DIE TERRANAUTEN: MONUMENT DER TITANEN - Andreas Weiler - E-Book

DIE TERRANAUTEN: MONUMENT DER TITANEN E-Book

Andreas Weiler

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Beschreibung

David terGorden, einer der Führer der Terranauten, sitzt im sogenannten magischen Universum gefangen. Diese Zone entarteter Urbäume kann er nur über die Weltenbrücke des Monuments verlassen, und seine Flucht ist die letzte Chance, die Menschheit vor einer Katastrophe zu bewahren...   DIE TERRANAUTEN – konzipiert von Thomas R. P. Mielke und Rolf W. Liersch und verfasst von einem Team aus Spitzen-Autoren – erschien in den Jahren von 1979 bis 81 mit 99 Heften und von 1981 bis 87 mit 18 Taschenbüchern im Bastei Verlag. Der Apex-Verlag veröffentlicht die legendäre Science-Fiction-Serie als durchgesehene Neuausgabe.

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Andreas Weiler

 

 

DIE TERRANAUTEN:

Monument der Titanen

 

 

 

Science-Fiction-Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

MONUMENT DER TITANEN 

Prolog 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Epilog 

 

Das Buch

 

David terGorden, einer der Führer der Terranauten, sitzt im sogenannten magischen Universum gefangen. Diese Zone entarteter Urbäume kann er nur über die Weltenbrücke des Monuments verlassen, und seine Flucht ist die letzte Chance, die Menschheit vor einer Katastrophe zu bewahren...

 

DIE TERRANAUTEN – konzipiert von Thomas R. P. Mielke und Rolf W. Liersch und verfasst von einem Team aus Spitzen-Autoren – erschien in den Jahren von 1979 bis 81 mit 99 Heften und von 1981 bis 87 mit 18 Taschenbüchern im Bastei Verlag. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht die legendäre Science-Fiction-Serie als durchgesehene Neuausgabe.

  MONUMENT DER TITANEN

 

 

 

 

 

 

 

  Prolog

 

 

Schnee war gefallen in der Nacht, und der östlich des Dorfes aufragende Rücken der Stummen Grate hatte sich mit einer perlweißen Decke überzogen. Das Licht der Tri-Sonne funkelte und glitzerte in den Kristallen. Die Sammler hatten bereits kurz vor Morgendämmerung ihre Bioheime verlassen; sie waren nun dunkle Punkte, die oben an den Graten tanzten, Schatten vor dem Weiß des Schnees. Sie suchten nach Melodiensporen, und wenn sie heute genügend fanden, dann mochten bis zum Abend einige Flüsterschreine in der Nähe der bioelektrischen Produktivzisternen entstehen.

»Kommt, Kinder!«, rief Mirhna, die Geschichtenerzählerin. Sie schritt rasch aus. Lachende Stimmen folgten ihr. Einige kleine Extrasolare sprangen in den Eislachen umher, die sich auch hier im Tal gebildet hatten. Andere winkten den Sammlern oben an den Felsen zu und riefen: »Wir wünschen euch Glück, Sammler. Findet viele Melodiensporen. Dann können wir heute Abend ein Fest feiern, ja, ein Fest mit der Musik, des Windes und den zarten Klängen der in den Sporen gefangenen Kühle...«

Vor ihnen ragte der Doppelpilz des Umarmungs-Instituts auf. Er bestand aus weichem Protop und war gehalten in sanften Pastelltönen; der Eingang stand offen, und die Leiterin des Instituts wartete bereits auf sie. Es war eine Mushni, die Angehörige einer posttechnischen Zivilisation.

Irgendetwas tief im Inneren der Umarmerin regte sich. Sie hatte den Eindruck, nach Hause zurückzukehren und zögerte kurz, bevor sie das Gebäude betrat. Über dem Eingang war das Markenzeichen der Umarmungs-Gesellschaft zu erkennen: zwei Hände, die sich an den Fingerspitzen berührten, die Hand eines Menschen und die eines Extrasolaren. Und darunter stand in einer Bildsymbol-Schrift, die jedes intelligente Geschöpf verstehen konnte:

 

Liebe ist unteilbar. Liebe ist ein kostbarer Schatz, und wir sind seine Hüter. Liebe ist ein Schild, das alles Üble abwehrt. Liebe verbindet, wo Worte nicht mehr ausreichen.

