Lore-Roman 224 - Renate Busch - E-Book

Lore-Roman 224 E-Book

Renate Busch

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Beschreibung

Bevor Sabines Karriere als Schauspielerin überhaupt Ruhm und Erfolg verspricht, muss sie schweren Herzens die Bühne verlassen und zu ihrem früheren Beruf als Dolmetscherin zurückkehren. Doch dann erhält sie überraschend ein letztes Angebot - ihre bislang größte und zugleich anspruchsvollste Rolle: Für zwei Wochen soll sie Fürstin Christine verkörpern und die Adelige während eines wichtigen Besuchs vertreten. Obwohl sie der Fürstin zum Verwechseln ähnlich sieht, zweifelt Sabine zunächst, ob sie dieser Aufgabe gewachsen ist. Schließlich zwingt sie ihre Geldnot, das Angebot anzunehmen. Im Schloss taucht sie als Double nicht nur in das prunkvolle Leben der Fürstin ein, sondern begegnet auch deren Ehemann, Fürst Gregor - der sie unweigerlich in seinen Bann zieht und die Grenze zwischen Realität und Schauspiel gefährlich verschwimmen lässt ...

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Seitenzahl: 133

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

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Ein Double für Fürstin Christine

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Impressum

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsbeginn

Impressum

Ein Double für Fürstin Christine

Wenn aus einer Täuschung Liebe wird

Von Renate Busch

Bevor Sabines Karriere als Schauspielerin überhaupt Ruhm und Erfolg verspricht, muss sie schweren Herzens die Bühne verlassen und zu ihrem früheren Beruf als Dolmetscherin zurückkehren. Doch dann erhält sie überraschend ein letztes Angebot – ihre bislang größte und zugleich anspruchsvollste Rolle: Für zwei Wochen soll sie Fürstin Christine verkörpern und die Adelige während eines wichtigen Besuchs vertreten. Obwohl sie der Fürstin zum Verwechseln ähnlich sieht, zweifelt Sabine zunächst, ob sie dieser Aufgabe gewachsen ist. Schließlich zwingt sie ihre Geldnot, das Angebot anzunehmen. Im Schloss taucht sie als Double nicht nur in das prunkvolle Leben der Fürstin ein, sondern begegnet auch deren Ehemann, Fürst Gregor – der sie unweigerlich in seinen Bann zieht und die Grenze zwischen Realität und Schauspiel gefährlich verschwimmen lässt ...

Unter dem Applaus der Zuschauer fiel der letzte Vorhang. Sabine schlüpfte in ihre Garderobe und ließ sich müde auf einen Stuhl sinken, streckte die langen schlanken Beine von sich und nahm die dunkle Perücke ab.

Ach, hätte der Beifall des Publikums doch ihr gegolten! Aber eine kleine Anfängerin wurde gar nicht bemerkt. Heute hatte sie zum letzten Mal auf der Bühne gestanden. Sie hatte als Schauspielerin versagt, genau wie Tante Ada es prophezeit hatte.

»Du kommst aus gutbürgerlichem Hause, mein liebes Kind, und musst auch einen gutbürgerlichen Beruf ergreifen«, pflegte sie zu sagen, wenn Sabine begeistert von ihren hochtrabenden Plänen erzählte.

Diese Theorie war zwar inzwischen überholt, aber in ihrem Falle hatte die Tante recht gehabt.

Das junge Mädchen setzte sich vor den Spiegel und griff nach einem Abschminktuch. Ein trauriges, abgespanntes Gesicht blickte ihr entgegen.

Sabine rieb sich die Schminke von der Hand. Sie tat es mechanisch, aber sehr gründlich, wie sie es gelernt hatte.

Gleich nach Tante Adas Tod hatte sie die Schauspielschule besucht und den Beruf einer Dolmetscherin aufgegeben. Das von der Tante geerbte kleine Vermögen war dabei draufgegangen. Jetzt musste sie kündigen, weil sie von dem kargen Gehalt nicht leben konnte.

Aus – vorbei! Es war sinnlos, über Unwiederbringliches nachzudenken. So hilflos stand sie schließlich nicht da. Sie hatte einen Beruf, auf den sie zurückgreifen konnte. Sie musste sich daran gewöhnen, acht Stunden lang den Bürostuhl zu drücken.

Für Peter würde ihr Berufswechsel allerdings ein harter Schlag sein. Er verabscheute bürgerliche Berufe. Er war sehr stolz darauf, dass seine zukünftige Frau Schauspielerin war.

