Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 780 - Renate Busch - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 780 E-Book

Renate Busch

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Gunnar wächst auf Gut Alteneichen auf - nicht als Sohn des Hauses, sondern als der Neffe der Wirtschafterin Lisa Breitenborn. Als diese bei einem tragischen Unfall ums Leben kommt, steht der hochbegabte Junge plötzlich ganz allein da. Der Baron hält sein Versprechen und nimmt das Kind auf - doch zwischen elegantem Mobiliar und herrschaftlichem Stolz bleibt Gunnar ein geduldeter Fremdkörper. Während er mit Verstand, Anstand und stillem Mut seinen Platz in der Welt zu finden versucht, spürt er täglich den Unterschied zwischen den "Herrschaften" und sich selbst. Nur die kleine Baroness Svenja schenkt ihm kindliches Vertrauen - eine zarte Freundschaft, die inmitten gesellschaftlicher Schranken aufblüht. Doch wie lange kann ein Herz lieben, wenn es weiß, dass es nicht dazugehören darf?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 135

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Inhalt

Einst kam er als Betteljunge

Vorschau

Hat Ihnen diese Ausgabe gefallen?

Impressum

Cover

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsbeginn

Impressum

Einst kam er als Betteljunge

Seine Tapferkeit wendet das Schicksal von Alteneichen

Gunnar wächst auf Gut Alteneichen auf – nicht als Sohn des Hauses, sondern als der Neffe der Wirtschafterin Lisa Breitenborn. Als diese bei einem tragischen Unfall ums Leben kommt, steht der hochbegabte Junge plötzlich ganz allein da. Der Baron hält sein Versprechen und nimmt das Kind auf – doch zwischen elegantem Mobiliar und herrschaftlichem Stolz bleibt Gunnar ein geduldeter Fremdkörper.

Während er mit Verstand, Anstand und stillem Mut seinen Platz in der Welt zu finden versucht, spürt er täglich den Unterschied zwischen den »Herrschaften« und sich selbst. Nur die kleine Baroness Svenja schenkt ihm kindliches Vertrauen – eine zarte Freundschaft, die inmitten gesellschaftlicher Schranken aufblüht.

Doch wie lange kann ein Herz lieben, wenn es weiß, dass es nicht dazugehören darf?

»Tante Lisa, bleiben wir jetzt hier?« Der kleine Bub mit den hellgrauen Augen sah sich neugierig um.

Lisa Breitenborn hielt ihn fest an der Hand, als fürchtete sie, er könne ihr in seinem kindlichen Überschwang davonlaufen.

»Ich hoffe es«, gab die Frau in mittleren Jahren mit leicht schwankender Stimme zurück.

»Hier ist es ganz toll, Tante Lisa«, begeisterte sich der Knirps. »Bitte, bitte, lass uns hierbleiben!«

»Liebling, das hängt leider nicht von mir ab«, sagte die Frau mit dem runden, mütterlichen Gesicht.

Da stürzte ein rotbrauner Jagdhund aus dem Haus und schoss kläffend auf die beiden Fremden zu.

Bevor Lisa Breitenborn den Kleinen festhalten konnte, war er bereits auf den Hund zugelaufen.

»Gunnar!«, rief die mollige Frau starr vor Schreck. Sie fürchtete im nächsten Moment eine Katastrophe. Sicher würde das Tier Gunnar beißen!

Aber es kam anders. Der Hund blieb stehen, hörte auf zu bellen und beschnüffelte Gunnar neugierig. Der kleine Kerl lachte und streckte furchtlos sein rechtes Händchen vor, um das Tier zu streicheln.

Da atmete Lisa Breitenborn erleichtert auf.

»Sieh nur, Tante Lisa, der Hund ist ganz lieb«, sagte Gunnar glücklich.

Eine weibliche Person stürzte aus dem Haus.

»Alf«, rief sie, und auch sie bekam einen Schreck, als sie das fremde Kind bei dem Tier sah.

Langsam und kopfschüttelnd kam sie näher und wandte sich an Lisa Breitenborn.

»Das verstehe ich nicht«, sagte sie. »Alf kann Kinder sonst nicht leiden, sogar auf unseren kleinen Baron ist er nicht gut zu sprechen. Und jetzt lässt er sich von dem Buben streicheln.«

»Gunnar ist sehr tierlieb, und das hat das Tier wohl gespürt«, erwiderte Lisa Breitenborn.

»So muss es sein«, sagte das Mädchen.

Jetzt leckte Alf sogar die kleine Kinderhand.

