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Gabriele Prinzessin von Düringen hat den Glanz des Hofes gegen das einfache Leben in einer Studentenwohnung getauscht. Niemand soll wissen, wer sie wirklich ist. Auch Peter, der stille Maler mit dem ernsten Blick, hat seine Herkunft hinter sich gelassen. Als Graf von Hochberg geboren, lebt er jetzt allein für seine Bilder - und verheimlicht der Welt, dass sein Name einst Gewicht hatte. Als sich die Wege der beiden kreuzen, spüren sie sofort eine Verbindung. Doch was, wenn Zuneigung auf einer Lüge wächst - und das Herz mehr weiß als der Verstand?
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Seitenzahl: 147
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Die Prinzessin und der Maler
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Impressum
Die Prinzessin und der Maler
Der Roman einer heimlichen Liebe
Von Ina von Hochried
Gabriele Prinzessin von Düringen hat den Glanz des Hofes gegen das einfache Leben in einer Studentenwohnung getauscht. Niemand soll wissen, wer sie wirklich ist.
Auch Peter, der stille Maler mit dem ernsten Blick, hat seine Herkunft hinter sich gelassen. Als Graf von Hochberg geboren, lebt er jetzt allein für seine Bilder – und verheimlicht der Welt, dass sein Name einst Gewicht hatte.
Als sich die Wege der beiden kreuzen, spüren sie sofort eine Verbindung. Doch was, wenn Zuneigung auf einer Lüge wächst – und das Herz mehr weiß als der Verstand?
Der Pinsel fuhr in kleinen Strichen über die Leinwand. Die Sonne bekam einen Hauch von Violett. Das entsprach zwar nicht der Natur, bildete zu der übrigen Farbgebung des entstehenden Bildes jedoch einen reizvollen Kontrast.
Der Maler, ein hochgewachsener junger Mann mit dichtem dunklem Haar und breiten Schultern, trat drei Schritte von der Staffelei zurück. Mit zusammengekniffenen Augen überprüfte er das bisherige Ergebnis seiner Arbeit.
Ja, er konnte zufrieden sein. So ähnlich hatte er sich das fertige Bild vorgestellt. Der junge Mann setzte seine Arbeit fort.
Die Sonne schien, die berühmten kleinen weißen Wolken segelten am Himmel dahin, und in den Bäumen des großen Parkes rauschte leise der Sommerwind. Drüben im Haselnussstrauch stieß ein Rotkehlchen seine kleinen spitzen Rufe aus.
Der Maler liebte diesen Frieden. Während er arbeitete, hing er seinen Gedanken nach. Tausend Ideen schossen ihm durch den Kopf. Die Gefühle stiegen in ihm auf und versanken wieder. Es schien, als stünde der Atem der Welt still. Stunde der Einkehr, der inneren Besinnung.
Vom Turm des großen stolzen Schlosses lösten sich drei schwere Glockenschläge. Viertel vor elf. Gedämpft drang das Geräusch eines ratternden Traktors vom Gutshof herüber, der jenseits eines kleinen Wäldchens lag.
Bald, so dachte der Maler, war Erntezeit. Das Getreide wogte schwer, satt und gelb auf den riesigen Feldern, die zu Gut Hochberg gehörten. In diesem Jahr, so hatte der Bruder des Malers gesagt, würde es eine besonders gute Ernte geben.
Leise Schritte drangen an das Ohr des malenden jungen Mannes. Er wollte sie überhören, wollte sie nicht wahrhaben, aber sie wurden immer deutlicher.
Jetzt wurde eine junge Dame sichtbar, groß, stolz und schön, elegant in ihrem zartgelben Sommerkostüm. Mit etwas gewollt zierlichen Bewegungen kam sie näher. Ein Lächeln lag auf ihrem hübschen, sorgfältig zurechtgemachten Gesicht.