 

»Ich grüße euch«, sagte die Mushni. »Es freut mich, euch mit dem vertraut machen zu können, was hier geschieht.«

Mirhna erwiderte den Gruß mit ausgestreckter Hand und drehte sich dann halb um. Die Schar Kinder – es war ein gutes Dutzend – sah zu dem Symbol der Umarmungsgesellschaft auf.

»Kommt nun«, sagte Mirhna.

Die Eingangshalle war eine behagliche Höhle, durchtränkt von Wärme und den wispernden Stimmen von Yggdrasilknospen an den Wänden. Aus dem Boden wachsende Blütenkelche bildeten bizarre Muster, und in ihren Knollen schliefen einige Umarmungskinder.

Die Mushni führte Mirhna und ihre Mündel durch die Räumlichkeiten.

»Die Umarmungs-Gesellschaft«, erklärte die Institutsleiterin dabei, »ist ein Symbol der Hoffnung nach all dem, was geschah. Wir alle sind Kinder einer Welt, und unsere Eltern sind die Uralten des Prä-Universums, jenes Kosmos, der einst an einer Entropiekatastrophe zerbrach. Wir sind die Erben der Uralten. Und das verbindet alle Völker dieses Universums. Was sind schon körperliche Unterschiede? Was bedeuten schon evolutionäre Andersartigkeiten?«

Die Mushni lächelte.

»Die Umarmungs-Gesellschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, ein verbindendes Glied zu sein zwischen den Völkern der Zweiten Welt. Unsere Saat ist die der Liebe. Eure Geschichtenerzählerin, die Umarmerin Mirhna, ist hier geboren worden. Ihre Eltern waren ein Extrasolarer und eine menschliche Frau. Sie liebten sich, denn Liebe ist ein Geschenk des Geistes. Und wir überbrückten die Kluft, die von ihrem Fleisch gebildet wurde.«

Andere Institutsangehörige schritten vorbei. Die Mushni führte sie durch Hallen und kleine Kammern, durch gewölbte Gänge mit Mosaikmustern und winzige Kavernen. Hier und da wurden Worte gemurmelt, manche von menschlichen Lippen, andere von Extrasolaren. Schließlich gelangten sie in einen Raum, in dem eine Sitz- und Entspannungslandschaft aus Protop und lebendem Zellgewebe aufgebaut worden war. Ein Schwarm Kleindrachen von Adzharis flog den Kindern entgegen; Piepen und Krächzen ertönte, Lachen.

Sie nahmen Platz, und bald hatte jedes Kind einen Drachen gefunden.

»Unsere Aufgabe hier ist es, die Genmuster eines potentiellen Elternpaars so anzupassen, dass die Zeugung von gemeinsamer Leibesfrucht ermöglicht wird.« Die Mushni deutete auf die Bilder an den Wänden, die die Geschichte der Umarmungs-Gesellschaft schilderten. »Die körperliche Erscheinungsform eines intelligenten Geistes bedeutet nichts, der Gedanke aber alles.«

Die Kinder lauschten den Ausführungen der Institutsleiterin. Leise krächzten und fiepten die Kleindrachen. Mirhna beobachtete die Gesichter mit den großen Augen, in denen sich Neugier spiegelte, und sie dachte kurz an die Wandernden Welten der Terranauten. In welchen kosmischen Regionen mochten sie sich nun befinden, um die Botschaft zu bringen von den Uralten und den Weltenbäumen? Die Hoffnung war gesät, und in naher Zukunft würde sich entscheiden, ob diese Saat auch aufging. Die Vergangenheit war ein Fluch, der auch noch bis in die Gegenwart reichte. Aber es gab Faktoren der Zuversicht, viele einzelne Mosaiksteine, aus denen sich ein neues Bild formen würde. Das Bild einer Zusammengehörigkeit zwischen den einzelnen Völkern der Milchstraße, einer großen Gemeinschaft, in der für Hass und Misstrauen und Gewalt kein Platz mehr war. Die Fehler der Vergangenheit... jetzt waren es nur noch Schatten, Erfahrungswerte, die zu einem neuen Verständnis geführt hatten.

Warum, dachte Mirhna in einem Anflug von Melancholie, muss man immer erst nahe am Abgrund stehen, bevor man eine Brücke entdeckt, die über die Schlucht hinwegführt? Warum muss der Mensch – und nicht nur der Mensch – zunächst an seinem eigenen Untergang arbeiten, bevor er merkt, dass er sich in einer Sackgasse befindet?