»Haben Sie sich verlaufen, oder wollen Sie mit dem Kind hierher zu uns nach Alteneichen?«, fragte die weibliche Person ein wenig neugierig und ließ ihren Blick über die Fremde und deren Kind gleiten.

Sie sah, dass die fremde Frau und der Junge ordentlich, aber einfach gekleidet waren.

»Ich wollte hierher«, entgegnete Lisa und hielt Gunnar wieder an der Hand. »Ich bin angemeldet bei dem Herrn Baron.«

»Ach so!« Das Gesicht des Mädchens wirkte plötzlich respektvoll. »Dann kommen Sie man mit.«

Die Hausangestellte ging voraus und öffnete die schöne, schwere Eichentür, die mit wertvoller Schnitzarbeit verziert war.

Lisa Breitenborn und Gunnar betraten eine große Diele, die dem Buben auffallend gut gefiel.

»Tante Lisa, sieh nur!«, rief er. Am liebsten wäre er auf den ausgestopften Bärenkopf, die gekreuzten mittelalterlichen Lanzen und die vielen anderen Jagdtrophäen zugestürmt. Doch Lisa Breitenborn hielt das Kind fest.

»Du musst hier stehen bleiben, Gunnar. Wir müssen warten, bis wir vom Herrn Baron aufgefordert werden, zu ihm zu kommen.«

»Hier ist es sehr schön, nicht wahr, Tante Lis?«, begeisterte sich der Dreijährige abermals.

»Das ist ein Herrenhaus, Gunnar.«

»Was ist ein Herrenhaus?«, wollte das Kind mit den lebhaften, klugen Augen wissen.

»Dort wohnt der Baron mit der Frau Baronin«, erklärte die Tante ihm. Sie wusste aber gar nicht, ob das so stimmte.

»Und was ist ein Baron?«

Lisa Breitenborn wurde einer Antwort enthoben, denn in diesem Moment kehrte die Hausangestellte zurück, die sie schon kannten.

»Der Herr Baron lässt bitten.« Sie ging Lisa Breitenborn und Gunnar wieder voraus.

Der kleine Junge staunte, wie dick der Läufer unter seinen Füßen war und wie sehr seine kleinen Füße in ihm versanken. Er sah sich ehrfürchtig um und staunte abermals über die langen Flure und die vielen Türen.

»Ist das aber ein großes Haus«, wisperte er.

»Gewiss, aber nun sei schön still und brav. Begrüße den Herrn Baron durch einen besonders tiefen Diener«, trichterte Lisa Breitenbach ihrem Sprössling ein.

Gunnar nickte ernsthaft.

Lisa Breitenborn wurde in das Arbeitszimmer des Gutsherrn geführt. Es war sehr geräumig und mit gediegenen, schweren Möbeln ausgestattet. Hinter dem wuchtigen Schreibtisch saß Baron von Tharra.

Der kleine Junge fand es seltsam, dass seine Tante vor dem Mann knickste. Sonst knicksten doch nur kleine Mädchen vor Erwachsenen. Als er sie darauf fragend ansah, bekam er keine Erklärung.

»Guten Tag, Fräulein oder Frau Breitenborn?« Baron von Tharra erhob sich hinter dem Schreibtisch. Er streckte seiner Besucherin die Hand entgegen. Diese ergriff sie zögernd und knickste abermals.

Gunnar machte einen sehr tiefen und korrekten Diener, wie er es seiner Tante versprochen hatte.

»Fräulein Breitenborn«, flüsterte unterdessen Gunnars Tante. »Gunnar ist nicht mein Kind«, glaubte sie noch hinzufügen zu müssen.

»Ach so!« Der Baron nickte und besah sich das Bürschchen sehr genau. Gunnar hielt dem Blick des Gutsherrn stand und lächelte vertrauensvoll.

Darauf räusperte sich der Baron, legte seine Hände verschränkt auf den Rücken und ging etliche Male vor Lisa Breitenborn und dem Kind auf und ab.

»Setzen Sie sich doch«, sagte er dann. Offenbar bemerkte er erst jetzt, dass beide noch immer standen.

»Danke, Herr Baron«, wisperte Lisa Breitenborn.

»Sie haben die besten Zeugnisse.«

Die Frau errötete ein wenig.

»Und Sie waren über fünfundzwanzig Jahre auf Auersfelden.«

»Ja, das war ich.«

»Warum sind Sie damals von dort fortgegangen?«

»Meine Schwester brauchte mich«, erklärte sie verlegen.