Der Maler seufzte und setzte ein paar pastöse Striche an. Er tat, als hätte er die junge Dame noch nicht bemerkt, als wolle er noch ein paar Sekunden für sein Bild gewinnen.
»Guten Morgen, Peter«, sagte die junge Dame, als sie noch fünf Schritte von ihm entfernt war. »Störe ich, oder ist deine Muse schon gegangen?«
Du störst, hätte der Maler am liebsten gesagt, doch das konnte er sich nicht leisten. Leider war nämlich die junge Dame nicht irgendeine, sondern die Tochter des nächsten Nachbarn, des Grafen von Voringen. Und Nachbarn waren nun mal zum Zusammenleben verurteilt, ob sie einander störten oder nicht.
»Selbstverständlich störst du nicht«, erwiderte der Maler daher und ließ seine Palette sinken.
Er zwang ein Lächeln auf sein Gesicht. Eine Locke seines dunklen Haares hing ihm in die Stirn. Irgendwie jungenhaft sah es aus.
»Da bin ich aber froh«, lachte die Komtess von Voringen, tat die letzten paar Schritte, riskierte es, dass ihr Kostüm einen Farbklecks abbekam, stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte einen Kuss auf die Wange des jungen Mannes.
»War dir der Weg durch den Park nicht zu viel?«, fragte der junge Mann und hätte die Wange am liebsten abgewischt.
»Wenn ich zu dir gelangen kann, ist mir kein Weg zu viel«, zwitscherte sie. Sie betrachtete das entstehende Bild. »Wie soll das denn heißen, wenn es mal fertig ist?«, fragte sie.
»Das Bild hat keinen Namen«, erwiderte der junge Mann. »Es gibt einfach eine Stimmung wieder.«
»Alle Maler, die ihre Bilder verkaufen wollen, geben ihren Werken bestimmte Namen«, hielt die Komtess ihm vor.
»Ich will meine Bilder ja auch nicht verkaufen«, sagte er offen und frei.
»Dann verstehe ich nicht, weshalb du deine ganze freie Zeit mit Pinsel und Leinwand verbringst«, meinte die Komtess.
»Weil es mir Spaß macht, Lissy. Wir haben schon wiederholt davon gesprochen.«
Sie nagte einen kleinen Moment lang an ihrer Unterlippe und strich eine Strähne ihres gepflegten blonden Haares zur Seite.
»Weißt du, Peter«, sagte sie dann, »ich habe noch nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich dich nett finde. Aber dass du gar nichts tust, um irgendeinen greifbaren Erfolg zu erzielen, das kann ich ganz und gar nicht verstehen.«
»Mein Erfolg sind meine Bilder. Ganz für mich allein.«
»Aber davon kannst du nicht leben«, hielt sie ihm vor.
»Zum Glück habe ich das nicht nötig, einem Broterwerb nachzugehen«, meinte der junge Mann.
»Das tut Herbert für dich«, versetzte sie.
»Er tut es nicht nur für mich, sondern in erster Linie für Mutter und für sich. Dass dabei auch eine Kleinigkeit für meine werte Unwichtigkeit abfällt, ist beinahe nichts als ein Zufall.«
»Kleinigkeit ist gut«, bemerkte die Komtess von Voringen. »Ich bin überzeugt davon, dass du allein so viel an Anteil bekommst, wie mein Vater für uns alle aus unserem Gut herauswirtschaftet.«
Peter Graf von Hochberg zuckte mit den Schultern. Mit dem Malen war es für heute Vormittag wohl vorbei, dachte er enttäuscht.
»Das weiß ich nicht«, eröffnete er. »Und es interessiert mich auch nicht. Ich brauche kaum Geld für mich.«
Lissy musterte ihn aufmerksam von der Seite.
»Soll ich dir mal etwas sagen?«, äußerte sie nach ein paar Sekunden des Schweigens.