»Du wirst einmal ganz groß«, hatte er geschwärmt. »Dann schreibe ich für dich ein Stück, womit wir auf Tournee gehen.«

Ach, es war herrlich gewesen, Luftschlösser zu bauen. Aber das war nun vorbei.

Sabine streifte das Kostüm ab, zog ihr Kleid über und kämmte ihr blondes Haar. Peter behauptete immer, die schwarze Perücke verändere sie unheimlich und erinnere an Fürstin Christine. Das war natürlich Unsinn. Peter dachte sich oftmals wunderbare Dinge aus.

Sie verzichtete auf ein neues Make-up. Sie hatte ja an diesem Abend nichts vor, nur den einen Wunsch – ins Bett zu sinken.

So – fertig! Sie packte ihre Sachen zusammen, warf noch einen wehmütigen Blick zurück und begab sich zum Bühnenausgang. Beim Laufen schlug sie den Mantelkragen hoch. Vor Stunden hatte ein eisiger Wind gepfiffen. Jetzt würde es kaum besser sein. Sie klemmte die Handtasche unter den Arm und steckte die Hände in die Taschen. Dann öffnete sie die Tür, schlüpfte hindurch und sah die beiden Männer erst, als sie sich ihr in den Weg stellten.

Entsetzt starrte sie die beiden an. Man las von Überfällen und ähnlichen schlimmen Dingen in der Zeitung. Sie wollte schreien, doch der Schreck saß ihr so in den Gliedern, dass sie einfach keinen Ton herausbekam.

»Erschrecken Sie nicht«, sagte einer der beiden Herren. Seine Stimme klang angenehm.

Sabine brachte ein klägliches Lächeln zustande.

»Was ... was wollen Sie denn von mir?«, stammelte sie.

»Wir möchten Sie in einer dringenden Angelegenheit sprechen«, sagte der erste und lächelte.

»Worüber? Sie müssen sich irren, ich kenne Sie nicht.«

Sabine wurden die Männer immer unheimlicher. Einer der beiden griff in seine Manteltasche. Sabine hielt unwillkürlich die Luft an. Zog er am Ende eine Pistole? Er hielt ihr plötzlich etwas vor die Nase. Einen Ausweis!

Sabine blickte ein bisschen ratlos auf das Stückchen Papier. Es war hier viel zu dunkel, um etwas darauf zu erkennen.

»Mein Kollege und ich sind Staatsbeamte, gnädiges Fräulein«, sagte er mit Nachdruck und gewissem Stolz.

Sabine lächelte hilflos. »Das ist schon möglich. Aber ich möchte nach Hause, der Tag war lang. Ich bin schrecklich müde.«

»Das glauben wir Ihnen gern, gnädiges Fräulein, aber unsere Mission duldet keinen Aufschub.«

»Mission?«, fragte Sabine.

»Kennen Sie vielleicht hier in der Nähe ein Lokal? Dort können wir alles in Ruhe besprechen«, schlug einer der beiden vor.

Sabine war nun neugierig geworden. »Na gut«, sagte sie zögernd.

Dann ging sie zwischen den Fremden die leere Straße hinab. Die Laternen spendeten nur spärliches Licht.

***

Sabine führte die Männer in das Theaterlokal. Die Gaststätte war bis auf wenige Fremde leer.

»Guten Abend, Sabine«, begrüßte sie der Wirt.

»Guten Abend«, erwiderte Sabine mechanisch.

Sie merkte, wie interessiert der Wirt ihre Begleiter musterte. Nun, es war ja auch ungewöhnlich, dass sie zu dieser späten Stunde mit zwei fremden Männern hier auftauchte.

Im hellen Schein der Deckenbeleuchtung sah Sabine, dass die beiden Herren wirklich keinen schlechten Eindruck machten.

Sie waren äußerst korrekt, wenn auch nicht modisch gekleidet.

Sie steuerten sofort auf den Tisch in der Nische zu.

»Könnte ich Ihre Ausweise noch einmal sehen? Vorhin war es zu dunkel«, sagte Sabine, als sie sich gesetzt hatten.

»Sicherheitsbeamter«, entzifferte sie und erschrak. Was hatte sie mit dem Sicherheitsdienst zu tun? Ihr erster Gedanke galt Peter. Sollte er irgendetwas angestellt haben? Wollte man sie über ihn ausfragen?

Der Wirt kam an den Tisch. Sabine sah, wie eingehend er ihre Begleiter musterte.

Die beiden bestellten Bier und Sabine einen Fruchtsaft.

»Sie sind Schauspielerin«, begann der eine.

»Erst Anfängerin«, erklärte sie und errötete.