»Und während der letzten Jahre haben Sie nicht mehr gearbeitet?«

»Nein. Wie schon gesagt, brauchte meine Schwester mich. Sie war sehr krank.«

»Hm. Im Großen und Ganzen wäre ich damit einverstanden, dass Sie bei uns anfingen, nur das Kind wäre ein Hindernis«, sagte der Baron.

Lisa Breitenborn erblasste.

»Gunnar ist sehr brav«, versicherte sie. »Ich habe erfahren, dass es auf dem Gut einen Kindergarten gibt. Er könnte ihn besuchen. Außerdem ist er ja auch schon drei Jahre alt und schon recht selbstständig.«

»Und groß«, trompetete darauf Gunnar.

Tante Lisa schien seine Antwort nicht zu gefallen, aber der Baron lächelte.

»Ich habe auch einen Sohn, der drei Jahre alt ist«, sagte er und betrachtete Gunnar einen Moment intensiv.

»Fräulein Breitenborn, ich will es also mit Ihnen versuchen«, sagte er nach kurzem Überlegen. »Sie arbeiten, sagen wir, ein Vierteljahr zur Probe. Sollten durch das Kind Schwierigkeiten entstehen oder Ihre Kochkünste unseren Ansprüchen nicht genügen, müssten Sie wieder gehen.«

»Danke, Herr Baron«, sagte Lisa. Gunnar fand wieder, dass sich seine Tante heute seltsam benahm. Sie wurde beim Sprechen rot und sah den fremden Onkel nicht an.

Jetzt sprang sie hastig auf.

»Komm, Gunnar, nun wollen wir den Herrn Baron nicht länger belästigen.« Sie reichte ihm ihre große, starke Hand und zog ihn von dem schönen weichen Ledersessel.

»Wann fangen Sie an?«, wollte der Gutsherr nun noch wissen. »Unsere jetzige Wirtschafterin liegt im Krankenhaus, sie hat sich das Bein gebrochen. Wenn sie gesund ist, heiratet sie und zieht von hier fort. Sie ist also für uns verloren.«

»Wenn Sie es wünschen, kann ich bereits in wenigen Tagen beginnen. Ich muss nur noch zurückfahren und meine Sachen zusammenpacken.«

Da der Baron offensichtlich nicht daran dachte, ihr zum Abschied die Hand zu reichen, knickste die zukünftige Wirtschafterin von Alteneichen, nahm Gunnar an die Hand und ging mit ihm fort.

Erst als ein Mädchen beide aus dem Haus gelassen hatte, atmete sie tief auf und drückte die kleine Kinderhand.

»Wir haben es geschafft, Gunnar«, flüsterte Lisa Breitenborn.

♥♥♥

Beim Mittagsmahl kam Baron Stefan auf seine zukünftige Wirtschafterin zu sprechen. Seine entzückende junge Frau zog nämlich eine krause Nase, als sie den ersten Bissen aß.

»Das Fleisch ist doch schon wieder zäh und versalzen.« Sie seufzte.

Baron von Tharra legte einen Moment das schwere Silberbesteck neben seinen Teller. Er streckte seinen Arm aus und drückte liebevoll die Hand seiner Gattin.

»Du Ärmste, gerade jetzt muss das passieren. Während deiner ersten Schwangerschaft hat dir die Mamsell immer gekocht, worauf du Appetit hattest. Nun musst du dich mit einem halben Schlangenfraß zufriedengeben.«

Er sah ihr verliebt in die Augen.

»Aber das wird sich in Kürze ändern«, versprach er. »Ich habe heute Vormittag eine neue Wirtschafterin eingestellt.«

»O Stefan, hoffentlich ist sie eine tüchtige Person.«

»Das nehme ich an. Sie war über fünfundzwanzig Jahre auf einer Stelle, bei den Grafen von Auersfelden. Ich nehme nicht an, dass sie sie behalten hätten, wenn sie ihnen zähes Fleisch und versalzenes Gemüse vorgesetzt hätte.«

»Den Namen Auersfelden habe ich schon einmal gehört«, sagte die junge Baronin nachdenklich.

»Persönlich kenne ich die Grafen von Auersfelden auch nicht, ich weiß nur, dass es sich um ein uraltes Adelsgeschlecht handelt.«

»Warum ist diese so tüchtige Person von dort fortgegangen?«, wollte Baronin Magdalene wissen.

Ihr Gatte erzählte es ihr.

»Ach, die Wirtschafterin bringt ein Kind mit. Das ist allerdings eine weniger angenehme Seite der Angelegenheit.«

»Liebes, das weiß ich, aber das gute Zeugnis und der gute Eindruck, den diese Lisa Breitenborn gemacht hat, haben mich dennoch dazu bewogen, sie auf Probe anzustellen.«

»Bist du sicher, dass es wirklich nicht ihr Kind ist?«, fragte die Gutsherrin.