»Bitte.«
»Ich glaube, du bist einer von jenen weltfremden Männern, die irgendeiner brotlosen Leidenschaft zuliebe ihre Familie hungern lassen, ohne dass es ihnen das Geringste ausmacht.«
»Erstens habe ich keine Familie«, entgegnete der junge Graf mit einem dünnen Lächeln, »und zweitens brauche ich nicht zu hungern, falls dir das noch nicht aufgefallen sein sollte.«
»Irgendwann aber wirst du eine Familie haben, Peter«, hielt sie ihm vor. »Eine Frau und Kinder, die zu dir aufsehen möchten. Die stolz sein möchten auf die Leistungen des Mannes und des Vaters.«
»Meine Familie soll nicht zu mir aufsehen, sie soll mich lieben. Und zwar so, wie ich bin«, konterte der junge Mann und wischte seine Pinsel sauber.
Es hatte keinen Sinn mehr, an die Arbeit zu denken. Lissy war, wie Peter aus reicher Erfahrung wusste, unerbittlich, wenn sie sich einmal in eine Sache verbissen hatte.
»Und wenn deine zukünftige Frau nun mal kein Verständnis für deine brotlose Kunst hat?«, fragte die Komtess.
»Dann ist sie auch nicht meine künftige Frau. Was soll ein Lokführer mit einer Lebensgefährtin, die Lokomotiven nicht ausstehen kann?«
»Das ist aber ein etwas merkwürdiger Vergleich«, lachte die junge Komtess. »Hörst du jetzt auf mit der Pinselei?«, fragte sie anschließend.
»Ja, ich höre jetzt auf«, erwiderte Graf Peter, und ein klein wenig Ärger lag in seiner Stimme.
»Dein Bruder ist in die Stadt zum Landratsamt gefahren«, sagte die Komtess unvermittelt. »Es geht um ein paar wichtige Verhandlungen wegen eurer Sandgruben.«
»Warum erzählst du mir das?«
»Wenn er die Konzession zur Ausnutzung der Gruben bekommt, bedeutet das einen beträchtlichen Erfolg.«
»Und?«, hakte Peter nach.
»Während dein Bruder so etwas tut, stehst du hier zwischen den Bäumen und malst.«
Graf Peter musterte sie scharf. »Was willst du damit sagen, Lissy?«, fragte er.
»Kannst du dir das nicht selbst denken?«, antwortete sie und zeigte ihr Lächeln, das ganz harmlos und ganz freundlich wirkte. Aber das war es gar nicht, es war nur geschickt aufgesetzt.
»Ich kann mir nur denken, dass du mich für einen völlig unnützen Menschen und meinen Bruder für einen Halbgott hältst, der Stunde für Stunde eine Großtat zugunsten unseres Familienbesitzes vollbringt«, sagte er.
»Beinahe hast du recht«, lächelte die Komtess. Sie sah zu, wie Peter seine Sachen zusammenpackte. »Obwohl man es auch ein bisschen anders sagen könnte.«
»Nicht nötig, ich weiß schon Bescheid«, meinte Graf Peter und klappte seinen Farbkasten zu. »Wann darf ich dir und meinem Bruder zur Verlobung gratulieren?«
»Ist das dein Ernst?«, schnappte die Komtess zu.
»Wenn du doch so sehr von ihm schwärmst ...«
»Ich schwärme nicht von ihm, Peter. Ich sehe die Dinge nur so, wie sie liegen. Und im Übrigen bist du nicht nur weltfremd, sondern du hast auch noch ein Brett vor dem Kopf.«
»Danke.«
Die hübsche blonde Komtess hatte auf einmal schmale Lippen. Ihre Augen flackerten ein wenig. Graf Peter nahm es kaum zur Kenntnis. Er klappte die Staffelei zusammen und nahm seine Sachen auf.
»Fertig«, sagte er knapp. »Wir können gehen.«
»Ist das alles, was du auf meine letzte Bemerkung zu sagen hast?«, fragte die Komtess spitz.