Unwillkürlich hatte die Geschichtenerzählerin mit ihren Gedanken gesprochen, und als sie nun aufsah, erkannte sie die Neugier in den Gesichtern der Kinder, die ihre Aufmerksamkeit nun alle ihr zugewandt hatten. Die Mushni hatte ebenfalls Platz genommen in einem Weichprotopsegment.

»Erzähl uns eine Geschichte, Mirhna«, bat ein kleiner Extrasolarer, der wie die anderen auch der Gemeinschaftsenklave in dieser Region von Neu-Sarym angehörte. »Erzähl uns von David terGorden, von Narda, von Nayala... und dem Schwarzen Fürsten.«

Mirhna hob den Kopf.

»Ihr möchtet wissen, wie es weiterging, was geschah, als David seinen Konnexkristall wiedergefunden hatte und mit Ihrima die Sieben Grotten aufsuchte?«

»Ja, bitte.« Ein etwa fünfjähriges Mädchen erhob sich, kroch an Mirhnas Seite und kuschelte sich an sie. Der Kleindrache, mit dem es Freundschaft geschlossen hatte, flatterte empor und folgte ihr. Es streichelte ihn.

»Ja«, murmelte die Geschichtenerzählerin, und ihre Gedanken eilten in die ferne Vergangenheit zurück. »Ihr sollt hören, was weiter geschah. Erinnert ihr euch noch an das, was ich euch vor einigen Tagen berichtete?« Sie räusperte sich, und als sie dann wieder zum Sprechen ansetzte, formten ihre Gedanken farbige Bilder, die wie immaterielle Funken der Erkenntnis in den Hirnen ihrer Zuhörer keimten.

»David terGorden war auf der Suche nach den acht anderen Spektren, die er zur Bildung des Weißen Sterns benötigte. Er musste alle acht anderen Erben der Macht in sich aufnehmen, denn nur so war er in der Lage, die Lange Reihe zu aktivieren, die Waffe, die die Uralten zur Abwehr von Entropiekatastrophen geschaffen hatten. Doch während dieser Suche merkte er bald, dass er einen Gegenspieler hatte, einen mächtigen Widersacher, der seine Bemühungen zu vereiteln suchte. Und dieser Gegner verübte auch Anschläge im damaligen Sternenreich der Menschheit. Der Grüne Phönix griff in seinem Auftrag die Variökologie der Erde an, und der Vielgestalter säte den Untergang auf Alt- Sarym. Man glaubte damals, auch den Vielgestalter eliminiert zu haben, doch das erwies sich als ein Irrtum. Und die Schäden, die er auf Alt-Sarym angerichtet hatte, waren viel schwerwiegender, als man zunächst annahm. Aber, Mirhna senkte den Kopf und blickte über die Gesichter ihrer Zuhörer hinweg, »aber das wisst ihr alles. David terGorden geriet in eine Falle, die ihn in eine Welt der Magie schleuderte, die von dem Schwarzen Fürsten beherrscht wurde. Sein Konnexkristall wurde ihm gestohlen, doch nach einer Reihe von Abenteuern gelang es ihm schließlich, sich wieder in den Besitz dieses Kleinods zu bringen.«

Sie schwieg kurz, und ihre Worte hallten in den Gedanken der Kinder nach.

»Dieser Kristall«, fuhr Mirhna dann fort, »war für David terGorden von außerordentlicher Bedeutung. Mit seiner Hilfe konnte er die bereits aufgenommenen Spektren stabilisieren und weitere lokalisieren. Als er das Kleinod wieder an sich bringen konnte, vernahm er damit den Hauch eines Spektrums, das sich in der Welt der Magie befand, und damit war seine Aufgabe klar: Er musste diesen anderen Erben der Macht finden und in sich aufnehmen.«

Ihre Stimme klang nun plötzlich düster.

»Er konnte jedoch nicht wissen, dass sein Gegenspieler vorgesorgt hatte. In seiner unmittelbaren Nähe hielt sich ein Helfershelfer seines Widersachers auf...«

»Wer?«, fragte das Mädchen an ihrer Seite.

Die Geschichtenerzählerin antwortete nicht direkt auf diese Frage.