»Sicher bin ich mir nicht, aber der kleine Kerl sieht auf jeden Fall anders aus als sie. Außerdem schätze ich sie auch auf gut vierzig Jahre. Normalerweise überlässt man in dem Alter das Kinderkriegen jüngeren Frauen.«

Er sah seine Gattin wieder zärtlich an. Sie errötete lieblich.

»Mir fällt erst jetzt auf, dass Marco mit seiner Nurse gar nicht mit uns isst.«

»Wo hattest du nur deine Augen?« Die junge Frau stieß ein silberhelles Lachen aus.

»Bei dir«, gestand er ihr ernsthaft.

»Niemand hat mir je so nette Komplimente gemacht wie du.«

»Hast du mich deshalb unter deinen zahlreichen Bewerbern ausgewählt?«, neckte er sie.

»Vielleicht!« Sie kokettierte mit ihrem Gatten, kam jedoch anschließend wieder auf ihren kleinen Sohn zu sprechen. »Er ist mit der Nurse zu meinen Eltern gefahren. Sie hatten Sehnsucht nach ihrem Enkelchen.«

»Ich fürchte, dort wird der Schlingel wieder maßlos verwöhnt.«

»Die Befürchtungen werden sicher eintreffen«, stimmte ihm seine Frau munter zu. »Aber Mama und Papa haben eben nur Marco. Vielleicht bessern sie sich, wenn noch ein Enkelkind hinzukommt.«

♥♥♥

Zwei Tage später hielten Lisa Breitenborn und Gunnar mit Sack und Pack auf Alteneichen Einzug. Ein Leiterwagen hatte sie mit den Koffern hierhergebracht.

Gunnar fand die Fahrt aufregend und das Gerüttel und Geschüttel wundervoll. Seine Tante dagegen war froh, als sie ihm endlich entronnen war.

»Dann man alles Gute, junge Frau«, gab der Kutscher ihr mit auf den Weg. »Merken Sie sich, der Baron ist zwar reichlich hochmütig, aber gerecht, und die junge Frau hat auch einen Dünkel. Sie ist eine geborene Baronesse, hat aber kein Geld mit in die Ehe gebracht.«

Lisa mochte solch ein Geschwätz über ihre zukünftige Herrschaft absolut nicht und krauste ärgerlich die Stirn.

Sie legte dem Überraschten ein Fünfmarkstück in die Hand.

»Danke für das Mitnehmen, und nun fahren Sie weiter«, sagte sie so kurz, dass der Geschwätzige sofort wusste, was die Glocke geschlagen hatte.

Er knallte mit der Peitsche und ließ seinen Braunen wieder traben.

»Die passt hierher«, murmelte er. »Die scheint auch hochmütig zu sein.«

Vorläufig war Lisa Breitenborn erst einmal ein wenig aufgeregt.

Alf kam wieder mit lautem Gebell angesprungen. Kurz vor den Ankommenden hörte er zu bellen auf, wedelte mit dem Schwanz und zeigte ihnen, dass er sie wiedererkannte. Er stupste Gunnar freundschaftlich mit der feuchten, kalten Nase an die kleine Schulter.

»Tante Lisa, er ist mein Freund«, jubelte der Kleine sofort.

»Das ist unser Hund!« Woher der zweite kleine Bub plötzlich gekommen war, hatte die Wirtschafterin nicht mitbekommen. Sie sah auf den ersten Blick, dass es sich nur um den Sohn des Barons handeln konnte. An dem Matrosenanzug zeigte sich kein Stäubchen, die schwarzen Lackschuhe glänzten.

Der kleine Baron stand angriffslustig und breitbeinig vor Gunnar.

Frau Lisa hoffte, ihr Neffe würde einlenken, aber sie irrte.

»Und mein Freund«, konterte Gunnar. Er streckte die Hand nach dem Tier aus.

Offensichtlich hoffte der kleine Baron, dass Alf nun zuschnappen würde. Doch er tat dem Knirps den Gefallen nicht. Er ging ganz nahe an Gunnar heran, als wolle er seine Worte unterstreichen.

»Du blöder Alf!« Der kleine Baron geriet in Harnisch. Zu seinen Füßen lag ein Stein. Den nahm er auf. Lisa Breitenborn erriet, was er vorhatte. Er wollte das Tier damit bewerfen. Sie sprang schnell ein.