»Da ich ein Brett vor dem Kopf habe, ja«, erwiderte er ruhig und gelassen. »Kommst du mit ins Schloss, oder hast du andere Pläne?«
»Und wenn es dir zehnmal nicht passt – deine Mutter hat mich zum Mittagessen eingeladen«, erklärte die Komtess angriffslustig.
»Es passt mir trotzdem«, entgegnete der junge Graf von Hochberg lächelnd. »Und im Übrigen gibt es heute, wenn ich nicht irre, getrüffelten Hasenrücken. Den isst du doch so gern, nicht wahr?«
***
Sie strebten dem Schloss zu. Der Weg, der bis hierher in diesen abgelegenen Winkel des Parkes geführt hatte, wurde allmählich etwas breiter, und bald knirschte feiner weißer Kies unter ihren Füßen. Ein Bach schlängelte sich heran und wurde von einer hübschen steinernen Brücke mit alten Putten auf jedem Pfeiler überspannt.
»Soll ich dir mal einen guten Rat geben?«, fragte Komtess Lissy, als sie die Brücke hinter sich gelassen hatten.
»Für so etwas bin ich immer dankbar.«
»Ich an deiner Stelle würde deinem Bruder beweisen, dass du mehr kannst, als stundenlang an deinen Bildern herumzupinseln.«
»Warum?«
»Weil dein Bruder wütend auf dich ist.«
»Das ist mir nichts Neues.«
»Und deine Mutter meint auch, mit dir müsse sich einiges ändern«, erklärte die Komtess und scheuchte eine lästige Pferdefliege weg.
»Auch das weiß ich seit Langem«, erwiderte Graf Peter. »Wie ich höre, bist du über die Harmonie in meiner Familie bestens informiert. Hast du sonst noch ein paar Details parat?«
»Peter – du solltest nicht spotten. Du solltest nachdenken.«
»Das tue ich schon. Mehr als genug. Ergebnis: Ich bin das schwarze Schaf derer von Hochberg. Für Kühe und Kartoffeln interessiere ich mich nun mal nicht. Auch nicht dafür, welche Aktien den größten Gewinn abwerfen. Und ob unsere beiden Brauereien hohe Dividende bringen oder nicht, ob unsere Sägewerke und sonstigen hübschen kleinen Familienbroterwerbe florieren oder nicht, das ist mir von ganzem Herzen gleichgültig.«
»Du bist verantwortungslos, Peter«, sagte Lissy mit scharfer Stimme.
Er blieb stehen und fasste sie ins Auge.
»Sag mal, Lissy«, fragte er, »warum wirfst du mir das alles eigentlich an den Kopf?«
»Weil ich dir Schwierigkeiten ersparen möchte. Vorhin hat dein Bruder zu mir gesagt, dass er sich das, was du tust, nicht mehr länger tatenlos ansehen will.«
»Meine Schwierigkeiten sind nicht die deinen«, entgegnete Graf Peter ärgerlich.
Es zuckte im gepflegten Gesicht der hübschen Komtess.
»Da wäre wieder dein Brett vor dem Kopf«, sagte sie. »Peter, wir kennen uns von Kindesbeinen an. Sollte dir in all dieser Zeit noch nicht ein einziges Mal aufgefallen sein, dass ich – dass ich dich ganz nett finde?«
»Sicherlich. Sonst wärst du ja nicht gerade zu mir gekommen, obwohl der Weg so weit war.«
»Und das sagt dir nichts – gar nichts?«
Doch, es sagte ihm etwas. Nämlich das, was er schon seit einiger Zeit fühlte: dass die Komtess versuchte, ihn für sich zu gewinnen. Sie hatte ein höchst unerfreuliches Erlebnis mit einem französischen Prinzen hinter sich, der zwar einen äußerst klangvollen Titel trug und blendend aussah, aber völlig verarmt war. Doch dieser Mangel war für Lissy erst ruchbar geworden, als sie sich mit ihm beinahe schon verlobt hatte.