»Es war jemand, der auch dafür gesorgt hatten, dass David in die Welt der Magie hineingeriet. Es war jemand, den er für einen Freund hielt. Bis zu diesem Zeitpunkt war es dem Schwarzen Fürsten nicht gelungen, die letzte Enklave der siebzehn restlichen Lauteren Gabenspender zu finden, den Zufluchtsort, an den sie sich zurückgezogen hatten, nachdem Djunath mit seinen Dunklen Horden Herrscher über die Länder von Ohne Grenzen geworden war. Er brauchte die siebzehn restlichen Malachittränen, die ursprünglichen Gabensteine, um sein Weises Mosaik zu vervollständigen. Ein vollständiges Mosaik... das versprach ihm ultimate Macht über die Welt der Magie. Und als David terGorden mit seinen Begleitern die Sieben Grotten erreichte, wurde der Schläfer aktiv. Sein Ziel war es, dem Schwarzen Fürsten zu verraten, wo sich diese Enklave befand...«

Ein erregtes Murmeln antwortete auf ihre Worte.

»Und hatte er Erfolg damit?«

»Ihr werdet es nun hören«, sagte Mirhna, die Geschichtenerzählerin. »Lauscht meinen Worten und erlebt mit den Bildern, die ich euch zeige, was vor langer Zeit geschah...«

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Die Bezeichnung Ohne Grenzen für die Welt der Magie ist treffend. Es scheint sich um eine kolossale Landmasse zu handeln, die bis in die Unendlichkeit führt. Es gibt niemanden, der mehr als nur einen Bruchteil der Länder von Ohne Grenzen gesehen hat, ausgenommen vielleicht der Schwarze Fürst. Die einzelnen Regionen sind verbunden durch Transitschleifen. Die Transferstraßen bilden ein labyrinthisches Netz, und Teile davon entziehen sich sogar der Kontrolle Djunaths. Es gibt immer noch Bereiche von Ohne Grenzen, die nicht von dem Schwarzen Fürsten und seinen Schergen beherrscht werden. Vielleicht ist diese Welt der Magie kein homogener Kosmos. Vielleicht haben wir es hier mit einer Aneinanderreihung zahlloser Parallelen zu tun, von alternativen Wirklichkeiten. Wir wissen es nicht. Wir wissen nur eins: Es gibt einen zentralen Punkt – die Weltenbäume, die sich Djunath unterwarf. Und um in den Kosmos zurückzukehren, aus dem wir kommen, müssen wir diesen Knotenpunkt aufsuchen: das Schattenland, das Machtzentrum Djunaths. 

 

David terGorden – Überlegungen

 

Was ist schlimmer als der Tod? Ein Leben, das nicht lebenswert ist.

 

Schüristi – Philosoph

 

Narda stockte unwillkürlich der Atem, als sie über die Kalksteinbrücke und die Höhlung in der massiven Wand traten. Die kleinen Gänge und Winzigkavernen lagen nun hinter ihnen, und vor ihnen...

Es war eine gewaltige Halle, so groß, dass der Blick nicht bis zum gegenüberliegenden Ende reichte. Tonnenschwere Tropfsteine hingen von der hohen Decke, farbenprächtige Gebilde, gewachsen in Jahrmillionen. Schleier aus hauchdünnem Kalk... eingefroren seit Äonen in einer Windbö.

»Das ist die erste Grotte«, erklärte Ihrima und kicherte leise, als er die Überraschung in den Gesichtern seiner Begleiter erkannte. »Eine von sieben, die dieser Enklave ihren Namen gegeben haben.« Er drehte sich halb um. »Es gibt natürlich noch mehr Höhlen, aber nur sieben, die von solcher Größe sind.«

»Es ist wirklich beeindruckend«, sagte Yronne MilVira. Sie schmiegte sich an Gil-Coron Tschiad. Seine körperlichen Entstellungen hatten sich vollständig zurückgebildet, und auch die geistige Deformierung des Psychomechanikers schien nun überwunden.

Zwischen den Tropfsteinen, die wie mahnende Finger aus dem Boden der Grotte in die Höhe wuchsen und sich manchmal gar mit denen vereinigten, die von der Decke hingen, klebten die Nester von Orgalla-Stämmen. Einige der Vogelleute flatterten zirpend umher und zogen dabei hauchdünne Netze, mit denen sie die Schneckenkeimlinge einfingen, die von den sanften Luftströmungen getragen durch die Weite zwischen den Kalkwänden schwebten. In unregelmäßigen Abständen glühten an den kolossalen Wänden Ewige Flammen, geschaffen und genährt von den Gabenstimmen der Lauteren und ihren Malachittränen. Weiter oben, wo die Wand zu ihren Linken einen narbenartigen Buckel bildete, erblickten sie einen Kühlen Hort der Sharin. David terGorden tastete unwillkürlich nach dem Kristall an seiner Halskette. Ein Sharin hatte ihm das Kleinod gestohlen – und war dann an seinen Ausstrahlungen gestorben. Doch das war inzwischen viele Tage her, fast nur noch eine vage Erinnerung.