Die beiden nickten.

»Hätten Sie Lust, sich einen schönen Batzen Geld zu verdienen? Ich nehme doch an, eine Anfängerin wird nicht gut bezahlt, oder?«

»Natürlich nicht«, antwortete Sabine und dachte daran, dass sie bisher stets noch etwas hatte zusetzen müssen.

»Aber einen großen Batzen Geld verdient man gewöhnlich nicht auf normale Art und Weise«, meinte sie nachdenklich.

Einer der Herren verzog sein ernstes Gesicht zu einem Lächeln.

»Da haben Sie allerdings recht.«

Sabine nickte und lächelte ein wenig bitter. Sie hatte es gewusst, der Pferdefuß an der Geschichte zeigte sich bestimmt.

»Also, um zur Sache zu kommen«, der Erste räusperte sich und setzte sich korrekt hin. »Sie sind Schauspielerin und können sich daher gut in die Rolle eines anderen Menschen versetzen.«

Bevor Sabine einwerfen konnte, dass sie früher einmal geglaubt hatte, es zu vermögen, aber sie sei sich jetzt durchaus nicht mehr so sicher, fuhr er bereits fort: »Wir hätten eine sehr interessante Aufgabe für Sie.«

»Und die wäre?«, fragte sie kurz. Sie hatte es satt, sich noch länger auf die Folter spannen zu lassen.

»Bevor wir Sie Ihnen mitteilen, müssen Sie uns versichern, absolutes Stillschweigen über die Dinge zu bewahren, die wir Ihnen anvertrauen. Es handelt sich um Staatsgeheimnisse.«

Sabine erschrak und war plötzlich voller Abwehr. Sie wollte sich nicht mit so hochdramatischen Dingen belasten. Ihr Leben war schon kompliziert genug.

»Ich möchte nicht in Dinge verwickelt werden ...«, begann sie, wurde jedoch kurzerhand durch ein Abwinken unterbrochen.

»Sie sollten sich erst anhören, was wir Ihnen zu sagen haben, bevor Sie ablehnen. Allerdings müssten Sie uns Stillschweigen versprechen.«

»Ich kann und werde über das schweigen, was Sie mir anvertrauen«, sagte sie fest.

Da nickten die Männer befriedigt.

»Hat Ihnen noch niemand gesagt, wie sehr Sie unserer verehrten Fürstin ähneln?«, meinte einer der Beamten.

Sabine zuckte zusammen. »Doch – natürlich«, stammelte sie. »Aber was hat ...«

Beide nickten erfreut.

»Sie müssten allerdings die schwarze Perücke tragen, dann sehen Sie ihr zum Verwechseln ähnlich.«

Bevor Sabine wieder eine Zwischenfrage stellen konnte, fuhr der andere fort:

»Nun haben wir folgende Situation: Wir erwarten hohen Staatsbesuch. Aus dem Grunde sind schon Vorbereitungen getroffen worden. Der Höhepunkt des Besuches soll ein großer Ball sein.«

Sabine hörte mit wachsendem Erstaunen zu. Sie kannte die Residenz und den Hof von Weitem. Das fürstliche Paar war ihr nur von Abbildungen bekannt.

»Das zu erwartende ausländische Herrscherpaar legte allergrößten Wert darauf, Fürstin Christine kennenzulernen.«

Sabine nickte. Das konnte sie verstehen.

»Leider ist die Fürstin jedoch erkrankt ...«

»Wie bedauerlich«, bemerkte Sabine spontan. »Hoffentlich nicht ernsthaft.«

Die Männer wechselten einen kurzen Blick.

»Das muss sich erst herausstellen. Bisher sind sich die Ärzte über die Diagnose noch nicht einig. Es weiß auch noch niemand von dieser Krankheit ... außer den nächsten Familienangehörigen, wir und Sie!«

»Aber warum ich?«, fragte Sabine.

»Weil ... wir hoffen, Sie erklären sich dazu bereit, die Fürstin während des ausländischen Besuchs zu vertreten«, meinte einer der Herren.

Sabine starrte ihn entsetzt an. »Das ... das verstehe ich nicht«, murmelte sie endlich.