Ein paar Wochen lang hatte sie sich völlig zurückgezogen, und im beginnenden Frühjahr hatte sie plötzlich ihre alte Freundschaft mit ihm, Graf Peter, entdeckt. Und offenbar war sie zu der Ansicht gekommen, dass sich daraus sehr leicht mehr machen ließe. Zumal es hinsichtlich der Besitztumsverhältnisse bei den Hochbergs nicht den geringsten Zweifel gab. Man hätte schon einige Mühe aufwenden müssen, um in der weiteren Umgebung eine ähnlich begüterte Familie finden zu können.
So, dachte Graf Peter: Was antworte ich ihr jetzt? Wenn ich ihr klipp und klar meine Meinung sage, wird sie wütend und bringt es fertig, meine Mutter und meinen lieben Herrn Bruder erst recht gegen mich aufzuhetzen. Lüge ich, dann rechnet sie sich womöglich irgendwelche Chancen aus, und dann habe ich erst recht keine Ruhe vor ihr. Also, was soll ich tun?
»Da ich ein Brett vor dem Kopf habe«, sagte der junge Graf nach kurzem Zögern, »geht es bei mir mit dem Denken nicht so schnell. Aber ich kann dir Hoffnungen machen: Vielleicht begreife selbst ich, wo es langgeht.«
»Da bin ich aber froh«, spottete Komtess Lissy verärgert. »Hoffentlich dauert es nicht, bis ich graue Haare bekomme.«
»Bis dahin haben wir zum Glück noch lange Zeit«, bemerkte der junge Graf. »Du darfst dich über mich nicht ärgern, Lissy. Ich bin nun mal so, wie ich bin. Aber dass ich dich nett und reizend finde, das müsstest du doch eigentlich wissen.«
Das genügt mir nicht, hätte sie ihm am liebsten an den Kopf geworfen, doch Lissy war klug genug, sich diese Bemerkung zu verkneifen. Zumal sie sich soeben ohnehin schon recht weit vorgewagt hatte. Nun ja, sie musste sich eben weiter bemühen – bei Peter selbst und bei dessen Mutter und Bruder.
»Nach diesen goldenen Worten des großen Künstlers können wir das Thema wohl fallenlassen«, äußerte Lissy daher. »Aber es gibt noch einen anderen Punkt, der mir auf der Seele brennt.«
»Und der wäre?«
»Warum versuchst du nicht wenigstens mal, ein paar von deinen Bildern zu verkaufen? Was du malst, ist bestimmt nicht schlechter als das, was andere Künstler produzieren. Und die bekommen zum Teil ganz hübsche Summen für ihre Bilder.«
»Nicht jeder kann ein Picasso sein.«
»Es muss ja auch nicht gleich um Millionen gehen«, bohrte die Komtess weiter. »Ein paar zehntausend oder hunderttausend für ein Bild tun es auch.«
»Wie du dir das so vorstellst«, lachte der junge Graf.
»Es gibt nicht wenige, die solche Summen erzielen«, hielt sie ihm unverdrossen vor.
»Das ist bei denen aber nicht von heute auf morgen gekommen«, erklärte Graf von Hochberg. »Sie müssen lange auf dem Markt sein, bis das Publikum auf sie aufmerksam wird und nach den Bildern fragt. Und überdies braucht man in der Regel einen angesehenen Händler, der neuen Talenten auf die Sprünge hilft.«
»So einer wird sich ja wohl auftreiben lassen«, meinte Lissy von Voringen.
»Das weiß ich nicht.«
»Ich bin ganz sicher. Den möchte ich sehen, der es wagt, einem Grafen von Hochberg seine Unterstützung zu versagen.«
»Er soll nicht den Grafen, sondern dessen Werke lancieren«, entgegnete Peter.