»Lasst uns weitergehen«, forderte Ihrima auf. Seine Augen glichen zwei kohleschwarzen Murmeln, und seine Gesichtshaut spannte sich pergamentartig über den Kieferknochen. Der Weltenerkunder war alt – und doch erfüllt von neuer Spannkraft, neuer Energie.

Die Prophezeiung hatte sich erfüllt. Jene alten Worte, die einen Messias versprochen hatte, einen mächtigen Gabenspender, der die Macht des Schwarzen Fürsten zurückdrängen und Djunath besiegen würde. Keiner der siebzehn Lauteren, die hier in den Sieben Grotten Zuflucht gefunden hatten vor den Nachstellungen des Herrn der Dunklen Horden, zweifelte daran, dass David terGorden der Verheißene war.

Die Prozession setzte sich wieder in Bewegung. In halber Höhe zwischen Decke und Boden der ersten Grotte schritten sie über den marmornen Steg, den zarte Schüristi-Hände geschaffen und mit kunstvollen Verzierungen versehen hatten. Eine weitere Kerbe in der aufragenden Wand nahm sie auf, und das Licht der Grotte verblasste hinter ihnen. Einer der siebzehn Lauteren Gabenspender – ein Märmale – stimmte einen leisen Gesang an, und kurz darauf fielen die Stimmen der Rantranen, Orgalla, Xyren, Yrisith und Schüristi mit ein. Sie sangen vom bevorstehenden Ende des Schwarzen Fürsten, von neuem Leben, vom Licht, das zurückkehren würde in die Länder von Ohne Grenzen.

»Sie setzen alle Hoffnung auf dich«, murmelte Narda David zu.

Er sah sie an. Ihre Schritte klangen hohl von den Wänden wider und bildeten einen eigenartigen Kontrast zu den melodischen Stimmen.

David horchte in sich hinein. Selbst hier, in der separierten Enklave der Lauteren, umgeben von Millionen und aber Millionen Tonnen Fels, nahm er den mentalen Hauch seiner Inkarnation wahr, des Spektrums, das sich hier in der Welt der Magie befand.

»Wirst du dieser Hoffnung genügen, David?«, fragte Narda leise. Sie warf einen kurzen Blick zur Seite. Yronne und Gil-Coron lauschten dem Gesang.

»Ich weiß es nicht«, sagte David. »Nein, ich weiß es wirklich nicht. Es ist viel geschehen. Aber es ist noch nicht zu Ende, Narda. Vielleicht beginnt alles erst.«

Der Gang verbreiterte sich ein wenig, und Ihrima sagte:

»Es ist nicht mehr weit bis zur Kammer mit den siebzehn Malachittränen, David terGorden. Mit Hilfe der Gesperrten Transitschleife können wir die Sieben Grotten verlassen.« Der alte Mann zitterte vor Erregung. »Wir werden zunächst jene Bereiche von Ohne Grenzen aufsuchen, in denen sich nur wenige Schergen Djunaths aufhalten.« Er warf die Arme empor, und seine Augen funkelten. »Wir werden wieder Gabe schenken, so wie es einst war. Wir werden heilen und segnen und eine Armee bilden, die Djunaths Dunkle Horden verjagt.«

»Ja«, sagte David. Er warf Yronne und Gilco einen raschen Blick zu.

»Was ist mit dir?«, flüsterte Narda.

»Ich weiß es nicht. Ich...« Er zögerte. »Ich spüre etwas, aber ich kann es nicht genau definieren...«