»Aber da gibt es doch nicht viel zu verstehen, Fräulein Richter«, sagte nun der andere Beamte sanft. »Sie sehen wie die Fürstin aus, vorausgesetzt, man macht Sie entsprechend zurecht. Sie sind durch Ihren Beruf dazu prädestiniert, eine Fürstin zu verkörpern. Leider ... können wir es uns nicht leisten, die hohen Gäste wieder auszuladen. Es steht für uns zu viel auf dem Spiel. Das Wichtigste bei diesem Besuch ist ein Vertrag, der bei dieser Gelegenheit unterschrieben werden soll.« Er seufzte. »Wir haben leider aus sicherer Quelle Informationen erhalten, dass eine ausländische Großmacht diesen Vertrag noch im letzten Moment zum Platzen bringen will. Ein Aufschub des Besuches des fürstlichen Paares wäre darum sehr zu unserem Schaden. Für unser Land ist die Unterzeichnung des Vertrages ungeheuer wichtig.«

Sabine schwirrte der Kopf.

»Ich ... ich begreife noch immer nicht ganz«, murmelte sie hilflos. Dabei hatte sie doch längst begriffen, um was es ging; aber ihr Verstand weigerte sich, das Ungeheuerliche als Tatsache hinzunehmen.

»Sie sollen die Fürstin vertreten.«

»Aber das kann ich doch nicht«, erwiderte Sabine. »Ich bin keine Herrscherin.«

»Sie sind auch nicht jene Person, die Sie auf der Bühne verkörpern«, sagte einer der Herren sanft. »Wir können natürlich verstehen, dass Sie im ersten Moment bestürzt sind und vor der Aufgabe Angst haben. Aber der Fürst wird Ihnen ja immer zur Seite stehen.«

»Der Fürst«, wiederholte Sabine entsetzt. Wenn die Herren nun dachten, der Gedanke sei ihr tröstlich oder gar beruhigend, irrten sie sich. Sie schüttelte traurig den Kopf. »So ... gern ich Ihnen helfen würde, ich fürchte, ich bin der Aufgabe nicht gewachsen«, gestand sie verzagt.

Da hörte sie zum ersten Mal einen sehr gereizten Unterton in der Stimme des einen Beamten.

»Glauben Sie nicht, es uns überlassen zu müssen, die Dinge zu überprüfen? Außerdem darf ich Sie vielleicht daran erinnern, dass Sie diese Rolle nicht umsonst spielen sollen. Ihnen wird selbstverständlich auch die Garderobe gehören, die Sie während der Veranstaltungen und Empfänge tragen werden.«

»Natürlich ist das ein verlockendes Angebot«, murmelte Sabine.

»Na, sehen Sie, endlich werden Sie vernünftig.« Die Herren atmeten erleichtert auf. »Wo wohnen Sie?«

Sabine nannte ihre Adresse. Einer der Beamten schrieb bereits mit.

»Morgen Vormittag um acht Uhr dreißig werden Sie mit einem Auto abgeholt und in den Palast gebracht. Seien Sie bitte pünktlich. Und denken Sie stets daran, dass wir Ihrer Diskretion sicher sein müssen, andernfalls ...« Er sah dem Mädchen fest in die Augen.

»Ich werde schweigen, außerdem komme ich bis morgen früh schwerlich noch mit jemand zusammen.«

»Umso besser. Sie wohnen demnach also allein – ohne Familie?«

»Ich habe keine Familie.«

»In diesem Fall passt das großartig. Es verhindert unnötige Komplikationen«, meinte einer der Beamten ungerührt. »Sie gestatten uns nun wohl, dass wir Sie nach Hause bringen?«

Sabine nickte.

Einer der Männer zahlte; er musste wohl reichlich Trinkgeld gegeben haben. Der Wirt bedankte sich und verbeugte sich dabei.

»Gute Nacht«, sagte Sabine und lächelte ihm zu.

»Gute Nacht, Sabine!«, rief er ihr nach.

Bald darauf saß sie in einer schwarzen Limousine und fuhr durch die dunklen Straßen. Die beiden Männer lieferten sie an ihrer Haustür ab.

»Schlafen Sie gut, und seien Sie morgen früh pünktlich«, gaben sie ihr mit auf den Weg.

Als Sabine in ihrer kleinen Dachstube stand, fragte sie sich, ob sie nicht alles geträumt habe.

***

Am nächsten Morgen erwachte Sabine frisch und ausgeruht. Sofort waren ihr die Ereignisse des vergangenen Abends wieder gegenwärtig. Zugleich stellte sich eine gewisse prickelnde Nervosität und ein Gefühl der Erwartung ein.

Durfte sie tatsächlich die Rolle Fürstin Christines übernehmen?

Sabine sprang mit beiden Beinen zugleich aus ihrem knarrenden, altersschwachen Bett. Eigentlich war das alles so fantastisch, dass man es kaum zu begreifen vermochte.