»Ich sehe da keinen sehr großen Unterschied«, beharrte Lissy. »Heutzutage ist doch die Hälfte eines Erfolges die Werbung. Wenn dein Händler es versteht, den Grafen in den Vordergrund zu schieben, dann muss der Erfolg einfach kommen.«
»Und dann habe ich einen Rummel um mich, dass ich kaum zum Denken komme. Nein, Lissy, so geht es nicht. Das, was du sagst, stimmt nämlich nur zur Hälfte.«
»Weißt du das so genau?«
»Ziemlich.«
»Also hast du es schon ausprobiert?«
»Natürlich nicht.«
»Und trotzdem behauptest du ...«
»Man hört dies und jenes, Lissy.«
»Was für den einen gilt, braucht für den anderen noch lange keine Gültigkeit zu haben.«
»Womit wir wieder beim werbewirksamen Grafen wären«, seufzte Peter von Hochberg.
***
Der Parkwald blieb hinter ihnen zurück. Weite gepflegte Rasenflächen lagen vor ihnen, von zahlreichen gärtnerischen Anlagen aufgelockert. Zwei große runde Springbrunnen ließen ihre silbrigen Wasserfontänen hoch in die sommerliche Luft steigen.
Inmitten dieser Pracht lag Schloss Hochberg. Obwohl es sehr groß war mit seinen beiden langgestreckten Flügeln und dem massigen Turm in der Mitte über dem Portal, wirkte es leicht und heiter. Die vielen Fenster blinkten in der Sonne, und droben auf dem Turm flatterte die Fahne mit dem Wappen derer von Hochberg im Wind.
Graf Peter sah seine Mutter schon von Weitem. Sie stand am Rand der großen Terrasse, die sich auf der Rückseite des Schlosses befand. Klein und zierlich nahm sie sich neben den großen steinernen Vasen aus, die auf der Balustrade der Terrasse standen. Das weiße Haar der Gräfin schimmerte im Sonnenlicht.
Graf Peter warf einen Blick auf seine goldene Armbanduhr.
»Kurz nach zwölf«, sagte er. »Also kann es keine Abreibung geben, weil ich zu spät zu Tisch komme.«
Seine Mutter hielt nämlich sehr auf Formen. Sie steckte voller Konventionen, und sie verstand es, ihren Willen nicht nur in dieser Hinsicht durchzusetzen. So zart die Gräfin äußerlich schien, so stark war der Wille, der in ihr wohnte. Und an Durchsetzungskraft mangelte es ihr ebenfalls nicht.
Graf Peter erinnerte sich noch sehr gut daran, dass sein Vater des Öfteren seine Felder inspizierte, wie er erklärte, um aus der Nähe seiner Frau zu kommen. Dann nämlich, wenn sie beharrlich etwas durchsetzen wollte, was ihr in den Kopf gekommen war. Dann bohrte und redete sie so lange, bis sie ihren Willen hatte.
Der Graf und die junge Komtess gingen auf die breite steinerne Treppe zu, die zur Terrasse hinaufführte. Die Mutter sah ihnen reglos entgegen.
»Sie hat wieder etwas auf der Pfanne«, sagte der Graf zwanglos. »Ich sehe es schon an ihrem Gesicht.«
»Ich habe dich ja gewarnt, Peter«, meinte die Komtess.
Er zuckte mit den Schultern. Gemeinsam stiegen sie zur Terrasse empor. Die alte Gräfin blickte ihnen unbeweglich entgegen. Obwohl es heute sehr warm war und Peter nur eine Hose und ein am Hals offen stehendes Hemd trug, hatte die Gräfin auch heute eines ihrer feierlich wirkenden langen Kleider gewählt.
»Ein Hochberg mit einer Staffelei unter dem Arm – ich werde es nie verwinden«, sagte die Gräfin als Begrüßung. Ihre Stimme war diszipliniert und erzogen, aber unüberhörbar.