In der Wandelhalle, die an die zweite Grotte grenzte, kamen ihnen einige Märmale und Rantranen entgegen. Die bauchigen Wagen wurden von Kalkschleckern gezogen, schneckenartigen Geschöpfen, die eine erstaunliche Geschwindigkeit entwickeln konnten. Die Reiter eines Schwarms Geflügelter Freunde neigten ehrerbietig die Köpfe. Die Kunde von dem Anbruch der Neuen Zeit hatte sich rasch ausgebreitet. Ehrfürchtige Blicke streiften David und seine Begleiter. Mineraliensammler blieben stehen und sahen ihnen nach, wobei ihre Hände Magische Symbole in die Luft zeichneten und ihre Lippen Alte Worte formulierten. Die Wände der Wandelhalle waren durchzogen von dicken Malachitadern, und ihr Grün schimmerte hell im Licht der Ewigen Flammen. Eine Gruppe von Gabensprechern war damit beschäftigt, einen Teil dieser Malachitsteine vorsichtig und behutsam aus dem Felsbett zu lösen. Mit ihrer Hilfe mochten andere Gabensprecher ausgebildet und in der Anwendung der Kraft der Alten Worte unterwiesen werden. Zu ihrer Rechten, an den Fels geschmiegt, erhob sich ein Bizarrtempel der Rirgatt. In den Heiligen Brackwassertümpeln, die mit fauligem Gärschlamm angereichert waren, schwammen die Paradiessprecher und segneten die Jünger, die dort beteten. An Tropfsteinen hatten sich Meditierende versponnen. Die Entbehrungen, denen sie sich selbst unterzogen, hatten ihre Körperfunktion auf ein Minimum reduziert, und ihre Gedanken weilten in erkenntnisbringenden Welten, in ekstatischen Träumen und mentalen Labyrinthen. Im Land der Sieben Grotten – das hatten David, Narda und die beiden Psychomechaniker bereits bei einigen anderen Rundgängen erleben können – lebten die Angehörigen verschiedener ethnischer Gruppen friedlich und harmonisch nebeneinander. Es gab nicht die strenge, hierarchische Strukturregierung, die im Draußen üblich, in den von Djunath beherrschten Regionen. Die Rantranen, die Niederen und Unwürdigen, wie sie in anderen Regionen von Ohne Grenzen genannt wurden, besaßen hier ebenso viele Rechte wie etwa die Orgalla oder Schüristi.

Bald lag auch die Wandelhalle hinter ihnen, und die Gesänge der Lauteren verstummten, als sie sich der Kammer mit den siebzehn Malachittränen näherten. Narda vernahm einen zarten Hauch inmitten ihrer Gedanken... das mussten die Gabensteine sein. In der Welt der Magie waren ihre psionischen Sinne weitgehend blockiert, und wenn sie die Ausstrahlung der Malachite dennoch wahrnehmen konnte, dann ließ das einen Rückschluss zu auf die Kraft, die in ihnen wohnte.

Vor der Kammer stand unbeweglich und stumm ein Steinerner Wächter. Ihrima trat vor und hob beide Arme.

»Gewähre uns Durchgang, Wächter. Wir bitten dich darum.«

Ein leises Knirschen ertönte, und das steinerne Geschöpf mit der marmornen Lanze neigte den Kopf. Ihrima schritt an ihm vorbei und öffnete die hölzerne Tür hinter ihm. Die eisenbeschlagenen Bohlen ächzten, als die beiden Flügel aufschwangen. Der Raum dahinter lag im Halbdunkel.

Narda sah aus den Augenwinkeln, wie Gilco erzitterte und Yronne beruhigend auf ihn einsprach.

»Kommt«, sagte Ihrima und trat durch die Tür. Die anderen folgten ihm.

Narda verspürte Kühle, als sie an dem Steinernen Wächter vorbeitrat. Ihrima rief einige Beschwörungen, und an den Wänden der Kammer glühten Ewige Flammen auf.

Nardas Blick fiel sofort auf den Kalksteinsockel im Zentrum des Zimmers. Siebzehn grüne Steine leuchteten dort, siebzehn Malachite in der Form eigroßer Tränen. Siebzehn Malachite, die dem Schwarzen Fürsten noch zur Vollendung des Weisen Mosaiks und damit endgültigen Zementierung seiner Macht fehlten – der größte und kostbarste Schatz der letzten Lauteren Gabenspender. Auf der anderen Seite der Kammer erhob sich das nachtschwarze Rechteck der Gesperrten Transitschleife, umrahmt von zwei marmornen Säulen, die mit Symbolen der Alten Worte verziert waren, Zeichen, die ein stilisiertes Ästegeflecht bildeten – ein eindeutiger Hinweis auf die Weltenbäume.

Die Lauteren Gabenspender bildeten einen Kreis um den zentralen Sockel und streckten die Arme aus. Die vier Terranauten blieben außerhalb dieses Kreises stehen.

»Wir sind die Letzten des Lichts!«, rief Ihrima, und die anderen wiederholten sofort: »Wir sind die Letzten des Lichts.«

Die siebzehn Malachite erstrahlten heller, bildeten eine Funkenkaskade, die blendend zur Decke der Kammer emporstob und dort einen Baldachin aus grünem Glanz bildete.