In dem Moment kam eine etwas ältliche, kurzatmige Person aus dem Herrenhaus gelaufen.

»Marco, Marco!«, rief sie atemlos.

»Ich mag dich gar nicht«, zischte Marco von Tharra, bevor er sich von seiner Nurse wieder einfangen ließ.

Gunnar stand noch immer starr da, als sich die Frau in dem altmodischen langen Kleid, den Buben hinter sich herziehend, entfernte.

»Den mag ich auch nicht, Tante Lisa«, sagte er bestimmt.

Über das Gesicht der Wirtschafterin lief ein Schatten.

»Gunnar, das war der junge Herr. Zu dem musst du immer höflich und lieb sein«, hämmerte sie dem Kind ein.

»Aber der Junge war gar nicht lieb, Tante Lisa. Er wollte meinen Freund mit einem Stein bewerfen.«

Lisa Breitenborn sah ganz unglücklich aus. Kindererziehung war mitunter gar nicht so einfach.

»Er hat es sicher nicht so gemeint«, sagte sie hastig. Nun verstand Gunnar sie noch weniger.

Ein Knecht schleppte alle Koffer in die beiden Zimmer, die ihnen angewiesen wurden. Sie lagen im Gesindehaus gleich hinter dem Stall. Gunnar hatte keinen Blick für die hässlichen Tapeten an den Wänden und die ausrangierten Möbel, mit denen die Räume möbliert waren. Er stieg auf einen Holzstuhl und schaute aus dem Fenster.

»Tante Lisa, Tante Lisa«, rief er aufgeregt. Unter ihrem Fenster lag ein sehr großer Obstgarten, in dem sich eine Vielzahl trächtiger Säue tummelte.

Der Anblick war für Gunnar ein aufregendes Erlebnis. Nicht so für seine Tante. Die seufzte und wünschte, die Fenster würden nach der anderen Seite des Hauses liegen.

Bei den Grafen von Auersfelden hatte sie wahrlich besser gewohnt! Aber was wollte sie machen? Sie musste froh sein, diese Stellung bekommen zu haben. Sie ging zu Gunnar und strich ihm zärtlich über das blonde Haar.

»Komm, hilf mir auspacken«, sagte sie.

Lisa Breitenborn besaß einen Sinn für Gemütlichkeit. Sie hängte Bilder an die kahlen Wände und legte auf den hässlichen Tisch eine hübsche Decke. Die schadhaften Stellen im Stoff des Sofas verdeckte sie durch bunte Kissen.

Anschließend wirkte das nüchterne Wohnzimmer schon wesentlich freundlicher.

An diesem Abend suchte sie mit Gunnar noch die Kindergärtnerin von Alteneichen auf und stellte ihn vor.

Das freundliche junge Mädchen reichte ihr und dem Buben die Hand.

»Es wird dir bei uns gefallen«, versicherte sie dem Kleinen, der einen Kindergarten bisher nur vom Hörensagen kannte.

Gunnar nickte zwar, schmiegte sich aber ängstlich an seine Tante.

♥♥♥

Vom nächsten Morgen an änderte sich Gunnars Leben von Grund auf. Er konnte nicht mehr wie früher ausschlafen, sondern wurde von Tante Lisa schon sehr zeitig geweckt. Sie hatte ihn am Vorabend bereits gründlich gewaschen. Jetzt fuhr sie ihm nur mit einem nassen Waschlappen durchs Gesicht, kämmte ihm die Haare und hielt ihn an, sich die Zähne zu putzen.

»Komm, wir müssen uns beeilen«, drängte sie ihn dann.

Sie nahm ihn an die Hand und zog ihn mit sich dem Herrenhaus zu. Sie gingen durch den Hintereingang und suchten die große Gutsküche mit ihren Wirtschaftsräumen auf, die im Kellergeschoss des Hauses lag.

»Warum sind hier Gitter vor den Fenstern?«, wollte Gunnar wissen.

Tante Lisa werkte bereits am Herd und sah ihn nur kurz über die Schulter hinweg an.

»Wegen der Diebe«, sagte sie knapp. Sie hatte einen hochroten Kopf und schien furchtbar in Eile zu sein.

»Geh zur Seite«, wies sie ihn zurecht, als er zu nahe an den Herd herankam.

Da flüchtete Gunnar ängstlich und setzte sich an den großen Tisch.

Fremde Mädchen kamen in die Küche und warfen ihm einen flüchtigen Blick zu, einige lächelten ihn auch freundlich an.

Tante Lisa hatte einen großen Topf Milchsuppe gekocht.