigung deutlich vor Augen geführt worden war, gab es noch immer Gegner der Biologischen Revolution. Und die Menschheit war isoliert. Es gab keine Umarmungs-Gesellschaft, die auf Wunsch genetische Verschmelzungen mit Extrasolaren und anderen Fremdfreunden durchführt. Es gab praktisch keine Verbindungen zu extraterrestrischen Kulturgruppen. Machtreste des alten Sternenreiches wollten sich nicht trennen vom Überkommenen. Sie stellten die Gegner im Innern dar. Aber es gab noch andere Gefahren. Das Auf tauchen des Grünen Phönix war ein erstes Alarmzeichen, denn man stellte fest, dass er ein Lenker gewesen war, kein Mensch. Ein Lenker, der ganz offensichtlich gegen den pflanzlichen Lebensstrang kämpfte. Doch die Terranauten hielten an ihrem Kurs fest und bauten eine Grüne Welt, die auf Einklang basierte. Sie glaubten damals im Jahre 2510, die vom Grünen Phönix ausgehende Gefahr überwunden zu haben. Heute wissen wir, dass das ein Trugschluss war. Und ein großer Fehler obendrein. Sie rechneten nicht damit, dass von dieser Seite aus ein weiterer Angriff erfolgen könnte. Und so konnte der Vielgestalter nach Alt-Sarym gelangen und dort den Keim des Unterganges legen. Ihr wisst es alle: Der Eindringling wurde schließlich entdeckt, und man ging nach seiner Vertreibung sofort an die Beseitigung der von ihm verursachten Schäden im biologischen System der Welt der Knospen des Baumes. Man ahnte nicht, dass diese offensichtlichen Schäden nur zur Ablenkung dienten, dass die wirkliche Gefahr von dem Vielgestalter eingeimpft worden war in das genetische Muster der Veränderungssporen, die auf anderen Welten neue Variökologien schaffen sollten – ein weiterer, eindeutiger Hinweis darauf, dass der Angriff von jemanden erfolgte, der bestens unterrichtet war über die Uralten, die Lange Reihe und ihre Funktionen.«

Sie seufzte. Einige der Kinder sahen sie mit großen Augen an, andere machten den Eindruck, als schliefen sie; ihre Gedanken aber, so spürte die Geschichtenerzählerin, lauschten in höchster Konzentration.

»Durch die Aktionen des Vielgestalters auf Alt-Sarym verloren viele Terranauten und Treiber ihr Leben«, fuhr Mirhna fort. »Später, nach vielen Jahren, musste Alt-Sarym gar aufgegeben werden, aber das ist eine andere Geschichte, die ihr bereits kennt. Wichtig ist folgendes: Einer der Psychomechaniker, der von dem Vielgestalter angegriffen wurde, erlitt einen mentalen Schock. Er starb nicht, aber er veränderte sich. Seine Egostruktur deformierte, und fortan wohnten in ihm mehrere konträre charakterliche Identifikationen. Sein Name war Gil-Coron Tschiad. Er hatte Visionen. Er sprach mit Anderer Stimme. Und diese Stimme erzählte von David terGorden und einer großen Gefahr, die ihm drohte. Dies ist die Geschichte von Gil-Coron Tschiad und Yronne MilVira, von Narda und Nayala. Und es ist die Geschichte von David terGorden, der bereits seit Jahren unterwegs war, um die anderen acht Spektren zu suchen... Es ist eine Geschichte von Leid und Kummer. Aber sie gibt auch zu Hoffnung Anlass, denn sie beweist, dass der Mensch nur dann verloren ist, wenn er sich selbst aufgibt. So vernehmt nun meine Worte und betrachtet meine Bilder...«

  Erstes Kapitel

 

 

Der menschliche Geist stellt nach wie vor ein Phänomen für uns dar. Unsere Psychomechaniker können seine Bewusstseinssphären als dematerielle Ichidentitäten durchreisen, aber auch für sie sind die Gedanken eines Menschen ein weitverzweigtes Labyrinth. Wir bilden Treiber und Bioingenieure aus. Wir erkennen paranormale Begabungen und können sie fördern. Aber wir können nicht einmal annähernd schätzen, was das menschliche Bewusstsein wirklich zu leisten vermag und welche Folgen Veränderungen im psychischen Haushalt haben können.

 

PSI-Akademie von Ultima Thule, Grüne Erde.

 

Was ist Wirklichkeit, wenn Träume doch heller glänzen als tausend Sterne?

 

Psychomechaniker-Zitat

 

»Es geht ihm schlechter«, sagte Yronne MilVira leise. »Es geht ihm immer schlechter.« Sie hatte den Helm Gil-Coron Tschiads zurückgeklappt. Das Gesicht des Psychomechanikers war schweißnass und so weiß wie Kalk. Seine Augen starrten in die Ferne; die Lippen bebten.

Der glänzende Finger eines Helmscheinwerfers wanderte über metallene Wände, als sich Nayala umdrehte.

»Er lebt noch«, sagte sie. Ihre Stimme klang spröde. »Viele andere sind tot.«

Für kurze Zeit herrschte Schweigen.