Sie kochte sich auf dem elektrischen Kocher Tee, aß einige Schnitten Brot. Sie hatte diesmal einen schlichten Sportrock und eine Hemdbluse gewählt. Sicher war ihr Äußeres alles andere als vornehm, aber sie wollte, dass man im Schloss sofort begriff, wer sie war. Ein schlichtes, einfaches bürgerliches Mädchen. Im letzten Moment fiel ihr Peter ein. Himmel, er wollte sie gegen Mittag abholen! Schon setzte sie sich hin und schrieb: Ich musste dringend fort und weiß noch nicht, wann ich zurück bin.

Die Zeilen würden Peter bestimmt nicht befriedigen, das wusste sie. Sie kannte seine schreckliche Eifersucht, die sie schon oft an den Rand der Verzweiflung gebracht hatte.

Sabine fühlte sich wie ein Kind am Heiligen Abend, als sie fertig angekleidet dastand und wartete. Schon klingelte es. Sie schaute auf die Uhr. Es war genau halb neun.

»Auf ins Abenteuer!«, murmelte sie, als sie die Treppen hinuntereilte. An der Tür standen wieder die beiden Herren vom vergangenen Abend und zogen grüßend ihre steifen Hüte.

»Guten Morgen«, grüßte Sabine befangen.

»Guten Morgen«, gaben sie ein wenig reserviert zurück.

»Steigen Sie bitte ein!«

Der Wagen stand in unmittelbarer Nähe. Diesmal wurde er von einem uniformierten Chauffeur gelenkt. Er saß so gerade hinter dem Lenkrad, als habe er einen Stock verschluckt.

»Wie haben Sie geschlafen?«, erkundigte sich einer der beiden Beamten höflich.

»Ausgezeichnet«, antwortete Sabine wahrheitsgemäß.

»Das ist gut, sehr gut«, lobte man sie darauf.

Nach kurzer Zeit hielten sie vor dem großen schmiedeeisernen Portal, das Tag und Nacht von Militär bewacht wurde.

Ein junger Soldat trat an den Wagen heran. Einer der beiden Sicherheitsbeamten sagte ihm das Losungswort. Sofort stand der Soldat stramm, der Wagen rollte sanft an ihm vorüber in den fürstlichen Park hinein.

Sabine kam sich plötzlich wie in eine andere Welt versetzt vor.

Das Schloss lag vor ihr. Bisher kannte sie es nur von Abbildungen. Unbefugte hatten im fürstlichen Palast natürlich nichts zu suchen.

»Wir sind da«, stellte einer der Herren überflüssigerweise fest, als der Wagen hielt. Der andere stieg aus und half Sabine fürsorglich beim Aussteigen.

»Kommen Sie«, drängte der Erste wieder, als Sabine stehen blieb und wie verzaubert den großen Palast mit seinen vielen Zinnen, Türmchen und seinen schier unzähligen Fenstern betrachtete.

Sabines Herz klopfte heftig, als sie an der Seite der beiden Beamten die riesengroße Empfangshalle betrat. Auf dem traumhaft schönen Mosaikboden lag ein riesiger, wertvoller Perserteppich. Einige kleine Sesselgruppen im Rokokostil und herrliche Gemälde an den Wänden, ein großer Kronleuchter in der Mitte des Raumes vervollständigten das Bild.

Sie schritt über Läufer und Teppiche, in denen ihre Füße fast versanken. Ach, sie kam sich hier so erbärmlich klein und unbedeutend vor. Ihr Mut vom Morgen war plötzlich wieder verschwunden.

Die Männer brachten sie in den Salon. Dort warteten eine ältere Dame und ein Herr auf Sabine.

»Das ist Fräulein Sabine Richter«, stellte einer der Sicherheitsbeamten Sabine vor.

Es zeigte sich, dass der anwesende Herr ein Figaro und die anwesende Dame Gräfin Holdersleben war.

Die Gräfin reichte Sabine ihre Fingerspitzen. Sabine sah einen riesengroßen Brillanten funkeln, als sie sich instinktiv über die Rechte der alten Dame beugte und sie verehrungsvoll küsste.

Offenbar schien sie das Richtige getan zu haben, denn die Gräfin verzog ihren Mund zu einem kleinen Lächeln.

»Wo bleibt ...«, begann einer der Beamten.

Da klopfte es kurz. Im nächsten Moment kam ein unglaublich dünner Mann herein.

»Fräulein Richter, Baron Orschinsky«, stellte die Gräfin vor. »Baron Orschinsky ist der Zeremonienmeister.«

»Nun?« Einer der Beamten sah sich im Kreise um.