»Die Stimme spricht nicht mehr«, sagte Narda dann. »Das Orakel ist stumm.«

Nayala deutete auf die geborstenen Lichtspender an der Decke. Nur ihre Helmscheinwerfer durchstachen die Schwärze im Innern von Kosmodrom Vircho III. Stille. Die Aggregate der zweitausend Meter durchmessenden Kugel aus Stahl und Protop arbeiteten nicht mehr. Vircho III war tot. Wie lange schon, vermochte niemand von ihnen zu sagen. »Vielleicht sind wir umsonst gekommen«, murmelte die Drachenhexe mit dem pechschwarzen Haar. »Vielleicht haben wir uns unnötigerweise in Gefahr begeben.«

Wieder herrschte Schweigen, nur unterbrochen von dem rasselnden Atem Gilcos.

Narda trat an die Seite Yronnes. »Können wir weiter?«, fragte sie leise. Und ihre Gedanken riefen: Raknon? 

Ich fürchte mich, entgegnete der Organsegler, der an der Außenhülle der zwischen den Sternen im interstellaren Leerraum schwebenden Station klebte. Ich fürchte mich so sehr... 

Ich weiß, trösteten Nardas Gedanken. Wir kommen bald zurück, Raknon. 

Im bleichen Gesicht Gilcos hatten sich pustelähnliche Geschwüre gebildet. MilVira strich sanft mit den Fingerkuppen darüber hinweg, und sie lösten sich langsam auf. Gilco beruhigte sich zusehends. Er zwinkerte einige Male mit den Augen, schien dann seine Umgebung wieder bewusst wahrzunehmen.

»Ich... es geht wieder.« Yronne half ihm auf die Beine. Er schwankte. Die Anfälle erfolgten nun in immer kürzeren Abständen. Sie kosteten ihn Kraft, viel Kraft. Der Vielgestalter hatte ihm einen Teil seines Ichs genommen und dafür etwas gegeben, das nicht einmal Yronne analysieren konnte. Sie war Psychomechanikerin wie Gilco, und oft waren sie gemeinsam auf die Reise gegangen im Innern ihrer verschmolzenen Bewusstseinssphären. Das war ihnen nun verwehrt. Gilcos Geist war seit dem Anschlag des Vielgestalters von dem Yronnes separiert. Und für zwei Psychomechaniker, die sich liebten, war das nahezu das Schlimmste, das passieren konnte.

»Gut.« Narda nickte. Sie hielt ihre Gedanken unter Kontrolle. Mitleid machte es für Gilco nur noch schlimmer. »Wir dürfen uns hier nicht allzu lange aufhalten. Das Graue Loch hat sich ausgeweitet. Wenn die Berechnungen stimmen, wird es Vircho III in wenigen Stunden vereinnahmen. Bis dahin müssen wir verschwunden sein.«

Und während sie den Korridor betraten, der zur Zentrale der Station führte, dachte sie: Das ist ein anderes Phänomen. Die Kosmischen Sporen haben das Graue Loch, den Kegel aus Entropiebeschleunigung und Raum-Zeit-Deformierung, isoliert. Wie kann es trotzdem wachsen? Kosmodrom Vircho III wird untergehen, zerrieben von den Gewalten des Grauen Lochs. Und mit der Station das Orakel... das Geschöpf, das einst Lordoberst Max von Valdec gewesen war. Ein... Ding, das alle Fragen beantworten konnte, die man ihm stellte – nur die nicht, die es selbst so quälten. Unentwegt hatte diese Stimme gesprochen, auf allen Frequenzen. Und nun schwieg sie.

»Wir hätten nicht hierher kommen sollen«, sagte Nayala dumpf. Die Luft schmeckte schal und abgestanden. Die Umwälzungs- und Regenerierungsaggregate arbeiteten offenbar schon seit Wochen nicht mehr.

»Es ist die einzige Möglichkeit.« Gil-Coron Tschiad schüttelte den Kopf. Der Psychomechaniker war mittelgroß und von drahtiger Statur. Seinem Wesen nach war er still und schweigsam, und die Veränderung, der er aufgrund des Angriffs des Vielgestalters unterzogen worden war, hatte diese Eigenschaft noch weiter verstärkt. »Die Vision war eindeutig: David terGorden schwebt in höchster Gefahr. Und nur das Orakel kann uns sagen, wo er sich befindet und welcher Art die Gefahr ist.« Er sprach nicht weiter. Er sagte nicht, dass ein Kontakt mit David terGorden auch die einzige Chance war, die er noch hatte. Seine Visionen waren eindeutig gewesen: Er würde binnen kurzer Zeit sterben, an der psychischen Agonie, an der Multi-Schizophrenie, die ihm der Vielgestalter beschert hatte. Die Kraft des Konnexkristalls aber... die Energie dieser Schlacke aus der Ersten Welt, zusammen mit dem geistigen Potential eines Erben der Macht... es war eine trübe Flamme der Hoffnung, an die er sich klammerte, eine Chance auf Heilung, auch wenn sie verschwindend gering war.